Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 14.01.2020, Az.: 10 ME 230/19

Bestandsverringerung; Natura 2000-Gebiet; Naturschutzgebiet; Schwarzwild; ultima ratio; Wildschweine

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
14.01.2020
Aktenzeichen
10 ME 230/19
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 72086
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 29.10.2019 - AZ: 7 B 2533/19

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. § 27 Abs. 1 BJagdG sieht als letztes Mittel die Anordnung einer Bestandsverringerung vor, wenn den dort genannten Belangen konkret ein nicht hinnehmbarer Schaden im Sinne einer notstandsähnlichen Situation droht, die Anordnung der Verringerung des Wildbestandes diese Gefahr abwenden kann und andere rechtlich zulässige Maßnahmen nicht zu diesem Erfolg führen.

2. Unter besonderen Umständen kann als "ultima ratio" auch die Anordnung des Totalabschusses eines Wildbestandes in einem bestimmten räumlichen Gebiet in Betracht kommen.

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg - Einzelrichter der 7. Kammer - vom 29. Oktober 2019 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen die für sofort vollziehbar erklärte Anordnung, den Schwarzwildbestand in dem von ihr gepachteten Jagdbezirk auf Null zu reduzieren.

Die Antragstellerin ist Pächterin des ca. 310 ha umfassenden Jagdbezirks „EJB Nds. I Voslapper Groden“ bzw. „Voslapper Groden-Süd“. Nördlich schließt sich der Jagdbezirk „EJB Stadtwerke Voslapper Groden“ an. Die Jagdbezirke befinden sich in dem in dem Gemeindegebiet der Antragsgegnerin gelegenen 380 ha umfassenden Naturschutz- und Europäischen Vogelschutzgebiet „Voslapper Groden-Süd“ (§ 1 der Verordnung über das Naturschutzgebiet "Voslapper Groden-Süd" in der kreisfreien Stadt Wilhelmshaven vom 24.05.2006 (abrufbar über https://www.nlwkn.niedersachsen.de/naturschutz/schutzgebiete/die_einzelnen_naturschutzgebiete/-42104.html):

Die dortige Landschaft zeichnet sich aus durch großflächige Schilfröhrichte, sumpfige Bereiche, offene Kleingewässer und Gebüschgesellschaften (überwiegend aus Weiden), Dünengebiete, Trockenrasenbereiche und an den Rändern Frisch- und Feuchtgrünland (§ 2 Abs. 1 Satz 4 VO NSG Voslapper Groden-Süd). Das Gebiet ist für Vogelarten ausgedehnter durchfluteter Röhrichte eines der wichtigsten Brut-, Durchzugs- und Überwinterungsgebiete in Niedersachsen (https://www.nlwkn.niedersachsen.de/naturschutz/schutzgebiete/die_einzelnen_naturschutzgebiete/naturschutzgebiet-voslapper-groden-sued-42114.html).

