Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 13.03.2019, Az.: 1 LA 44/18

Beiladung; Doppelhaus

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
13.03.2019
Aktenzeichen
1 LA 44/18
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2019, 69698
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 25.01.2018 - AZ: 4 A 2160/17

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zu den Voraussetzungen, unter denen die Bauaufsichtsbehörde dem Bauherrn abverlangen kann, sein Wohnhaus an ein grenzständiges Gebäude anzuschließen.

Tenor:

Der Antrag der Beklagten, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover – 4. Kammer (Einzelrichterin) – vom 25. Januar 2018 zuzulassen, wird abgelehnt.

Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 22.500,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Beteiligten streiten darum, ob die Klägerin, wie die Beklagte meint fordern zu dürfen, das Grundstück C. D. nur so bebauen darf, dass sie das geplante 8-Parteien-Wohnhaus bündig an das Gebäude anschließt, welches mit Bauschein der Beklagten vom 16. Dezember 1991 auf dem nordwestlich anschließenden Grundstück C. E. grenzständig entstanden ist. Die Klägerin möchte hingegen mit Abstand von 0,5 H ein freistehendes Gebäude errichten, um so die nordwestlich gelegenen Wohnungen mit Fenstern versehen zu können.

Die Grundstücke Nrn. E. und D. liegen im Geltungsbereich des 1969 rechtsverbindlich gewordenen Bebauungsplanes der Beklagten Nr. F.. Dieser setzt für die an seinem Westrand liegenden Grundstücke allgemeines Wohngebiet bei offener Bauweise mit zwei Vollgeschossen fest. Bei Planaufstellung waren die beiden Grundstücke C. Nrn. E. und D. mit zwei aneinanderstoßenden Gebäuden bebaut. Auf dem klägerischen Grundstück war dies das anderthalbgeschossige Gebäude, das noch immer auf den street-view-Bildern von google-maps zu sehen ist und etwa mittig mit einer Art Zwerchhaus versehen ist. Auf dem Nachbargrundstück Nr. E. stand ein Gebäude, das – gleichfalls anderthalbgeschossig – die gleiche Breite hatte, d. h. im Grenzbereich bündig anschloss, aber etwa doppelt so lang war wie das vorhandene klägerische. Mit dem genannten Bauschein vom 16. Dezember 1991 ersetzte es dessen Eigentümer durch einen zweieinhalbgeschossigen Baukörper, dessen Südostgiebelseite ziemlich genau auf den Konturen/der Silhouette des vorhandenen Baus (Nr. D.) aufsetzt. Im Norden geht er leicht über den Vorgängerbau hinaus und knickt – von der gemeinsamen Grenze aus betrachtet – nach etwa einem Drittel der Strecke im 135°-Winkel nach Westen ab. Etwa im „Knickbereich“ krönt ein Türmchen das Gebilde. Das neue Gebäude hat etwa das zwei- bis dreifache Volumen des Gebäudes, das die Klägerin mit der streitigen Baumaßnahme ersetzen will. Die Bauakten beider Grundstücke enthalten zur Grenzbebauung keine Baulasten oder in irgendeiner Weise objektivierte Erklärungen.

Unter dem 21. April 2016 fragte die Klägerin bei der Beklagten an, ob es zulässig sei, das vorhandene grenzständige Gebäude abzureißen und durch einen freistehenden, nach Norden 0,5 H einhaltenden zweieinhalbgeschossigen Neubau mit acht Wohnungen zu ersetzen. Die Beklagte lehnte das mit Bescheid vom 28. Juli 2016 und der Begründung ab, zulässig sei nur eine Bebauung, die bündig an den 1991 entstandenen Baukörper anschließe.

Der nach Zurückweisung des Widerspruchs (Bescheid vom 7. Februar 2017) erhobenen Klage hat das Verwaltungsgericht mit der angegriffenen Entscheidung, auf deren Einzelheiten Bezug genommen wird, und im Wesentlichen folgender Begründung stattgegeben:

