Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 30.09.2020, Az.: 9 LC 110/18
Ablösung; Abnahme; Aufrechnung; Ausschlussfrist; Bebauungsplan; Beitrag; Beitragsfestsetzung; Belastungsklarheit; Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit; Belastungsvorhersehbarkeit; Betrachtungsweise, natürliche; Dimension, zeitliche; Einrichtung, betriebsfertige; Erschließungsanlage; Erschließungsbeitrag; Grunderwerb; Herstellung, betriebsfertige; Höchstgrenze, zeitliche; Interessenausgleich; Obergrenze; Rechtssicherheit; Rechtsstaatsprinzip; Schadensersatz; Teilstrecke; Treu und Glauben; treuwidrig; Unternehmerrechnung; Verjährung; Verwirkung; Vorteilslage; Widmung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 30.09.2020
- Aktenzeichen
- 9 LC 110/18
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2020, 71819
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 21.06.2018 - AZ: 8 A 172/16
Rechtsgrundlagen
- § 133 Abs 2 BauGB
- § 125 Abs 1 BauGB
- § 640 BGB
- § 640 Abs 1 BGB
- § 11 Abs 3 Nr 1 KAG ND
- § 11 Abs 2 Nr 2 KAG ND
- § 12 Abs 1 VOB
- § 12 Abs 5 Nr 2 S 1 VOB
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Bei § 11 Abs. 3 Nr. 1 NKAG handelt es sich um eine verfassungsgemäße gesetzliche Höchstgrenze für die Festsetzung von (Erschließungs-)Beiträgen in Niedersachsen, die auch auf noch nicht bestandskräftige Beitragsbescheide Anwendung findet, die vor dem 1. April 2017 erlassen wurden.
2. Für die Entstehung der Vorteilslage kommt es weder auf die Widmung der Straße noch auf die Wirksamkeit der Beitragssatzung noch auf einen Bebauungsplan an. Ebensowenig ist der Zeitpunkt des letzten Grunderwerbs, des Eingangs der letzten Unternehmerrechnung oder der Verkehrsfreigabe maßgeblich.
3. Die Abnahme der Baumaßnahmen ist Indiz für die bauprogrammgemäße Beendigung der technischen Durchführung der geplanten Maßnahme und somit Indiz für den Zeitpunkt des Entstehens der Vorteilslage.
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 8. Kammer - vom 21. Juni 2018 geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Kläger wenden sich gegen die Heranziehung zu einem Erschließungsbeitrag für die Herstellung der Straße „Am Helleberg“ in Höhe von 2.949,48 €.
Die Kläger sind als Erbengemeinschaft Eigentümer des mit einer Feldscheune bebauten Grundstücks Gemarkung Goslar, Flur J., Flurstücke K. und L. (postalische Anschrift: M., N., A-Stadt), das im Westen an die streitgegenständliche Straße grenzt. Der Erblasser und ursprüngliche Kläger – der Ehemann und Vater der jetzt den Rechtsstreit fortführenden Erben – hatte das Grundstück von der Beklagten zunächst gepachtet, im Jahr 1997 erworben.
Die Straße „Am Helleberg“ entspricht ihrer Lage nach historisch im Wesentlichen dem südlichen Abschnitt eines jahrhundertealten Weges, der außerhalb des bebauten Bereiches durch die Goslarer Feldmark zwischen Goslar und dem Dorf Dörten verlief. Der südlich der Bornhardtstraße gelegene Teil der Straße ist mit Beschluss des Rates der Beklagten vom 15. Juni 1993 von „Dörntener Straße“ in „Am Helleberg“ umbenannt worden. Im Süden zweigt die Straße „Am Helleberg“ von der Hildesheimer Straße ab, verläuft dann nach Osten und verschwenkt am südlichen Ende des klägerischen Grundstücks nach Norden, um dort in die Bornhardtstraße einzumünden.
Mit dem am 27. Oktober 1969 in Kraft getretenen Bebauungsplan „Bassgeige“ setzte die Beklagte auf einer Teillänge von ca. 90 Metern für den südlich der Bornhardstraße verlaufenden Teil der Dörntener Straße (heute: nördlicher Teil der Straße „Am Helleberg“) eine Straßenverkehrsfläche fest sowie für die anliegenden Grundstücke Gewerbegebiete. Der am 16. Januar 1976 bekannt gemachte Bebauungsplan „Spitzer Kamp“ änderte die Festsetzungen im Bebauungsplan „Bassgeige“ für die nordöstlich zwischen der Straße „Am Helleberg“ und Hildesheimer Straße gelegenen Grundstücke. Die Verkehrsfläche wurde nicht überplant.
Die Beklagte ließ in den Jahren 1979 und 1980 die Fahrbahn im nördlichen Teil der heutigen Straße „Am Helleberg“ auf einer Strecke von 160 Metern im Wege eines „Erstausbaus“ herstellen, so dass diese ca. 70 Meter über die Grenze des Bebauungsplans „Bassgeige“ hinaus ausgebaut wurde.
Den Protokollen der Planungsbesprechungen vom 12. Mai 1989 und vom 6. Oktober 1989 sowie der Beschlussvorlage Nr. 321/19 vom 23. November 1989 zur (ersten) Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 98 („Baßgeige Süd“) lässt sich entnehmen, dass die Beklagte den „Endausbau“ des nördlichen Teils der Straße u. a. durch die Anlegung eines Gehweges auf der östlichen Straßenseite beabsichtigte sowie einen Weiterbau des südlichen Teils der Straße.
Am 19. Dezember 1989 beschloss der Rat der Beklagten die Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 98 („Baßgeige Süd“), wobei das Plangebiet zunächst die Verlängerung der Dörntener Straße südlich der Bornhardtstraße (heute: „Am Helleberg“) um weitere ca. 80 Meter vorsah, d. h. ca. 10 Meter über den in den Jahren 1979 und 1980 erfolgten „Erstausbau“ der Straße.
Laut eines behördeninternen Vermerks vom 15. Februar 1990 beabsichtigte die Beklagte zunächst, den Bebauungsplan Anfang 1991 in Kraft zu setzen. Aus zwei weiteren Vermerken aus April bzw. Mai 1990 geht hervor, dass die Erweiterung von Gewerbegebietsflächen „nicht mehr verfolgt werde“ bzw. die Planung aufgrund vordringlicher Projekte zurückgestellt worden sei.
Mit Zuwendungsbescheid der Bezirksregierung Braunschweig vom 4. April 1990 erhielt die Beklagte Fördermittel in Höhe von 62.000 DM aus dem Programm „Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur““. Diese standen u. a. unter der auflösenden Bedingung, dass die Investitionskosten in Höhe des Zuschusses nicht auf die begünstigten Anlieger umgelegt werden durften.
Im Jahr 1991 erfolgte der „Endausbau“ des 160 Meter langen nördlichen Teils der heutigen Straße „Am Helleberg“. Dieser umfasste die Erd- und Straßenbauarbeiten, die Herstellung der Straßenentwässerung und der Straßenbeleuchtung sowie Pflanzarbeiten.
Am 23. September 1992 vermerkte die Beklagte, dass in Bezug auf eine Abrechnung der Erschließungsanlage zwei Möglichkeiten beständen: Entweder könnten – nach Widmung – für das hergestellte Teilstück südlich der Bornhardtstraße (heute: nördlicher Teil der Straße „Am Helleberg“) Erschließungsbeiträge erhoben werden oder die Widmung und Erhebung von Erschließungsbeiträgen geschehe erst nach „Erweiterung/Änderung des derzeit gültigen Bebauungsplanes“.
Am 24. November 1992 fasste der Rat erneut einen Aufstellungsbeschluss für die Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 98 („Baßgeige Süd“). Das Plangebiet umfasste dabei die gesamte heutige Straße „Am Helleberg“ und bezog im Norden die zwischen der Straße „Am Helleberg“ und der Straße Wachtelpforte sowie im Süden die östlich und westlich der Straße „Am Helleberg“ gelegenen Grundstückflächen ein. Im August 1993 führte die Beklagte eine frühzeitige Bürgerbeteiligung durch.
In dem Zeitraum vom 6. Mai 1996 bis zum 2. August 1996 ließ die Beklagte den südlichen Teil der Straße „Am Helleberg“ ausbauen. Am 3. September 1996 nahm die Beklagte die Baumaßnahmen an der Straße ab. Die letzte in den übersandten Verwaltungsvorgängen enthaltene Unternehmerrechnung der Firma O. datiert nach dem Eingangsstempel vom 10. März 1997. Der Erwerb der letzten Straßenverkehrsfläche für die Straße vollzog sich am 6. Januar 1998.
Am 17. April 1997 teilte die Beklagte dem Rechtsvorgänger der Kläger mit, dass die Straße „Am Helleberg“ mittlerweile „endausgebaut“ sei, sie aus diesem Grunde bereit sei, ihm das im heutigen Eigentum der Kläger stehende Grundstück für 33.920 DM zu veräußern. Am 11. Juni 1997 schlossen die Beklagte und der Rechtsvorgänger der Kläger den Kaufvertrag über den Erwerb des Grundstücks. Dieser enthält keine Regelung über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen oder deren Ablösung.
Am 3. September 2013 beschloss die Beklagte erneut die Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 98 „Bassgeige Süd“. Ausweislich der Beschlussvorlage 2013/258 vom 14. August 2013 war u. a. Ziel der Planung, den südlichen Außenbereichs- und landwirtschaftlich genutzten Flächen eine langfristige Nutzungsperspektive zu geben.
Am 6. Dezember 2013 erließ die Beklagte gegenüber dem Rechtsvorgänger der Kläger einen Bescheid über Vorausleistungen in Höhe von 3.604 €. Auf die von diesem am 27. Dezember 2013 hiergegen erhobene Klage vor dem Verwaltungsgericht Braunschweig (– 8 A 705/13 –) erwiderte die Beklagte zunächst mit Schriftsatz vom 18. März 2014, die Straße „Am Helleberg“ sei weder gewidmet worden noch existiere ein Bebauungsplan bzw. eine Abwägungsentscheidung für die Straße insgesamt. Mit Schriftsatz vom 11. November 2015 erklärte sie, sie werde ihren Bescheid in Kürze aufheben. Zur Begründung führte sie an, dass der Zweck der Vorausleistung, die Vorfinanzierung des Ausbaus, nicht habe erreicht werden können, da sich die Straße bereits in Benutzung befunden habe. Nachdem ein rechtsverbindlicher Bebauungsplan zwischenzeitlich in Kraft getreten sei, solle die Straße zudem in Kürze gewidmet werden. Daraufhin erklärten die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für erledigt.
Eine bereits am 4. September 2014 erhobene Klage (– 8 A 258/14 –) des Rechtsvorgängers der Kläger gegen den Aufhebungsbescheid der Beklagten für erhobene Straßenreinigungsgebühren für die Jahre 2003 bis 2014 vom 7. August 2014 nahm dieser zurück, nachdem die Beklagte erklärt hatte, dass auf einen Hinweis der Anwohner der Straße „Am Helleberg“ eine Überprüfung stattgefunden habe, die ergeben habe, dass die Reinigungsgebühren in der Vergangenheit wegen der fehlenden Widmung der Straße „Am Helleberg“ zu Unrecht erhoben worden seien.