Seit September 2016 wird in dem Naturschutzgebiet „Voslapper Groden-Süd“ Schwarzwild gesichtet. Im März 2017 wurden die beiden Jagdpächter durch die Grundstückseigentümer erstmals aufgefordert, das Schwarzwild aus dem Gebiet zu entnehmen. Nach der Abschussliste 2017/2018 wurden in dem entsprechenden Jagdjahr 17 Tiere erlegt. Der Bestand wurde im April 2018 auf ca. 40 Tiere geschätzt. In der Jagdbeiratssitzung am 30. Mai 2018 erklärte der Leiter der Unteren Naturschutzbehörde, dass in dem zuvor intakten Voslapper Groden-Süd durch das Schwarzwild zwischenzeitlich viel zerstört worden und der Status des Gebietes gefährdet sei. Die Kartierung in den Vorjahren habe ergeben, dass das Brutgeschehen bis dahin stabil gewesen sei. In diesem Jahr habe die Kartierung allerdings abgebrochen werden müssen, weil sich die Wildschweine den Mitarbeitern genähert und aggressiv um Futter gebettelt hätten. Der Kreisjägermeister stellte abschließend fest, dass bei der diesjährigen Brut nicht mehr viel zu retten und man sich grundsätzlich über die Erforderlichkeit des Abschusses einig sei. Ein Totalabschuss sei aus seiner Sicht allerdings praktisch nicht möglich. In einem Gespräch zwischen Mitarbeitern der Antragsgegnerin und den Jagdpächtern sowie dem Kreisjägermeister im September 2018 erklärten die Pächter, dass die Wildschweinpopulation im Jahr 2017 stark angewachsen sei. Der damalige Pächter des Jagdbezirks der Antragstellerin schätzte den aktuellen Bestand auf vier Bachen mit vier bis fünf Frischlingen. In seinem Revier seien in diesem Jahr auch bereits 17 Sauen geschossen worden. Am 10. September 2018 teilte der damalige Pächter des Jagdbezirks der Antragstellerin den Abschuss von drei weiteren Wildschweinen, am 19. September 2018 von sechs weiteren Stück Schwarzwild mit.

Mit Schreiben vom 27. September 2018 teilte der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft und Küsten- und Naturschutz (NLWKN) mit, dass bei einer Begehung des Naturschutzgebietes der gesamte Voslapper Groden-Süd völlig ausgetrocknet gewesen sei. Weite Bereiche des Röhrichts seien durch Schwarzwild stark bis komplett aufgewühlt gewesen. Der Bestand sei derzeit auf 40 bis maximal 100 Tiere zu taxieren. Aufgrund des extrem niedrigen Wasserstandes und des Vorkommens von Schwarzwild befände sich das Vogelschutzgebiet derzeit in einem ungünstigen Zustand. Beide Faktoren gefährdeten eine anhaltende Besiedlung des Gebietes durch bodenbrütende Arten feuchter bis nasser Lebensräume, insbesondere die in Niedersachsen vom Aussterben bedrohte Rohrdommel. In dem Vogelschutzgebiet „Meißendorfer Teiche“ im Landkreis Celle habe etwa der starke Populationsanstieg von Schwarzwild zum Verschwinden des vormals dortigen großen Rohrdommelvorkommens geführt. Neben den wohl vom Menschen im Voslapper Groden-Süd angesiedelten Wildschweinen sei dort nun auch Damwild registriert worden, das ebenfalls - wie das Schwarzwild - nur ohne Genehmigung der Jagdbehörde dort ausgesetzt worden sein könne. Eine Reduzierung des Bestandes des Schwarzwildes auf Null erscheine dringend angezeigt, um einem Verschwinden der Rohrdommel entgegenzuwirken. Zudem sei auch eine Überprüfung und Verbesserung des Wassermanagements erforderlich.

Mit Schreiben vom 25. November 2018 teilte der Naturschutzbund Wilhelmshaven e.V. der Antragsgegnerin seine Einschätzung der Gefährdung des Gebietes durch den Schwarzwildbestand sowie der Möglichkeit der vollständigen Entfernung aufgrund der nahezu vollständigen Umzäunung mit.