Das Vorhaben entspreche den Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr. F.. Einzelhäuser seien dort zulässig. Die – auszugsweise zitierte (4 C 12.98) – Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Begriff des Doppelhauses biete keine Grundlage, der Klägerin einen Anbau abzuverlangen. Ob das bei Planaufstellung auf dem Grundstück Nr. E. stehende Gebäude danach als Doppelhaushälfte hätte angesehen werden können, sei zweifelhaft, da es doppelt so lang gewesen sei. Die jetzt vorhandenen Gebäude Nrn. E. und D. stellten danach kein Doppelhaus dar. Mit Errichtung des Hauses Nr. E. sei ein ursprünglich unter Umständen vorhandenes nachbarschaftliches Austauschverhältnis einseitig aufgekündigt worden. Zwar grenzten die Giebelwände weitgehend deckungsgleich aneinander. Das neue Gebäude Nr. E. sei jedoch mindestens doppelt so groß wie das auf Nr. D., zweieinhalbgeschossig und anders gestaltet. Die 1991 erteilte Baugenehmigung sei zwar möglicherweise rechtswidrig, aber bestandskräftig. Eventuelle Abwehrrechte seien verwirkt. Sodann heißt es:

In einer solchen Situation kann sich nach Auffassung des Gerichts aus der oben beschriebene Doppelhaussystematik des Bundesverwaltungsgerichts keine Anbauverpflichtung der Klägerin ergeben. Die Doppelhausbauweise setzt den wechselseitigen Verzicht auf seitliche Grenzabstände an der gemeinsamen Grundstücksgrenze voraus, um die bauliche Nutzbarkeit häufig schmaler Grundstücke in der offenen Bauweise zu erhöhen und eine in der offenen Bauweise materiell rechtmäßige Bauweise zu erreichen. Allein im Verzicht auf die Geltendmachung von Abwehrrechten gegen die 1991 erteilte Baugenehmigung kann ein derart wechselseitiger Verzicht nicht gesehen werden. Denn hier liegt bereits keine Grundstückssituation vor, in der die bauliche Nutzbarkeit schmaler Grundstücke in der offenen Bauweise durch Grenzanbau zu beiderseitigem Nutzen erhöht werden könnte. Die Grundstücke C. E. und D. können nicht als schmal bezeichnet werden. Sie sind 1040 m² bzw. 1.300 m² groß und rechteckig geschnitten, wobei sich das Grundstück Nr. E. entlang der C. erstreckt, während Nr. D. der Straße seine Schmalseite zuweist. Beide Grundstücke können den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. F. entsprechend mit freistehenden zweigeschossigen Wohnhäusern auskömmlich bebaut werden, ohne auf eine Doppelhauslösung zurückgreifen zu müssen.

Die Beklagte weist zwar zu Recht darauf hin, dass die von der Klägerin geplante freistehende Bauweise zu einer freien grenzständigen Brandwand auf dem Grundstück C. E. führt, was in der offenen Bauweise städtebaulich unerwünscht ist. Dieser städtebauliche „Missstand“ ist aber in erster Linie auf die 1991 für das Gebäude C. E. erteilte Baugenehmigung zurückzuführen. Eine Verpflichtung des Nachbarn, diesen Missstand zu vermeiden und dazu auf eine ihm durch die Festsetzungen des Bebauungsplans garantierte Bebauungsmöglichkeit für sein eigenes Grundstück zu verzichten, vermag das Gericht nicht zu erkennen.

Aus bauordnungsrechtlichen Vorschriften ergebe sich gleichfalls keine Anbauverpflichtung der Klägerin. Maßgeblich sei § 5 Abs. 5 Satz 2 NBauO 2012. Danach dürfe, müsse aber nicht angebaut werden. Eine § 8 Abs. 3 Satz 3 NBauO 2003 entsprechende Vorschrift, bei „untragbaren Verhältnissen“ einen Anbau an vorhandene Grenzbebauung verlangen zu können, sei 2012 nicht in die NBauO aufgenommen worden.

Hiergegen richtet sich der auf alle Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO gestützte Zulassungsantrag der Beklagten, dem die Klägerin entgegentritt.

Der Antrag hat keinen Erfolg.

Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen vor, wenn es dem Zulassungsantragsteller gelingt, einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten so in Frage zu stellen (BVerfG, 2. Kammer des Ersten Senats, B. v. 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458, 1459 = NVwZ 2000, 1163 = NdsVBl. 2000, 244), dass sich hierdurch etwas am Ergebnis der angegriffenen Entscheidung ändert; dieses entscheidet. Der Erfolg des Rechtsmittels muss nicht wahrscheinlicher sein als der Misserfolg (BVerfG, B. v. 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 -, BVerfGE 110, 77 = UPR 2004, 305 = NJW 2004, 2510). Das Zulassungsverfahren soll nicht das Berufungsverfahren vorwegnehmen (BVerfG, 3. Kammer des Ersten Senats, B. v. 21.1.2009 - 1 BvR 2524/06 -, NVwZ 2009, 515 = UPR 2009, 182 = JZ 2009, 850).

