Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 30.01.2020, Az.: 10 LA 394/18
Agrarumweltmaßnahme; Angaben; Förderantrag; Gutgläubigkeit; Irrtum, offensichtlicher; Prüfung; Vor-Ort-Kontrolle; Zahlungsantrag; Zuwendung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 30.01.2020
- Aktenzeichen
- 10 LA 394/18
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2020, 72089
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 19.09.2018 - AZ: 1 A 95/17
Rechtsgrundlagen
- EUV 809/2014
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1.Bei der Prüfung, ob ein Irrtum des Antragstellers offensichtlich im Sinne des Art. 4 VO (EU) Nr. 809/2014 ist, hat die Behörde bei Anträgen auf Auszahlung einer Zuwendung für eine Agrarumweltmaßnahme die Angaben des Antragstellers in dessen Antrag auf Teilnahme an dieser Maßnahme dann mit zu berücksichtigen, wenn die einzelnen Verfahrensschritte aufgrund der Ausgestaltung der von den Antragstellern zu verwendenden Formulare derart miteinander verzahnt sind bzw. aufeinander aufbauen wie in Niedersachsen (im Jahr 2016).
2. Verhindert oder erschwert die Behörde durch eine unklare und unvollständige Ausgestaltung der Formulare eine genaue Bezeichnung der Fördermaßnahme und hat sie damit Fehler bei deren Ausfüllung zumindest begünstigt, gelten für sie höhere Anforderungen bei der Prüfung der Angaben des Antragstellers gemäß Art. 4 Unterabsatz 2 VO (EU) Nr. 809/2014.
3. Der Inhalt und die Ergebnisse der zur Überprüfung der tatsächlichen Umsetzung der beantragten und bewilligten Fördermaßnahme und im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Auszahlungsantrag durchgeführten Vor-Ort-Kontrollen sind bei der Prüfung des Vorliegens eines offensichtlichen Irrtums im Sinne des Art. 4 VO (EU) Nr. 809/2014 mit zu berücksichtigen.
Tenor:
Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg - 1. Kammer - vom 19. September 2018 wird abgelehnt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstands des Zulassungsverfahrens wird auf 1.947,27 EUR festgesetzt.
Gründe
Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil hat keinen Erfolg. Denn die von ihr geltend gemachten Zulassungsgründe ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), besonderer tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) sind nicht hinreichend dargelegt worden bzw. liegen nicht vor.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind dann zu bejahen, wenn bei der Überprüfung im Zulassungsverfahren, also auf Grund der Begründung des Zulassungsantrags und der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts, gewichtige, gegen die Richtigkeit der Entscheidung sprechende Gründe zutage treten (Senatsbeschlüsse vom 23.01.2018 - 10 LA 21/18 -, juris Rn. 7, und vom 24.10.2017 - 10 LA 90/16 -, juris Rn. 11; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 11.07.2013 - 8 LA 148/12 -, juris Rn. 9). Das ist grundsätzlich dann der Fall, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, Stattgebende Kammerbeschlüsse vom 06.06.2018 - 2 BvR 350/18 -, juris Rn. 16, und vom 16.10.2017 - 2 BvR 2615/14 -, juris Rn. 19; Senatsbeschluss vom 23.01.2018 - 10 LA 21/18 -, juris Rn. 7). Die Richtigkeitszweifel müssen sich dabei auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen. Es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zur Änderung der angefochtenen Entscheidung führt (Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 04.07.2018 - 13 LA 247/17 -, juris Rn. 4 m.w.N.; BVerwG, Beschluss vom 10.03.2004 - 7 AV 4.03 -, juris Leitsatz und Rn. 9; vgl. dazu auch BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 09.06.2016 - 1 BvR 2453/12 -, juris Rn. 17). Zur Darlegung der ernstlichen Zweifel bedarf es regelmäßig qualifizierter, ins Einzelne gehender, fallbezogener und aus sich heraus verständlicher Ausführungen, die sich mit der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage einer eigenständigen Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffs auseinandersetzen (Niedersächsisches OVG, Beschlüsse vom 08.03.2018 - 7 LA 67/17 -, juris Rn. 6, vom 11.12.2017 - 2 LA 1/17 -, juris Rn. 3, vom 31.08.2017 - 13 LA 188/15 -, juris Rn. 8, und vom 13.07.2017 - 8 LA 40/17 -, juris Rn. 10).