Am 25. November 2014 beschloss der Rat der Beklagten die Widmung der Straße „Am Helleberg“. Am 11. November 2015 machte die Beklagte die Widmung auf ihrer Internetseite bekannt und wies auf die Bekanntmachung am 14. November 2015 in der Goslarschen Zeitung hin. Zuvor hatte der Rat am 5. August 2015 den Bebauungsplan Nr. 98 „Bassgeige Süd“ beschlossen, der am 6. August 2015 in Kraft trat.
Mit Bescheid vom 29. Januar 2016 setzte die Beklagte gegenüber dem Rechtsvorgänger der Kläger für dessen 848 m² großes Grundstück (Flurstücke K. und L.) einen Erschließungsbeitrag in Höhe von 2.949,48 € fest. Dabei ging sie von einem beitragsfähigen Erschließungsaufwand in Höhe von 570.257,37 DM (291.567,96 €) aus. Ausweislich der Aufstellung der Beklagten „Berechnung des umlagefähigen Herstellungsaufwandes Straße „Am Helleberg““ beliefen sich die Kosten für den Erstausbau des nördlichen Teils der Straße auf 36.206,04 DM, die Kosten für den Endausbau des nördlichen Teils auf 156.392,41 DM (116.778,45 DM Straßenendausbau, 6.772,38 DM Straßenbeleuchtung, 5.553,10 DM Begrünung, 4.903,48 DM Straßenentwässerung, 22.385 DM Grunderwerbskosten), insgesamt also auf 192.598,45 DM (entspricht: 98.474,02 €). Für den Ausbau des südlichen Teils der Straße „Am Helleberg“ ermittelte die Beklagte Kosten in Höhe von 377.449,45 DM (192.986,84 €), wobei sie als Kosten für den Straßenausbau im „zweiten Teilabschnitt“ 306.698,70 DM, für die Straßenbeleuchtung 21.151,43 DM, für die Straßenentwässerung 48.008,62 DM und Grunderwerbskosten in Höhe von 1.590,70 DM berücksichtigte. Schließlich stellte sie in den beitragsfähigen Aufwand Kosten für die Bekanntmachung der Widmung der Straße in der Goslarschen Zeitung in Höhe von 107,10 € ein. Als umlagefähigen Erschließungsaufwand legte die Beklagte nach Abzug des Gemeindeanteils in Höhe von 10 Prozent einen Betrag in Höhe von 262.411,16 € zugrunde, den sie zugunsten der Grundstückseigentümer um den für den ersten Bauabschnitt gewährten Zuschuss aus dem Programm „Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur““ in Höhe von 62.000 DM (entspricht 31.700,10 €) verringerte, was einen umlagefähigen Aufwand von 230.711,06 € ergab. Unter Zugrundelegung einer Verteilungsfläche von 149.245,50 m2 ermittelte sie einen Beitragssatz in Höhe von 1,54585 €/m2. Für das klägerische Grundstück legte die Beklagte eine Beitragsfläche von 1.908 m2 zugrunde, wobei sie die Grundstücksfläche von 848 m2 wegen der zulässigen Bebaubarkeit mit zwei Vollgeschossen um 50 % erhöhte und die sich daraus ergebende Fläche von 1.272 m² wegen einer zulässigen gewerblichen Nutzung mit einem Faktor von 1,5 multiplizierte.
Der Rechtsvorgänger der Kläger hat am 25. Februar 2016 Anfechtungsklage erhoben. Nachdem er am 24. Mai 2016 verstorben ist, haben die Kläger am 24. April 2017 den Rechtsstreit aufgenommen.
Zur Begründung ihrer Klage haben sie ausgeführt: Der Festsetzung des Erschließungsbeitrages stehe die Einrede der Verjährung entgegen. Die Straße sei bereits im Jahre 1996 endgültig hergestellt worden. Die Ansicht der Beklagten, der Anspruch sei noch nicht verjährt, lasse sich mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts nicht vereinbaren. Im Hinblick auf diese Rechtsprechung sei eine Verjährung im vorliegenden Fall nicht nur grundsätzlich möglich, sondern auch konkret eingetreten. Beide Gerichte würden davon ausgehen, dass eine Erhebung nach derart langen Zeitläufen wie im hiesigen Fall nicht mehr möglich sei. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei gemäß dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. März 2014 (– 4 C 11.13 –) auf den hiesigen Sachverhalt anzuwenden. Danach gelte das rechtsstaatliche Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit für alle Fallkonstellationen, in denen eine abzugeltende Vorteilslage eintrete, die daran anknüpfenden Abgaben aber wegen des Fehlens sonstiger Voraussetzungen nicht entständen und deshalb auch nicht verjähren könnten. Außerdem sei die Erhebung von Erschließungsbeiträgen verwirkt.
Die Kläger haben beantragt,
den Bescheid vom 29. Januar 2016 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, die Straße „Am Helleberg“ sei im Zeitraum 1979 bis 1996 in Etappen gebaut worden: Der nördliche „Abschnitt“ in zwei Etappen während zehn Jahren, der südliche „Abschnitt“ fünf Jahre später. Vor dem Ausbau habe es sich bei der heutigen Straße „Am Helleberg“ um eine Außenbereichsstraße gehandelt und um keine vorhandene Erschließungsanlage i. S. d. § 242 Abs. 1 BauGB. Vom nördlichen Teil hätten nur ca. 100 von 160 Meter im Bebauungsplangebiet Nr. 55.2 („Bassgeige“) gelegen, der übrige Teil sei zwar 1996 technisch hergestellt worden, der Bebauungsplan Nr. 98 („Bassgeige Süd“) sei aber erst im Jahr 2015 in Kraft getreten. Die abschließende Widmung sei erst im letzten Quartal des Jahres 2015 erfolgt, sodass der erhobene Erschließungsbeitrag nicht verjährt sei. Bei den von den Klägern angeführten Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts handele es sich nur um allgemeine grundsätzliche Erwägungen zu der Frage der Verjährung öffentlicher Forderungen. Es komme jedoch immer auf die Besonderheiten des zu beurteilenden Einzelfalles an. Hier würden gegenüber dem vom Bundesverfassungsgericht zu beurteilenden Fall erhebliche Unterschiede vorliegen. Insbesondere liege kein verjährungsrechtliches Problem vor, da es ohne Widmung noch keine eine Verjährung auslösende Handlung gegeben habe. In einem vergleichbaren Fall habe das Verwaltungsgericht Düsseldorf entschieden, dass sogar nach 70 Jahren andauernder Erschließung noch ein Erschließungsbeitrag zu zahlen sei.
Mit Urteil vom 21. Juni 2018 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und den Bescheid der Beklagten vom 29. Januar 2016 aufgehoben, ohne auf den zum 1. April 2017 in Kraft getretenen § 11 Abs. 3 Nr. 1 NKAG einzugehen.
Zur Begründung hat es ausgeführt: Zwar sei im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheid-erlasses noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten. Die sachliche Beitragspflicht sei erst mit der Widmung der Einrichtung am 11. November 2015 entstanden, da erst damit die Anforderungen aus § 125 Abs. 3 Nr. 2 BauGB erfüllt gewesen seien. Die vierjährige Festsetzungsfrist sei daher zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses am 29. Januar 2016 noch nicht abgelaufen gewesen. Die Erhebung von Erschließungsbeiträgen sei auch nicht verwirkt gewesen. Allerdings verstoße die Erhebung von Erschließungsbeiträgen gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Die Erhebung stelle sich als unzulässige Rechtsausübung dar. Der Erschließungsbeitrag sei aufgrund des dem Grundstückseigentümer durch die Erschließung vermittelten Sondervorteils gerechtfertigt. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz in ihrer Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit schützten den Eigentümer jedoch davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden könnten. Einzelne dürften gegenüber dem Staat die Erwartung hegen, sich nicht mehr einer Geldforderung ausgesetzt zu sehen, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen habe. Dies gelte auch dann, wenn abzugeltende Vorteilslagen allein wegen des Fehlens anderweitiger Voraussetzungen nicht entstehen und daher in der Folge aufgrund der anzuwendenden Verjährungsvorschriften auch nicht verjähren könnten. Vorliegend sei die Vorteilslage bereits mit der Verkehrsfreigabe am 7. September 1996 entstanden.
Das Verwaltungsgericht hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen.
Die Beklagte hat am 17. Juli 2018 Berufung eingelegt und diese – nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 28. September 2018 – am 27. September 2018 begründet.
Sie trägt vor: Das Verwaltungsgericht habe zwar zutreffend angenommen, dass keine Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Dabei habe es sich aber nicht mit dem 2017 in Kraft getretenen § 11 Abs. 3 Nr. 1 NKAG auseinandergesetzt. Außer in den Fällen des § 169 Abs. 1 Satz 1 AO sei danach eine Beitragsfestsetzung auch dann nicht mehr zulässig, wenn das Entstehen der Vorteilslage mindestens 20 Jahre zurückliege. Damit habe der Landesgesetzgeber der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur zeitlich begrenzten Heranziehung zu Beiträgen Rechnung getragen. § 11 Abs. 3 Nr. 1 NKAG sei vorliegend anwendbar. Zwar sei in Anfechtungsprozessen hinsichtlich des materiellen Rechts auf die Sach- und Rechtslage der letzten Behördenentscheidung abzustellen. Bei § 11 Abs. 3 Nr. 1 NKAG handele es sich aber um eine Vorschrift des Verfahrensrechts, die – auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – Anwendung finde. Danach sei eine Festsetzungsverjährung auch dann nicht eingetreten, wenn man mit dem Verwaltungsgericht die Verkehrsübergabe im September 1996 als maßgeblichen Zeitpunkt des Entstehens der Vorteilslage ansehe. Es sei aber auch zweifelhaft, ob auf den Zeitpunkt der Verkehrsübergabe abzustellen sei. Es komme nicht nur auf die tatsächliche Inanspruchnahmemöglichkeit, sondern auch darauf an, dass diese Inanspruchnahmemöglichkeit rechtlich gesichert sei. Für den Grundsatz von Treu und Glauben sei aufgrund des in Kraft getretenen § 11 Abs. 3 Nr. 1 NKAG kein Raum. Die Widmung der Straße im November 2015 stelle sich auch nicht als treuwidrig dar. Ein Anspruch auf Widmung existiere nicht. Die Erhebung von Straßenreinigungsgebühren führe nicht zur Treuwidrigkeit der Widmung, so dass auch keine kausale Pflichtverletzung zwischen der Widmung und der Heranziehung zu Erschließungsbeiträgen bestehe. Zudem könne sich die unterbliebene Widmung auch deshalb nicht als treuwidrig darstellen, weil den Gemeinden ein großer Handlungsspielraum zukomme. So stehe es ihnen etwa frei, die Widmung zurückzustellen, um gegebenenfalls ihr Ausbauprogramm noch einmal zu überdenken. Schließlich fehle es für die Annahme einer Treuwidrigkeit an dem erforderlichen Vertrauenstatbestand. Dieser sei auch nicht durch die Heranziehung zu Straßenreinigungsgebühren begründet worden. Diese begründe nicht ein geschütztes Vertrauen darauf, dass die Straße gewidmet worden sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 21. Juni 2018 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie machen geltend, § 11 Abs. 3 Nr. 1 NKAG sei erst nach Erlass des angegriffenen Bescheides in Kraft getreten und könne deswegen vorliegend keine Anwendung finden. Bei Anfechtungsklagen komme es allein auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des angegriffenen Bescheides an. Zu diesem Zeitpunkt habe eine Höchstgrenze zur Heranziehung von Erschließungsbeiträgen gefehlt, so dass § 11 Abs. 3 NKAG verfassungswidrig gewesen sei. Bei § 11 Abs. 3 Nr. 1 NKAG handele es sich um eine Vorschrift des materiellen Rechts, so dass sie im Falle der hier gegebenen Anfechtungsklage nicht zu berücksichtigen sei. Die Voraussetzungen der Verwirkung des Beitragsanspruchs lägen vor. Das Zeitmoment sei aufgrund des Zeitablaufs von 20 Jahren gegeben. Für das Zeitmoment sei nicht auf die im öffentlichen Recht geltende 30-jährige Verjährungshöchstfrist abzustellen. Vielmehr sei zu beachten, dass sich letztere an der früher geltenden zivilrechtlichen Verjährungshöchstfrist orientiere, der Bundesgesetzgeber aber die zivilrechtliche Verjährungshöchstfrist auf drei Jahre verkürzt habe. Insoweit sei ein Gleichlauf der zivil- und öffentlich-rechtlichen Verjährungshöchstfristen zu fordern. Als Umstandsmoment sei zu berücksichtigen, dass bereits vor dem Erwerb des Grundstücks von der Beklagten der Bebauungsplan aufgestellt worden sei, die Beklagte es dem Rechtsvorgänger der Kläger aber verschwiegen habe, dass sie beabsichtige, Erschließungsbeiträge zu erheben. In der Folgezeit habe sie keine Vorausleistungen verlangt, sondern dies erstmals im Jahr 2013 getan. Schließlich sei der Umstand zu berücksichtigen, dass die Beklagte den früheren Kläger im Jahr 2008 für die Straße zu Straßenreinigungsgebühren herangezogen habe.