Das darzutun ist der Beklagten nicht gelungen.

Die Beklagte bleibt tragfähige Grundlagen für die Annahme schuldig, sie könne trotz 1969 festgesetzter offener Bauweise, trotz unter dem 24. Februar 2000 (- 4 C 12.98 -, BVerwGE 110, 355 = ZfBR 2000, 415 = BauR 2000, 1168 = DVBl 2000, 1338 = NVwZ 2000, 1055 = UPR 2000, 453 = BRS 63 Nr. 185; bestätigt unter anderem in den Urteilen vom 5.12.2013 - 4 C 5.12 -, BVerwGE 148, 290 = BauR 2014, 658 = BRS 81 Nr. 108, sowie vom 19.3.2015 - 4 C 12.14 -, BauR 2015, 1309 = ZfBR 2015, 574 = UPR 2015, 314 = NVwZ 2015, 1769 = BRS 83 Nr. 114) vom Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich bewerkstelligter Klärung, was allein unter einem Doppelhaus im Sinne des § 22 Abs. 2 BauNVO (alle Fassungen) zu verstehen ist, schließlich trotz fehlender Baulast sowie sonstiger Vereinbarungen zwischen den Grundstückseigentümern C. E. und D. der Klägerin abverlangen, sich bei ihrem Neubauvorhaben an die Rechtsauffassungen zu halten, die bei Erlass des Bebauungsplans Nr. F. sowie bei Errichtung des vorhandenen Gebäudes Nr. E. (1991) bestanden haben (mögen). Für eine solche Annahme sind auch keine tragfähigen Anhaltspunkte ersichtlich.

Wer bauen will, hat sich an die Regelungen zu halten, welche bei Entscheidung über sein Baugesuch oder – wie hier – seine Bauvoranfrage gelten.

Der Bebauungsplan der Beklagten Nr. F. lässt offene Bauweise, darin auch Doppelhäuser, zu. Was darunter zu verstehen ist, richtet sich nicht nach der Rechtsauffassung und Praxis, welche bei Erlass des Bebauungsplanes vorgeherrscht haben mögen. Hat das Bundesverwaltungsgericht, wie hier mit den o.g. Entscheidungen geschehen, den schon in der hier wohl maßgeblichen Baunutzungsverordnung vom 26. Juni 1962 (BGBl. I S. 429) verwandten Begriff des Doppelhauses (§ 22 Abs. 2 Satz 1) geklärt, dann ist diese authentische Auslegung des Gesetzes im Ausgangspunkt maßgeblich.

Danach verlangt das Gesetz, dass zwei Gebäude auf benachbarten Grundstücken stehen und so aneinandergebaut werden, dass sie zu einer Einheit werden. Die beiden Baukörper dürfen nicht als zwei selbständige Baukörper erscheinen, sondern müssen – wertend beurteilt nach quantitativen und qualitativen Gesichtspunkten – in wechselseitig verträglicher und abgestimmter Weise aneinandergebaut werden/worden sein, um als Doppelhaus zu gelten. Danach hängt die Entscheidung nicht allein davon ab, dass die Gebäude an der gemeinsamen Grundstücksgrenze aneinandergebaut sind. Hinzukommen muss vielmehr ein Mindestmaß an Übereinstimmung. Dieses ist nicht abstrakt-generell oder mathematisch-prozentual nach bestimmten quantitativen und/oder qualitativen Gesichtspunkten vorzunehmen. Maßgeblich ist vielmehr, dass dies bei würdigender Betrachtung im Hinblick auf die Kriterien Bautiefe, Gebäudehöhe, Raumvolumen und Geschossigkeit anzunehmen ist. Die beiden Grundstücksnachbarn müssen dazu das in der offenen Bauweise an sich zu beachtende Gebot, im Interesse des Stadtbildes mit Grenzabstand zu bauen, auf der Grundlage der Gegenseitigkeit überwunden haben.

