Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 03.01.2020, Az.: 2 LA 603/19

Besetzung des Prüfungsausschusses; Besetzung, vorschriftsmäßige; Leistungsbewertung; Prüfung; Prüfungsausschuss; Prüfungskommission; Vorsitz; Vorsitzender des Prüfungsausschusses

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
03.01.2020
Aktenzeichen
2 LA 603/19
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 72075
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 26.06.2019 - AZ: 6 A 7876/13

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Gehört eine Person einem Prüfungsausschuss an, die diesem nach den rechtlichen Vorgaben nicht angehören darf, führt dies dann nicht (stets) zur Rechtswidrigkeit der Prüfung, wenn diese Person nach Maßgabe der prüfungsrechtlichen Bestimmungen bei der Leistungsbewertung selbst nicht mitgewirkt und auf diese keinerlei Einfluss genommen hat (Abgrenzung zu Senatsbeschl. v. 6.3.2019 - 2 ME 224/19 -, juris Rn. 3).

Tenor:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 6. Kammer (Einzelrichter) - vom 26. Juni 2019 wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt ihre erneute Zulassung zur Wiederholungsprüfung im Fach Zahnersatzkunde der zahnärztlichen Vorprüfung.

Die Klägerin studierte seit dem Wintersemester 1996/1997 Zahnmedizin bei der Beklagten. Für das Jahr 2012 meldete sie sich zur zahnärztlichen Vorprüfung vor dem Prüfungsausschuss. Den Vorsitz des Prüfungsausschusses hatte eine promovierte Biologin inne, bei der es sich nicht um eine ordentliche Professorin der Beklagten handelte. Die geforderte Prüfungsleistung im Fach Zahnersatzkunde bestand die Klägerin nicht („nicht genügend“ (5)). Daraufhin meldete sie sich zur Wiederholungsprüfung. Die praktischen Arbeiten legte sie dem Prüfer am 15. März 2013 vor. Die für denselben Tag vorgesehene mündliche Prüfung absolvierte sie aufgrund von Prüfungsunfähigkeit erst am 30. April 2014 vor demselben Prüfer in Anwesenheit der Prüfungsausschussvorsitzenden. Die Prüfungsleistungen bewertete der Prüfer mit „nicht genügend“ (5).

Mit Bescheid vom 30. Mai 2013 erklärte die Beklagte daraufhin die zahnärztliche Vorprüfung für endgültig nicht bestanden. Den Widerspruch der Klägerin wies der Niedersächsische Zweckverband zur Approbationserteilung mit Bescheid vom 25. November 2013 zurück. Ein gerichtliches Eilverfahren blieb in zwei Instanzen (VG Hannover, Beschl. v. 2.5.2014 - 6 B 594/14 -, n.v.; Senatsbeschl. v. 11.7.2014 - 2 ME 235/14 -, n.v.) ohne Erfolg. Die unter anderem auf eine fehlerhafte Zusammensetzung des Prüfungsausschusses gestützte Klage wies das Verwaltungsgericht Hannover mit dem angefochtenen Urteil vom 26. Juni 2019 ab. Mit ihrem Zulassungsantrag verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.

Die geltend gemachten Zulassungsgründe ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, der grundsätzlichen Bedeutung sowie eines Verfahrensfehlers liegen nicht vor.

Es bestehen zunächst keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Von ernstlichen Zweifeln in diesem Sinne ist auszugehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Urteils mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. Senatsbeschl. v. 21.9.2018 - 2 LA 1750/17 -, juris Rn. 7 m.w.N.). Das ist der Klägerin nicht gelungen. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Besetzung des Prüfungsausschussvorsitzes mit einer nicht den ordentlichen Professoren der Beklagten zuzuordnenden Person nicht zur Fehlerhaftigkeit der Prüfung führt.

Anders als das Verwaltungsgericht lässt der Senat jedoch ausdrücklich offen, ob die seit dem Jahr 2004 bis zum heutigen Tag praktizierte Verfahrensweise der Beklagten, eine nicht den ordentlichen Professoren zugehörige Person zur Vorsitzenden des gemeinsamen Prüfungsausschusses für die naturwissenschaftliche und die zahnärztliche Vorprüfung (§ 4 Abs. 1 und 2 der Approbationsordnung für Zahnärzte in der bis zum 30.9.2020 geltenden Fassung (ZÄPro)) zu bestellen, den rechtlichen Anforderungen des § 4 Abs. 3 ZÄPro genügt. Die Vorschrift ordnet an, dass der Vorsitzende der Prüfungsausschüsse und seine Stellvertreter in der Regel den ordentlichen Professoren der medizinischen Fakultät zugehörig sein müssen. Mit der Formulierung „in der Regel“ lässt die Bestimmung zwar Ausnahmen zu. Ob aber eine Praxis, die den gesetzlich gewünschten Zustand eines Vorsitzes durch einen ordentlichen Professor seit nunmehr mehr als 15 Jahren durchbricht und deren Gründe für den entscheidungserheblichen Zeitraum im Jahr 2013 dem Senat nicht transparent erscheinen, noch als ein zulässiges Gebrauchmachen von der Ausnahmevorschrift angesehen werden kann, begegnet - wie die Klägerin zu Recht ausführt - erheblichen Zweifeln (vgl. zum anzulegenden - strengen - Maßstab HessVGH, Beschl. v. 3.12.2002 - 8 TG 2413/02 -, juris Rn. 22 ff.). Eine gute Qualifikation der gegenwärtigen Amtsinhaberin kann das Gebrauchmachen von der Ausnahmevorschrift jedenfalls ebenso wenig rechtfertigen wie eine etwaige Unlust innerhalb der Gruppe der Hochschullehrer, das arbeitsintensive Amt eines Prüfungsausschussvorsitzenden zu übernehmen; insofern ist auf § 24 Abs. 1 NHG zu verweisen.