Für den Fall, dass der angegriffene Beitragsbescheid rechtmäßig sei, haben die Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Aufrechnung mit einer angeblichen Schadensersatzforderung in Höhe des Beitrages erklärt. Diese resultiere daraus, dass die Beklagte den Rechtsvorgänger der Kläger vor Abschluss des Kaufvertrages über das beitragspflichtige Grundstück nicht darauf hingewiesen habe, dass für die Herstellung der Straße Erschließungsbeiträge erhoben würden.
Die Beklagte bestreitet den behaupteten Schadensersatzanspruch sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
I.
Das erstinstanzliche Aktivrubrum ist von Amts wegen zu berichtigen. Nicht die Erbengemeinschaft hat – wie vom Verwaltungsgericht angenommen – gemäß § 173 VwGO i. V. m. § 239 Abs. 1 ZPO den Prozess des am 24. Mai 2016 verstorbenen früheren Klägers aufgenommen, sondern jeweils die Mitglieder der Erbengemeinschaft.
Die Erbengemeinschaft (§§ 2032 ff. BGB) ist nicht an Stelle ihrer Mitglieder gemäß § 61 Nr. 2 VwGO beteiligungsfähig, da nicht der Erbengemeinschaft, sondern den Erben gemeinschaftlich die Verwaltung des Nachlasses (§ 2038 I BGB) und die Verfügungsbefugnis über die Nachlassgegenstände (§ 2040 I BGB) zusteht. Nur diese sind daher beteiligungsfähig, nicht aber die Gemeinschaft als solche (vgl. SächsOVG, Beschluss vom 11.3.2013 – 5 A 751/10 – NJW-RR 2013, 1162 m. w. N.; BayVGH, Urteil vom 31.3.1978 – 40 II 75 – NJW 1984, 626 [VGH Bayern 15.09.1983 - 23 B 80 A/861]; für das Zivilprozessrecht vgl. BGH, Beschluss vom 17.10.2006 – VIII ZB 94/05 – NJW 2006, 3715 = juris Rn. 7). Bei einer Erbengemeinschaft kann daher nur der einzelne Miterbe den Prozess gemäß § 173 VwGO i. V. m. § 239 Abs. 1 ZPO allein aufnehmen, wenn er – wie vorliegend – im Aktivprozess für die Beitragsschuld als Gesamtschuldner haftet (vgl. § 2032 Abs. 1, § 2058 BGB, § 134 Abs. 1 Satz 3 BauGB; BVerwG, Urteile vom 10.9.2015 – 4 C 3.14 – juris Rn. 12; vom 11.8.1993 – 8 C 13.93 – juris Rn. 24; Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 239 ZPO, Rn. 9).
Der Prozessbevollmächtigte der Kläger hat mit Schriftsatz vom 18. April 2016 nicht – wie vom Verwaltungsgericht angenommen – ausgeführt, dass die Kläger den unterbrochenen Rechtsstreit als Erbengemeinschaft aufnehmen, sondern dass sie als Erben den Rechtsstreit fortführen wollen. Dies lässt – auch im Hinblick auf die eingereichten drei gesonderten Vollmachten – hinreichend den Willen erkennen, dass die Kläger als einzelne Miterben den Rechtsstreit fortgeführt haben.
II.
Die zulässige Berufung ist begründet.
Der Erschließungsbeitragsbescheid der Beklagten vom 29. Januar 2016 ist entgegen dem Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 21. Juni 2018 rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.
Rechtsgrundlage des angegriffenen Erschließungsbeitragsbescheides sind die §§ 127 ff. BauGB i. V. m. der Satzung über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen in der Stadt Goslar vom 7. Juni 1988 - EBS -.
Die Voraussetzungen für die Erhebung von Erschließungsbeiträgen für die erstmalige Herstellung der Straße „Am Helleberg“ in Goslar sind gegeben.
1. Die abgerechnete Straßenbaumaßnahme fällt in den Anwendungsbereich des Erschließungsbeitragsrechts. Es handelt sich bei der abgerechneten Anlage nicht um eine bereits vor dem Ausbau vorhandene Erschließungsanlage, für die ein Erschließungsbeitrag nicht mehr erhoben werden kann. Die abgerechnete Anlage „Am Helleberg“ stellt insbesondere nicht eine am 29. Juni 1961 bereits im Sinne von § 242 Abs. 1 BauGB vorhandene Straße dar. Von einer vorhandenen Straße kann nur ausgegangen werden, wenn sie zu irgendeinem Zeitpunkt vor Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes Erschließungsfunktion besessen hat, sie also zum Anbau bestimmt gewesen ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 21.5.2012 – 9 LB 100/10 –, vom 2.8.2006 – 9 ME 127/04 – und vom 5.9.2006 – 9 ME 137/06 –; Driehaus/Raden, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 10. Auflage, § 2 Rn. 33). Eine erstmalig hergestellte Erschließungsanlage konnte nur eine solche sein, die “zur Bebauung bestimmt ist“ (vgl. § 15 PrFluchtlG; Senatsbeschluss vom 2.8.2006, a. a. O.). Bei der heutigen Straße „Am Helleberg“ handelte es sich am 29. Juni 1961 um einen außerhalb des bebauten Bereichs der Stadt Goslar verlaufenden Weg bzw. um eine Landstraße. Sie war seinerzeit nicht zum Anbau bestimmt. Dies belegt auch die von der Klägerseite in dem beigezogenen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht mit dem Aktenzeichen 8 A 705/13 eingereichte Lichtbildaufnahme ihrer Feldscheune.
2. Bei der in den Jahren 1979/1980 und 1991 (nördlicher Teil) und 1996 (südlicher Teil) hergestellten heutigen Straße „Am Helleberg“ handelt es sich um eine einheitliche Erschließungsanlage i. S. v. § 127 Abs. 1 Nr. 1 BauGB.
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, unter welchen Voraussetzungen es sich bei einer erstmals hergestellten Anbaustraße um eine eigenständige Erschließungsanlage handelt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12.12.2019 – 9 B 53.18 – juris Rn. 4). Die Ausdehnung einer beitragsfähigen Erschließungsanlage ist nicht nach Maßgabe des Erschließungs- oder des Planungsrechts, sondern unter Anwendung des Erschließungsbeitragsrechts zu bestimmen (BVerwG, Urteil vom 7.3.2017 – 9 C 20.15 – BVerwGE 158, 163 = juris Rn. 11). Für die Beurteilung der Frage, wo eine selbstständige Erschließungsanlage beginnt und endet, ist das durch die tatsächlichen Gegebenheiten geprägte Erscheinungsbild maßgebend. Abzustellen ist auf die tatsächlich sichtbaren Verhältnisse, wie sie zum Beispiel durch Straßenführung, Straßenbreite, Straßenlänge und Straßenausstattung geprägt werden und wie sie sich im Zeitpunkt des Entstehens sachlicher Beitragspflichten einem unbefangenen Beobachter bei natürlicher Betrachtungsweise darstellen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 7.3.2017, a. a. O., juris Rn. 12; vom 10.6.2009 – 9 C 2.08 – BVerwGE 134, 139 = juris Rn. 16). Erforderlich ist eine Würdigung aller dafür relevanten Umstände. Die natürliche Betrachtungsweise ist nicht aus einer Vogelperspektive anzustellen; vielmehr ist grundsätzlich der Blickwinkel eines Betrachters am Boden einzunehmen. Wegen der damit unter Umständen verbundenen Einengung des Horizonts kann gegebenenfalls ergänzend auch der sich aus Plänen oder Luftbildaufnahmen ergebende Straßenverlauf mit in die Betrachtung einzubeziehen sein (BVerwG, Urteile vom 7.3.2017, a. a. O., juris Rn. 12; vom 10.6.2009, a. a. O., juris Rn. 18).
Darüber hinaus hat die Frage nach dem durch die tatsächlichen Gegebenheiten geprägten Erscheinungsbild auch eine zeitliche Dimension (BVerwG, Urteile vom 7.3.2017, a. a. O., juris Rn. 14; vom 22.11.2016 – 9 C 25.15 – juris Rn. 26). Bereits mit Urteil vom 25. Februar 1994 (– 8 C 14.92 – BVerwGE 95, 176 = juris) hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, dass der Umstand, dass eine Anlage lange Zeit – im konkreten Fall über 15 Jahre – nicht weitergebaut wird, zu dem Schluss zwinge, dass die Ausbauarbeiten endgültig beendet worden seien mit der Folge, dass eine etwaige spätere Verlängerung nur als eine neue, selbständige Erschließungsanlage in Betracht komme (BVerwG, Urteil vom 25.2.1994, a. a. O., juris Rn. 28). Diese Rechtsprechung hat es mit Urteilen vom 12. Mai 2016 (– 9 C 11.15 – BVerwGE 155, 171 = juris), vom 22. November 2016 (– 9 C 25.15 – a. a. O.) und vom 7. März 2017 (– 9 C 20.15 – a. a. O.) fortgeführt. Danach rechtfertigt der Umstand, dass eine Anlage über viele Jahre nicht weitergebaut wurde, den Schluss, dass die seinerzeitigen Ausbauarbeiten an einer Erschließungsanlage endgültig beendet worden sind und sich eine etwaige spätere Verlängerung auf eine neue, selbständige Erschließungsanlage bezieht (BVerwG, Urteile vom 22.11.2016, a. a. O., juris Rn. 26; vom 12.5.2016, a. a. O., juris Rn. 28).
Zweifel daran, dass es sich bei der Straße „Am Helleberg“ bei natürlicher Betrachtungsweise um eine einheitliche Erschließungsanlage handelt, bestehen nicht. Dem Umstand, dass der im nördlichen Bereich östlich verlaufende einseitige Gehweg nach ca. 170 m auf der westlichen Seite seine Fortsetzung findet, kommt für den Eindruck der Einheitlichkeit der Erschließungsanlage kein erhebliches Gewicht zu.