Nach diesen Maßstäben hat die Beklagte ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung schon nicht dargelegt. Soweit das Verwaltungsgericht einen offensichtlichen Irrtum im Sinne des Artikels 4 der hier einschlägigen Durchführungsverordnung (EU) Nr. 809/2014 der Kommission vom 17. Juli 2014 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich des integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems, der Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums und der Cross-Compliance bejaht hat, bestehen auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung.
Diese Vorschrift lautet:
„Vom Begünstigten vorgelegte Beihilfe-, Förder- und Zahlungsanträge sowie Belege können jederzeit nach ihrer Einreichung berichtigt und angepasst werden, wenn es sich um offensichtliche Irrtümer handelt, die von der zuständigen Behörde auf der Grundlage einer umfassenden Einzelfallbewertung anerkannt wurden, und wenn der Begünstigte in gutem Glauben gehandelt hat.
Die zuständige Behörde kann offensichtliche Irrtümer nur dann anerkennen, wenn sie durch eine einfache Prüfung der Angaben in den in Unterabsatz 1 genannten Unterlagen unmittelbar festgestellt werden können.“
Bei der Prüfung, ob ein Irrtum des Antragstellers offensichtlich im Sinne des Artikels 4 VO (EU) Nr. 809/2014 ist, hat die Behörde bei Anträgen auf Auszahlung einer Zuwendung für eine Agrarumweltmaßnahme die Angaben des Antragstellers in dessen Antrag auf Teilnahme an dieser Maßnahme jedenfalls dann mit zu berücksichtigen, wenn die einzelnen Verfahrensschritte derart miteinander “verzahnt“ sind bzw. aufeinander aufbauen wie in Niedersachsen aufgrund der Ausgestaltung der von den Antragstellern zu verwendenden Formulare (für das Jahr 2016). Jedenfalls in einem solchen Fall stellt eine sich über einen bestimmten Verpflichtungszeitraum erstreckende Agrarumweltmaßnahme nach der VO (EU) Nr. 1305/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über die Förderung der ländlichen Entwicklung durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) eine Maßnahme dar, die im Rahmen der Prüfung, ob ein offensichtlicher Irrtum im Sinne des Artikels 4 VO (EU) Nr. 809/2014 vorliegt, insgesamt in den Blick zu nehmen ist, mit der Folge, dass bei einem Fehler im Auszahlungsantrag nicht nur die Angaben in diesem Antrag, sondern auch die Angaben in dem zugrunde liegenden Förderantrag zu berücksichtigen sind.
Während sich bei Anträgen auf Direktzahlungen der Beihilfeanspruch anhand der Antragsangaben und der einschlägigen Verordnungen ohne Weiteres ermitteln lässt, setzt die Auszahlung von Beihilfen für Agrarumweltmaßnahmen eine vorherige Bewilligung der Teilnahme durch die zuständige Stelle und die Einhaltung der im Bewilligungsbescheid festgelegten Fördervoraussetzungen voraus. Dies spricht ebenso wie der Wortlaut des Artikels 4 Unterabsatz 2 VO (EU) Nr. 809/2014, der von „den in Unterabsatz 1 genannten Unterlagen“ handelt und damit die „vom Begünstigten vorgelegten Beihilfe-, Förder- und Zahlungsanträge“ in Bezug nimmt, für die Einbeziehung auch der Angaben im Förderantrag, der dem Zahlungsantrag zugrunde liegt. Gegen eine Einbeziehung sämtlicher vorgelegter Unterlagen spricht allerdings der ebenfalls im Wortlaut zum Ausdruck kommende Sinn und Zweck der Regelung im Unterabsatz 2, wonach ein offensichtlicher Irrtum nur dann anerkannt werden kann, wenn dieser nach einer „einfachen Prüfung“ der Angaben des Begünstigten festgestellt werden kann, womit der Verwaltungs- und Kontrollaufwand der zuständigen Stelle geringgehalten werden soll (vgl. Senatsurteil vom 05.07.2011 - 10 LB 172/10 -, juris Rn. 32, zum Irrtumsbegriff im Sinne von Art. 19 VO (EG) Nr. 796/2004). Dies spricht dafür, dass Art. 4 Unterabsatz 2 VO (EU) Nr. 809/2014 lediglich die Prüfung der Angaben in dem jeweiligen (Zahlungs-)Antrag meint, zumal dieser nach Art. 14 Abs. 1 dieser Verordnung alle zur Feststellung der Förderfähigkeit erforderlichen Informationen enthalten muss, insbesondere auch Einzelheiten zu der betreffenden Maßnahme und die für die Überprüfung der Förderfähigkeit erforderlichen Belege.
