Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 16.01.2020, Az.: 13 ME 394/19

detailliert; Hygienemängel; Prangerwirkung; Produktbezug; Veröffentlichung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
16.01.2020
Aktenzeichen
13 ME 394/19
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 72084
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 14.11.2019 - AZ: 6 B 1447/19

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Eine detaillierte Schilderung der festgestellten Mängel kann Inhalt einer Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a LFGB sein.

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stade - 6. Kammer - vom 14. November 2019 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stade vom 14. November 2019 hat keinen Erfolg.

Mit diesem Beschluss hat das Verwaltungsgericht dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, in der Veröffentlichung zur Kontrolle vom 20. Juni 2019 die Formulierung „Datum der Behebung 14.08.2019“ zu verwenden. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht den weitergehenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Die mit der Beschwerde dargelegten Gründe auf deren Prüfung sich der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, rechtfertigen keine andere Entscheidung. Der Antragsteller hat keinen weitergehenden Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.

Nach § 40 Abs. 1a LFGB informiert die zuständige Behörde die Öffentlichkeit unverzüglich unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels sowie unter Nennung des Lebensmittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel hergestellt oder behandelt oder in Verkehr gelangt ist, wenn der durch Tatsachen hinreichend begründete Verdacht besteht, dass gegen Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes, die dem Schutz der Verbraucher vor Gesundheitsgefährdungen oder vor Täuschung oder der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, in nicht nur unerheblichem Ausmaß oder wiederholt verstoßen worden ist und die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens dreihundertfünfzig Euro zu erwarten ist.

Der Antragsteller wendet sich im vorliegenden Fall nicht gegen die vom Antragsgegner vorgenommene Information als solche, sondern lediglich gegen deren Art und Weise, insbesondere ihren Umfang. Daraus leitet er eine unzulässige Prangerwirkung mit existenziellen wirtschaftlichen Folgen ab. Dem vermag sich der Senat nicht anzuschließen.

Der Gesetzgeber hat - abgesehen von den nach § 40 Abs. 4 LFGB nachträglich aufzunehmenden Informationen - in § 40 Abs. 1a LFGB außer der Bezeichnung des Lebensmittels und der Nennung des Lebensmittelunternehmens keine weiteren konkreten Vorgaben für die Veröffentlichung gemacht, so dass die Ausgestaltung der Veröffentlichung im Wesentlichen dem Antragsgegner obliegt. Eine Veröffentlichung ist nicht zu beanstanden, wenn sie inhaltlich richtig ist und möglichst schonend für den Betroffenen erfolgt sowie dem Zweck der Vorschrift dient. Einzelne Normen müssen nicht zwingend bezeichnet werden (vgl. VG Freiburg, Beschl v. .4.2019 - 4 K 168/19-, juris Rn. 21; VG Würzburg, Beschl. v. 24.7.2019 - W 8 E 19.766 -, juris Rn. 43). Nur die Verbreitung richtiger Informationen ist zur Erreichung des Informationszwecks geeignet (vgl. BVerfG, Beschl. v. 21.3.2018 - 1 BvF 1/13 -, juris Rn. 39; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 14.3.2019 - 13 B 67/19 -, juris Rn. 18). Gegen die Richtigkeit der Veröffentlichung im Internet hat der Antragsteller sich nicht gewandt. Die detaillierte Darstellung der festgestellten Verstöße ist als mittelbarer Eingriff in die Berufsfreiheit an Art. 12 Abs. 1 GG und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu messen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 21.3.2018, a.a.O., Rn. 24 ff). Sie genügt den sich hiernach ergebenden Anforderungen.

Nach der Begründung des Gesetzentwurfs soll die Regelung des § 40 Abs. 1a LFGB vor allem eine hinreichende Grundlage für eigenverantwortliche Konsumentscheidungen der Verbraucher schaffen (vgl. BT-Drs. 17/7374, S. 2). Daneben wird die Funktion des § 40 Abs. 1a LFGB hervorgehoben, zur Einhaltung der Bestimmungen des Lebensmittel- und Futtermittelrechts beizutragen. Der drohende Nachteil der Informationsverbreitung soll das einzelne Unternehmen dazu veranlassen, den Betrieb im Einklang mit den lebensmittel- oder futtermittelrechtlichen Vorschriften zu betreiben (vgl. BT-Drs. 17/12299, S. 7). Das dient letztlich der Durchsetzung des allgemeinen Zwecks des Gesetzes, Gesundheitsgefahren vorzubeugen und abzuwehren und die Verbraucher vor Täuschung zu schützen (vgl. § 1 Abs. 1 LFGB; BVerfG, Beschl v. 21.3.2018, a.a.O., Rn. 32).