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass sich der Ausbau der Straße „Am Helleberg“ über einen Zeitraum von 1979 bis 1996 erstreckte. Der Bau einer Teilstrecke kann infolge Zeitablaufs zur erschließungsbeitragsrechtlichen Selbständigkeit führen, wenn die Teilstrecke im Rechtssinne erstmals endgültig als Erschließungsanlage hergestellt war, weil sie den Herstellungsmerkmalen der Erschließungsbeitragssatzung entsprach sowie ergänzend vollständig dem gemeindlichen Bauprogramm für die flächenmäßigen und sonstigen Teileinrichtungen sowie dem technischen Ausbauprogramm (vgl. allgemein zur erstmaligen endgültigen Herstellung im Rechtssinne: BVerwG, Beschluss vom 6.9.2018 – 9 C 5.17 – BVerwGE 163, 58 = juris Rn. 55 m. w. N.; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 10.10.1995 – 8 C 13.94 – BVerwGE 99, 308 = juris Rn. 19; Senatsurteile vom 19.2.2020 – 9 LB 132/17 – juris Rn. 120; vom 29.5.2019 – 9 LC 110/17 – juris Rn. 62 sowie Senatsbeschlüsse vom 21.5.2012 – 9 LB 100/10 – und vom 9.9.2009 – 9 ME 8/09 – juris Rn. 8).
Danach ist die 160 Meter lange nördliche Teilstrecke bzw. deren ca. 90 Meter langes, im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Bassgeige“ gelegene Teilstück der Straße „Am Helleberg“ nicht infolge Zeitablaufs in erschließungsbeitragsrechtliche Selbständigkeit erwachsen.
Nach Abschluss der Arbeiten in den Jahren 1979/1980, in denen die Beklagte die Fahrbahn im nördlichen Teil der Straße ausbaute, erfüllten diese weder die Herstellungsmerkmale des § 9 der Satzung über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen (Erschließungsbeitragssatzung – EBS) vom 29. Juni 1974 in der Fassung der „Satzung zur Änderung der Satzung über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen in der Stadt Goslar vom 27. Juni 1974 in der Fassung der 1. Erschließungsbeitragsänderungssatzung vom 28. November 1978“ vom 23. Oktober 1979 noch die Herstellungsmerkmale des § 9 der EBS vom 7. Juni 1988, da es u. a. an der Herstellung der Straßenbeleuchtung und an einem Gehweg fehlte, den auch das damalige Ausbauprogramm westlich der Fahrbahn vorsah. Erst nach dem „Endausbau“ im Jahr 1991 entsprach der nördliche Teil der Straße „Am Helleberg“ vollständig dem gemeindlichen Bauprogramm sowie dem technischen Ausbauprogramm.
Zu diesem Zeitpunkt fehlte es aber an der Widmung der Straße, und es lagen lediglich ca. 90 Meter der ausgebauten Teilstrecke im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, so dass auch zu diesem Zeitpunkt die nördliche Teilstrecke nicht endgültig hergestellt war. Dem Vermerk der Beklagten vom 23. September 1992 und dem späteren Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplans Nr. 98 („Baßgeige Süd“) vom 24. November 1992, der erstmals die gesamte heutige Straße „Am Helleberg“ beplante, lässt sich entnehmen, dass die Beklagte sich gegen die Abrechnung des nördlichen ca. 90 Meter langen Teilstücks und für einen Ausbau der gesamten Straße „Am Helleberg“, d. h. für die weitergehende Herstellung der bereits auf 160 Meter ausgebauten Straße entschied. Den programmgemäßen Ausbau der südlichen Teilstrecke führte die Beklagte im Jahr 1996 durch, so dass aufgrund des lediglich kurzen Zeitraums von fünf Jahren zwischen Beendigung der Ausbauarbeiten im nördlichen Teil im Jahr 1991 und im südlichen Teil im Jahr 1996 der nördliche Teil der Straße „Am Helleberg“ nicht infolge Zeitablaufs in eine erschließungsbeitragsrechtliche Selbständigkeit erwuchs.
3. Zutreffend ist das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass im maßgeblichen Zeitpunkt des Zugangs des Beitragsbescheides der Beklagten vom 29. Januar 2016 keine Festsetzungsverjährung eingetreten war.
Gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 4b) des Niedersächsischen Kommunalabgabengesetzes (NKAG) in der damals maßgeblichen Fassung vom 18. Juli 2012 i. V. m. § 169 Abs. 2 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) in der Fassung vom 22. Dezember 2014 beträgt die Frist für die Festsetzung des hier streitgegenständlichen Erschließungsbeitrages vier Jahre.
Gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 4b) NKAG i. V. m. § 170 Abs. 1 AO beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beitragspflicht entstanden ist. Gemäß § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB entsteht die Beitragspflicht mit der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage.
Die endgültige Herstellung im Rechtssinne setzt sowohl die erschließungsrechtliche als auch die planungsrechtliche rechtmäßige Herstellung der beitragsfähigen Erschließungsanlage voraus (BVerwG, Urteil vom 25.2.1994 – 8 C 14.92 – juris Rn. 29). Danach ist eine beitragsfähige Erschließungsanlage erstmalig hergestellt, wenn sie auf voller Länge nach Maßgabe der Merkmale der endgültigen Herstellung der Erschließungsbeitragssatzung (§ 132 Nr. 4 BauGB) i. V. m. dem Bauprogramm für die flächenmäßigen Teileinrichtungen und dem technischen Ausbauprogramm hergestellt ist, eine gültige Erschließungsbeitragssatzung mit namentlich einer den Anforderungen des § 131 Abs. 2 und 3 BauGB genügenden Verteilungsregelung vorhanden (vgl. BVerwG, Urteil vom 1.10.1986 – 8 C 68.85 – juris Rn. 9; Senatsurteil vom 21.5.2019 – 9 LC 110/17 – juris Rn. 59) und die Anlage dem öffentlichen Verkehr gewidmet ist (vgl. Senatsurteil vom 9.8.2016 – 9 LC 29/15 – juris Rn. 34 m. w. N.), ohne dass dabei die Dauer des Zeitraums zwischen der endgültigen Herstellung der Straße und der (nachträglichen) Widmung von Bedeutung ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29.10.1997 – 8 B 194.97 – NVwZ-RR 1998, 513 = juris Rn. 4; Driehaus/Raden, a. a. O., § 19 Rn. 38), sowie sie nach Maßgabe des § 125 BauGB rechtmäßig hergestellt worden ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 26.11.2003 – 9 C 2.03 – juris Rn. 20; vom 30.5.1997 – 8 C 6.95 – juris Rn. 12). Dabei ist unbeachtlich, in welcher Reihenfolge die Voraussetzungen für die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht erfüllt werden (BVerwG, Beschluss vom 30.1.2018 – 9 B 10.17 – juris Rn. 5).
Entgegen der Auffassung der Kläger berührt die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum im Abgabenrecht geltenden Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit (vgl. u. a. BVerfG, Beschluss vom 5.3.2013 – 1 BvR 2457/08 – BVerfGE 133, 143 = juris) nicht die Anforderungen an den Entstehungszeitpunkt der sachlichen Beitragspflicht. Das Bundesverfassungsgericht fordert zwar die gesetzliche Festsetzung einer zeitlichen Höchstgrenze für die Inanspruchnahme eines Abgabenpflichtigen zum Vorteilsausgleich. § 11 Abs. 1 Nr. 4b) NKAG i. V. m. §§ 169 Abs. 2 Nr. 2, 170 Abs. 1 AO trifft aber keine solche an den Eintritt der Vorteilslage anknüpfende Höchstfrist, sondern bestimmt – unabhängig hiervon – den an das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht anknüpfenden Beginn der Festsetzungsverjährung (vgl. zur rheinland-pfälzischen Rechtslage BVerwG, Beschluss vom 6.9.2018 – 9 C 5.17 – BVerwGE 163 58 = juris Rn. 26 ff.). Eine an das Entstehen der Vorteilslage anknüpfende Höchstfrist, die keine Verjährungsfrist ist, hat der Niedersächsische Gesetzgeber vielmehr erst durch die zum 1. April 2017 in Kraft getretene Bestimmung in § 11 Abs. 3 Nr. 1 NKAG geschaffen, wonach die Festsetzung eines Beitrages außer in den Fällen des § 169 Abs. 1 Satz 1 AO auch dann nicht mehr zulässig ist, wenn das Entstehen der Vorteilslage mindestens 20 Jahre zurückliegt (siehe hierzu im Einzelnen unter 4.).
Ausgehend hiervon begann die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Jahres 2015 zu laufen, da der Bebauungsplan Nr. 98 „Bassgeige Süd“ erst am 6. August 2015 in Kraft getreten ist und die Beklagte die Straße „Am Helleberg“ erst am 11. November 2015 gewidmet hat, so dass zum Zeitpunkt der Heranziehung des Rechtsvorgängers der Kläger zu dem angegriffenen Erschließungsbeitrag mit Bescheid vom 29. Januar 2016 die vierjährige Festsetzungsfrist nicht abgelaufen war.
Es bestehen auch keine Zweifel an der Wirksamkeit der Widmung. Gemäß § 6 Abs. 3 NStrG ist die Widmung öffentlich bekannt zu machen. § 9 Abs. 1 Satz 1 der Hauptsatzung der Beklagten vom 1. April 2014 bestimmt, dass öffentliche Bekanntmachungen der Stadt Goslar im Internet unter der Adresse www.goslar.de verkündet bzw. bekannt gemacht werden. Nach Satz 2 ist auf die Bereitstellung im Internet und auf die Internetadresse in der Goslarschen Zeitung nachrichtlich hinzuweisen. Ausweislich des Internetauftritts der Beklagten wurde die Widmung am 11. November 2015 auf www.goslar.de bekannt gemacht. Die Beklagte hat zudem in der Goslarschen Zeitung nachrichtlich auf die Bekanntmachung hingewiesen.
4. Die Beitragserhebung verstößt vorliegend auch nicht gegen das rechtsstaatliche Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit, wonach es einer gesetzlich bestimmten zeitlichen Höchstgrenze für die Beitragserhebung nach Entstehung der Vorteilslage bedarf (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5.3.2013 – 1 BvR 2457/08 – BVerfGE 133, 143 = juris).
Zwar existierte zum Zeitpunkt der Festsetzung des Erschließungsbeitrages mit Bescheid vom 29. Januar 2016 die Bestimmung in § 11 Abs. 3 Nr. 1 NKAG noch nicht, wonach die Festsetzung eines Beitrages 20 Jahre nach Entstehen der Vorteilslage nicht mehr zulässig ist. Zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung des Verwaltungsgerichts am 21. Juni 2018 beanspruchte diese Bestimmung aber bereits Geltung.
