Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 02.09.2020, Az.: 2 ME 349/20

Corona-Pandemie; Corona-Verordnung; Coronavirus; Corona-Virus; Online-Klausur; Online-Prüfung; Präsenzklausur

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
02.09.2020
Aktenzeichen
2 ME 349/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 72069
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 24.08.2020 - AZ: 6 B 102/20

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Ob eine schriftliche Prüfung im Rahmen eines Hochschulstudiums im Grundsatz als Online-Prüfung oder als Präsenzprüfung angeboten wird, obliegt - im Rahmen der bestehenden rechtlichen Vorgaben - auch in Zeiten der Corona-Pandemie dem Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum der Prüfer.

2. Dass der Antragsteller als Raucher nach der Einschätzung des Robert-Koch-Instituts zu einer sogen. Risikogruppe gehört, begründet angesichts der derzeitigen überschaubaren Infektionszahlen in Norddeutschland und der für die Präsenzprüfung getroffenen Schutzvorkehrungen keinen individuellen Anspruch auf Durchführung einer Online-Prüfung.

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Lüneburg - 6. Kammer - vom 24. August 2020 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den erstinstanzlichen Beschluss, mit welchem das Verwaltungsgericht seinen Antrag abgelehnt hat, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn die Prüfungsleistung im Modul Bilanz- und Steuerrecht am 5. September 2020 als alternative Prüfungsleistung (online von zu Hause) durchführen zu lassen, hat keinen Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung des angefochtenen Beschlusses im Wesentlichen ausgeführt: Der Antragsteller habe keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Durchführung von Prüfungen an Volkshochschulen und sonstigen öffentlichen und privaten Bildungseinrichtungen im außerschulischen Bereich sei nach § 18 Satz 1 der Niedersächsischen Verordnung zur Neuordnung der Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus SARS-CoV-2 (Niedersächsische Corona-Verordnung) vom 10. Juli 2020 (Nds. GVBl. 2020, 226, 257) zulässig, wenn das Abstandsgebot nach deren § 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2 sichergestellt sei; zudem habe die Betreiberin oder der Betreiber einer Einrichtung nach Satz 1 Maßnahmen aufgrund eines Hygienekonzepts nach § 3 Niedersächsische Corona-Verordnung zu treffen und sei zur Datenerhebung und Dokumentation nach § 4 verpflichtet. Die Antragsgegnerin gebe auf ihrer Homepage „Hinweise für Studierende zur Durchführung von Präsenzklausuren unter Einhaltung der Vorgaben zur Bekämpfung der Corona-Pandemie“. Damit sei sie den Hinweisen des Eufach0000000017s (Infektionsschutzmaßnahmen, Stand 19.8.2020 - Warum sind bei SARS-CoV-2/COVID 19 solche weitreichenden Maßnahmen erforderlich?) in ausreichendem Umfang nachgekommen und habe alle ihr möglichen Maßnahmen zur Minimierung des Infektionsrisikos bei Präsenzklausuren getroffen. Nach der nur möglichen summarischen Prüfung sei das von der Antragsgegnerin erstellte Konzept zur Durchführung der Prüfungen im Hinblick auf die aktuellen Erkenntnisse zur Ausbreitung des Corona-Virus nicht zu beanstanden und gebe auch keinen Anlass, von einer besonderen Gesundheitsgefährdung der Prüfungsteilnehmer auszugehen. Der Antragsteller habe auch nicht dargelegt, dass er selbst zu einer Risikogruppe gehöre. Zutreffend habe die Antragsgegnerin in ihrem Schreiben vom 6. August 2020 unter Hinweis auf die angewandten Rechtsvorschriften, namentlich ihre eigene Rahmenprüfungsordnung und die dazu ergangenen Vorschriften im Hinblick auf das Corona-Virus, dargelegt, dass es dem jeweiligen Prüfer obliege, die geeignete Prüfungsform auszuwählen und darüber zu entscheiden, ob eine etwaige alternative Prüfungsform in Betracht komme. Eine Ermessensreduzierung auf Null dahingehend, dass nur die vom Antragsteller begehrte Form der Onlineklausur zulässig wäre, sei nach Einschätzung des Gerichts auch in Ansehung der für die Antragsgegnerin verfügbaren Räumlichkeiten und des vorgesehenen Hygienekonzepts nicht gegeben.

Diese Ausführungen des Verwaltungsgerichts stellt der Antragsteller mit seinem Vorbringen im Beschwerdeverfahren, auf dessen Überprüfung sich der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, nicht durchgreifend in Frage.

Der Antragsteller versteht den angefochtenen Beschluss falsch, wenn er meint, das Verwaltungsgericht habe die Entscheidung des Verordnungsgebers, Prüfungen unter den in § 18 der Niedersächsischen Corona-Verordnung genannten Voraussetzungen zuzulassen, als Ermessensentscheidung bezogen auf seinen konkreten Einzelfall gewertet. Das Verwaltungsgericht hat den begehrten Anspruch nicht „in einer ersten Ebene“ mit der Argumentation verneint, dass der Verordnungsgeber bereits eine entsprechende Abwägung vorgenommen habe. Es hat lediglich klargestellt, dass die Entscheidung des Verordnungsgebers, Prüfungen generell unter den genannten Bedingungen wieder zuzulassen, nicht zu beanstanden ist. Dass diese Frage anders zu beurteilen sein könnte, legt der Antragsteller - ungeachtet der Frage, welche rechtlichen Folgerungen sich daraus ergeben könnten - bereits nicht im Sinne des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO dar. Er gibt vielmehr auf den Seiten 3 (Mitte) bis 8 (Mitte) seiner Beschwerdeschrift im Wesentlichen nur allgemein zugängliche Informationen zum Umgang mit dem Corona-Virus wieder.

