Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 21.03.2019, Az.: 2 ME 325/19
Bachelorstudiengang; Erstversuch; Letztversuch; Modulklausur; Modulprüfung; Obliegenheit; Prüfungsanspruch; Prüfungsversuch, weiterer; Rügepflicht; Verfahrensfehler; Verfahrensrüge; Verwaltungsakt
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 21.03.2019
- Aktenzeichen
- 2 ME 325/19
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2019, 69664
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 30.01.2019 - AZ: 4 B 13/19
Rechtsgrundlagen
- § 35 S 1 VwVfG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die Bewertung einer Modulprüfungsklausur ist in der Regel als Verwaltungsakt zu qualifizieren, wenn das Nichtbestehen dieser Klausur nach der Prüfungsordnung der Hochschule dazu führt, dass nunmehr ein Versuch weniger zum Bestehen des Moduls zur Verfügung steht (wie OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 21.3.2017 - 14 A 1689/16 -, NWVBl. 2017, 398, juris).
Tenor:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Göttingen - 4. Kammer - vom 30. Januar 2019 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 3.750 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt die vorläufige Zulassung zur nunmehr auf den 1. April 2019 anberaumten Wiederholungsklausur im Basisseminar Linguistik.
Die Antragstellerin studiert an der Antragsgegnerin im 5. Fachsemester Wirtschaftspädagogik (Bachelor) mit Deutsch als Nebenfach. Das „B.Ger.01-1.4 Basisseminar Linguistik“ stellt ein Teilmodul des Pflichtmoduls „Einführung in die Germanistik – Grundtechniken, Konzepte, Methoden 1.1“ dar. Die Teilnahme an der Abschlussklausur setzt nach dem Modulverzeichnis der Antragsgegnerin die regelmäßige Teilnahme an dem Seminar als Prüfungsvorleistung voraus. An der streitgegenständlichen Prüfung nahm die Antragstellerin bereits im Wintersemester 2016/2017, im Wintersemester 2017/ 2018 und zuletzt im Sommersemester 2018 drei Mal erfolglos teil. Vor dem Erstversuch am 27. März 2018 nahm die Antragstellerin nicht an der zugehörigen Lehrveranstaltung teil. Gegen die Bewertung des dritten Prüfungsversuchs am 10. Juli 2018 beantragte sie die Bewertung durch einen Zweitprüfer, der zum gleichen Ergebnis wie die Erstprüferin kam. Den Widerspruch der Antragstellerin gegen die Bewertung der Erstprüferin wies die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 22. Oktober 2018 als unbegründet zurück.
Daraufhin hat die Antragstellerin Klage (4 A 434/18) erhoben mit dem Ziel, die Klausur vom 10. Juli 2018 für bestanden zu erklären, hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, über die Bewertung dieser Klausur neu zu entscheiden. Über diese Klage hat das Verwaltungsgericht noch nicht entschieden.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht den darüber hinaus gestellten Antrag der Antragstellerin, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, sie zur Prüfung im Modul „B.Ger.01-1.4 Basisseminar Linguistik“ vorläufig zuzulassen, mangels Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Antragstellerin habe zum einen ihren Vortrag, sie habe ihren Prüfungsanspruch deshalb noch nicht verbraucht, weil sie zu ihrem ersten Prüfungsversuch nicht hätte zugelassen werden dürfen, nicht hinreichend belegt. Zum anderen könne die Antragstellerin mit ihren Einwänden gegen die inhaltliche Bewertung der Klausur vom 10. Juli 2018 von vornherein einen weiteren Wiederholungsversuch nicht erstreiten. Hiergegen führt die Antragstellerin ihre Beschwerde.
II.
Die zulässige Beschwerde mit dem Antrag,
die Antragsgegnerin unter Änderung des erstinstanzlichen Beschlusses im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, sie im Modul „B.Ger.01-1.4: Basisseminar Linguistik“ zum Prüfungstermin am 1. April 2019 vorläufig zuzulassen,
ist unbegründet. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts wird durch die mit der Beschwerde dargelegten Gründe, auf die sich die Prüfung im Beschwerdeverfahren gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt, im Ergebnis nicht in Frage gestellt. Die Antragstellerin hat auch unter Berücksichtigung ihres Beschwerdevorbringens einen nach § 123 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 VwGO im Wege der einstweiligen Anordnung zu sichernden Anspruch auf vorläufige Zulassung zur streitgegenständlichen Prüfung weiterhin nicht glaubhaft gemacht.
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 der Prüfungs- und Studienordnung für den Bachelor-Studiengang „Wirtschaftspädagogik“ (PStO WiPäd) i.V.m.§ 14 Abs. 1 der Allgemeinen Prüfungsordnung für Bachelor- und Masterstudiengänge sowie sonstige Studienangebote an der Antragsgegnerin (APO) darf an Prüfungen gemäß der Prüfungsordnung teilnehmen und die Abschlussarbeit anfertigen, wer im betreffenden Studiengang beziehungsweise Teilstudiengang eingeschrieben ist (Studierende) und den Prüfungsanspruch in dem Studiengang beziehungsweise Teilstudiengang oder Studienangebot nicht verloren hat. Nach § 1 Abs. 1 Satz PStO WiPäd i.V.m. § 16a Abs. 1 APO können nicht bestandene Prüfungen zwei Mal wiederholt werden. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist auch der am 27. März 2017 angetretene Erstversuch bei dieser Zählung zu berücksichtigen, sodass sie ihren Prüfungsanspruch nach § 14 Abs. 1 APO verloren hat.