Diese vom Gesetzgeber verfolgten Ziele sind legitim, aber von unterschiedlichem Gewicht. Sofern die Einhaltung solcher Vorschriften gefördert werden soll, die dem Schutz vor Gesundheitsgefahren dienen, hat dies größeres Gewicht (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) als etwa die bloße Verbraucherinformation über (behobene) Hygienemängel. Allerdings kommt auch dem Schutz der Verbraucher vor Täuschung und dem Ziel, deren Wissensgrundlage für eigenverantwortliche Entscheidungen zu verbessern, verfassungsrechtliche Bedeutung zu. Dies stärkt jedenfalls deren Vertragsfreiheit (Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 GG). Im Übrigen kann der Gesetzgeber in die Berufsfreiheit auch zugunsten solcher Ziele eingreifen, die zu verfolgen er nicht bereits durch das Grundgesetz gehalten ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 21.3.2018, a.a.O., Rn. 33).

Nicht nur die Publikation anhaltender, sondern - wie hier - auch die Veröffentlichung bereits beseitigter Verstöße ist zur Zweckerreichung geeignet. Das gilt insbesondere im Hinblick auf den generalpräventiven Zweck der Regelung. Die Publikation behobener Verstöße erhöht die abschreckende Wirkung der Informationsregelung und fördert damit die Einhaltung der einschlägigen Vorschriften. Daneben dient die Veröffentlichung behobener Verstöße auch dem Ziel der Verbraucherinformation, weil auch Informationen über rechtsverletzendes Verhalten in der Vergangenheit für die Konsumentscheidung Bedeutung haben können (vgl. BVerfG, Beschl. v. 21.3.2018, a.a.O., Rn. 38).

Das Maß des damit verbundenen potenziellen Ansehensverlusts hängt auch von der konkreten Darstellung der Information durch die Behörde ab. So kann die Beeinträchtigung der betroffenen Unternehmen etwa - wie hier - durch einen ausdrücklichen Hinweis abgemildert werden, dass die Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a LFGB nicht auf einer behördlichen Einschätzung des Risikos weiterer künftiger Verstöße beruht, die Information also nicht etwa als amtliche Warnung aufzufassen ist. Im Verhältnis zu konkurrierenden Unternehmen können Wettbewerbsnachteile begrenzt werden, wenn deutlich erkennbar ist, dass es sich womöglich nur um das Ergebnis stichprobenweise erfolgter Kontrollen handelt. Ohne negative Folgen wird die Veröffentlichung für die Betroffenen indessen kaum bleiben. Nach ihrem Regelungszweck soll sie auch durchaus negative Folgen entfalten, weil gerade hierauf die generalpräventive Wirkung der drohenden Veröffentlichung beruht. Allerdings ist der potenziell gewichtige Grundrechtseingriff dadurch relativiert, dass die betroffenen Unternehmen negative Öffentlichkeitsinformationen durch rechtswidriges Verhalten selbst veranlassen, umgekehrt also den Eingriff durch rechtstreues Verhalten verhindern können, und dass ihr Fehlverhalten angesichts seiner Konsequenzen für die Verbraucher einen Öffentlichkeitsbezug aufweist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 21.3.2018, a.a.O., Rn. 35 f. m.w.N.). Eine gewisse „Prangerwirkung“ ist mithin, und zwar berechtigterweise, beabsichtigt.

Vor diesem Hintergrund ist die detaillierte Beschreibung der festgestellten Hygienemängel eine hinreichend schonende und damit verhältnismäßige Vorgehensweise. Auf der einen Seite informiert sie den Verbraucher umfassend über die aufgetretenen Mängel; auf der anderen Seite grenzt sie aber auch das Ausmaß dieser Mängel eindeutig ein. Eine detaillierte Schilderung steht daher dem Gesetzeszweck deutlich näher als die zuvor vom Antragsgegner verwendete Formulierung „Nachteilige Beeinflussung von Lebensmitteln durch Ekel erregende und unhygienische Zustände“, gegen die sich der Antragsteller bereits erfolgreich gewehrt hat. Für einen Übergangszeitraum mag diese Änderung der Verwaltungspraxis des Antragsgegners noch den nicht immer zutreffenden Anschein erwecken, bei den noch mit der genannten pauschalen und knappen Formulierung bedachten Unternehmen lägen geringere Mängel vor. Dieser teilweise unzutreffende Eindruck ist im Hinblick auf die für den Verbraucher und das betroffene Unternehmen gehaltvollere und konkretere Information für einen Übergangszeitraum aber hinzunehmen.