Danach ergibt gerade die von der Beklagten in der Zulassungsantragsbegründung vielfach angemahnte Betrachtung der historischen Bauabfolge:

Es ist schon zweifelbehaftet, ob die bei Erlass des Bebauungsplans Nr. F. grenzständig vorhandene Bebauung auf den Grundstücken C. Nrn. E. und D. diese Merkmale erfüllte. Dagegen könnte sprechen, dass der Baukörper auf dem Grundstück Nr. E. etwa doppelt so lang war wie das auf dem Grundstück Nr. D..

In jedem Fall und sehr eindeutig verließ aber die am 16. Dezember 1991 genehmigte und dann auch durchgeführte Baumaßnahme den Hof dessen, was noch als Doppelhaus anzusehen ist/sein kann. Auf die entsprechenden und zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts wird gem. § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. Schon ein Blick auf die google-maps-Fotografien sowie die Bauzeichnungen zeigt geradezu handgreiflich und augenfällig, dass das Haus Nr. D. nunmehr allenfalls eine Art Wurmfortsatz des nach Vollgeschossen, umbautem Raum und Gebäudelänge, aber auch seinen Nutzungen eindeutig dominierenden Gebäudes Nr. E. ist, das vollständig und irreversibel verlassen hat, was man noch als Wechselbezüglichkeit der Baumaßnahmen hätte ansehen können. Das bedarf keiner näheren Darlegung.

Ein Baugeschehen, das noch in Richtung Doppelhaus hätte weisen können, wurde damit vom Bauherrn im Jahr 1991 gerade nicht in wechselseitiger Abstimmung zur Genehmigung gestellt und fortgeführt. Vielmehr wurde die Möglichkeit, ein Doppelhaus zu erstellen, einseitig ausgeschlagen. Es fehlt jedweder Anhaltspunkt für die Annahme, dies sei in wechselbezüglicher Absicht geschehen. Eine Baulast findet sich in keiner der beiden Bauakten. Die Beklagte spekuliert darüber, das könne nur auf der Grundlage einer nachbarlichen Absprache geschehen sein, welche die Klägerin auch jetzt noch zu grenzständigem Anbau verpflichtete. Sie meint, es sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, die Grundstücksnachbarn hätten sich im Vorfeld der am 16. Dezember 1991 erteilten Baugenehmigung verständigt. Hierfür hat sie indes keinerlei nachvollziehbare Grundlage nachweisen können. Der für das mit Bauschein vom 16. Dezember 1991 abgeschlossene Verfahren angelegte blaue Bearbeitungsbogen (BA 001 zum Verfahren 1 OV 40/18 ganz hinten, kurz vor der Tasche, dort Seite 3) weist unter der Rubrik „Baulast“ keine Eintragungen aus. Die gewählte Bauweise wird unter D Nr. 4 sowie E Nr. 4 ohne weiteres als „zulässig“ angekreuzt. Auch sonst enthalten dieses Schriftstück sowie der Akteninhalt im Übrigen nicht den kleinsten Hinweis darauf, der südöstliche Nachbar sei beteiligt worden.

Gerade die von der Beklagten angeführte frühere Rechtsprechung des Nds. Oberverwaltungsgerichts, § 8 Abs. 3 NBauO a. F. stelle nur an den Teil der Gebäude besondere Anforderungen, die im Bauwichbereich verwirklicht werden sollen (Urt. v. 26.1.1998 -, 6 L 5342/95 -, JURIS-Rdnr. 26), spricht zudem dagegen, dass sich der Bauherr der 1991 durchgeführten Maßnahme um eine wechselseitige Inpflichtnahme des Grundstücks Nr. D. hätte bemühen müssen.

Das schließt natürlich nicht aus, dass es eine solche Absprache gab. Eine solche findet sich indes in keiner der für die benachbarten Grundstücke vorgelegten Bauakten. Wenn die Beklagte meint, das könne auch mündlich geschehen sein, dann hätte sie dazu den Eigentümer des Grundstücks C. E. beteiligten müssen. Es ist keineswegs so, dass erst eine Beiladung des Nachbarn diese Erkenntnisquellen erschließt. § 68 Abs. 2 Satz 2 NBauO erlaubt der Bauaufsichtsbehörde die Beteiligung des Nachbarn vielmehr schon dann, wenn, wie die Beklagte hier ja meint, möglicherweise dessen Rechte verletzt zu werden drohen. Unterlässt die Bauaufsichtsbehörde die naheliegende Möglichkeit der Sachverhaltsaufklärung, dann hat der Senat keinen Anlass, auf der Grundlage einer bloßen Spekulation ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Annahme anzunehmen, hier seien keine Abreden über die Wechselbezüglichkeit der grenznahen Bebauungsmöglichkeiten getroffen worden.