Der mit einer Bestandsaufnahme beauftragte Mitarbeiter des Instituts für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung der Stiftung Tierärztliche Hochschule B-Stadt kommt in seinem Abschlussbericht aus Januar 2019 zu dem Ergebnis, dass sich das Schwarzwild im nördlichen Jagdbezirk annähernd so häufig aufhalte wie in dem südlichen. Am 11. Dezember 2018 seien in dem Gebiet mindestens 17 Tiere vorhanden gewesen, eine Gesamtzahl von ca. 20 Tieren erscheine realistisch. Bei dieser Anzahl sei mit einem Zuwachs von ca. 50 Frischlingen zu rechnen. Im Untersuchungsgebiet seien viele Wühlschäden aufgefallen und das Schwarzwild habe sich zum Teil sehr angenähert, was auf eine Füttergewöhnung hindeuten könne. Am Bahndamm sei die Böschung teilweise weggerutscht, weil die Wildschweine hier Kaninchenbaue ausgegraben hätten. Die beobachteten Färbungen der Tiere sei nicht typisch für freilebendes Schwarzwild. In dem Gebiet seien auch eine Futterraufe sowie mehrere Kirrungen, teils mit unerlaubten Vorrichtungen, vorgefunden worden. Der Voslapper Groden sei im Westen, Norden und Osten von hohen Zäunen umgeben. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Schwarzwild und das Damwild auf natürlichem Weg in das Gebiet eingewandert seien, sei verschwindend gering. Um den Brutbestand und den Lebensraum zu schützen, müsste der Bestand komplett entnommen werden. Dies sei auch aus populationsbiologischer Sicht sinnvoll, da bei einem geringen Restbestand genetische Verarmung drohe. Zudem sei eine Bestandsregulation auf gleichbleibend niedrigem Niveau für private Jäger kaum zu leisten, eine Bestandseliminierung sei durch intensive Bejagung und gegebenenfalls einem Fallenfang möglich.

Mit Vertrag vom 7. bzw. 12. Februar 2019 pachtete die Antragstellerin den Eigenjagdbezirk „Voslapper Groden Süd“, der in § 7 unter anderem regelt, dass dort nur die Einzeljagd erlaubt sei.

Der Kreisjägermeister ging in einem Gespräch mit Mitarbeitern der Antragsgegnerin am 28. März 2019 davon aus, dass ein Totalabschuss der Wildschweine aufgrund des Muttertierschutzes kaum möglich sei. Um die Population einzudämmen, sei es sinnvoll, zunächst die sich im Gebiet aufhaltenden drei Keiler zu erlegen und dann, sofern dies gelungen sei, die Jagd auf die Jungtiere zu intensivieren, um diese zu entnehmen, bevor sie geschlechtsreif werden. Bis 31. März 2019 wurden im Jagdjahr 2018/2019 im Jagdbezirk Voslapper Groden-Süd 47 Wildschweine erlegt. Die Eigentümer des von der Antragstellerin gepachteten Jagdbezirks zeigten ihr gegenüber mit Schreiben 14. Mai 2019 erneute Wühlschäden am zwischenzeitlich sanierten Bahndamm an.

Am 15. Mai 2019 hörte die Antragsgegnerin die Antragstellerin zu einer beabsichtigten jagdbehördlichen Verfügung zur Totalreduzierung des Schwarzwildbestandes im Jagdbezirk Voslapper Groden-Süd an.

Mit E-Mail vom 18. Juni 2019 teilte die Untere Naturschutz- und Waldbehörde dem Fachbereich Bürgerangelegenheiten / Öffentliche Sicherheit und Ordnung auf entsprechende Rückfrage mit, dass der seit dem Jahr 2016 nachgewiesene und seitdem erheblich angewachsene Schwarzwildbestand dazu geführt habe, dass eine Zerstörung von Gelegen der Brutvögel im Schutzgebiet durch direkte Einwirkung des Schwarzwildes, das sich auch von Eiern und Jungvögeln ernähre, zu beobachten gewesen sei und maßgebliche Lebensräume der wertbestimmenden Vogelarten durch das Durchwühlen des Bodens und dem Suhlen im Schlamm zerstört worden seien. Damit sei es zu einer eheblichen Beeinträchtigung des Natura 2000-Gebietes gekommen. Eine komplette Entfernung des Schwarzwildbestandes sei alternativlos. Der Zweckverband Veterinäramt C. teilte auf eine entsprechende Nachfrage der Antragsgegnerin mit E-Mail vom 10. Juli 2019 mit, dass aus tierschutzrechtlicher Sicht nichts gegen eine vollständige Eliminierung des Schwarzwildbestandes spreche, allerdings seien die rechtlichen Vorgaben einer waidgerechten Jagdausübung insbesondere zum Abschuss von Bachen zu berücksichtigen.

