Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 31.01.2020, Az.: 1 ME 127/19
Außenbereich; Beseitigungsanordnung; Bindung an Recht und Gesetz; Gleichbehandlungsgrundsatz; keine Gleichheit im Unrecht; Klimaschutz; Nutzungsuntersagung; Photovoltaikanlage; Photovoltaik-Freilandanlage; Verfahrensfreiheit
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 31.01.2020
- Aktenzeichen
- 1 ME 127/19
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2020, 72098
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 11.09.2019 - AZ: 2 B 1156/19
Rechtsgrundlagen
- § 35 Abs 1 Nr 8 BauGB
- Art 20 Abs 3 GG
- Art 3 Abs 1 GG
- § 60 BauO ND
- § 79 BauO ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Zur Zulässigkeit einer Photovoltaik-Freilandanlage im Außenbereich
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stade - 2. Kammer - vom 11. September 2019 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen eine bauaufsichtliche Ordnungsverfügung des Antragsgegners.
Der Antragsteller ist Eigentümer zweier im Kreisgebiet des Antragsgegners liegender Flurstücke, für die Festsetzungen eines Bebauungsplans nicht bestehen. Das kleinere der beiden Flurstücke liegt mit seiner Nordseite an einer Straße und ist mit einem von dem Antragsteller selbst bewohnten Einfamilienhaus mit Doppelgarage bebaut. Das - im vorliegenden Verfahren relevante - zweite, bisher unbebaute Flurstück (im Folgenden kurz: Flurstück des Antragstellers) ist weitaus größer und grenzt rückwärtig an das erste an. Im Flächennutzungsplan ist es als Fläche für die Landwirtschaft ausgewiesen.
Im August 2019 stellte der Antragsgegner fest, dass der Antragsteller auf seinem Flurstück in etwa 35 m Abstand zu seinem Wohnhaus eine Photovoltaik-Freiflächenanlage mit einer Größe von 12 m x 8 m errichtet hatte. Nach den Angaben des Antragstellers beträgt die Spitzenleistung der ausschließlich für den Privatgebrauch vorgesehenen Anlage 20 kWp. Eine die planungsrechtliche Zulässigkeit einer solchen Photovoltaikanlage betreffende Bauvoranfrage hatte der Antragsteller nach Ankündigung einer ablehnenden Antwort im Juli 2019 wieder zurückgenommen. Am 16. August 2019 erließ der Antragsgegner die hier angegriffene Verfügung, mit der er unter Zwangsgeldandrohung und Anordnung der sofortigen Vollziehung dem Antragsteller die Nutzung der Photovoltaikanlage ab sofort untersagte und deren Beseitigung bis zum 6. September 2019 aufgab.
Den Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines fristgerecht eingelegten Widerspruchs hat das Verwaltungsgericht mit der Begründung abgelehnt, es bestünden nach summarischer Prüfung keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit der bauaufsichtlichen Verfügung. Für die Nutzungsuntersagung und die Beseitigungsanordnung lägen die Voraussetzungen der durch § 79 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 5 bzw. Nr. 4 NBauO gegebenen Ermächtigungsgrundlagen vor; Ermessensfehler seien jeweils nicht ersichtlich. Hinsichtlich der Nutzungsuntersagung wird ausgeführt, dass die von dem Antragsteller errichtete Photovoltaikanlage, was ihm auch bewusst gewesen sein müsse, mangels der insoweit erforderlichen Baugenehmigung formell baurechtswidrig sei. Der von dem Antragsteller im Verfahren herausgestellte Aspekt des Klimaschutzes entbinde nicht von der Beachtung der Rechtsordnung. Die formelle Baurechtswidrigkeit rechtfertige ohne weiteres die Verhängung eines Nutzungsverbots aus den vom Antragsgegner genannten Gründen, weil derjenige, der sich nicht an die Rechtsordnung halte, nicht gegenüber dem rechtstreuen Bürger bevorteilt werden dürfe. Bezüglich des Beseitigungsverlangens gehe der Antragsgegner zu Recht davon aus, dass die Anlage wegen ihres Standortes im planungsrechtlichen Außenbereich an dieser Stelle planungsrechtlich unzulässig sei. Der Privilegierungstatbestand des § 35 Abs. 1 Nr. 8 BauGB greife zugunsten des Antragstellers nicht, weil die Anlage abgesetzt von einem Gebäude in der freien Landschaft errichtet worden sei. Es sei auch nicht erkennbar, dass die Photovoltaikanlage in absehbarer Zeit genehmigt werden könnte. Unter diesen Umständen sei es gerechtfertigt, die Beseitigung der Anlage zu fordern, zumal diese nach Angaben des Antragstellers leicht demontiert werden könne.
II.
Die dagegen erhobene Beschwerde hat keinen Erfolg. Die zulässige Beschwerde, auf deren fristgerecht vorgetragene Gründe sich die Prüfung des Senats gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt, ist unbegründet.
Die formelle Illegalität seines Bauvorhabens vermag der Antragsteller nicht in Zweifel zu ziehen. Die von ihm vertretene Auffassung, bei der Errichtung der Photovoltaikanlage handele sich um eine verfahrensfreie Baumaßnahme im Sinne von § 60 Abs. 1 NBauO i.V.m. Ziffer 2.3 des Anhangs, trifft nicht zu. Denn nach dem Wortlaut der Vorschrift gilt die gebäudeunabhängige Verfahrensfreiheit von (u.a.) Solarenergieanlagen mit nicht mehr als 3 m Höhe und mit nicht mehr als 9 m Gesamtlänge nicht im Außenbereich (vgl. dazu Burzynska/Tepperwien, in: Große-Suchsdorf, NBauO, 10. Aufl. 2020, § 60 Rn. 26). Soweit der Antragsteller zur Begründung seiner Beschwerde auch noch einwendet, sein Flurstück liege nicht im Außenbereich, überzeugt dies - wie noch dargelegt werden wird - nicht. Im Übrigen weist die Photovoltaikanlage des Antragstellers auch eine Gesamtlänge von mehr als 9 m auf.