Bei dieser Vorschrift handelt es sich um eine verfassungsgemäße gesetzliche Höchstgrenze für die Festsetzung von (Erschließungs-)Beiträgen in Niedersachsen (hierzu unter a)), die auch auf noch nicht bestandskräftige Beitragsbescheide Anwendung findet, die vor dem 1. April 2017 erlassen wurden (hierzu unter b)). Zum Zeitpunkt des Entstehens der Vorteilslage war die 20-jährige Höchstfrist vorliegend aber noch nicht verstrichen (hierzu unter c)).
a) Es bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 11 Abs. 3 Nr. 1 NKAG. Dieser bestimmt, dass die Festsetzung eines Beitrages außer in den Fällen des § 169 Abs. 1 Satz 1 AO auch dann nicht mehr zulässig ist, wenn das Entstehen der Vorteilslage mindestens 20 Jahre zurückliegt. Mit dieser Vorschrift, die durch das Gesetz zur Änderung des Niedersächsischen Kommunalabgabengesetzes und anderer Gesetze vom 2. März 2017 (NdsGVBl 4/2017, S. 48 ff.) in das Kommunalabgabengesetz mit Geltung zum 1. April 2017 eingefügt wurde, hat der Niedersächsische Gesetzgeber den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur zeitlichen Begrenzung der Erhebung von Beiträgen in seinem Beschluss vom 5. März 2013 (– 1 BvR 2457/08 – BVerfGE 133, 143 ff. = juris) Rechnung tragen wollen.
Insoweit heißt es in der Gesetzesbegründung (LT Drs. 17/5422, S. 25):
„Aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur zeitlichen Begrenzung der Erhebung von Beiträgen vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) schlägt die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände vor, eine Anpassung der Festsetzungsvorschriften an die Rechtsprechung vorzunehmen.
Für die Beiträge nach dem Niedersächsischen Kommunalabgabengesetz hat die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts keine Relevanz. Allerdings gelten die Regelungen dieses Gesetzes (§ 1 Abs. 2) auch für Beiträge, die von den Kommunen aufgrund anderer Gesetze erhoben werden, soweit diese keine Bestimmungen treffen. Insoweit können Fälle auftreten, in denen für die Beitragserhebung der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts Geltung erlangt. Daher soll dem Vorschlag der Arbeitsgemeinschaft entsprochen werden und die bayerische Regelung des Artikels 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb des dortigen Kommunalabgabengesetzes übernommen werden.“
Auch wenn die Ausgangsthese, das aus dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit abgeleitete Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit habe für die Beiträge nach dem Niedersächsischen Kommunalabgabengesetz keine Relevanz, nicht haltbar ist, da es für alle Fallkonstellationen gilt, in denen eine abzugeltende Vorteilslage eintritt, insbesondere für das gesamte Beitragsrecht (vgl. auch BVerwG, Urteile vom 15.4.2015 – 9 C 19.14 – Buchholz 11 Art 20 GG Nr. 218 juris Rn. 9 und vom 20.3.2014 – 4 C 11.13 – BVerwGE 149, 211 = juris Rn. 16 f.; Beschlüsse vom 6.9.2018 – 9 C 5.17 – BVerwGE 163, 58 = juris Rn. 14 und vom 8.3.2017 – 9 B 19.16 – juris Rn. 7; VGH BW, Urteil vom 12.7.2018 – 2 S 143/18 – juris Rn. 53; OVG NRW, Urteil vom 30.4.2013 – 14 A 213/11 – juris Rn. 36; BayVGH, Urteil vom 14.11.2013 – 6 B 12.704 – BayVBl. 2014, 241 = juris Rn. 21; Driehaus/Raden, a. a. O., § 19 Rn. 41; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 21.7.2016 – 1 BvR 3092/15 – NVwZ-RR 2016, 889 = juris Rn. 6 ff.), hat der Niedersächsische Landesgesetzgeber damit eine allgemeine zeitliche Obergrenze für die Festsetzung von Beiträgen eingeführt.
Den vorzitierten Ausführungen des Niedersächsischen Gesetzgebers lässt sich entnehmen, dass mit der Einführung von § 11 Abs. 3 Nr. 1 NKAG den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in seiner Entscheidung vom 5. März 2013 für das Beitragsrecht vollumfänglich Rechnung getragen werden sollte.
§ 11 Abs. 3 Nr. 1 NKAG wird insoweit nach Überzeugung des Senats den Anforderungen des Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit gerecht.
Entgegen der Auffassung der Kläger folgt aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 (a. a. O.) keineswegs, dass bereits nach Ablauf von 12 Jahren eine Beitragserhebung stets verfassungswidrig ist (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 8.3.2017 – 9 B 19.16 – juris Rn. 43). Das Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit verpflichtet vielmehr den Gesetzgeber dazu, sicherzustellen, dass Beiträge, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, unabhängig von einem Vertrauen des Vorteilsempfängers und ungeachtet der Fortwirkung des Vorteils zeitlich nicht unbegrenzt festgesetzt werden können. Im Rahmen des danach zu schaffenden Ausgleichs zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an der Erhebung von Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann, besteht ein weiter Gestaltungsspielraum. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet aber, die Interessen des Bürgers völlig unberücksichtigt zu lassen und ganz von einer Regelung abzusehen, die der Erhebung einer Abgabe eine bestimmte zeitliche Grenze setzt (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 29.6.2020 – 1 BvR 1866/15 u. a. – juris Rn. 5; vom 21.7.2016 – 1 BvR 3092/15 – NVwZ-RR 2016, 889 = juris Rn. 6 ff. und vom 5.3.2013 – 1 BvR 2457/08 – BVerfGE 133, 143 juris Rn. 42 ff.; BVerwG, Urteil vom 15.4.2015 – 9 C 19.14 – Buchholz 11 Art 20 GG Nr. 218 = juris Rn. 8 f. und Beschlüsse vom 6.9.2018 – 9 C 5.17 – BVerwGE 163, 58 = juris Rn. 13 und vom 8.3.2017 – 9 B 19.16 – juris Rn. 7).
In seiner zu der bayerischen Regelung in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4b) cc) Spiegelstrich 2 BayKAG ergangenen Entscheidung hatte das Bundesverfassungsgericht die Bestimmung nicht für nichtig erklärt, sondern lediglich für unvereinbar mit dem Grundgesetz, da dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stünden, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen. Es bleibe ihm überlassen, wie er eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner gewährleiste, die der Rechtssicherheit genüge. So könne er etwa eine Verjährungshöchstfrist vorsehen, wonach der Beitragsanspruch nach Ablauf einer auf den Eintritt der Vorteilslage bezogenen, für den Beitragsschuldner konkret bestimmbaren Frist verjähre (BVerfG, Beschluss vom 5.3.2013, a. a. O., juris Rn. 49 f.). Es ist Aufgabe des Gesetzgebers – und nicht der Gerichte –, in Wahrnehmung seines weiten Gestaltungsspielraums einen Ausgleich zwischen den widerstreitenden berechtigten Interessen einerseits der Allgemeinheit an der Beitragserhebung und andererseits der Beitragspflichtigen an einer zeitlich nicht unbegrenzten Inanspruchnahme zu schaffen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6.9.2018, a. a. O., juris Rn. 20 m. w. N.).
§ 11 Abs. 3 Nr. 1 NKAG gewährleistet für Niedersachsen eine solche konkret bestimmbare zeitliche Obergrenze in Gestalt einer Ausschlussfrist, die durch den Eintritt der Vorteilslage ausgelöst wird und nach deren Ablauf eine Beitragsfestsetzung zwingend und ausnahmslos ausscheidet, auch dann, wenn die Beitragsschuld noch nicht entstanden ist und deshalb ein Beitrag auch noch nicht hätte festgesetzt werden dürfen und verjähren können.
Der Niedersächsische Gesetzgeber hat bei der Bemessung der Ausschlussfrist mit 20 Jahren seinen weiten Gestaltungsspielraum für den Ausgleich der widerstreitenden Interessen nicht überschritten.
Die Legitimation von Erschließungsbeiträgen liegt − unabhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung ihres Wirksamwerdens − in der Abgeltung eines Vorteils, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen ist. Je weiter dieser Zeitpunkt bei der Beitragserhebung zurückliegt, desto mehr verflüchtigt sich die Legitimation zur Erhebung solcher Beiträge. Zwar können dabei die Vorteile auch in der Zukunft weiter fortwirken und tragen nicht zuletzt deshalb eine Beitragserhebung auch noch relativ lange Zeit nach Anschluss an die entsprechende Einrichtung bzw. deren Inanspruchnahmemöglichkeit. Jedoch verliert der Zeitpunkt des Anschlusses bzw. der Inanspruchnahmemöglichkeit, zu dem der Vorteil, um dessen einmalige Abgeltung es geht, dem Beitragspflichtigen zugewendet wurde, deshalb nicht völlig an Bedeutung. Der Bürger würde sonst hinsichtlich eines immer weiter in die Vergangenheit rückenden Vorgangs dauerhaft im Unklaren gelassen, ob er noch mit Belastungen rechnen muss. Dies ist ihm im Lauf der Zeit immer weniger zumutbar. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet vielmehr, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss (BVerfG, Beschlüsse vom 1.7.2020 – 1 BvR 2838/19 – juris Rn. 25; vom 5.3.2013 – 1 BvR 2457/08 – BVerfGE 133, 143 = juris Rn. 45).
Nach Überzeugung des Senats stellt die Ausschlussfrist mit 20 Jahren einen ausreichenden Ausgleich dar zwischen dem Interesse der Gemeinde an Abgeltung des von ihr durch die Herstellung der Erschließungsanlage dem Grundstückseigentümer verschafften Vorteils und dem Interesse der Beitragspflichtigen an Rechtssicherheit, nach Ablauf eines längeren Zeitraums nicht mehr in Anspruch genommen zu werden.
Durch die Bestimmung wurde in Niedersachsen erstmals eine zeitliche Höchstgrenze für die Festsetzung eines Beitrages eingeführt, so dass der Beitragspflichtige nunmehr eine klare Höchstfrist vor Augen hat und nicht mehr im Unklaren ist. Entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts hat der Landesgesetzgeber dabei einen Ausgleich zwischen dem Interesse der bevorteilten Beitragspflichtigen an baldiger Rechtssicherheit und dem öffentlichen Interesse an einer Gegenleistung für gewährte Vorteile angestrebt. Zwar ergeben sich detaillierte Abwägungsüberlegungen – anders als in Bayern – beim Niedersächsischen Landesgesetzgeber aus der Gesetzesbegründung nicht. Inzident hat sich dieser aber dem Bayerischen Landesgesetzgeber angeschlossen und sich damit dessen Erwägungen zu eigen gemacht, da in dem Gesetzentwurf der Niedersächsischen Landesregierung entsprechend dem Vorschlag der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände die bayerische Regelung in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) bb) BayKAG ausdrücklich übernommen wurde (LT Drs. 17/5422, S. 25).