Der Umstand, dass das Verfahren gestuft gestaltet ist und getrennt über die Teilnahme an der Agrarumweltmaßnahme und die Auszahlung der Beihilfe entschieden wird, kann aber jedenfalls dann nicht dazu führen, die Angaben des Begünstigten im Antrag auf Teilnahme an der Maßnahme unberücksichtigt zu lassen, wenn das Verfahren so gestaltet, nämlich ineinander “verzahnt“ ist wie in Niedersachsen (im Jahr 2016), wobei es unerheblich ist, ob die Ausgestaltung des Verfahrens unmittelbar durch das Unionsrecht vorgegeben ist, wie dies die Beklagte zur Begründung ihres Zulassungsantrags vorgetragen hat. Dass es maßgeblich auf die Verhältnisse im Einzelfall ankommt, ergibt sich auch aus dem Wortlaut des Artikels 4 Unterabsatz 1 VO (EU) Nr. 809/2014, wonach die Behörde eine „umfassende Einzelfallbewertung“ vorzunehmen hat. Diese Einzelfallbewertung ergibt hier, dass die Beklagte wegen der konkreten Ausgestaltung des Verfahrens auch die Angaben des Klägers im Förderantrag bei der Prüfung eines offensichtlichen Irrtums im Sinne dieser Regelung einzubeziehen hat.
Das Ineinandergreifen der einzelnen Verfahrensschritte lässt sich gerade anhand des vorliegenden Falls anschaulich schildern:
Der Kläger stellte am 14. Mai 2014 einen Antrag auf Teilnahme an dem Programm Agrarumweltmaßnahmen 2014. Er kreuzte in dem Abschnitt des Antragsformulars „3.2 Antragstellung für neue Maßnahmen“ die Maßnahme BS 1 an, die in der linken Spalte des Formulars mit
„Einjährige Blühstreifen
- BS 11 Grundförderung
- BS 12 Strukturreicher Blühstreifen“
bezeichnet ist, ohne dass das Formular ein Ankreuzen einer der Fördermaßnahmen bzw. Fördermaßnahmenteile BS 11 oder BS 12 erlaubt. In der rechten Spalte des Formulars „Erforderliche Angaben bzw. Anlagen“ wird jedoch die Mindestfläche der jeweiligen - gewählten - Fördermaßnahme BS 11 oder BS 12 abgefragt. Dort hat der Kläger „Mindestfläche BS 12“ angekreuzt und diese mit 2,00 ha angegeben.
Die Beklagte hat mit Bescheid vom 29. Dezember 2014 dem Kläger für die Teilnahme an den Niedersächsischen/Bremer Agrarumweltmaßnahmen 2014, und zwar an der Maßnahme „(BS1) einjährige Blühstreifen“, eine Zuwendung in Höhe von jährlich maximal 1.750 EUR für den Verpflichtungszeitraum vom 1. Januar 2015 bis zum 31. Dezember 2019 bewilligt. Erst aus der Anlage 1 dieses Bescheids in der Zusammenschau mit den oben wiedergegebenen Angaben des Klägers in seinem Förderantrag ergibt sich, für welche der beiden insoweit in Betracht kommenden Fördermaßnahmen bzw. Fördermaßnahmenteile die Förderung bewilligt worden ist. Denn dort ist in der Spalte „Nutzungsart/Fördermaßnahme“ die Bezeichnung „BS 12“ aufgeführt.
