Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 09.09.2020, Az.: 13 ME 226/20

Akzessorietät; Anschlussduldung; Ausbildungsduldung; Ausländer; Ausländerbehörde; Berufsausbildung; Duldung; gesetzliche; gewöhnlicher Aufenthalt; Nichtantritt; Streichung; Suche; Umzug; Verbandszuständigkeit; vollziehbar ausreisepflichtig; Wohnsitzauflage; zuständigkeitsbegründend; zuständigkeitsverändernd; örtliche Zuständigkeit

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
09.09.2020
Aktenzeichen
13 ME 226/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 71921
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 25.05.2020 - AZ: 5 B 103/20

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Scheitert eine Berufsausbildung und erlischt deshalb die einem vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer hierfür erteilte Ausbildungsduldung gemäß § 60c Abs. 4 AufenthG ex nunc, so entsteht bei fehlender Sicherung des Lebensunterhalts kraft Gesetzes eine (neue) Wohnsitzauflage nach § 61 Abs. 1d Sätze 1 und 2 AufenthG bezogen auf den Ort, an dem der Ausländer im Zeitpunkt der Entstehung dieser Wohnsitzauflage, der dem der Entstehung des Anspruchs auf eine "Anschlussduldung" nach § 60c Abs. 6 Satz 1 AufenthG entspricht, wohnt, ohne dass es darauf ankäme, ob diese weitere Duldung förmlich erteilt wird.
2. (Ausbildungs-)Duldung und gesetzliche Wohnsitzauflage stehen nicht in einem Verhältnis strenger Akzessorietät zueinander.

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 5. Kammer - vom 25. Mai 2020 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 25. Mai 2020 bleibt ohne Erfolg.

Im Ergebnis zu Recht hat das Verwaltungsgericht mit diesem Beschluss das Eilbegehren des Antragstellers abgelehnt, gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, 2. Alt. VwGO die aufschiebende Wirkung dessen Klage 5 A 102/20 gegen das gegenüber dem Antragsteller in Ziffer 5. des Bescheides der Antragsgegnerin vom 3. März 2020 (Bl. 9 ff. der GA) verfügte sofort vollziehbare (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO, vgl. Ziffer 7. des Bescheides) Gebot, seinen Wohnsitz wieder in Braunschweig zu nehmen, wiederherzustellen. Die hiergegen vom Antragsteller dargelegten Gründe, auf deren Prüfung sich der Senat im Beschwerdeverfahren gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, gebieten eine Abänderung des Beschlusses im Sinne des Antragstellers nicht.

Die in der Beschwerdeschrift vom 9. Juni 2020 (Bl. 43 ff. der GA) enthaltene Beschwerdebegründung rügt allein, die Verfügung könne nicht auf § 61 Abs. 1d Satz 1 (in Verbindung mit § 46 Abs. 1) AufenthG gestützt werden, weil die Antragsgegnerin nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 lit. a) VwVfGnicht (mehr) die für den Antragsteller zuständige Ausländerbehörde sei, da dieser inzwischen seinen gewöhnlichen Aufenthalt entsprechend § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I in A-Stadt im Kreis Unna (Nordrhein-Westfalen) begründet habe und somit der Beigeladene für ihn zuständig sei. Das Erlöschen der von der Antragsgegnerin im Jahre 2019 erteilten Ausbildungsduldung habe ein Wiederaufleben der früheren Zuständigkeit der Antragsgegnerin nicht zur Folge gehabt. Diese Angriffe erschüttern die angefochtene verwaltungsgerichtliche Entscheidung im Ergebnis nicht.

Zwar trifft es zu, dass eine frühere Zuständigkeit der Antragsgegnerin durch ein Erlöschen der dem Antragsteller erteilten Ausbildungsduldung nicht „wiederaufgelebt“ ist. Der Annahme einer derartigen Rechtswirkung bedurfte es jedoch ohnehin nicht. Denn angesichts des bei gebotener summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage zu konstatierenden Geschehensablaufs hat die örtliche Zuständigkeit der Antragsgegnerin durchgehend bis zum heutigen Tage bestanden; sie ist insbesondere nicht durch den Umzug des Antragstellers nach A-Stadt im September 2019 zugunsten einer Zuständigkeit des Beigeladenen verändert worden. Damit aber war die Antragsgegnerin für die streitgegenständliche Verfügung entgegen der Auffassung des Antragstellers auch im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 3. März 2020 zuständig.