Der Bayerische Landesgesetzgeber hat ausführliche Erwägungen zu einer Beschränkung der gesetzlichen Regelung auf das Beitragsrecht, zum Verständnis der Regelung als feste Höchstfrist und zur Länge der Frist von 20 Jahren als Ergebnis eines Interessenausgleichs angestellt (vgl. Bayerischer Landtag, Drs. 17/370, S. 7, 12, 15 f.). Er hat dabei in seine Überlegungen einbezogen, dass, auch wenn mit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz die regelmäßige Verjährungsfrist von früher 30 Jahren auf nunmehr drei Jahre verkürzt wurde, darin keine generelle Entscheidung des (Bundes-)Gesetzgebers gegen eine 30-jährige Verjährungsfrist gesehen werden kann (vgl. Bayerischer Landtag, Drs. 17/370, S. 15). Es ist auch nicht geboten – wie von den Klägern geltend gemacht – grundsätzlich einen Gleichlauf der zivilrechtlichen Verjährungs- und der öffentlich-rechtlichen Verjährungs- und – wie vorliegend – Ausschlussfristen zu fordern (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.12.2008 – 3 C 37.07 – juris Rn. 11 ff. zur nicht analog anzuwendenden Neuregelung des Verjährungsrechts durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz auf öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche). Vielmehr bestehen gegen die 30-jährige Verjährungsfrist im öffentlichen Recht (vgl. etwa § 53 Abs. 2 VwVfG) auch aus Gründen der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens keine Bedenken (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.12.2008, a. a. O., juris Rn. 10; OVG LSA, Beschluss vom 17.2.2016 – 4 L 119/15 – juris Rn. 47). Insoweit wird es auch für möglich erachtet, zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes auf diese zurückzugreifen (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.3.2014, a. a. O., juris Rn. 33; VGH BW, Beschluss vom 27.1.2015 – 2 S 1840/14 – juris Rn. 50). Allerdings gibt es keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz einer 30-jährigen Verjährung öffentlich-rechtlicher Ansprüche. Vielmehr ist nach dem Gesamtzusammenhang der für den jeweiligen Anspruch geltenden Rechtsvorschriften und der Interessenlage zu beurteilen, welche Verjährungsregelungen als die „sachnächsten“ entsprechend heranzuziehen sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6.9.2018, a. a. O., juris Rn. 35). In diesem Sinne hat der Bayerische Landesgesetzgeber ausdrücklich zugunsten der Beitragsschuldner von einer allgemeinen Geltung einer 30-jährigen Höchstfrist abgesehen und eine kürzere Frist von 20 Jahren als durch die Lebensdauer (leitungsgebundener) Anlagen gerechtfertigt angesehen (Bayerischer Landtag, Drs. 17/370, S. 16). Auch das Bundesverfassungsgericht hat die Möglichkeit einer Beitragserhebung über insgesamt 25 Jahre angesichts eines in die Zukunft fortwirkenden Vorteils eines Anschlusses an Trinkwasserversorgungs- und Abwasserbeseitigungsanlagen noch als von dem gesetzgeberischen Ermessen umfasst angesehen (BVerfG, Beschluss vom 1.7.2020, a. a. O., juris Rn. 34; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 29.6.2020 – 1 BvR 1866/15 u. a. – juris Rn. 8 für eine 18-jährige Zeitspanne zwischen Beginn des Eintritts der Vorteilslage).
Der Niedersächsische Landesgesetzgeber ist mit der 20-jährigen Höchstfrist deutlich unter der im öffentlichen Recht für bestimmte Rechtsbereiche anerkannten Höchstfrist von 30 Jahren geblieben. Er hat damit betreffend das Erschließungs- und Ausbaubeitragsrecht der Vorteilswirkung einer Straße einerseits und dem Interesse der Beitragspflichtigen an einer Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit andererseits hinreichend Rechnung getragen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats beträgt die übliche Nutzungsdauer für eine Straße eine längere Zeitspanne als die in § 11 Abs. 3 Nr. 1 NKAG gesetzte Höchstfrist von 20 Jahren. Der Senat geht in seiner Rechtsprechung davon aus, dass die übliche Nutzungsdauer der Straßenbeleuchtung bei ca. 30 Jahren liegt (vgl. Senatsurteil vom 19.2.2020 – 9 LB 132/17 – juris Rn. 150, 158, 211) und von Fahrbahnen einschließlich der Teileinrichtung Gehweg zwischen 20 und 25 Jahre beträgt (Senatsbeschluss vom 28.8.2015 – 9 LA 76/14 – n. v.; im Einzelnen auch Urteil vom 28.11.2001 – 9 L 3193/00 – juris Rn. 7), wobei bei Straßen, die in jüngerer Zeit nach dem damaligen Stand der Technik hergestellt wurden, von einer üblichen Nutzungsdauer von (mindestens) 25 Jahren auszugehen ist. Die übliche Nutzungszeit von Straßenentwässerungseinrichtungen ist sogar deutlich länger (vgl. hierzu Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: 9/2020, § 8 Rn. 294; v. Waldthausen in: Rosenzweig/Freese/v. Waldthausen, Niedersächsisches Kommunalabgabengesetz, Stand: 2/2016, § 6 Rn. 70).
Vor diesem Hintergrund ist die Höchstfrist in § 11 Abs. 3 Nr. 1 NKAG von dem gesetzgeberischen weiten Gestaltungsspielraum abgedeckt, da auch 20 Jahre nach Entstehen der Vorteilslage eine substantielle Vorteilslage verbleibt (ebenso BayVGH, Urteil vom 12.3.2015 – 20 B 14.1441 – juris Rn. 25 zur bayerischen Ausschlussfrist von 20 Jahren nach Vorteilslage; siehe auch Bayerischer Landtag, Drs. 17/370, S. 12 ff.).
Schließlich ist bei der Gewichtung der Interessen zu beachten, dass der Vorteil, der durch die Inanspruchnahmemöglichkeit einer Einrichtung vermittelt wird, lange in die Zukunft fortwirkt, während ein besonderes wirtschaftliches Interesse der Abgabepflichtigen an einer möglichst zeitnahen Festsetzung des Beitragsanspruchs nicht besteht, sondern deren Interesse maßgeblich darin begründet liegt, erkennen zu können, wann mit einer Inanspruchnahme nicht mehr zu rechnen ist (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 17.2.2016, a. a. O., juris Rn. 47).
b) § 11 Abs. 3 Nr. 1 NKAG findet auch auf nicht bestandskräftige Beitragsbescheide Anwendung, die – wie vorliegend – vor Inkrafttreten der Bestimmung zum 1. April 2017 erlassen wurden, so dass dadurch das ursprüngliche Versäumnis des Landesgesetzgebers, zeitnah auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 3. Mai 2013 (a. a. O.) eine verfassungsgemäße, dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit genügende Regelung zu schaffen, behoben wurde.
Zwar hat der Niedersächsische Gesetzgeber, anders als der von ihm in der Gesetzesbegründung in Bezug genommene Bayerische Gesetzgeber, keine Übergangsbestimmung für bereits erfolgte Beitragsfestsetzungen getroffen. Letzterer hat nicht nur in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4b) bb) Spiegelstrich 1 BayKAG eine dem § 11 Abs. 3 Nr. 1 NKAG entsprechende Bestimmung erlassen, sondern zugleich in Art. 19 Abs. 2 BayKAG bestimmt, dass für Beiträge, die vor dem 1. April 2014 durch nicht bestandskräftigen Bescheid festgesetzt worden sind, Art. 13 Abs. 1 Nr. 4b) bb) Spiegelstrich 1 BayKAG mit der Maßgabe gilt, dass die Frist einheitlich 30 Jahre beträgt.
Den Gesetzesmaterialien lässt sich aber entnehmen, dass der Niedersächsische Gesetzgeber dem Regelungsauftrag in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 3. Mai 2013 (a. a. O.) vollumfänglich nachkommen und nicht lediglich eine unvollständige Regelung treffen wollte. Es finden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass es auch nach Inkrafttreten des § 11 Abs. 3 Nr. 1 NKAG weiterhin an einer verfassungsmäßigen Bestimmung einer Höchstfrist für vor dem 1. April 2017 bereits erlassene Bescheide fehlen sollte. Insoweit lässt sich § 11 Abs. 3 Nr. 1 NKAG bei gebotener verfassungskonformer Auslegung (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 5.3.2013 – 1 BvR 2457/08 – juris Rn. 52 und vom 21.7.2016 – 1 BvR 3092/15 – juris Rn. 9; BVerwG, Beschluss vom 6.9.2018 – 9 C 5.17 – juris Rn. 22 und vom 20.3.2014 – 4 C 11.13 – BVerwGE 149, 211 = juris Rn. 21) nur dahingehend verstehen, dass die 20-jährige Höchstfrist – anders als nach der bayerischen Gesetzeslage – unterschiedslos auch in denjenigen Fällen gilt, in denen – wie vorliegend – eine Festsetzung von Beiträgen vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung erfolgt ist und der angegriffene Beitragsbescheid noch nicht bestandskräftig ist.
Dieses Auslegungsergebnis verstößt auch nicht gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot für belastende Gesetze (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 10.10.2012 – 1 BvL 6/07 – BVerfGE 132, 302 = juris Rn. 41 ff.). Vielmehr handelt es sich bei § 11 Abs. 3 Nr. 1 NKAG um eine allein begünstigende Regelung, weil damit erstmals eine zeitliche Obergrenze geschaffen wurde, die zugunsten der Beitragspflichtigen ungeachtet des Zeitpunkts der Beitragsfestsetzung auch bei vor dem 1. April 2017 bereits begründeten Vorteilslagen gilt, folglich eine Beitragserhebung auch in solchen Fällen nicht mehr zeitlich unbegrenzt ab Entstehen der Vorteilslage ermöglicht.
Soweit die Kläger vertreten, bei der Anfechtungsklage sei die Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgeblich, ist im Beitragsrecht als maßgeblicher Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage grundsätzlich auf das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht abzustellen (BVerwG, Beschluss vom 13.3.1995 – 8 B 5.95 – juris Rn. 2; Driehaus/Raden, a. a. O., § 19 Rn. 23). Einen prozessrechtlichen Grundsatz, wonach im Rahmen einer Anfechtungsklage die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts stets nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung zu beurteilen sei, gibt es nicht. Auf welche Sach- und Rechtslage bei der Anfechtungsklage abzustellen ist, bestimmt sich in erster Linie nach materiellem Recht, für Erschließungsbescheide also nach dem – vorstehend dargestellten – Erschließungsbeitragsrecht (BVerwG, Urteil vom 25.11.1981 – 8 C 14.81 – BVerwGE 64, 218 = juris Rn. 17). Hierauf kommt es aber vorliegend ebenso wenig an, wie auf die zwischen den Beteiligten in Streit stehende Frage, ob es sich bei § 11 Abs. 3 Nr. 1 NKAG um eine Norm des „formellen“ oder des „materiellen“ Rechts handelt, da – wie dargelegt – die Höchstgrenze für die Festsetzung von Beiträgen in § 11 Abs. 3 Nr. 1 NKAG bei verfassungskonformer Auslegung auf vor dem 1. April 2017 erlassene, nicht bestandskräftige Bescheide zugunsten der Beitragspflichtigen Anwendung findet. Zudem ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass im Erschließungsbeitragsrecht ein Beitragsbescheid nicht der gerichtlichen Aufhebung unterliegt, wenn er im Zeitpunkt der abschließenden mündlichen Verhandlung der letzten Tatsacheninstanz rechtmäßig ist, etwa, weil er durch eine erst nachträglich in Kraft getretene wirksame Satzungsgrundlage geheilt wird (BVerwG, Urteil vom 25.11.1981, a. a. O., juris Rn. 20). Dies zugrunde gelegt bemisst sich die Rechtmäßigkeit des hier angegriffenen Beitragsbescheides auch an § 11 Abs. 3 Nr. 1 NKAG.
c) Die Festsetzung des Erschließungsbeitrages mit Bescheid vom 29. Januar 2016 war nicht nach § 11 Abs. 3 Nr. 1 NKAG ausgeschlossen, da das Entstehen der Vorteilslage nicht mindestens 20 Jahre zurücklag.
aa) In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass es für die Entstehung der Vorteilslage im Erschließungsbeitragsrecht auf die tatsächliche – bautechnische – Durchführung der jeweiligen Erschließungsmaßnahme, nicht jedoch darauf ankommt, ob darüber hinaus auch die weiteren, für den Betroffenen nicht erkennbaren rechtlichen Voraussetzungen für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht vorliegen (BVerwG, Beschluss vom 6.9.2018 – 9 C 5.17 – BVerwGE 163, 58 = juris Rn. 55).