Auch in dem hier verfahrensgegenständlichen, am 28. April 2016 bei der Beklagten eingereichten Auszahlungsantrag „Sammelantrag Agrarförderung und Agrarumweltmaßnahmen 2016“ konnte der Kläger aufgrund der Gestaltung des von der Beklagten zur Verfügung gestellten PC-Programms ANDI die Fördermaßnahme bzw. den Fördermaßnahmenteil, für die bzw. den die Auszahlung der Förderung begehrt wird, nicht genau bezeichnen. Denn unter der Ziffer „9.1 Auszahlung Agrarumweltmaßnahmen (AUM), Ökologischer Landbau für bestehende Verpflichtungen“ konnte der Antragsteller unter „Auflistung der Maßnahmen“ nur „BS 1“ angeben. Für ihn bestand nicht die Möglichkeit, an dieser Stelle als Fördermaßnahme bzw. Fördermaßnahmenteil „BS1.2“ bzw. „BS 12 strukturreiche Blühstreifen“ anzugeben. Erst aus der Zusammenschau mit den Angaben des Klägers im Förderantrag vom 14. Mai 2014 und mit dem Inhalt des Bewilligungsbescheids der Beklagten vom 29. Dezember 2014 ergibt sich, dass es hier konkret um diese Förderung gehen soll. Zwar enthält die Aufstellung der Teilschläge, die der Kläger zusammen mit seinem Zahlungsantrag bei der Beklagten eingereicht hat, für die betreffende Fläche eine konkrete Bezeichnung der Fördermaßnahme, nämlich unter „FM“ die fehlerhafte Bezeichnung BS 11, doch wurde diese Aufstellung, die im (fehlerfreien) Zahlungsantrag 2015 in dem durch das PC-Programm vorgegebenen Abschnitt „E. Inhalt der Antrags-Datei“ noch aufgeführt und als „Anlage 2 Teilschläge AUM“ bezeichnet worden ist, im elektronischen Zahlungsantrag 2016 im Abschnitt „E. Inhalt der Antrags-Datei“ nicht mehr aufgeführt und konnte nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts auch nicht mehr mit dem Datenbegleitschein ausgedruckt werden und ist damit (eigentlich) nicht (mehr) Teil der Unterlagen, die Bestandteil des Antrags sein sollen.
Es stellt sich daher die Frage, ob überhaupt eine - beachtliche - fehlerhafte Angabe des Klägers vorliegt. Doch auch wenn dies bejaht wird, ist es jedenfalls angesichts des oben geschilderten Sachverhalts offensichtlich, dass der Kläger sich bei der Bezeichnung der Förderungsmaßnahme bzw. des Fördermaßnahmenteils auf der betreffenden Fläche mit „BS 11“ geirrt hat (vgl. zum Begriff des offensichtlichen Irrtums im Sinne von Art. 12 VO (EG) Nr. 2419/2001BVerwG, Urteil vom 26.08.2009 - 3 C 15.08 -, juris, und im Sinne von Art. 19 VO (EG) Nr. 796/2004 die Senatsurteile vom 05.07.2011 - 10 LB 172/10 -, juris, und vom 13.03.2012 - 10 LB 96/10 -, juris). Denn danach kann es keinen Zweifeln unterliegen, dass der Antragsteller den Zahlungsantrag für die Förderungsmaßnahme bzw. den Fördermaßnahmenteil BS 1.2 bzw. BS 12 als „bestehende Verpflichtung“ (vgl. 9.1 des Auszahlungsantrags) auf der betreffenden Fläche hat stellen wollen und er sich folglich bei der Bezeichnung der Förderungsmaßnahme mit BS 11 in der Aufstellung der Teilschläge geirrt hat.
Insoweit hat das Verwaltungsgericht ferner zu Recht festgestellt, dass inhaltliche Unklarheiten oder Unvollständigkeiten des Antrags, die sich aus der inhaltlichen Gestaltung des von der Behörde ausgegebenen Antragsformulars ergeben, zulasten der Behörde gehen. Zwar ändern die hier festzustellenden Unklarheiten und Unvollständigkeiten der von der Beklagten ausgegebenen (elektronischen) Antragsformulare nichts daran, dass der Kläger die Förderung für die Förderungsmaßnahme bzw. den Fördermaßnahmenteil BS 1.2 bzw. BS 12 beantragt hat, ihm genau diese bewilligt worden ist und er sich bei der Bezeichnung der Förderungsmaßnahme mit BS 11 in der seinem Zahlungsantrag 2016 beigefügten Aufstellung der Teilschläge geirrt hat, doch erhöhen sich durch die von der Beklagten selbst verursachten Unklarheiten und Unvollständigkeiten die Anforderungen an sie bei der Prüfung der Angaben des Antragstellers. Denn wenn sie selbst durch eine unklare bzw. unpräzise sowie unvollständige Ausgestaltung der Formulare eine genaue Bezeichnung der Fördermaßnahme bzw. des Förderungsmaßnahmenteils verhindert bzw. erschwert und damit Fehler bei deren Ausfüllung zumindest begünstigt hat, kann sie sich nicht auf eine einfache Prüfung der Angaben im Zahlungsantrag zurückziehen. Auch hieraus ergibt sich daher, dass die Beklagte die im Förderantrag gemachten Angaben des Antragstellers nicht unberücksichtigt lassen darf.