Dass der (u. U.: damalige) Eigentümer des Grundstücks Nr. D. keinen Rechtsbehelf gegen die Baugenehmigung vom 16. Dezember 1991 einlegte, stellt schon für sich genommen nicht die erforderliche positive Erklärung/Maßnahme des Inhalts dar, dieses Grundstücks werde eigene Bauabsichten nur in Fortsetzung des 1991 genehmigten Gebäudes verfolgen. Zudem bestand nach damaliger Sicht der Dinge (Auffassung vom Doppelhaus) auch nach Auffassung der Beklagten ja kaum eine realistische Aussicht, das am 16. Dezember 1991 genehmigte Vorhaben zu Fall bringen zu können. Selbst wenn der Bauherr 1991 die Hoffnung gehabt haben sollte, das Grundstück Nr. D. werde seine künftige Bebauung an seinem Vorhaben (Nr. E.) ausrichten, wäre dies eine rein einseitige Erwartung gewesen, nicht aber Ausdruck wechselseitiger Verabredungen.

Mangels nachgewiesener/plausibler Abreden und Baulasten könnte die Klägerin allenfalls dann zu grenzständigem, entsprechenden Anbau im Sinne von § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO verpflichtet gehalten werden, wenn dies aus einer „seitenverkehrten/spiegelbildlichen“ Anwendung der Grundsätze folgte, die zu § 22 Abs. 3 BauNVO entwickelt worden sind. Diese hatte der Senat in seinem (gleichfalls die Beklagte betreffenden) unveröffentlichten Beschluss vom 19. Oktober 2017 – 1 LA 1/17 – wie folgt zusammengefasst:

Der Kläger kann nicht verlangen, dass die Beigeladene entsprechend § 22 Abs. 3 BauNVO von seinem Grundstück einen - wie immer auch zu bestimmenden - Abstand hält. Dabei braucht der Senat nicht auf die Frage einzugehen, ob diese - in allen Fassungen der Baunutzungsverordnung eröffnete - Abweichungsmöglichkeit schon besteht, wenn dies vernünftigerweise geboten ist (so etwa Nds. OVG, B. v. 6.5.1982 - 6 B 21/82 -, BRS 39 Nr. 105), oder ob dieser Abweichungstatbestand dem Nachbarn vielmehr erst dann zugutekommt, wenn der Grenzanbau ihm nicht mehr zuzumuten ist (offengelassen vom BVerwG im B. v. 22.10.1992 - 4 B 210.92 -, NVwZ-RR 1993, 176 = BauR 1993, 304 = BRS 54 Nr. 62, JURIS-Rdnr. 9; zum Streitstand vgl. König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 22 Rdnr. 26 mwN). Denn auch im erstgenannten, dem Kläger günstigeren Falle begründen seine Angriffe nicht den Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des vom Verwaltungsgericht gefundenen Ergebnisses. Vorzunehmen ist in jedem Falle eine Abwägung der konkurrierenden Interessen. In diese sind einzustellen das Interesse des Bauherrn an uneingeschränkter Ausnutzung der Verheißungen des § 34 Abs. 1 BauGB an vollständiger geschlossener Bebauung seines Grundstücks auf der einen Seite und das Interesse des Nachbarn, dass der Bauherr in vollem Umfang oder zumindest teilweise von seinem Grundstück Abstand hält. Dabei spielen unter anderem/insbesondere eine Rolle die Möglichkeiten architektonischer Selbsthilfe, die Funktion des „zugestellten Raums“ sowie die Legalität der Nutzung, um deren uneingeschränkten Erhalt der Nachbar kämpft.

Auch hiernach besteht überhaupt keine Aussicht, die Klägerin zur grenzbündigen Ausgestaltung ihres Vorhabens zu verpflichten. Die Abwägung der konkurrierenden Interessen ergibt:

Für das streitige Vorhaben spricht das Verlangen, einen größeren Teil der Räumlichkeiten mit Tageslicht versehen und die Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr. F. ausnutzen zu können.