Mit seiner Ansicht, jedenfalls sei ihm aus Gleichbehandlungsgründen für seine Photovoltaikanlage eine Baugenehmigung zu erteilen, denn der Antragsgegner habe bis ins Kalenderjahr 2012 entsprechende Anlagen genehmigt, kann der Antragsteller ebenfalls nicht durchdringen. Art. 3 Abs. 1 GG verbietet es, gleiche Sachverhalte ungleich zu behandeln. Einen gleichen Genehmigungssachverhalt hat der Antragsteller aber nicht dargetan. Die von ihm zum Beleg der behaupteten Ungleichbehandlung aufgelisteten vier Freiland-Photovoltaikanlagen sind, darauf weist der Antragsgegner in seiner Erwiderung zu Recht hin, sämtlich nicht im Außenbereich, sondern auf im Geltungsbereich von Bebauungsplänen liegenden Grundstücken zugelassen worden. Darüber hinaus vermag der Gleichbehandlungsgrundsatz die in den §§ 29 ff. BauGB an die Zulässigkeit von Vorhaben festgelegten Anforderungen nicht zu überspielen. Denn einen Anspruch auf Gleichheit im Unrecht gewährt Art. 3 Abs. 1 GG nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht (vgl. z.B. BVerwG, Beschl. v. 21.1.2010 - 5 B 63.09 -, juris Rn. 9).
Die Auffassung des Antragstellers, dass der Klimaschutzgesichtspunkt eindeutig über dem „örtlichen“ (gemeint wohl: dem von den örtlichen Bauaufsichtsbehörden anzuwendenden) Baurecht stehe, entbehrt einer gesetzlichen Grundlage. Ebenso wie die hier vom Antragsgegner repräsentierte vollziehende Gewalt ist die Rechtsprechung gemäß Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebunden. Die mit dem Beschwerdeverfahren verbundene Erwartung des Antragstellers auf eine gerichtliche Klarstellung oder Rechtsfortbildung dahin, „dass aus Klimaschutzgesichtspunkten Anlagen, wie die von ihm errichtete, im Sinne der gesellschaftlichen Entwicklung genehmigt werden müssen“, muss der Senat daher enttäuschen.
Der von dem Antragsteller damit in Zusammenhang gestellte Vortrag, dass in seiner unmittelbaren Nachbarschaft große Einfamilienhäuser in einer Hinterbebauung erlaubt worden seien, seinen Nachbarn also genehmigt worden sei, in ihren Gärten Einfamilienhäuser zu errichten, ihm aber untersagt werde, eine kleine in keiner Weise in das Ökosystem eingreifende Solaranlage für den Eigenbedarf aufzubauen, führt mangels rechtlichen Arguments - zu Art. 3 Abs. 1 GG gilt das oben Gesagte - ebenfalls nicht weiter. Zudem verweist der Antragsgegner zu Recht auf die mangelnde Konkretisierung der vom Antragsteller behaupteten Wohnbebauung in zweiter Reihe, die sich auch nicht aus den mit der Antragserwiderung vorgelegten Lageplänen ergibt. Nach Angabe des Antragsgegners, der der Antragsteller in seiner Replik nicht entgegengetreten ist, handelt es sich bei dem einzigen rückwärtig des sich als Straßenrandbebauung darstellenden Bebauungszusammenhangs auf den Lageplänen erkennbaren Gebäude östlich des Flurstücks des Antragstellers um ein im Außenbereich privilegiertes landwirtschaftliches Stallgebäude.
Hiernach greift auch der letzte Einwand des Antragstellers, sein Grundstück liege nicht im Außenbereich, nicht durch. Aus den vom Antragsgegner vorgelegten Lageplänen ergibt sich hinreichend deutlich, dass das Flurstück des Antragstellers nicht an dem entlang der Straße vorzufindenden Bebauungszusammenhang teilnimmt. Etwas anderes hat der Antragsteller allerdings auch nicht behauptet. Er führt als Argument für seine Auffassung an, dass das hier relevante Flurstück ebenso wie sein mit dem Wohnhaus bebautes Flurstück vom Finanzamt des Antragsgegners mit Grundsteuer B besteuert werde. Der von dem Antragsteller daraus gezogene Schluss, dass es sich daher bei seinem Flurstück nicht um ein landwirtschaftliches Grundstück im Sinne von § 35 BauGB handeln könne, geht jedoch fehl. Der Außenbereich, dessen Bebauung § 35 BauGB regelt, bestimmt sich in Abgrenzung zu den qualifiziert beplanten Gebiete im Sinne von § 30 Abs. 1 BauGB und den nichtbeplanten Innenbereichen im Sinne von § 34 BauGB (Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 135. EL September 2019, § 35 Rn. 13). Die fehlende Zugehörigkeit eines Flurstücks zu einem landwirtschaftlichen Betrieb schließt daher dessen Außenbereichslage nicht aus.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung, die der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung folgt, beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).