Soweit die Beklagte dagegen eingewandt hat, dass die Ausgestaltung der von ihr ausgegebenen Formulare zutreffend sei, da es sich bei der Bezeichnung BS1.2 um keine Fördermaßnahme handele, ist dies nicht nachvollziehbar. Denn dies widerspricht der oben wiedergegebenen Ausgestaltung der Förderung (BS 11 bzw. 1.1 = Grundförderung und darauf aufbauend BS 12 bzw. 1.2 = Strukturreicher Blühstreifen) und auch der Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen für Niedersächsische und Bremer Agrarumweltmaßnahmen 2014. Letztere führt unter „2. Gegenstand der Förderung“ „BS1 einjährige Blühstreifen“ auf und unterscheidet dabei klar zwischen „BS1.1 Grundförderung“ und „BS1.2 strukturreiche Blühstreifen“, wobei es in dem hier interessierenden Zusammenhang unerheblich ist, ob insoweit von einer eigenständigen Fördermaßnahme oder von einem eigenständigen Förderungsmaßnahmenteil gesprochen werden kann.
Schließlich ist der hier streitige Irrtum erst recht dann offensichtlich im Sinne des Artikels 4 VO (EU) Nr. 809/2014, wenn die beim Kläger durchgeführten Vor-Ort-Kontrollen berücksichtigt werden. Beim Kläger sind einen Tag vor seinem am 28. April 2016 bei der Beklagten eingereichten Zahlungsantrag, also am 27. April 2016, und dann noch einmal am 24. August 2016 und damit noch vor der Ablehnung seines Zahlungsantrags durch den Bescheid vom 3. März 2017 Vor-Ort-Kontrollen durchgeführt worden. Gegenstand dieser Kontrollen war die Förderungsmaßnahme „BS 12 strukturreiche Blühstreifen“ (in dem bei den Vor-Ort-Kontrollen verwendeten Formularen ist zwischen „BS 11 einjährige Grünstreifen“ und „BS 12 strukturreiche Blühstreifen“ unterschieden worden). Auch hieraus ergibt sich, dass es für die Beklagte auf der Hand lag, dass der Zahlungsantrag des Klägers vom 28. April 2016 die Förderungsmaßnahme bzw. den Förderungsmaßnahmenteil BS 12 bzw. 1.2 betraf.
Das Verwaltungsgericht hat daher zu Recht festgestellt, dass die Behörde bei der Prüfung der Offensichtlichkeit des Irrtums im jeweiligen Antragsverfahren derartige präsente Erkenntnisse nicht unberücksichtigt lassen kann und Art. 4 Unterabsatz 2 VO (EU) Nr. 809/2014 ein Ausblenden solcher Erkenntnisse nicht verlangt. Es wäre auch geradezu widersinnig, wenn die Behörde den Inhalt und die Ergebnisse der zur Überprüfung der tatsächlichen Umsetzung der beantragten und bewilligten Förderungsmaßnahme und im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Zahlungsantrag durchgeführten Vor-Ort-Kontrollen, die sich hier direkt vor und nach dem hier streitgegenständlichen Zahlungsantrag im Verwaltungsvorgang befinden, ausblenden würde. Denn Art. 4 Unterabsatz 2 VO (EU) Nr. 809/2014 will der Behörde zwar die Prüfung des Vorliegens eines offensichtlichen Irrtums auf Seiten des Antragstellers erleichtern, womit deren Verwaltungs- und Kontrollaufwand geringgehalten werden soll, verlangt aber nicht ein “Sich-Blind-Stellen“ gegenüber derartigen präsenten Erkenntnissen.