Das Gebäude C. E. erleidet bei Verwirklichung der klägerischen Bauabsichten deutlich geringere Einbußen, als sie die Klägerin bei bündigem Anschluss hinnehmen müsste. Fenster zur Südostseite weist der 1991 genehmigte Bau eh nicht auf. Die Grenzwand hatte zwingend als Brandwand ausgestaltet sein müssen; die Entfernung des vorhandenen Gebäudes Nr. D. löst daher keine ins Gewicht fallenden Anpassungsarbeiten aus. Die im „Dreimeterbereich“ nun einmal verwirklichten Räume können uneingeschränkt weiter genutzt werden. Die Verwirklichung der klägerischen Bauabsichten löste kein neuerliches Abwehrrecht gegen die im Dezember 1991 erteilte Baugenehmigung aus.

Der Anblick einer unverputzten Brandwand mag unangenehm sein, berührt aber kaum die Nutzbarkeit des Gebäudes Nr. E. und wäre nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Februar 2000 (- 4 C 12.98 -, aaO) nicht planungsrechtlicher Natur. Sollte zu ihrem feuchtigkeitsfreien Erhalt die Aufbringung eines Putzes erforderlich sein, wäre das bei Abwägung der konkurrierenden Interessen keine dem Eigentümer von Nr. E. unzumutbare Maßnahme. Denn der Bauherr hatte es 1991 nun einmal versäumt, die Gegen-/Wechselseitigkeit grenznaher Bebauung verbindlich herbeizuführen. Wer sich um Nachbarrechte der Nr. D. nicht erkennbar schert, muss als Ausgleich für die immerhin beträchtlich erweiterten Nutzungsmöglichkeiten (auf 3 m <Bauwich> und zweieinhalb Geschossen eröffnet) im eigenen Interesse (architektonische Selbsthilfe) für Ausgleich sorgen.

Es mag nun sein, dass das vorhandene Gebäude Nr. E. nicht mehr durch ein anderes, genauso großes und grenzständiges wird/würde ersetzt werden können, wenn sich die klägerischen Bauabsichten durchsetzen. Das ist aber Folge der Vorgehensweise, die das Grundstück Nr. E. im Jahre 1991 an den Tag gelegt hat: Keine Versicherung der Wechselbezüglichkeit der Anbauchancen. Passiven Bestandsschutz genießt das Gebäude. Ob es ganz oder teilweise durch ein anderes grenzständiges ersetzt werden kann, ist erst bei entsprechenden Bauabsichten zu entscheiden. Möglicherweise spielen dann § 31 Abs. 2 BauGB und § 66 NBauO 2012 mit Rücksicht darauf eine Rolle, dass die 1991-er Baumaßnahme möglicherweise in Einklang mit damaliger, aber fehlerhafter Anschauung des § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO verwirklicht worden war. Die damit verbundenen Schwierigkeiten und die Möglichkeit, dass ein Vollersatz des vorhandenen Gebäudes scheitert, begründet keinen (umgekehrten) Anwendungsfall des § 22 Abs. 3, letzter Halbs. BauNVO. Denn das wäre Folge fehlender Abstimmung, welche weder der damalige Bauherr noch die Beklagte herbeizuführen sich bemüht hatten.

An diesem Ergebnis änderte sich nichts bei Einbeziehung bauordnungsrechtlicher Betrachtungen. Das Verwaltungsgericht hat recht in der Annahme, dass § 5 Abs. 5 NBauO 2012 keine § 8 Abs. 3 Satz 3 NBauO 2003 entsprechende Regelung enthält. Danach durfte die Bauaufsichtsbehörde aus städtebaulichen oder baugestalterischen Gründen verlangen, dass an eine auf dem Nachbargrundstück vorhandene Grenzbebauung angebaut wird. Bei der Novellierung der Niedersächsischen Bauordnung hatte der Gesetzgeber diese Ausnahme- und Ermessensregelung bewusst nicht in den nunmehr allein maßgeblichen § 5 Abs. 5 NBauO übernommen (vgl. RegE NBauO, LT-Drs. 16/3195, S. 73 oben).