Erforderlich ist das Erschlossensein des Grundstücks durch eine insgesamt betriebsfertige Einrichtung (BVerfG, Beschluss vom 5.3.2013 – 1 BvR 2457/08 – BVerfGE 133, 143 = juris Rn. 2). Ausreichend für den Eintritt der Vorteilslage ist danach nicht, ob die Straße schon „gebrauchsfertig“ und „benutzbar“ ist (vgl. BayVGH, Beschluss vom 30.3.2016, a. a. O., juris Rn. 9). Vielmehr muss es sich um eine beitragsrelevante Vorteilslage handeln (BVerwG, Urteil vom 22.11.2016 – 9 C 25.15 – BVerwGE 156, 326 = juris Rn. 23).
Beurteilungsmaßstab für die betriebsfertige Herstellung ist die konkrete Planung der Gemeinde für die jeweilige Anlage. Entscheidend ist, ob diese sowohl im räumlichen Umfang als auch in der bautechnischen Ausführung nur provisorisch her- oder schon endgültig technisch fertiggestellt ist, d. h. dem gemeindlichen Bauprogramm für die flächenmäßigen und sonstigen Teileinrichtungen sowie dem technischen Ausbauprogramm vollständig entspricht (BVerwG, Beschluss vom 6.9.2018, a. a. O., juris Rn. 55; vgl. auch BayVGH, Urteil vom 24.2.2017 – 6 BV 15.1000 – BayVBl. 2017, 522 = juris Rn. 30 f. und Beschluss vom 30.3.2016 – 6 ZB 15.2426 – BayVBl. 2016, 558 = juris Rn. 9; Driehaus/Raden, a. a. O., § 11 Rn. 42, 55).
bb) Für die Entstehung der Vorteilslage kommt es – anders als für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht gemäß § 133 Abs. 2 BauGB – weder auf die Widmung der Straße noch auf die Wirksamkeit der Beitragssatzung an (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6.9.2018 – 9 C 5.17 – BVerwGE 163, 58 = juris Rn. 55). Ungeachtet der fehlenden Erkennbarkeit jedenfalls der Wirksamkeit der Satzung könnten andernfalls die Erlangung des Vorteils und die Entstehung der Beitragspflicht zeitlich unbegrenzt zusammenfallen. Das Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit liefe dann leer (BVerwG, Beschluss vom 6.9.2018, a. a. O., juris Rn. 55; vgl. auch BayVGH, Urteil vom 24.2.2017, a. a. O., juris Rn. 30 f.; OVG NRW, Beschluss vom 24.10.2019 – 15 B 1090/19 – juris Rn. 27).
cc) Ebenso wenig kann danach ein Bebauungsplan Voraussetzung für die Entstehung der Vorteilslage i. S. d. § 11 Abs. 3 Nr. 1 NKAG sein, auch wenn die Herstellung einer Erschließungsanlage grundsätzlich nach § 125 Abs. 1 BauGB einen Bebauungsplan voraussetzt, d. h. die Anlage regelmäßig erst durch diesen zur Anbaustraße wird. Der Bebauungsplan ist zwar, soweit kein Ausnahmefall nach § 125 Abs. 2 BauGB (a. F.) gegeben ist, für die rechtmäßige Herstellung der Anlage und somit für das Entstehen der sachlichen Erschließungsbeitragspflicht erforderlich. Zudem ergibt sich aus ihm, welche Grundstücke nach §§ 131 Abs. 1, 133 Abs. 1 BauGB erschlossen und bei der Verteilung in welchem Umfang zu berücksichtigen sind. Allerdings ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass die Ausdehnung einer beitragsfähigen Erschließungsanlage nicht nach Maßgabe des Erschließungs- oder des Planungsrechts, sondern unter Anwendung des Erschließungsbeitragsrechts zu bestimmen ist (BVerwG, Urteil vom 7.3.2017 – 9 C 20.15 – BVerwGE 158, 163 = juris Rn. 11). Entscheidend ist danach unabhängig vom Inhalt des Bebauungsplans die Anlage in ihrem tatsächlich hergestellten Umfang. Im Übrigen ist – wie auch bei der Beitragssatzung – die Wirksamkeit eines Bebauungsplans nicht ohne weiteres erkennbar, und auch die Erlangung des Vorteils und die Entstehung der Beitragspflicht könnten zeitlich unbegrenzt zusammenfallen, forderte man einen (wirksamen) Bebauungsplan als Voraussetzung für die Entstehung der Vorteilslage. Die Gemeinde hätte es insoweit in der Hand, trotz betriebsfertiger Herstellung der Anlage das Entstehen der Vorteilslage wegen eines rechtlichen Kriteriums unbegrenzt auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Dies ließe sich aber mit der die 20-jährige Höchstfrist rechtfertigenden üblichen Nutzungsdauer einer Erschließungsanlage nicht in Einklang bringen. Hinzu kommt, dass in Fällen, in denen die Gemeinde statt eines Bebauungsplans eine Abwägungsentscheidung nach § 125 Abs. 2 BauGB getroffen hat oder aufgrund der bis zum 31. Dezember 1997 gültigen Fassung von § 125 Abs. 2 BauGB die Anlage innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile lag und für sie die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich war bzw. die Erschließungsanlage mit Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde hergestellt wurde, für den Anlieger der Zeitpunkt der Entstehung der Vorteilslage ebenfalls nicht erkennbar wäre.
Insoweit ist für das Entstehen der tatsächlichen Vorteilslage nicht auf die planungsrechtliche Rechtmäßigkeit der Anlage abzustellen (vgl. auch BayVGH, Urteil vom 24.2.2017, a. a. O., juris Rn. 30 f.; a. A. wohl VGH BW, Urteil vom 19.9.2018 – 2 S 1116/18 – juris Rn. 49).
dd) Unter Zugrundelegung der vorgenannten Maßstäbe entsteht die Vorteilslage i. S. d. § 11 Abs. 3 Nr. 1 NKAG auch weder im Zeitpunkt des letzten Grunderwerbs – vorliegend am 6. Januar 1998 – noch im Zeitpunkt des Eingangs der letzten Unternehmerrechnung – vorliegend am 13. März 1997 – noch im Zeitpunkt der Verkehrsfreigabe.
Zwar gehört der Grunderwerb hier nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 EBS 1988 zu den Merkmalen der endgültigen Herstellung. Dies ist aber auch bei der Widmung der Fall (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 EBS 1988), die – wie ausgeführt – nicht Entstehungsvoraussetzung für die Vorteilslage ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6.9.2018 – 9 C 5.17 – BVerwGE 163, 58 = juris Rn. 55). Der Abschluss des Grunderwerbs gehört nicht zur tatsächlichen bautechnischen Durchführung der Erschließungsmaßnahmen und ist für den Beitragspflichtigen nicht erkennbar, so dass er nicht Voraussetzung für die Entstehung der Vorteilslage ist (vgl. auch BayVGH, Urteil vom 24.2.2017, a. a. O., juris Rn. 30; OVG NRW, Beschluss vom 24.10.2019 – 15 B 1090/19 – juris Rn. 29).
Nichts Anderes gilt für die letzte Unternehmerrechnung, die bei der Beklagten ausweislich der Verwaltungsvorgänge am 13. März 1997 eingegangen war, zumal diese keine Auswirkungen auf die (rechtmäßige) Herstellung der Anlage hat, sondern lediglich zur Bestimmbarkeit des beitragsfähigen Aufwandes und zur Abrechenbarkeit führt (vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 24.11.2017 – 15 A 1812/16 – juris Rn. 54).
Die Verkehrsfreigabe erweist sich ebenfalls nicht als tauglicher Zeitpunkt für die Entstehung der Vorteilslage. Entgegen der Feststellung des Verwaltungsgerichts, die Verkehrsfreigabe sei am 7. September 1996 erfolgt, konnte der Senat vorliegend den genauen Zeitpunkt der Verkehrsfreigabe nicht ermitteln. Den Verwaltungsvorgängen der Beklagten lässt sich lediglich entnehmen, dass die Anlage von der Beklagten am 3. September 1996 abgenommen wurde. Der Tag der Verkehrsfreigabe wurde hingegen nicht dokumentiert. Dies dürfte regelmäßig der Fall sein. Hinzu kommt, dass es nicht darauf ankommt, ob die Anlage „gebrauchsfertig“ oder „benutzbar“ ist (vgl. BayVGH, Beschluss vom 30.3.2016, a. a. O., juris Rn. 9), sondern ob sie insgesamt endgültig technisch fertiggestellt ist. Die Freigabe der Anlage für den Verkehr lässt aber gerade nicht den Rückschluss auf die technisch endgültige Fertiggestellung zu.
ee) Demgegenüber bestätigt die Abnahme der Baumaßnahmen den mit der tatsächlichen Durchführung der Erschließungsmaßnahme beauftragten Unternehmen gegenüber, dass die erstmalige Herstellung sowohl im räumlichen Umfang als auch in der bautechnischen Ausführung dem gemeindlichen Bauprogramm für die flächenmäßigen und sonstigen Teileinrichtungen sowie dem technischen Ausbauprogramm vollständig entspricht. Daher stellt das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen für den Zeitpunkt des Entstehens der Vorteilslage regelmäßig auf die Abnahme statt auf die letzte Unternehmerrechnung ab (vgl. OVG NRW, Urteil vom 24.11.2017 – 15 A 1812/16 – juris Rn. 54). Dem schließt sich der Senat an.
Soweit das Bundesverfassungsgericht für den Fall einer Außenprüfung durch die Finanzverwaltung entschieden hat, dass das Anknüpfen des Ablaufs der Steuerfestsetzungsfrist an eine im Anschluss einer Außenprüfung nachfolgende Schlussbesprechung nicht mit den Grundsätzen von Rechtssicherheit und Vertrauensschutz vereinbar sei, da die Finanzverwaltung durch Hinauszögern der Schlussbesprechung den Ablauf der Festsetzungsfrist nach eigenem Gutdünken bestimmen und so letztlich beliebig verlängern könnte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21.7.2016 – 1 BvR 3092/15 – juris Rn. 10), sind diese Erwägungen nicht auf die Abnahme von Baumaßnahmen übertragbar. Denn der Gemeinde steht es nicht frei, die Abnahme nach eigenem Gutdünken wesentlich hinauszuzögern. Vielmehr ist sie gemäß § 640 Abs. 1 BGB bzw. § 12 Abs. 1 VOB 2016 verpflichtet, das vertragsmäßig hergestellte Werk abzunehmen. Wird keine Abnahme verlangt, so gilt die Leistung gemäß § 12 Abs. 5 Nr. 1 VOB 2016 mit Ablauf von 12 Werktagen nach schriftlicher Mitteilung über die Fertigstellung der Leistung abgenommen. Hat der Auftraggeber darüber hinaus die Leistung oder einen Teil der Leistung in Benutzung, so gilt die Abnahme nach Ablauf von 6 Werktagen nach Beginn der Benutzung als erfolgt, wenn nichts anderes vereinbart ist (§ 12 Abs. 5 Nr. 2 Satz 1 VOB 2016). § 640 Abs. 2 BGB bestimmt, dass ein Werk als abgenommen gilt, wenn der Unternehmer dem Besteller nach Fertigstellung des Werks eine angemessene Frist zur Abnahme gesetzt hat und der Besteller die Abnahme nicht innerhalb dieser Frist unter Angabe mindestens eines Mangels verweigert hat. Die Gemeinde hat es danach nicht allein in der Hand, den Zeitpunkt des Entstehens der Vorteilslage zu bestimmen. Im Übrigen ist die Abnahme durch Begehung als tatsächlicher Vorgang grundsätzlich auch für die Anlieger erkennbar.