Mit Verfügung vom 7. August 2019 gab die Antragsgegnerin der Antragstellerin unter Anordnung der sofortigen Vollziehung auf, den Wildschweinbestand in ihrem Jagdgebiet „Voslapper Groden I“ bis zum 31. Oktober 2019 auf Null zu reduzieren habe. Binnen eines Monats müssten zunächst die Keiler vollständig entnommen werden, im Anschluss daran - unter Beachtung des Muttertierschutzes - die Frischlinge, Überläufer und Bachen. Die monatlichen Abschusszahlen sowie der geschätzte Restbestand seien jeweils bis zum Zehnten des Folgemonats zu melden. Für den Fall, dass die Antragstellerin der Anordnung nicht nachkomme, werde nach § 27 Abs. 2 BJagdG verfahren werden. Zur Begründung wird unter Bezugnahme auf die Stellungnahmen der Unteren Naturschutzbehörde sowie des Zweckverbandes Veterinäramt C. ausgeführt, dass ein rasanter Anstieg der Schwarzwildpopulation zu verzeichnen und weiter zu befürchten sei. Der Jagdbezirk genieße naturschutzrechtlich den höchsten Schutzstatus. Dort seien bereits Schäden eingetreten, deren Vergrößerung weiter zu befürchten sei, wenn nicht ausreichend gegen den Wildschweinbestand vorgegangen werde. Der Totalentnahme stünden naturschutzrechtliche oder tierschutzrechtliche Belange nicht entgegen, wie sich aus den entsprechenden eingeholten Stellungnahmen ergebe. Die sofortige Vollziehung werde angeordnet, weil es nicht hingenommen werden könne, dass im Falle eines langjährigen Gerichtsverfahrens der Wildschweinbestand weiter unkontrolliert anwachse und das Gebiet dadurch seine Wertigkeit dauerhaft und unwiederbringlich verliere. Es gelte eine weitere Fortpflanzung unbedingt zu unterbinden. Es sei zu befürchten, dass die Bachen möglicherweise sogar noch ein weiteres Mal in diesem Jahr werfen würden und sich daneben die jetzigen Frischlinge noch vor dem Jahresende ebenfalls unkontrolliert vermehrten.

Gegen diese Verfügung hat die Antragstellerin am 2. September 2019 Klage erhoben und beantragt, deren aufschiebende Wirkung anzuordnen. Einen am 15. Oktober 2019 in nicht öffentlicher Sitzung geschlossenen Prozessvergleich widerrief die Antragsgegnerin am 29. Oktober 2019 ohne Angabe von Gründen. Das Verwaltungsgericht hat sodann mit Beschluss vom 29. Oktober 2019 die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den unter Anordnung der sofortigen Vollziehung ergangenen Bescheid der Antragsgegnerin vom 7. August 2019 wiederhergestellt. Seine Entscheidung hat das Verwaltungsgericht damit begründet, dass die jagdbehördliche Verfügung vom 7. August 2019 von der Antragstellerin tatsächlich Unmögliches abverlange und deshalb rechtswidrig sei. Denn es läge ihr keine aktuelle Bestandsermittlung zugrunde. Insoweit sei völlig unklar, ob eine Eliminierung des Schwarzwildbestandes überhaupt durch eine Einzeljägerin, ggf. unter der Vergabe von Begehungsscheinen möglich sei. Die Unmöglichkeit folge zudem jedenfalls daraus, dass der gesamte Voslapper Groden in zwei Jagdbezirke unterteilt sei. Eine Reduzierung des Bestandes auf Null kann nicht vorgenommen werden, wenn nicht in dem gesamten in zwei Jagdbezirke aufgeteilten Voslapper Groden gleichzeitig entsprechend gehandelt werde, weil das Schwarzwild ungehindert von einem in den anderen Jagdbezirk wechseln könne. Hier sei aber mit der Antragstellerin nur einer von zwei Jagdpächtern zur Bestandseliminierung aufgefordert worden.