Es kommt hinzu, dass auch eine Anwendung dieser Vorschrift hier keine der Beklagten günstige Wendung der Dinge bewirkte. Das OVG Lüneburg hatte dazu in seinem Beschluss vom 14. September 1979 (- VI B 57/79 -, BRS 35 Nr. 95 = NdsRpfl. 1980, 39) angemerkt, es müssten schon unerträgliche Verhältnisse drohen, solle diese Vorschrift Bauwünsche durchkreuzen können. Das sei etwa der Fall, wenn das Baugrundstück wegen seiner Größe und seines Zuschnitts ohne bündigen Anschluss kaum sinnvoll bebaut werden könne. Kann nach den vorstehenden Ausführungen schon nicht angenommen werden, es sei vernünftigerweise geboten oder nicht mehr zuzumuten, die offene Bauweise zu wählen, dann sind erst recht nicht die Voraussetzungen erfüllt, unter denen erst man von unerträglichen Verhältnissen reden könnte.

Die Sache weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher und rechtlicher Art auf, welche die Zulassung rechtfertigen. Das ist nach ständiger Senatsrechtsprechung (vgl. z.B. B. v. 31. August 1998 - 1 L 3914/98 -, NdsRpfl. 1999, 44 = NdsVBl. 1999, 95 = ZfBR 1999, 56 <LS>) dann der Fall, wenn das Zulassungsantragsvorbringen schwierige Fragen aufwirft, welche sich im Zulassungsverfahren nicht ohne weiteres beantworten lassen. Das ist hier nicht der Fall.

Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass der im Dezember 1991 ohne Rücksicht auf Belange des Grundstücks Nr. D. genehmigte Bau keine Bindungswirkungen zu Lasten der Klägerseite nach sich zieht. Wechselseitige Verpflichtungen war der Bauherr Nr. E. im Jahr 1991 gerade nicht eingegangen. Also gibt es auch keinen Anlass, die Klägerin im Verhältnis zum Grundstück C. Nr. E. für verpflichtet zu halten, die eigenen Bauwünsche zurückzustellen und mit entsprechendem Verlust an Fenstern an die Grenze zu bauen. Wenn überhaupt von einer einseitigen Aufkündigung grenznaher Bebauung die Rede sein kann, dann nur mit Blick auf die 1991 genehmigte Baumaßnahme.

Fragen der Beiladung begründen besondere Schwierigkeiten nicht. Dazu hatte das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 7. Februar 2018 das Richtige ausgeführt. Der Senat teilt die Auffassung des Bad.-Württ. Verwaltungsgerichtshofs (B. v. 29.12.2008 - 8 S 2395/08 -, JURIS; vgl. a. BVerwG, B. v. 21.6.1973 - IV B 38.83 -, DÖV 1975, 99 [BVerwG 21.06.1973 - BVerwG IV B 38.73]), mit einer stattgebenden Verpflichtungsentscheidung würden Nachbarrechte nicht in einer § 65 Abs. 2 VwGO genügenden Weise unmittelbar gestaltet. Erst die Erfüllung der durch Urteil begründeten Verpflichtung, nämlich die Erteilung des positiven Bauvorbescheids, kann Nachbarrechte in einer § 65 Abs. 2 VwGO entsprechenden Weise unmittelbar gestalten. Dann mag der Nachbar seine Rechte durch Anfechtung des Vorbescheides wahrnehmen. Dieser Schritt würde zwar durch die allein/allenfalls in Betracht kommende einfache Beiladung nach § 65 Abs. 1 VwGO vermieden, weil die Rechtskraft der stattgebenden Entscheidung die Einlegung eines zulässigen Nachbarrechtsbehelfs hinderte.

Gleichwohl war auch eine einfache Beiladung hier nicht mehr veranlasst. Das Klageverfahren war zum Zeitpunkt des Beiladungsantrages weit fortgeschritten und stand unmittelbar zur Entscheidung an. Unter diesen Umständen war es nicht ermessenswidrig, § 65 Abs. 1 VwGO in einer der Beklagten nachteiligen Weise auszuüben und ihr so unter Umständen das Risiko aufzubürden, sich nach Erfüllung der Urteilsverpflichtung einem Anfechtungsangriff des Grundstücks Nr. E. stellen zu müssen. Denn auch der Zeitpunkt, zu dem – erst – ein Beiladungsgesuch angebracht wird, ist ein Gesichtspunkt, der bei der Ausübung des nach § 65 Abs. 1 VwGO maßgeblichen Ermessens eine Rolle spielen darf (so jüngst Senat im B. v. 8.2.2019 - 1 OB 22/19 -, Vnb.).