Die Veröffentlichung weist auch einen hinreichenden Produktbezug auf. An die Konkretheit des Produktbezugs sind im vorliegenden Fall auch unter Berücksichtigung der in § 40 Abs. 1a LFGB geforderten „Bezeichnung des Lebensmittels“ keine hohen Anforderungen zu stellen (vgl. bereits Senatsbeschlüsse v. 1.2.2019 - 13 ME 27/19 -, juris Rn. 10 u. v. 18.1.2013 - 13 ME 267/12 -, juris Rn. 14). Der Senat ist der Auffassung, dass eine Information über Hygienemängel grundsätzlich auch dann erfolgen kann, wenn Lebensmittel zwar nicht unmittelbar unter Verwendung von ersichtlich hygienisch mangelhaften Gerätschaften und Arbeitsplatten bearbeitet wurden, sondern lediglich das Umfeld des Verarbeitungsprozesses nicht den hygienischen Anforderungen entspricht. Denn bei Lebensmitteln, die in einem solchen Umfeld hergestellt werden, kann je nach der Art des festgestellten Hygieneverstoßes ein deutlich erhöhtes Risiko für eine nachteilige Beeinflussung bestehen, etwa durch die Kontamination mit Schimmelpilzsporen oder Mikroorganismen über die Raumluft, durch verunreinigte Gerätschaften oder durch das Personal bei unzureichender Handhygiene. Daher setzt eine Information über solche Hygienemängel nicht voraus, dass eine nachteilige Beeinflussung bestimmter Lebensmittel nachgewiesen worden ist und nur diese in der Veröffentlichung benannt werden (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 13.2.2013 - 6 B 10035/13 -, juris Rn. 19). Allgemeine Hygienemängel dürfen lediglich nicht losgelöst von den betroffenen Lebensmitteln und dem diese Lebensmittel vertreibenden Lebensmittelunternehmen veröffentlicht werden (vgl. Hessischer VGH, Beschl. v. 8.2.2019, - 8 B 2575/18 -, juris Rn. 31 f. m.w.N. zum Meinungsstand; enger wohl: VG Karlsruhe, Beschl. v. 7.11.2012 - 2 K 2430/12 -, juris Rn. 15). Vor dem Hintergrund der festgestellten und veröffentlichten umfassenden Hygienemängel im Verkaufsstand des Antragstellers ist daher die Erstreckung der veröffentlichten Mängel auf die Sammelbezeichnung „sämtliche zubereitete Speisen“ nicht zu beanstanden. Nicht dargelegt oder auf andere Weise ersichtlich ist, dass einzelne näher bestimmte selbst zubereitete Speisen von den benannten Hygienemängeln und den davon ausgehenden Gefahren nicht betroffen gewesen wären.

Unabhängig von der rechtlichen Situation ist von der behaupteten existenziellen Gefährdung des Betriebs des Antragstellers aber auch aus tatsächlichen Gründen nicht auszugehen. Der Senat vermag nicht abschließend festzustellen, welche Reichweite die vom Antragsgegner auf der Internetseite www.verstoesse.lebensmittel-futtermittel-sicherheit.niedersachsen.de eingestellten Veröffentlichungen haben. Von einer Bedrohung der wirtschaftlichen Existenz des Antragstellers kann jedoch nicht ausgegangen werden. Weder handelt es sich um eine besonders populäre oder benutzerfreundlich aufgebaute Internetseite, noch ist glaubhaft gemacht, dass ein Großteil der Kundschaft des Antragstellers sich vor dem Kauf von Lebensmitteln an seinem Verkaufswagen zuvor im Internet über etwaige Hygienemängel informiert. Dementsprechend hat er als Reaktion lediglich eine Rezension unbekannter Herkunft auf Google vorgelegt, die zudem zwischenzeitlich nicht mehr aufzufinden ist. Hinzu kommt, dass der Antragsgegner in Abweichung von der Regelung des § 40 Abs. 4a LFGB, der mit Gesetz vom 24.April 2019 (BGBl. I, S. 498) mit Wirkung vom 30. April 2019 eingefügt worden ist, und der eine Entfernung der veröffentlichten Informationen erst sechs Monate nach Veröffentlichung vorsieht, eine Löschung der am 20. November 2019 eingestellten Veröffentlichung bereits spätestens am 1. Februar 2020 beabsichtigt. Die Frage, ob eine derartige Verkürzung der Veröffentlichungsfrist, die einen Ausgleich zwischen Verbraucher- und Unternehmerinteressen darstellt (vgl. BR-Drs. 369/18, S. 4), überhaupt zulässig ist, bedarf im vorliegenden Fall keiner Beantwortung, da der Antragsteller dadurch nicht in seinen Rechten verletzt wird, sondern einen deutlichen Vorteil erlangt.

Die Veröffentlichung ist auch nicht rechtswidrig, weil sie vor Rechtskraft des erstinstanzlichen Beschlusses erfolgt ist. Nach § 149 Satz 1 VwGO hat die Beschwerde im vorliegenden Verfahren keine aufschiebende Wirkung. Daher hatte der Antragsgegner auch keinen Anlass, die Rechtskraft der erstinstanzlichen Entscheidung vor der Veröffentlichung der festgestellten Mängel abzuwarten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.