Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 28.01.2020, Az.: 13 LA 165/19
Antrag auf Zulassung der Berufung; Einbürgerung; ernstliche Zweifel, verneint; Identität; Identitätsklärung; Staatsangehörigkeit
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 28.01.2020
- Aktenzeichen
- 13 LA 165/19
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2020, 72094
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 27.03.2019 - AZ: 1 A 1288/16
Rechtsgrundlagen
- § 10 RuStAG
- § 10 Abs 1 S 1 Nr 4 RuStAG
- § 4 Abs 1 RuStAG
- § 4 Abs 3 RuStAG
- § 124 Abs 2 Nr 1 VwGO
- § 124a Abs 4 S 4 VwGO
- § 124 Abs 2 Nr 2 VwGO
- § 124 Abs 2 Nr 3 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Das Erfordernis der Identitätsklärung für die Einbürgerung durch Verwaltungsakt nach § 10 StAG ist auch bei im Bundesgebiet geborenen Ausländern sachlich gerechtfertigt und stellt keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber dem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit kraft Gesetzes nach § 4 Abs. 1 oder Abs. 3 StAG dar.
Tenor:
Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade - 1. Kammer - vom 27. März 2019 wird abgelehnt.
Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens zu je einem Viertel.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Zulassungsverfahren wird auf 40.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts, mit dem dieses ihre Klage auf Verpflichtung des Beklagten zu ihrer Einbürgerung abgewiesen hat, bleibt ohne Erfolg.
Die von den Klägern geltend gemachten Berufungszulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der besonderen rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) sind zum Teil schon nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt und liegen im Übrigen nicht vor.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind zu bejahen, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 8.12.2009 - 2 BvR 758/07 -, BVerfGE 125, 104, 140 - juris Rn. 96). Die Richtigkeitszweifel müssen sich dabei auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.3.2004 - BVerwG 7 AV 4.03 -, NVwZ-RR 2004, 542, 543 - juris Rn. 9). Eine den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügende Darlegung dieses Zulassungsgrundes erfordert, dass im Einzelnen unter konkreter Auseinandersetzung mit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ausgeführt wird, dass und warum Zweifel an der Richtigkeit der Auffassung des erkennenden Verwaltungsgerichts bestehen sollen. Hierzu bedarf es regelmäßig qualifizierter, ins Einzelne gehender, fallbezogener und aus sich heraus verständlicher Ausführungen, die sich mit der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage einer eigenständigen Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffes auseinandersetzen (vgl. Senatsbeschl. v. 31.8.2017 - 13 LA 188/15 -, juris Rn. 8; Ba-der/Funke-Kaiser/Stuhlfauth u.a., VwGO, 7. Aufl. 2018, § 124a Rn. 80 jeweils m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
Die Kläger begründen die geltend gemachten ernstlichen Zweifel mit einer nach ihrer Auffassung nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung gegenüber den Kindern die – wie sie – in Deutschland geboren seien und nach § 4 Abs. 3 StAG die deutsche Staatsangehörigkeit erhielten. So habe ihre später geborene Schwester mit ihrer Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit trotz der ungeklärten Identität ihres Vaters erlangt. Ein möglicherweise in Zukunft noch zur Welt kommendes weiteres Kind werde zudem allein aufgrund der nunmehr erworbenen deutschen Staatsangehörigkeit der Mutter ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten.
Diese Ausführungen begründen keine ernstlichen Zweifel an der erstinstanzlichen Entscheidung.
Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG erwirbt ein Kind ausländischer Eltern die deutsche Staatsangehörigkeit durch Geburt im Inland, wenn ein Elternteil seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und ein unbefristetes Aufenthaltsrecht hat. Unabhängig davon, dass über die Frage des Erfordernisses einer geklärten Identität in diesem Zusammenhang höchstrichterlich noch nicht entschieden ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 1.9.2011 - BVerwG 5 C 27.10 -, BVerwGE 140, 311, 315 -, juris Rn 17), bestehen doch wesentliche Unterschiede zur Situation der Kläger. Die Kläger begehren ihre Einbürgerung durch Verwaltungsakt nach § 10 StAG. § 4 Abs. 3 StAG gewährt die deutsche Staatsangehörigkeit demgegenüber kraft Gesetzes mit Geburt. Während § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG von einem Einbürgerungsbewerber grundsätzlich die Aufgabe seiner bisherigen Staatsangehörigkeit oder deren Verlust verlangt, wird bei einem Erwerb kraft Gesetzes nach § 4 Abs. 3 StAG eine mehrfache Staatsangehörigkeit vom Gesetzgeber hingenommen. Dies gilt im Übrigen auch bei einem Erwerb mit Geburt nach § 4 Abs. 1 StAG, da diese Bestimmung lediglich einen Elternteil deutscher Staatsangehörigkeit voraussetzt, der andere Elternteil dem Kind mithin eine weitere Staatsangehörigkeit vermitteln kann. Diese grundlegenden Unterschiede zwischen einer Einbürgerung durch Verwaltungsakt und dem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit mit Geburt kraft Gesetzes rechtfertigen eine unterschiedliche Behandlung der jeweiligen Fallgruppen. Das gilt gerade auch im vorliegenden Fall, da die ungeklärte Identität des Vaters der Kläger nicht nur Auswirkungen auf deren Familiennamen, sondern auch auf das Bestehen einer möglicherweise von ihrem Vater abgeleiteten (libanesischen) Staatsangehörigkeit und damit auf das Vorliegen der Einbürgerungsvoraussetzung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG hat.
2. Die Berufung ist auch nicht wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten zuzulassen. Solche Schwierigkeiten sind nur dann anzunehmen, wenn die Beantwortung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage in qualitativer Hinsicht mit überdurchschnittlichen Schwierigkeiten verbunden ist. Daher erfordert die ordnungsgemäße Darlegung dieses Zulassungsgrundes eine konkrete Bezeichnung der Rechtsfragen, in Bezug auf die sich solche Schwierigkeiten stellen, und Erläuterungen dazu, worin diese besonderen Schwierigkeiten bestehen (vgl. Senatsbeschl. v. 31.8.2017, a.a.O., Rn. 50; Kopp/
Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 124a Rn. 53). Dazu enthält die Zulassungsbegründung der Kläger keinerlei Ausführungen.
3. Die Berufung ist schließlich nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Eine solche grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine höchstrichterlich noch nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine obergerichtlich bislang ungeklärte Tatsachenfrage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die sich im Rechtsmittelverfahren stellen würde und im Interesse der Einheit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts einer fallübergreifenden Klärung durch das Berufungsgericht bedarf (vgl. Senatsbeschl. v. 31.8.2017, a.a.O., Rn. 53 m.w.N.). Um die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO darzulegen, hat der Zulassungsantragsteller die für fallübergreifend gehaltene Frage zu formulieren sowie näher zu begründen, weshalb sie eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat und ein allgemeines Interesse an ihrer Klärung besteht. Darzustellen ist weiter, dass sie entscheidungserheblich ist und ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten steht (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 15.8.2014 - 8 LA 172/13 -, GewArch 2015, 84, 85 - juris Rn. 15; Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124 Rn. 35 ff. m.w.N.).
Auch diesen Anforderungen genügt das Zulassungsvorbringen im vorliegenden Verfahren ersichtlich nicht. Die Kläger haben bereits keine konkrete Frage formuliert, deren Entscheidung sie für grundsätzlich bedeutsam halten.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig
(§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.