II.

Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 29. Oktober 2019 hat keinen Erfolg.

Die von der Antragsgegnerin binnen der Monatsfrist (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) dargelegten Gründe, auf deren Überprüfung sich die Entscheidung des Senats gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 17.05.2018 – 10 ME 198/18 –, juris Rn. 8 m.w.N.), lassen nicht erkennen, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht dem Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 7. August 2019 stattgegeben hat. Die Ausführungen der Antragsgegnerin in ihrer Beschwerdebegründung stellen die vom Verwaltungsgericht angenommene materielle Rechtswidrigkeit der in dem Bescheid vom 7. August 2019 angeordneten Bestandseliminierung von Schwarzwild in ihrem Jagdrevier bis zum 31. Oktober 2019 nicht in Frage.

1. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin geht das Verwaltungsgericht in der Begründung des Beschlusses nicht davon aus, dass die Antragstellerin durch den von ihr angegriffenen Bescheid aufgefordert wird, den Bestand des Schwarzwildes im gesamten Voslapper Groden zu eliminieren. So führt das Verwaltungsgericht in den Gründen seines Beschlusses aus, dass „eine Bejagung nur in einem der beiden Jagdbezirke […] nicht zur Eliminierung des Wildschweinbestandes in diesem einen Jagdbezirk führen“ kann.

2. Zur Begründung ihrer Beschwerde bringt die Antragsgegnerin weiter vor, dass entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts es ohne Belang sei, ob die Antragstellerin „als Einzeljägerin“ in der Lage sei, der angegriffenen Verfügung nachzukommen, weil sie nicht höchst selbst den Abschuss vornehmen müsse, sondern sich durch andere Jägern unterstützen lassen könne, etwa durch die Erteilung von Jagderlaubnisscheinen. So seien in der Verfügung auch die Kontaktdaten von Berufsjägern der Niedersächsischen Landesforsten mitgeteilt worden. Die Verfügung verlange daher von der Antragstellerin - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - nicht deshalb Unmögliches, weil sie alleine diese nicht erfüllen können würde. Auch aus § 27 Abs. 2 BJagdG ergebe sich bereits, dass geeignete Dritte hinzugezogen werden könnten. Der Beschluss gehe dementsprechend fehl, wenn die vermeintliche Rechtswidrigkeit der Verfügung damit begründet werde, der Antragstellerin werde als „Einzeljägerin“ etwas Unmögliches abverlangt.

Davon ist das Verwaltungsgericht jedoch entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin in seiner Entscheidung gar nicht ausgegangen, wenn in der Begründung ausgeführt wird, dass „völlig unklar“ sei, „ob eine Eliminierung des Bestandes durch eine Einzeljägerin (und sei es auch mit der Vergabe von Begehungsscheinen und ähnlichem) möglich ist.“ Vielmehr zeigt diese Formulierung, dass das Verwaltungsgericht die Möglichkeit, Dritte über Jagderlaubnisse (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 3 BJagdG, § 18 Abs. 1 NJagdG) einzubinden ausdrücklich berücksichtigt hat und dennoch - auch bei der Hinzuziehung von weiteren Jägern mittels Jagderlaubnisscheinen - von einer Unmöglichkeit der Erfüllbarkeit der Anordnung ausgegangen ist. Dieser Einwand der Antragsgegnerin geht damit von vornherein ins Leere.

Aus den entsprechenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts folgt vielmehr, dass es hinsichtlich der Unmöglichkeit der Erfüllbarkeit der Anordnung der Antragsgegnerin binnen der gesetzten Frist nicht auf die Anzahl der die Jagd ausführenden Personen abgestellt hat, sondern vielmehr auf eine fehlende aktuelle Bestandsermittlung und auf die Aufteilung des Voslapper Grodens in zwei Jagdbezirke.