Schließlich hat das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt, dass der Kläger - wie Art. 4 Unterabsatz 1 VO (EU) Nr. 809/2014 verlangt – „in gutem Glauben“ gehandelt hat, weil er sich bei der elektronischen Ausfüllung der Aufstellung seiner Teilschläge „verklickt“ hat. Für ihren Einwand, der Kläger sei nicht gutgläubig, weil eine „bewusst fahrlässige Sorgfaltsverletzung“ vorliege, hat die Beklagte keine hinreichenden Anhaltspunkte vorgetragen.
Gutgläubigkeit verlangt Redlichkeit (vgl. Senatsurteil vom 13.03.2012 - 10 LB 96/10 -, juris Rn. 40, zum offensichtlichen Irrtum im Sinne des Art. 19 VO (EG) Nr. 796/2004). Nicht jede Fahrlässigkeit kann mit Unredlichkeit gleichgesetzt werden. In der Regel handelt aber derjenige nicht redlich und ist daher nicht als gutgläubig anzusehen, der die fehlerhafte Antragsangabe dadurch herbeiführt, dass er die im Zuge der Antragsstellung zu beachtenden Sorgfaltspflichten in grob fahrlässiger Weise, also in besonders schwerem Maße verletzt (vgl. Senatsurteil vom 13.03.2012 - 10 LB 96/10 -, juris Rn. 41).
Die Beklagte weist zwar zu Recht darauf hin, dass der Kläger bei einer sorgfältigen Prüfung seiner Angaben seinen Fehler hätte erkennen können. Von einer Verletzung der erforderlichen Sorgfalt in besonders schwerem Maße kann insoweit angesichts des oben dargestellten Sachverhalts jedoch keine Rede sein, zumal die genannte Aufstellung der Teilschläge nicht mit dem Datenbegleitschein zur Überprüfung der darin gemachten Angaben ausgedruckt werden konnte.
Die Berufung ist auch nicht wegen besonderer tatsächlicher und/oder rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen, weil die Beantwortung der hier maßgeblichen Fragen keine überdurchschnittlichen Schwierigkeiten in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht bereitet, wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt.
Schließlich kommt auch eine Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO mangels hinreichender Darlegung dieses Zulassungsgrunds nicht in Betracht.
Eine Rechtssache ist nur dann grundsätzlich bedeutsam, wenn sie eine höchstrichterlich bislang noch nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine obergerichtlich noch nicht geklärte Tatsachenfrage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die im Rechtsmittelverfahren entscheidungserheblich ist und die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts einer fallübergreifenden Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf. Hierzu hat der Antragsteller die für fallübergreifend gehaltene Frage zu formulieren sowie zu begründen, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (vgl. Senatsbeschlüsse vom 17.09.2014 - 10 LA 42/14 -, juris Rn. 17 und vom 10.04.2014 - 10 LA 32/13 -, juris Rn. 27 m.w.N.).
Die Beklagte sieht die Frage als grundsätzlich bedeutsam an, „ob sich die Offensichtlichkeit auch erst in der Zusammenschau mit Anträgen aus den Vorjahren ergeben kann bzw., ob dies bei einem unionsrechtlich vorgegebenen zweistufigen Aufbau des Förderverfahrens ohnehin gegeben ist, obwohl der Wortlaut der Regelung aus Art. 4 UAbs. 2 der VO (EU) Nr. 809/2013“ (gemeint ist offenbar 2014) „dagegen spricht“.
Damit hat die Beklagte die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargelegt. Denn zum einen geht die Beklagte insoweit von unzutreffenden Annahmen aus, weil der Wortlaut des Art. 4 Unterabsatz 2 VO (EU) Nr. 809/2014 gerade nicht gegen die vom Verwaltungsgericht für richtig gehaltene Auslegung spricht. Zum anderen hat die Beklagte nicht begründet, warum diese Frage über den hier vorliegenden Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung haben soll. Soweit sie insoweit angeführt hat, die Auslegung durch das Verwaltungsgericht weiche von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ab, ist dies unzutreffend, da zu der Auslegung des Art. 4 VO (EU) Nr. 809/2014 keine (abweichende) Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ersichtlich ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).