Die Prüfungsentscheidung der Antragsgegnerin im Hinblick auf den ersten Prüfungsversuch der Modulprüfung vom 27. März 2017 stellt einen Verwaltungsakt dar, der in Bestandskraft erwachsen ist und mithin von der Antragstellerin nicht mehr mit Erfolg angegriffen werden kann.Nach § 35 Satz 1 VwVfG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 NVwVfG ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist.
Insbesondere hat die Prüfungsentscheidung im Hinblick auf die Modulprüfung zum „Basisseminar Linguistik“ einen eigenständigen Regelungsgehalt mit Außenwirkung im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG. Eine "Regelung" liegt vor, wenn die Maßnahme der Behörde darauf gerichtet ist, eine verbindliche Rechtsfolge zu setzen, wenn also Rechte des Betroffenen unmittelbar begründet, geändert, aufgehoben, mit bindender Wirkung festgestellt oder verneint werden. Ob der Bewertung einzelner Prüfungsleistungen Regelungsqualität in diesem Sinn zukommt, ist anhand der jeweiligen Prüfungsordnung zu klären (BVerwG, Urt. v. 23.5.2012 - 6 C 8.11 -, juris Rn. 14). Hiernach sind die Prüfungsentscheidungen der Modulprüfung als Verwaltungsakte zu qualifizieren. Die Regelung besteht zum einen in der Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens der einzelnen Prüfungsleistung. Zum anderen wird durch die Prüfungsentscheidung vor dem Hintergrund der Regelung in § 16a Abs. 1 APO verbindlich festgestellt, dass nunmehr ein Versuch weniger zum Bestehen des Moduls zur Verfügung steht (so auch OVG NRW, Urt. v. 21.3.2017 - 14 A 1689/16 -, juris Rn. 35 ff. m.w.N.).
Unerheblich ist, ob die Bekanntgabe der Prüfungsentscheidung seinerzeit mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen war. Jedenfalls ist die gegebenenfalls mangels Rechtsbehelfsbelehrung für die Anfechtung der Prüfungsentscheidung im Hinblick auf die Bewertung des Erstversuchs vom 27. März 2017 maßgebliche Jahresfrist gemäß § 58 Abs. 2 VwGO angesichts des eingetretenen Zeitablaufs offensichtlich verstrichen. Die Antragstellerin kann daher aufgrund der eingetretenen formellen Bestandskraft mit ihren Einwänden gegen die Berücksichtigung des Erstversuchs nicht mehr gehört werden.
Ungeachtet dessen ist die Antragstellerin ihrer nach dem Prüfungsrecht allgemein anerkannten Rügepflicht von Verfahrensfehlern nicht nachgekommen.Diese Rügepflicht ergibt sich aus der Obliegenheit des Prüflings, an der ordnungsgemäßen Durchführung des Prüfungsverfahrens mitzuwirken. Der Prüfling handelt widersprüchlich und gegen den auch im Prüfungsrechtsverhältnis geltenden Grundsatz von Treu und Glauben, wenn er sich der Mitwirkung an einer ordnungsgemäßen Durchführung des Prüfungsverfahrens entzieht. Die den Prüflingen zukommende Rügepflicht bezweckt den Ausschluss spekulativen Verhaltens der Prüflinge sowie die Gewährleistung einer zuverlässigen, zeitnahen Aufklärung des Sachverhalts und - soweit erforderlich und möglich - die Einleitung gebotener Schritte zur Abhilfe durch die prüfende Stelle.
Unterstellt die Antragstellerin hatte tatsächlich erst im Sommersemester 2017 Kenntnis von dem Umstand erlangt, dass es zur Ablegung der Prüfung zum „Basisseminar Linguistik“ einer regelmäßigen Teilnahme an dem dazugehörigen Seminar bedurfte, so hätte sie den fehlerhaft stattgefundenen Erstversuch umgehend rügen müssen. Dies ist nicht geschehen. Vielmehr beantragte die Antragstellerin, nachdem ihr eine Teilnahme an der Prüfung im Sommersemester 2017 aufgrund fehlender vorheriger Teilnahme an dem Seminar versagt worden war, erfolglos eine Ausnahmegenehmigung, um den ersten Wiederholungsversuch ohne vorherigen Besuch des Seminars absolvieren zu können. Die weiteren Prüfungsversuche im Wintersemester 2017/2018 und im Sommersemester 2018 trat die Antragstellerin in positiver Kenntnis der fehlerhaften Zulassung zum Erstversuch als Wiederholungsprüfungen an. Durch dieses Verhalten setzt sich die Antragstellerin in Widerspruch, indem sie sich nun erstmals auf die fehlerhafte Zulassung zum Erstversuch beruft. Vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Chancengleichheit kann es der Antragstellerin gerade nicht freistehen, mit einer Rüge bis zum Nichtbestehen des Letztversuchs abzuwarten und sich so eine Prüfungsanfechtung gestützt auf eine Verfahrensrüge offen zu halten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG und orientiert sich an der Ziffern 1.5 sowie 36.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit - Fassung 2013 (NordÖR 2014, 11).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).