Der Antragsteller legt auch nicht dar, dass er entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts einen Anspruch auf Durchführung der Prüfung als Online-Prüfung zu Hause hat. Dabei lässt sein Vorbringen schon in weiten Teilen einen konkreten Bezug zu der Argumentation in der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung vermissen (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO). Unabhängig davon greifen seine Einwände nicht durch. Welche rechtlichen Folgerungen der Antragsteller daraus ziehen will, dass er sich im Jahr 2018 zu der damals gültigen Rahmenprüfungsordnung vom 18. Januar 2018 eingeschrieben hat, legt er nicht dar. Die für den geltend gemachten Anspruch maßgeblichen rechtlichen Vorgaben finden sich in der Anlage II zur Rahmenprüfungsordnung für die fakultätsübergreifenden weiterbildenden Masterstudiengänge der C. zur alternativen Durchführung von Lehrveranstaltungen und Prüfungen während der Corona-Krise, die in ihrer jeweils gültigen Fassung (derzeit v. 16.7.2020, E. Nr. 92/20 v. 10.8.2020, S. 2) auch für den Antragsteller galt und gilt.

Dass die Antragsgegnerin nur dem Antragsteller die Ablegung der Prüfung als Online-Prüfung verweigert und sie ihre Studierenden insoweit ohne sachliche Gründe ungleich behandelt, ist weder dargelegt noch ersichtlich. Vielmehr hat die Antragsgegnerin nachvollziehbar erläutert, dass die gesamte Klausur am 5. September 2020 als Präsenzprüfung geplant war und auch so stattfindet. Die Entscheidung, dass diese Klausur nicht als Online-Prüfung, sondern als Präsenzprüfung ausgestaltet wird, haben die Prüfer getroffen; die Beurteilung, in welcher Form die Klausur im Grundsatz zu erbringen ist, obliegt nach Nr. 3.1 der Anlage II zur Rahmenprüfungsordnung für die fakultätsübergreifenden weiterbildenden Masterstudiengänge der C. zur alternativen Durchführung von Lehrveranstaltungen und Prüfungen während der Corona-Krise ihnen. Die Prüfer halten hier eine alternative Prüfungsform nicht für geeignet. Aus dem E-Mail-Verkehr der Professoren F. und G. vom 20. August 2020 ergibt sich - was für die hier interessierende Frage allein entscheidend ist -, dass sie eine Onlineklausur wegen der fehlenden Nachvollziehbarkeit, inwieweit die Klausur allein und ohne unzulässige Hilfsmittel angefertigt wird, nicht durchführen wollen. Das ist aus Sicht des Senats nachvollziehbar. Soweit der Antragsteller meint, es sei die Pflicht des Prüfers, die Klausuraufgabe so zu gestalten, dass das beschriebene Problem nicht auftrete, trifft das nicht zu. Bei der Erstellung der Aufgabe und der Auswahl der Prüfungsthemen kommt dem Prüfer im Rahmen der rechtlichen Vorgaben nach ständiger Rechtsprechung des Senats ein weiter Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum zu (vgl. zuletzt Senatsbeschl. v. 4.7.2019 - 2 LA 1667/17 -, juris Rn. 7; v. 10.9.2019 - 2 LA 394/18 -, juris Rn. 6). Dass dieser Spielraum überschritten sein könnte, ist nicht ersichtlich. Weder das angesichts überschaubarer Infektionszahlen in Norddeutschland und nach dem Stand der Wissenschaft aufgrund wirksamer Schutzmaßnahmen eng begrenzte Gesundheitsrisiko einer Präsenzklausur noch die Tatsache, dass in anderen Fächern Online-Prüfungen abgenommen werden, gestatten eine gegenteilige Einschätzung.

Der Antragsteller hat auch keine übergeordneten Gründe aufgezeigt, die der Durchführung einer Präsenzklausur gleichwohl entgegenstehen könnten. Er hat nicht dargelegt, dass das vom Verwaltungsgericht zitierte Hygienekonzept der Antragsgegnerin Bedenken unterliegt. Allein der Umstand, dass der Antragsteller als Raucher nach der Einschätzung des Eufach0000000017s zu einer Personengruppe gehört, bei der bei einer Infektion mit dem Corona-Virus schwere Krankheitsverläufe häufiger beobachtet werden, rechtfertigt angesichts der derzeitigen überschaubaren Infektionszahlen in Norddeutschland und der für die Präsenzprüfung getroffenen Schutzvorkehrungen ebenfalls keine andere Einschätzung. Der Antragsteller teilt dieses Risiko mit einem erheblichen Teil der Bevölkerung. Dass er sich bei einer Teilnahme an der Prüfung im Vergleich zu dem für ihn allgemein bestehenden Infektionsrisiko einer im nicht mehr hinnehmbaren Maße erhöhten Gefährdung aussetzt, hat er - auch unter Berücksichtigung seiner Erwägungen zur Anreise zu der Klausur und zu der potentiellen Zusammensetzung der Mitprüflinge - nicht dargelegt und ist auch nicht erkennbar. Der Antragsteller verkennt im Übrigen, dass die Antragsgegnerin nach den geltenden rechtlichen Vorgaben gerade nicht gehalten ist, das Risiko einer Ansteckung mit dem Corona-Virus bei Prüfungen generell dadurch „auf Null“ zu reduzieren, dass sie nur noch Online-Prüfungen abhält.

Auf den zwischen den Beteiligten diskutierten Stand des Studiums des Antragstellers kommt es für die hier zu entscheidende Frage, in welcher Form die Prüfung am 5. September 2020 abzulegen ist, nicht an.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 36.4 und Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit - Fassung 2013 - (NordÖR 2014,11).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).