Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 08.01.2020, Az.: 10 LA 262/19

Antrag; Antrag auf Zulassung der Berufung; Fürsorgepflicht, prozessuale; Wiedereinsetzung in den vorigen Stand; Zulassungsantrag

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
08.01.2020
Aktenzeichen
10 LA 262/19
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 72076
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 06.11.2019 - AZ: 1 A 7677/18

Tenor:

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - Einzelrichter der 1. Kammer - vom 6. November 2019 zuzulassen, wird verworfen.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 3.202,50 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung ist unzulässig.

Denn der sich als Rechtsanwalt selbst vertretende Kläger hat den Zulassungsantrag nicht, wie nach § 124a Abs. 4 Satz 2 VwGO vorgeschrieben, beim Verwaltungsgericht, sondern beim Oberverwaltungsgericht eingereicht. Da die Rechtsmittelfrist ausgehend von der anwaltlichen Versicherung des Klägers, dass ihm das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover am 18. November 2019 über das elektronische Postfach zugegangen sei, am 18. Dezember 2019 abgelaufen ist, kann dieser Fehler auch nicht mehr geheilt werden.

Dem Kläger ist auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 VwGO von Amts wegen (§ 60 Abs. 2 Satz 4 VwGO) zu gewähren. Abgesehen davon, dass der Kläger trotz des Hinweises in der gerichtlichen Verfügung vom 19. Dezember 2019 nach wie vor keinen Zulassungsantrag beim Verwaltungsgericht eingereicht hat, kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Amts wegen auch deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger schuldhaft im Sinne des § 60 Abs. 1 VwGO gehandelt hat und der Verschuldensvorwurf auch nicht im Hinblick auf ein etwaiges Versäumnis des Gerichts entfällt.

Zwar ist das unrichtigerweise angerufene Oberverwaltungsgericht grundsätzlich im Rahmen seiner prozessualen Fürsorgepflicht gehalten, den Zulassungsantrag im normalen Geschäftsgang an das zuständige Verwaltungsgericht weiterzuleiten (Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 24. Auflage 2018, § 124a Rn. 44 m.w.N.). Doch ist hier der prozessualen Fürsorgepflicht bereits dadurch Genüge getan, dass der Kläger in dem Verfahren 10 LC 241/19, in dem er das falsche Rechtsmittel der Berufung eingelegt hatte, auf das sich schon aus der zutreffenden Rechtsmittelbelehrung des erstinstanzlichen Urteils ergebende richtige Rechtsmittel - Antrag auf Zulassung der Berufung - und die dafür geltenden Vorschriften (§ 124a Abs. 4 VwGO) mit gerichtlicher Verfügung vom 26. November 2019 ausdrücklich hingewiesen worden ist. Die prozessuale Fürsorgepflicht bedeutet nicht, dass ein Rechtsanwalt wiederholt auf die von ihm einzuhaltenden prozessualen Vorschriften hinzuweisen ist bzw. ihm unterlaufene Fehler durch gerichtliches Handeln zu korrigieren sind.

Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Rechtsmittelschriftsatz des Klägers vom 17. Dezember 2019 nicht an das Verwaltungsgericht, sondern ausdrücklich an das Oberverwaltungsgericht adressiert worden ist. Unter diesen Umständen konnte das Oberverwaltungsgericht nicht ohne weiteres zu der Erkenntnis gelangen, dass der Schriftsatz (in Wirklichkeit) beim Verwaltungsgericht hätte eingereicht werden sollen. Ein derartiger Wille des Rechtsmittelführers ist jedenfalls nicht erkennbar geworden. Zwar besteht auch in einem solchen Fall die Möglichkeit, den Kläger bzw. seinen Prozessbevollmächtigten unmittelbar nach Eingang des Schriftsatzes auf seinen Fehler hinzuweisen und damit die Nachholung der bis dahin versäumten Rechtshandlung bei dem zuständigen Gericht innerhalb der gesetzlichen Frist zu ermöglichen. Doch ist das Oberverwaltungsgericht, falls es überhaupt vor Fristablauf die drohende Unzulässigkeit des Rechtsmittels erkennt, dazu nicht aus Gründen der prozessualen Fürsorge verpflichtet (Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 04.12.2006 - 12 LA 426/05 -, juris Rn. 7 m.w.N.).

Schließlich ist hier eine Weiterleitung des Zulassungsantrags an das Verwaltungsgericht im normalen Geschäftsgang ohnehin nicht mehr möglich gewesen. Denn der Zulassungsantrag ist erst am 17. Dezember 2019 um 21:36 Uhr und damit kurz vor Ablauf der Rechtsmittelfrist am 18. Dezember 2019 beim Oberverwaltungsgericht eingegangen. Als der Senatsvorsitzende den Kläger mit gerichtlicher Verfügung vom 19. Dezember 2019 “im normalen Geschäftsgang“ auf seinen Fehler hinwies, war die Rechtsmittelfrist bereits abgelaufen.