3. Hinsichtlich der Bestandsermittlung führt die Antragsgegnerin in ihrer Beschwerdebegründung aus, dass es keinen Kausalzusammenhang zwischen der aktuellen Bestandszahl und der Aufforderung aus der angegriffenen Verfügung, alle (und nicht quotenmäßig) Wildschweine binnen der gesetzten Frist zu eliminieren, gibt. Die konkrete Zahl des Schwarzwildes sei bei der Anordnung der vollständigen Eliminierung des Bestandes vielmehr unerheblich, weil die Antragstellerin - unabhängig von der konkreten Anzahl in ihrem Jagbezirk vorhandenen Wildschweine - alle Stücke zu entnehmen habe.

Zwar dürfte die konkret vorhandene Größe des Schwarzwildbestandes für die Beurteilung der Erfüllbarkeit der Anordnung der vollständigen Eliminierung eines Wildbestandes binnen einer Frist von weniger als drei Monaten durchaus relevant sein. Inwieweit die Unmöglichkeit der der Antragstellerin auferlegten Verpflichtung und eine daraus gegebenenfalls folgende Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 7. August 2019 auf eine nicht nochmalige Bestandsermittlung gestützt werden kann, kann vorliegend allerdings offenbleiben. Denn das Verwaltungsgericht hat die Rechtswidrigkeit der Verfügung vom 7. August 2019 zusätzlich auch - selbständig tragend - darauf gestützt, dass der Antragstellerin die Bestandseliminierung „erst Recht“ deshalb unmöglich sei, weil der Voslapper Groden, der als geographische Einheit betrachtet werden könne, in zwei Jagdbezirke unterteilt sei. Dieser Umstand führe dazu, dass die Wildschweine ohne weiteres zwischen den beiden Jagdbezirken hin und her wechseln könnten, weshalb eine Eliminierung gar nicht vorgenommen werden könne, wenn nicht im gesamten Voslapper Groden gleichzeitig entsprechend gehandelt werde. Wenn aber - wie vorliegend - nur einer der beiden Jagdpächter aufgefordert werde, den Wildschweinbestand auf Null zu reduzieren, stelle ihn dies vor eine tatsächlich unmögliche Aufgabe und die Anordnung sei daher rechtswidrig. Eine Bejagung in einem der beiden Jagdbezirke könne daher von vornherein nicht zur Eliminierung des Wildschweinbestandes in diesem einen Jagdbezirk führen.

4. Hiergegen wendet die Antragsgegnerin ein, dass dem Jagdpächter in dem weiteren Jagdbezirk des Voslapper Grodens das gleiche Vorgehen - wie bei der Antragstellerin verfügt - angekündigt worden sei, wenn er nicht freiwillig und nachweislich eine radikale Bestandsreduzierung herbeiführe. Dieser habe sich jedoch - anders als die Antragstellerin - kooperativ gezeigt. Insoweit sei unerheblich, ob der Pächter des weiteren Jagdbezirks die Bestandsminimierung freiwillig oder auf Grundlage einer behördlichen Verfügung vornehme. Auf ein Wechseln des Wildes zwischen den Jagdbezirken komme es daher nicht an, weil die Wildschweine in beiden Jagdbezirken bejagt würden.

Mit diesem Vorbringen vermag die Antragsgegnerin die Annahme der Unmöglichkeit der Erfüllung ihrer Anordnung durch das Verwaltungsgericht jedoch nicht in Frage zu stellen. Vielmehr bestätigt sie mit ihren Ausführungen, dass eine - wie sie mit der angegriffenen Verfügung verlangt hat - vollständige Eliminierung des Schwarzwildbestandes im Jagdbezirk der Antragstellerin so, d.h. unter Berücksichtigung der konkreten tatsächlichen Gegebenheiten und den aktuellen Vorgaben der Antragsgegnerin, aller Voraussicht nach nicht möglich sein wird.