Eine möglicherweise fehlerhafte Besetzung des Prüfungsausschussvorsitzes führt jedoch - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - nicht zur Rechtswidrigkeit der Bewertung der Prüfungsleistungen der Klägerin. Grundsätzlich ist zwar davon auszugehen, dass die vorschriftswidrige Besetzung eines Prüfungsausschusses einen wesentlichen Verfahrensmangel darstellt. Die vorschriftsmäßige Besetzung des Prüfungsausschusses ist von erheblicher Bedeutung, weil die Bewertung der Leistung im Zusammenwirken der Prüfungsausschussmitglieder erfolgt, die sich in der Beratung gegenseitig beeinflussen und kontrollieren sollen. Einen unzulässigen Einfluss auf diese Wertungen nimmt derjenige vor, der dem Prüfungsausschuss nach den vorgegebenen Regelungen nicht angehören soll (Senatsbeschl. v. 6.3.2019 - 2 ME 224/19 -, juris Rn. 3; Nds. OVG, Urt. v. 8.6.2011 - 8 LB 199/09 -, juris Rn. 36). Diese Rechtsprechung bezieht sich allerdings auf einen Prüfungsausschuss, dessen Mitglieder gemeinschaftlich über die Leistungen der Prüflinge befinden und dem in diesem Rahmen ein prüfungsspezifischer Bewertungsspielraum zukommt. Um einen solchen Prüfungsausschuss handelt es sich bei dem Ausschuss für die naturwissenschaftliche und die zahnärztliche Vorprüfung nicht. Die einzelnen Teilprüfungen werden vielmehr von einzelnen Prüfern abgenommen und bewertet (vgl. § 13 Abs. 1, § 31 Abs. 2 Satz 1 i.V. mit § 23 Abs. 1 ZÄPro), während dem Vorsitzenden des Prüfungsausschusses administrative und kontrollierende Aufgaben zugewiesen sind (vgl. § 5 Abs. 1 ZÄPro). Hingegen ist der Vorsitzende nicht berechtigt, bei der Bewertung der Prüfungsleistungen mitzuwirken, und hat dies nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts tatsächlich auch nicht getan. Daraus folgt, dass eine möglicherweise fehlerhafte Besetzung des Prüfungsausschussvorsitzes keinen Einfluss auf die konkrete Leistungsbewertung hatte, weil eine gemeinsame Bewertung nicht stattgefunden hat.

Soweit die Klägerin demgegenüber meint, ein derartiger Einfluss folge daraus, dass der Vorsitzende kein bloßer Beobachter sei, sondern eine Überwachungsfunktion innehabe, trifft die darin liegende Beschreibung der Aufgaben des Vorsitzenden zwar zu. Ein Einfluss auf die Leistungsbewertung als solche folgt daraus aber nicht. Die Einhaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen der Approbationsordnung für Zahnärzte ist zu trennen von der eigentlichen Leistungsbewertung, die von subjektiven Wertungen und Erfahrungen des jeweils berufenen Prüfers geprägt ist. In diese Bewertung kann und darf der Vorsitzende, der das zu prüfende Fach vielfach - und so auch hier - überhaupt nicht vertritt, nicht eindringen. Anhaltspunkte, dass dies entgegen den rechtlichen Vorgaben dennoch der Fall gewesen sein könnte, liegen nicht vor.

Hat das Verwaltungsgericht seine Entscheidung demzufolge zu Recht (auch) darauf gestützt, dass sich eine möglicherweise fehlerhafte Besetzung des Prüfungsausschussvorsitzes auf die Bewertung der Prüfungsleistung nicht ausgewirkt haben kann, waren die mit der Besetzung zusammenhängenden rechtlichen und tatsächlichen Fragen demzufolge nicht entscheidungserheblich und wären dies auch in einem Berufungsverfahren nicht. Vor diesem Hintergrund kommt der Rechtssache weder die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung zu (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zu, noch kann die Entscheidung des Verwaltungsgerichts insoweit auf einem Verfahrensfehler beruhen (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG und orientiert sich an Nr. 36.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013
(NordÖR 2014, 11).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).