Es kommt hinzu, dass es die Beklagte durch Wahrnehmung des § 68 Abs. 3 Satz 2 NBauO 2012 in ihrer Hand hatte, die erforderlichen Informationen der Bauherrin für das 1991 genehmigte Vorhaben zu erhalten. Die Beiladung ist nicht dazu bestimmt, Defizite auszugleichen, welche der Beklagten bei der Handhabung des § 68 Abs. 2 Satz 2 NBauO 2012 unterlaufen sind.

Damit erledigt sich zugleich der auf § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO gestützte Zulassungsangriff. Auf die Verletzung von Äußerungsmöglichkeiten, welche dem Grundstückseigentümer Nr. E. und Bauherrn der Maßnahme 1991 durch Beiladung ermöglicht worden wären, kann sich die Beklagte nicht als eigenen Zulassungsgrund berufen.

Ihr auf § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO gestützter Angriff, das Verwaltungsgericht habe ihren auf Seite 3 unten des angegriffenen Urteils zutreffend zusammengefassten rechtlichen Standpunkt nicht ausreichend erwogen und dadurch Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, geht fehl. Dem hatte sich das Verwaltungsgericht vielmehr auf Seite 6 oben des Urteilsabdrucks ausreichend gestellt. Diese Ausführungen mögen die Beklagte nicht überzeugt haben. Für die Verletzung rechtlichen Gehörs ist aber allein die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts maßgeblich. Diese kann nicht im Gewande des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zulässigerweise attackiert werden.

Der auf § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützte Zulassungsangriff ist zu unsubstantiiert. Es reicht nicht aus, Fragen zu formulieren und ohne jede erkennbare Suche nach Antworten, welche es in der Rechtsprechung zu den Folgen mehr oder minder überraschend geänderter höchstrichterlicher Rechtsprechung gegeben hat, grundsätzliche Bedeutsamkeit zu reklamieren. Wird eine materiell-rechtliche Frage durch das Bundesverwaltungsgericht geklärt, bedarf es besonderer Umstände, weshalb im Verhältnis zweier Grundstückseigentümer noch immer die überholte Rechtsauffassung maßgeblich sein soll. Solche besonderen Umstände können namentlich durch Vereinbarungen begründet werden, welche diese Grundstücksnachbarn verbindlich getroffen haben. Dafür gibt es aber nun einmal keine ausreichend gerichtsfesten Indizien und Unterlagen.

Einem Vertrauen des früheren Bauherrn (hier: C. E.) in die Fortgeltung der damals vorherrschenden Deutung des § 22 Abs. 2 BauNVO kann – neben passivem Bestandsschutz/Bestandsschutz der nun einmal erteilten Baugenehmigung – allenfalls im Wege der Befreiung von baurechtlichen Vorschriften Rechnung getragen werden. Das wurde vorstehend behandelt. Andere Ansätze lässt das Antragsvorbringen nicht erkennen.

Entgegen der Annahme der Beklagten bietet § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO keinen Grund zur Zulassung, wenn allein, wie hier, geltend gemacht wird, das Verwaltungsgericht habe bundesgerichtlich entwickelte Grundsätze unzutreffend angewandt. Zudem setzt auch dieser Zulassungsangriff zu Unrecht voraus, dass es verbindlich getroffene wechselbezügliche Absprachen unter den betroffenen Grundstückseigentümern C. Nrn. E. und D. gibt. Es war das im Dezember 1991 genehmigte Bauwerk gewesen, dass die letzten Reste wechselbezüglicher Aufeinanderbezogenheit der beiderseits der gemeinsamen Grenze stehenden Gebäude vollständig und einseitig beseitigte. Eine nun einmal getroffene Entscheidung im nachbarschaftlichen Verhältnis (Seite 8 oben der Zulassungsantragsbegründungsschrift) gab es seither nicht mehr. Nicht die Klägerin beendete mithin einen einvernehmlich zustande gekommenen Zustand, es war vielmehr die am 16. Dezember 1991 genehmigte Baumaßnahme gewesen. Die Klägerin trafen dementsprechend keine Anbauverpflichtungen mehr. Eine zur Berufungszulassung führende Divergenz besteht mithin nicht.

Weitere Ausführungen zum Zulassungsantrag sind nicht veranlasst.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 154 Abs. 2 VwGO, 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5 iVm 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).