Unabhängig davon - was insbesondere auch angesichts der Geländeverhältnisse ebenfalls zweifelhaft erscheint -, ob selbst bei einer gemeinsamen einheitlichen Bejagung in beiden Jagdbezirken des räumlich weitgehend abgegrenzten Voslapper Grodens-Süd durch beide Jagdpächter der Schwarzwildbestand dort unter Beachtung des Muttertierschutzes (§ 22 Abs. 4 Satz 1 BJagdG) in - wie von der Antragsgegnerin aufgegeben - binnen weniger als drei Monaten auf Null reduziert werden könnte, zumal der Antragstellerin nach § 7 Abs. 14 des Pachtvertrages auch nur die Einzeljagd erlaubt ist, ist nicht erkennbar, inwieweit eine Bestandseliminierung (nur) in einem Jagdbezirk erreicht werden könnte, insbesondere wenn die Bejagung nicht in einer zwischen den beiden Jagdpächtern abgestimmten Art und Weise erfolgt und vor allem in dem geographisch unmittelbar angrenzenden Jagdbezirk eine solche nicht vorgenommen wird. Denn zum einen erschließt sich dem Senat dabei nicht, weshalb sich das Schwarzwild bei Erhöhung des Jagddrucks in einem Jagdbezirk ohne Abstimmung der Bejagung der Jagdpächter untereinander nicht (zeitweilig) in den anderen Jagdbezirk zurückziehen sollte, um bei einem Nachlassen der Bejagung wieder in die früheren Einstandsgebiete zurückkehren. Zum anderen und vor allem ist der Antragstellerin aber jedenfalls solange eine vollständige Eliminierung des Schwarzwildbestandes in ihrem Jagdbezirk nicht möglich, wie in dem weiteren Jagdbezirk des Voslapper Grodens-Süd der Schwarzwildbestand - wie von der Antragsgegnerin selbst vorgetragen - lediglich minimiert (die Antragsgegnerin hat in ihrem Schriftsatz vom 29.11.2019 klar zwischen der Bestandsreduzierung / Bestandsminimierung im benachbarten Bezirk und der Bestandseliminierung im Bezirk der Antragstellerin unterschieden) und nicht ebenfalls eliminiert werden soll. Denn solange in dem unmittelbar an den Jagdbezirk der Antragstellerin angrenzenden Jagdbezirk weiter Schwarzwild vorhanden sein wird, wird dieses sich vermehren und auch in das von der Antragstellerin gepachtete Gebiet ziehen, was sie aller Voraussicht nach nicht vollständig vermeiden können werden wird.

Im Falle einer tatsächlichen Unmöglichkeit der Ausführung der Anordnung eines Verwaltungsakts kommt über die Rechtswidrigkeit hinaus gemäß § 1 Abs. 1 NVwVfG i.V.m. § 44 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG dessen Nichtigkeit in Betracht.