Ist danach die Gemeinde verpflichtet, eine mangelfreie bzw. eine mit lediglich unwesentlichen Mängeln behaftete Durchführung einzelner Gewerke (vgl. § 640 Abs. 1 Satz 2 BGB) abzunehmen, folgt hieraus zugleich, dass die Abnahme Indiz für die bauprogrammgemäße Beendigung der technischen Durchführung der geplanten Maßnahme ist.
Ausgehend von dem Zeitpunkt der Abnahme der Straße „Am Helleberg“ am 3. September 1996 war die 20-jährige Ausschlussfrist des § 11 Abs. 3 Nr. 1 NKAG bei der Festsetzung des Erschließungsbeitrages mit Bescheid vom 29. Januar 2016 noch nicht verstrichen.
5. Der rechtmäßigen Erhebung des Erschließungsbeitrages steht auch nicht der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen.
Das Gebot, sich so zu verhalten, wie Treu und Glauben es verlangen, gehört zu den allgemeinen Grundsätzen sowohl des Verwaltungsrechts des Bundes als auch des Verwaltungsrechts der Länder. Welchem Rechtskreis dieser Grundsatz im Einzelfall zuzurechnen ist, hängt von der Qualität des Rechts ab, zu dessen Ergänzung er jeweils herangezogen wird: Bundesrecht wird durch bundesrechtliche allgemeine Grundsätze, Landesrecht wird durch landesrechtliche allgemeine Grundsätze ergänzt (BVerwG, Beschluss vom 1.2.2005 – 7 B 115/04 – juris).
Der Grundsatz von Treu und Glauben ist aber nicht geeignet, das Fehlen einer normativen zeitlichen Höchstgrenze für die Beitragserhebung auszugleichen (BVerwG, Beschlüsse vom 10.9.2019 – 9 B 40.18 – juris Rn. 7 und vom 8.3.2017 – 9 B 19.16 – juris Rn. 45; Urteil vom 15.4.2015 – 9 C 15.14 – juris Rn. 13). Denn der einzelfallbezogene, von unbestimmten Rechtsbegriffen und einer Abwägungsentscheidung abhängige Einwand einer treuwidrigen Rechtsausübung verschafft dem Bürger keine Klarheit über den Zeitpunkt, ab dem seine Heranziehung ausgeschlossen ist (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 10.9.2019, a. a. O., juris Rn. 7 und vom 6.9.2018 – 9 C 5.17 – juris Rn. 38; a. A. BVerwG, Urteil vom 20.3.2014 – 4 C 11.13 – BVerwGE 149, 211 = juris Rn. 28 ff.). Insoweit verbleibt für den Grundsatz von Treu und Glauben erst recht kein Raum, wenn der Gesetzgeber – wie vorliegend – eine verfassungsrechtliche Höchstgrenze für die Beitragsfestsetzung bestimmt hat.
6. Der Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides können die Kläger auch nicht den Einwand der Verwirkung entgegenhalten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5.3.2013, a. a. O., juris Rn. 48). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom 17.8.2011 – 3 B 36.11 – BeckRS 2011, 53777 = juris Rn. 5; vom 12.1.2004 – 3 B 101.03 – NVwZ-RR 2004, S. 314 = juris Rn. 3) und des Bundesfinanzhofs (vgl. nur BFH, Beschluss vom 20.4.2006 – VII B 332/05 – juris Rn. 12 m. w. N.) erfordert Verwirkung nicht nur, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts längere Zeit verstrichen ist. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen. Diese Voraussetzung ist selbst in den Fällen der Beitragserhebung nach scheinbarem Ablauf der Festsetzungsfrist regelmäßig nicht erfüllt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5.3.2013, a. a. O., juris Rn. 48).
Soweit die Kläger sich darauf berufen, dass die Beklagte dem früheren Kläger im Vorfeld des im Jahr 1997 abgeschlossenen Kaufvertrages mitgeteilt habe, dass die Straße „Am Helleberg“ „endausgebaut“ sei, lässt sich hieraus nicht schließen, dass für diesen Ausbau künftig keine Erschließungsbeiträge erhoben würden. Vielmehr besteht für die Gemeinden im Falle von Erschließungsbeiträgen aufgrund der Vorschriften in § 127 Abs. 1 i. V. m. § 132 BauGB eine gesetzliche Beitragserhebungspflicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.1.1982 – 8 C 24.81 – juris Rn. 15 m. w. N.). Die Kläger haben auch nicht schlüssig dargetan, warum ihr Rechtsvorgänger im Hinblick auf diese gesetzliche Beitragserhebungspflicht nicht hätte erwarten müssen, dass die Beklagte die Anlieger bzw. ihn als Käufer und Grundstückseigentümer nicht für die erst ein Jahr zuvor abgeschlossene Erschließungsmaßnahme heranziehen werde. Dass es dem Kaufvertrag an einer entsprechenden Regelung über die nicht abgerechneten Erschließungsbeiträge fehlt, vermag zwar unter Umständen einen Schadensersatzanspruch gegenüber dem Notar begründen (vgl. BGH, Urteil vom 28.4.1994 – IX ZR 161/93 – juris), lässt aber ebenfalls nicht auf ein treuwidriges Verhalten der Beklagten schließen, zumal ein Verzicht auf die Erhebung von Erschließungsbeiträgen wegen des Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot die Nichtigkeit des Kaufvertrages zur Folge gehabt hätte (BVerwG, Urteil vom 27.1.1982, a. a. O., juris Rn. 15). Allein der Umstand, dass der Erschließungsbeitrag unter den engen Voraussetzungen des § 133 Abs. 3 Satz 5 BauGB – in Durchbrechung des grundsätzlichen Verbots von vertraglichen Vereinbarungen über die Erhebung von Abgaben – hätte abgelöst werden können, begründet ebenfalls nicht ein treuwidriges Verhalten der Beklagten, zumal eine Ablösung nicht Vertragsgegenstand geworden ist. Ebenso wenig führte die Heranziehung u. a. des Rechtsvorgängers der Kläger zu Straßenreinigungsgebühren für den Zeitraum 2003 bis 2014 einen die Verwirkung der Festsetzung des Erschließungsbeitrags begründenden Vertrauenstatbestand herbei. Die Beklagte nahm mit Bescheid vom 7. August 2014 sämtliche – auch bestandskräftige – Straßenreinigungsgebührenbescheide mit der Begründung zurück, eine Überprüfung hätte ergeben, dass die Erhebung aufgrund der fehlenden Widmung „Am Helleberg“ rechtswidrig gewesen sei. Die fehlerhafte Annahme seitens der Beklagten, die Voraussetzungen für den Erlass von Straßenreinigungsgebührenbescheiden seien gegeben, vermag kein Vertrauen im Hinblick auf die Festsetzung eines Erschließungsbeitrages zu begründen. Im Übrigen konnte der Rechtsvorgänger der Kläger auch nicht bis zum Erlass des Beitragsbescheides vom 29. Januar 2016 darauf vertrauen, nicht zu einem Erschließungsbeitrag herangezogen zu werden. Bereits am 6. Dezember 2013 hatte die Beklagte einen Vorausleistungsbescheid für das veranlagte Grundstück erlassen. Spätestens ab diesem Zeitpunkt hatte der Rechtsvorgänger der Kläger Kenntnis davon, dass die Beklagte beabsichtigte, ihn zu Erschließungsbeiträgen heranzuziehen.
Ungeachtet dessen konnte allein die fehlende Widmung auch deshalb keinen Vertrauenstatbestand im Hinblick auf die Erhebung von Erschließungsbeiträgen begründen, weil es auch an einem die gesamte Straße als Verkehrsfläche festsetzenden Bebauungsplan fehlte, der – soweit keine Abwägungsentscheidung nach § 125 Abs. 2 BauGB vorliegt – ebenfalls Voraussetzung für die Erhebung von Erschließungsbeiträgen ist. Dieser trat erst am 6. August 2015 in Kraft.
7. Ist danach eine Beitragserhebung weder verjährt noch aus sonstigen rechtlichen Gründen ausgeschlossen, erweist sich die Heranziehung des Rechtsvorgängers der Kläger zu einem Erschließungsbeitrag in Höhe von 2.949,48 € für sein Buchgrundstück (Flurstücke K. und L.) auch im Übrigen als rechtmäßig. Die sachliche Beitragspflicht ist vorliegend – wie ausgeführt – mit der Widmung der Straße „Am Helleberg“ am 11. November 2015 entstanden. Der verstorbene Rechtsvorgänger der Kläger war als Eigentümer des Grundstücks im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Erschließungsbeitragsbescheides gemäß § 134 Abs. 1 Satz 1 BauGB persönlich beitragspflichtig und damit rechtmäßiger Adressat.
Die Kläger haben schließlich die Höhe der Beitragsfestsetzung nicht angegriffen. Dem Senat liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beitragsfestsetzung überhöht und deshalb im Ergebnis rechtswidrig ist und die Kläger daher in ihren Rechten verletzt. Es kann insbesondere offen bleiben, ob die Beklagte die Zuwendung des Landes Niedersachsen mit Bescheid vom 4. April 1990 i. H. v. 31.700,10 € für den nördlichen Teil der Erschließungsanlage zutreffend allein zugunsten der Anlieger vom umlagefähigen Erschließungsaufwand statt vom Gemeindeanteil abgezogen hat, denn dadurch wäre die Beitragsfestsetzung allenfalls zu niedrig ausgefallen.
8. Soweit die Kläger in der mündlichen Verhandlung die Aufrechnung mit einem angeblichen zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch in Höhe der Beitragsfestsetzung erklärt haben, den sie darauf stützen, dass die Beklagte vor Abschluss des Kaufvertrages für das streitgegenständliche beitragspflichtige Grundstück nicht auf die künftige Erhebung von Erschließungsbeiträgen hingewiesen habe, lässt dies die Rechtmäßigkeit der Beitragsfestsetzung unberührt (vgl. etwa OVG SH, Urteil vom 4.9.2014 – 4 LB 3/13 – juris Rn. 46).
Im Übrigen haben die Kläger – unabhängig davon, ob der Zahlungsanspruch der Beklagten nicht bereits durch Erfüllung entsprechend § 47 AO erloschen ist – nicht die Möglichkeit der Aufrechnung, da die klägerseits behauptete Gegenforderung aus einem Schadensersatzanspruch weder rechtskräftig festgestellt noch unbestritten ist (§ 11 Abs. 1 Nr. 5a) NKAG i. V. m. § 226 Abs. 3 AO). Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung auf die Aufrechnungserklärung der Kläger deren Anspruch sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach bestritten.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.