Wie das Verwaltungsgericht in nicht zu beanstandender Weise ausgeführt hat, zerfällt die Bestimmung der ausländerbehördlichen Zuständigkeit bei länderübergreifenden Sachverhalten wie dem vorliegenden in zwei Schritte ((1) Verbandszuständigkeit des Bundeslandes, (2) landesinterne örtliche Zuständigkeit der Ausländerbehörde), die in Abwesenheit spezieller koordinierender Regelungen einmal eine entsprechende (1) und einmal eine direkte (2) Anwendung der § 3 VwVfG entsprechenden Vorschriften der Landesverwaltungsverfahrensgesetze erfordern (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.3.2012 - BVerwG 1 C 5.11 -, BVerwGE 142, 195, juris Rn. 17; Senatsbeschl. v. 5.12.2017 - 13 ME 181/17 -, juris Rn. 25 ff. m.w.N.). Danach begegnet es keinen Bedenken, dass das Verwaltungsgericht gemäß bzw. analog § 3 Abs. 1 Nr. 3 lit. a) VwVfG (in Verbindung mit § 1 Abs. 1 NVwVfG) zu einer Verbandszuständigkeit Niedersachsens und zu einer örtlichen Zuständigkeit der Antragsgegnerin gelangt ist. Die Stadt Braunschweig war damals (und ist weiterhin) die nach § 71 Abs. 1 AufenthG sachlich zuständige Ausländerbehörde, in deren im Lande Niedersachsen gelegenem Bezirk der Antragsteller als natürliche Person seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Das folgt bereits daraus, dass der Antragsteller im Zeitpunkt des Bescheiderlasses kraft Gesetzes (§ 61 Abs. 1d Sätze 1 und 2 AufenthG) verpflichtet war, seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bezirk der Stadt Braunschweig zu nehmen (vgl. zu diesem Zusammenhang Senatsbeschl. v. 5.12.2017, a.a.O., Rn. 32). Nach dieser spezielleren Vorschrift, welche die von der Beschwerde ins Feld geführte allgemeine Vorschrift des § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I analog verdrängt, hat ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer - wie hier der mit seinem Asylantrag erfolglos gebliebene Antragsteller -, dessen Lebensunterhalt nicht gesichert ist, an einem bestimmten Ort seinen gewöhnlichen Aufenthalt zu nehmen. Mangels anderer Anordnung der Ausländerbehörde ist das der Wohnort, an dem der Ausländer zum Zeitpunkt der „Entscheidung über die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung“ gewohnt hat, mithin Braunschweig. Hierfür kommt es allerdings nach Ansicht des Senats entgegen der vom Verwaltungsgericht auf Seiten 4 f. des angefochtenen Beschlusses, von der Antragsgegnerin und vom Beigeladenen gegebenen Begründung nicht auf die Verhältnisse am Tag der Erteilung der Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 3 und Sätze 4 ff. AufenthG in der bis zum 31. Dezember 2019 geltenden Fassung - a.F. - (heute §§ 60a Abs. 2 Satz 3, 60c Abs. 1 Satz 1 AufenthG n.F.) durch die Antragsgegnerin - 16. Mai 2019 (vgl. Bl. 201 der BA 001) - für eine ab dem 1. August 2019 geplante dreijährige Berufsausbildung zum Industriekaufmann bei der Fa. C. in A-Stadt (Nordrhein-Westfalen) an, sondern auf die Verhältnisse am 1. August 2019, an welchem sich ein Bedarf nach Erteilung einer „Anschlussduldung“ nach § 60a Abs. 2 Satz 10 AufenthG a.F. ergeben hatte. Der spätere Umzug des Antragstellers nach A-Stadt im September 2019 war vor diesem Hintergrund nicht geeignet, abweichend hiervon eine Zuständigkeit des Beigeladenen zu erzeugen. Das ergibt sich im Einzelnen aus einer rechtlichen Würdigung folgender Chronologie der Ereignisse:

1. Der vollziehbar ausreisepflichtige Antragsteller, dem die Erwerbstätigkeit seit dem 30. Januar 2019 nicht mehr gestattet gewesen (vgl. Bl. 166, 169, 170, 187 der BA 001) und dessen Lebensunterhalt deshalb nicht mehr gesichert war (vgl. § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG), unterlag spätestens am 16. Mai 2019 zunächst einer auf die kreisfreie Stadt Braunschweig bezogenen gesetzlichen (ersten) Wohnsitzauflage nach § 61 Abs. 1d Sätze 1 und 2 AufenthG. Anlässlich der Erteilung der Ausbildungsduldung für einen in A-Stadt - und damit in großer räumlicher Entfernung von Braunschweig - ansässigen Ausbildungsbetrieb strich die Antragsgegnerin an diesem Tage diese erste Wohnsitzauflage gemäß § 61 Abs. 1d Satz 3 AufenthG (vgl. S. 2 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 3.3.2020, Bl. 10 der GA, und Vergleich von Bl. 201 mit Bl. 187 der BA 001). Dadurch war es dem Antragsteller mit Blick auf die geplante Berufsausbildung an sich rechtlich ermöglicht worden, seinen gewöhnlichen Aufenthalt nach A-Stadt zu verlagern und dort seinen Wohnsitz zu nehmen, was die örtliche Zuständigkeit der Ausländerbehörde des Beigeladenen begründet hätte, und zwar auch ohne deren Zustimmung (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 30.7.2020 - 4 MB 23/20, 4 O 20/20 -, juris Rn. 32; OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 22.1.2015 - 2 O 1/15 -, juris Rn. 10). Eine derartige Wohnsitzverlagerung geschah jedoch vorerst (bis zum geplanten Beginn der Ausbildung am 1.8.2019) nach den im Eilrechtsstreit gewonnenen Erkenntnissen nicht. Eine solche Verlagerung ist weder dargelegt worden noch sonst wie aus den Akten für den Senat offensichtlich. Somit verblieb es bei der örtlichen Zuständigkeit der Antragsgegnerin.

2. Dadurch, dass der Antragsteller die Berufsausbildung sodann wegen als zu schwach empfundener deutscher Sprachkenntnisse von sich aus absagte, das heißt schon gar nicht antrat, erlosch bereits am 1. August 2019 - dem Tag, an dem der Nichtantritt feststand - die erteilte Ausbildungsduldung vom 16. Mai 2019 gemäß § 60a Abs. 2 Satz 9 AufenthG a.F., wie das Verwaltungsgericht in nicht zu beanstandender Weise ausgeführt hat, weil der hier von vornherein gegebene Nichtantritt mit einem Nichtmehrbetreiben oder einem Abbruch der Ausbildung im Sinne dieser Vorschrift gleichzusetzen ist. Soweit der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers mit Schriftsatz vom 11. August 2020 (Bl. 65 der GA) darauf verwiesen hat, diese Norm sei mit Ablauf des 31. Dezember 2019 außer Kraft getreten, trifft dieser Hinweis zwar zu, vermag jedoch an der Erlöschenswirkung, die diese Vorschrift durch Anwendung auf ein am 1. August 2019 und damit vor ihrem Außerkrafttreten stattgefunden habendes Ereignis (Scheitern der Ausbildung) ausgelöst hat, nichts zu ändern. Im Übrigen ist eine inhaltlich gleichartige Wirkung insbesondere für ab dem 1. Januar 2020 nach §§ 60a Abs. 2 Satz 3, 60c Abs. 1 Satz 1 AufenthG n.F. erteilte Ausbildungsduldungen nunmehr in § 60c Abs. 4, 2. HS. AufenthG n.F. geregelt (wobei die darin genannte „vorzeitige Beendigung“ dem „Nichtmehrbetreiben“ der Ausbildung aus § 60a Abs. 2 Satz 9, 1. Alt. AufenthG a.F. entsprechen dürfte).

a) Der Senat folgt allerdings nicht der von der Antragsgegnerin im erstinstanzlichen Eilverfahren (vgl. S. 2 der Antragserwiderung v. 6.4.2020, Bl. 24 der GA) und im Beschwerdeverfahren (vgl. Beschwerdeerwiderung v. 29.6.2020, Bl. 49 der GA) geäußerten Auffassung, bereits das Erlöschen der Ausbildungsduldung habe auch zur Folge gehabt, dass die nach § 61 Abs. 1d Satz 3 AufenthG behördlich verfügte Streichung der ersten gesetzlichen Wohnsitzauflage aus § 61 Abs. 1d Sätze 1 und 2 AufenthG eo ipso rückwirkend auf den Erteilungszeitpunkt 16. Mai 2019 (ex tunc) unwirksam geworden sei, so dass die erste, ursprünglich am 30. Januar 2019 entstandene Wohnsitzauflage für die Stadt Braunschweig nach § 61 Abs. 1d Sätze 1 und 2 AufenthG im Ergebnis weiterhin gegolten und daher jeglichen zuständigkeitsbegründenden oder -verändernden Umzügen des Antragstellers nach A-Stadt entgegengestanden habe. Gegen diesen Ansatz der Antragsgegnerin lässt sich bereits anführen, dass wenn schon die Ausbildungsduldung gemäß § 60 Abs. 2a Satz 9 AufenthG a.F. (entspricht § 60c Abs. 4, 2. HS. AufenthG n.F.) nur mit Wirkung für die Zukunft (ex nunc, vgl. Dietz, in: Hailbronner, Ausländerrecht, AufenthG § 60c Rn. 88, 91 (Stand: 113. Akt. Januar 2020) - das heißt frühestens am 1. August 2019 - erlosch, erst recht für ein Erlöschen der Streichung der Wohnsitzauflage kein früherer Zeitpunkt in Betracht kam (argumentum a fortiori). Dass der Gesetzgeber zuständigkeitsverändernde Umzüge ermöglichen wollte, belegt auch die Entstehungsgeschichte des § 61 Abs. 1d AufenthG (vgl. die Äußerung der Abgeordneten Lindholz als Berichterstatterin des Innenausschusses des Deutschen Bundestages, Stenografischer Bericht der 73. Sitzung des 18. Deutschen Bundestages v. 4.12.2014, PlProt 18/73, S. 6998 (D)).