5. Im Übrigen - ohne dass es vorliegend darauf ankommen würde - weist der Senat darauf hin, dass entgegen der Auffassung der Antragstellerin eine Reduzierung des Bestandes von Schwarzwild - zu dem auch Mischformen aus Haus- und Wildschweinen gehören dürften (vgl. Schuck, BJAgdG, 3. Auflage 2019, § 2 Rn. 20) - auf Null im Ausnahmefall durchaus rechtlich zulässig sein kann. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 BJagdG hat die Hege des Wildes unter anderem die Erhaltung eines den landschaftlichen und landeskulturellen Verhältnissen angepassten artenreichen und gesunden Wildbestandes zum Ziel, was bei der Frage der Erforderlichkeit des Umfangs einer Bestandsverringerung zu berücksichtigen ist (vgl. dazu auch VG Minden, Urteil vom 18.01.2013 – 8 K 1917/11 –, juris Rn. 34). Dabei sind Beeinträchtigungen einer ordnungsgemäßen land-, forst- und fischereiwirtschaftlichen Nutzung, insbesondere Wildschäden, möglichst zu vermeiden (§ 1 Abs. 2 Satz 2 BJagdG). In Bezug hierzu (vgl. BGH, Urteil vom 22.04.1974 – III ZR 21/72 –, juris Rn. 6, 16) räumt § 27 Abs. 1 BJagdG (in der noch heute gültigen Fassung vom 29.09.1976) der zuständigen Behörde die Befugnis ein, anzuordnen, dass der Jagdausübungsberechtigte unabhängig von den Schonzeiten innerhalb einer bestimmten Frist in bestimmtem Umfange den Wildbestand zu verringern hat, wenn dies mit Rücksicht auf das allgemeine Wohl, insbesondere auf die Interessen der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft und die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, notwendig ist. Die Vorschrift geht damit grundsätzlich (ebenfalls) von einer Reduzierung des Wildbestandes nur insoweit aus, als diese in Hinblick auf andere Belange erforderlich ist. In gewissem Umfang sind Einwirkungen durch freilebendes Wild allerdings grundsätzlich allgemein hinzunehmen (Niedersächsisches OVG, Urteil vom 10.08.1989 – 3 L 21/89 –, juris Rn. 41; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 08.11.2019 – 16 A 447/13 –, juris Rn. 63 - 66; VG Minden, Urteil vom 18.01.2013 – 8 K 1917/11 –, juris Rn. 31; VG Osnabrück, Urteil vom 11.06.2004 – 2 A 16/98 –, juris Rn. 20), sofern eine § 1 Abs. 2 BJagdG möglichst weitgehend entsprechende Hege des Wildbestandes gewährleistet ist (BGH, Urteil vom 05.05.1988 – III ZR 116/87 –, juris Rn. 26). § 27 ist eine Ausnahmevorschrift, die als letztes Mittel die Anordnung einer Bestandsverringerung vorsieht, wenn den dort genannten Belangen konkret ein nicht hinnehmbarer Schaden im Sinne einer notstandsähnlichen Situation droht, die Anordnung der Verringerung des Wildbestandes diese Gefahr abwenden kann und andere rechtlich zulässige Maßnahmen nicht zu diesem Erfolg führen werden können (Schuck, BJagdG, 3. Auflage 2019, § 27 Rn. 3 f., 6, 8; vgl. auch Metzger in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Stand: August 2019, BJagdG, § 27 Rn. 2f.; Pardey/Blume, NJagdG, Stand: August 2018, § 27 BJagdG, S. 168; Gies in Düsing/Martinez, Agrarrecht, 1. Auflage 2016, BJagdG, § 27 Rn. 1 f., 5; VG Kassel, Beschluss vom 02.08.2013 - 4 L 841/13.KS -, BeckRS 2014, 54892 Rn. 13). Unter besonderen Umständen kann allerdings - entgegen der Auffassung der Antragstellerin - auch ein Totalabschuss eines Wildbestandes als „ultima
ratio“ und nicht nur dessen Verringerung in einem bestimmten räumlichen Gebiet in Betracht kommen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 08.11.2019 – 16 A 447/13 –, juris Rn. 65 f.; VG Minden, Urteil vom 18.01.2013 – 8 K 1917/11 –, juris Rn. 45 - 48 zu § 21 BJagdG, sowie VG Arnsberg, Urteil vom 16.08.1985 – 3 K 2736/84 –, juris Leitsatz 2; VG Osnabrück, Urteil vom 11.06.2004 – 2 A 16/98 –, juris Rn. 21 ff. zu § 21 BJagdG; Guber, Totalabschuss einer lokalen Wildpopulation wegen einer Waldzertifizierung, NuR 2014, 318 [320 ff.]). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn wie hier von der Antragsgegnerin behauptet, eine erhebliche Schädigung eines Naturschutzgebietes / Natura 2000-Gebietes durch eine selbst nicht in ihrem Bestand gefährdete Wildart droht und eine Verringerung nach Abwägung aller Belange nicht ausreichend ist. Ob diese Voraussetzungen hier tatsächlich erfüllt sind, ist im Hauptsacheverfahren zu klären, sofern es auf diese Frage dort überhaupt noch ankommt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).