b) Auch die Annahme des Verwaltungsgerichts, mit dem Erlöschen der Ausbildungsduldung am 1. August 2019 sei zugleich (ex nunc) auch die am 16. Mai 2019 durch die Antragsgegnerin verfügte Streichung der auf Braunschweig bezogenen (ersten) Wohnsitzauflage unwirksam geworden, so dass einer zuständigkeitsbegründenden oder -ändernden Wirkung des Umzugs des Antragstellers nach A-Stadt die (wieder geltende) erste, ursprünglich am 30. Januar 2019 entstandene Wohnsitzauflage für die Stadt Braunschweig nach § 61 Abs. 1d Sätze 1 und 2 AufenthG entgegengestanden habe, überzeugt nicht. Gegen diesen Ansatz spricht, dass eine dafür vorausgesetzte strenge Akzessorietät zwischen Duldung und gesetzlicher Wohnsitzauflage - die keine echte belastende Nebenbestimmung in Form der „Auflage“ im Sinne des § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 NVwVfG zu einem HauptVA „Duldung“, sondern eine durch Gesetz erzeugte Verpflichtung des Ausländers darstellt (vgl. Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, § 61 Rn. 40 (Stand: 82. EL Dezember 2015)) - nicht existiert. Ein Widerruf (§ 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG) der Streichung ist ebenfalls nicht verfügt worden.

3. Weil die Systematik des deutschen Ausländerrechts grundsätzlich keinen Raum für einen ungeregelten Aufenthalt lässt, ein (vollziehbar) ausreisepflichtiger Ausländer vielmehr entweder abgeschoben wird oder zumindest eine Duldung erhält (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.3.2000 - BVerwG 1 C 23.99 -, BVerwGE 111, 62, juris Rn. 13, noch zu § 55 Abs. 2 AuslG 1990), entstand unmittelbar mit dem Erlöschen der Ausbildungsduldung am 1. August 2019 aber jedenfalls ein (von der Antragsgegnerin und dem Beigeladenen zunächst - bis November 2019 (Bl. 209, 216 der BA 001) - unerkanntes) Bedürfnis nach einmaliger Erteilung einer sechsmonatigen „Anschlussduldung“ (oder „Überbrückungs-Duldung“, vgl. Dietz, a.a.O., § 60c Rn. 96) nach § 60a Abs. 2 Satz 10 AufenthG a.F. (heute geregelt in § 60c Abs. 6 Satz 1 AufenthG n.F.) zum Zwecke der Suche nach einer weiteren Ausbildungsstelle zur Aufnahme einer Berufsausbildung, die keines Antrags des Antragstellers bedurfte und nicht im ausländerbehördlichen Ermessen stand, sondern von Amts wegen zu erfolgen hatte (vgl. Funke-Kaiser, a.a.O., § 60a Rn. 289 (Stand: 90. EL Oktober 2017)). Eine solche „Entscheidung über die (weitere) vorübergehende Aussetzung der Abschiebung“ im Sinne von § 61 Abs. 1d Satz 2 AufenthG war am 1. August 2019 zu treffen, und zwar durch die nach den obigen Ausführungen unter I.1. örtlich zuständig gebliebene Antragsgegnerin. Weil mit dem Scheitern der Ausbildung am 1. August 2019 zugleich der Lebensunterhalt des Antragstellers (erneut) nicht gesichert war, unterlag der weiterhin vollziehbar ausreisepflichtige Antragsteller ab diesem Tage gemäß § 61 Abs. 1d Sätze 1 und 2 AufenthG nach alledem kraft Gesetzes originär einer neuen (zweiten) Wohnsitzauflage bezogen auf seinen damaligen Wohnort (Stadt Braunschweig), so dass die örtliche Zuständigkeit der Antragsgegnerin perpetuiert wurde.

Unerheblich hierfür ist, dass die Antragsgegnerin von dem von Amts wegen zu befriedigenden Regelungsbedürfnis infolge der offenbar unterbliebenen Anzeige eines Nichtantritts der Ausbildung durch den Antragsteller als potentiellen Auszubildenden und durch den Ausbildungsbetrieb nach § 60a Abs. 2 Satz 7 AufenthG a.F. (heute geregelt in § 60c Abs. 5 AufenthG n.F.) zunächst keine Kenntnis erlangte und deshalb keine „Anschlussduldung“ erteilte. Auf das Innehaben einer förmlich erteilten Duldung im Zeitpunkt der (hier: Neu-)Entstehung der gesetzlichen Wohnsitzauflage kommt es nicht an, weil der vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer es andernfalls in der Hand hätte, sich der Wohnsitzauflage zu entziehen, indem er schlicht keine weitere Duldung beantragt (vgl. VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 10.7.2019 - 11 L 267/19 -, juris Rn. 33; Dollinger, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, AufenthG § 61 Rn. 21) oder - wie hier - die für das Offenbarwerden eines Duldungsbedarfs nach § 60a Abs. 2 Satz 10 AufenthG a.F. bzw. § 60c Abs. 6 Satz 1 AufenthG n.F. relevante Mitteilung unterlässt. Wird wie hier keine förmliche Duldung erteilt, kommt es auf den Ort an, an dem der Ausländer wohnte, als die Wohnsitzauflage (ggf. wieder) entstand (vgl. Funke-Kaiser, a.a.O., § 61 Rn. 40, 23 (Stand: 82. EL Dezember 2015); VG Bremen, Beschl. v. 29.4.2020 - 2 V 1830/19 -, juris Rn. 24; VG Köln, Urt. v. 17.3.2016 - 12 K 5061/14 -, juris Rn. 25), mithin Braunschweig. An den (u.U. abweichenden) Ort, an dem der Ausländer wohnte, als die letzte förmliche Duldung erteilt wurde (so wohl OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 27.7.2017 - 18 B 543/17 -, juris Rn. 37), kann hingegen nicht angeknüpft werden. Andernfalls hinge es letztlich von Zufälligkeiten der Geltungsdauern der jeweiligen Duldung ab, auf welchen Ort sich die gesetzlich mit (Wieder-)Eintritt einer Nichtsicherung des Lebensunterhalts entstehende Wohnsitzauflage bezieht. Im Übrigen würde dem Umstand, dass dem Ausländer in der Zwischenzeit der Umzug mit zuständigkeitsverändernder Wirkung erlaubt gewesen ist (vgl. oben I.1. und 2.), zuwenig Rechnung getragen.

4. Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen zu den Ereignissen und Rechtswirkungen am 1. August 2019 konnte jedenfalls dem zeitlich späteren Umstand, dass der Antragsteller melderechtlich am 12. September 2019 seinen Wohnsitz nach A-Stadt verlagerte (vgl. Bl. 208 der BA 001) und dort aufgrund eines am 16. September 2019 begonnenen Mietverhältnisses mit der Fa. Viva Plast GmbH in eine Unterkunft in der A-Straße, A-Stadt, (ausländerrechtlich unerlaubt) umzog (vgl. die Auskunft der Vermieterin v. 11.8.2020, Bl. 60 der GA), entgegen der Ansicht der Beschwerde keine zuständigkeitsbegründende oder -verändernde Wirkung mehr zukommen. Denn weil die am 1. August 2019 erneut entstandene Wohnsitzauflage für Braunschweig gemäß § 51 Abs. 6 AufenthG auch unabhängig von einer Duldungserteilung fortbestand und seither weder abgeändert noch aufgehoben worden ist und der Antragsteller auch seiner Ausreisepflicht nicht nachgekommen ist, konnte der Antragsteller mittels dieses Umzugs unabhängig davon, dass er sich seither tatsächlich in A-Stadt aufhält und nicht nur vorübergehend (dauerhaft) dort verweilen will, in A-Stadt keinen gewöhnlichen Aufenthalt begründen (vgl. zu dieser Konsequenz Senatsbeschl. v. 5.12.2017, a.a.O., Rn. 29 ff. m.w.N.). Für den Erlass des Bescheides vom 3. März 2020 blieb mithin die Antragsgegnerin zuständig.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind gemäß § 162 Abs. 3 VwGO nicht erstattungsfähig, weil dieser im Beschwerdeverfahren keinen Zurückweisungsantrag gestellt und sich daher keinem eigenen Kostenrisiko im Sinne des § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat.

III. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG und Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NordÖR 2014, 11).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).