Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 30.09.2020, Az.: 4 ME 104/20
aufschiebende Wirkung; Baugenehmigung; Dauerverwaltungsakt; Feststellungswirkung; geschützter Landschaftsbestandteil; Schlusspunkttheorie; Untersagungsverfügung; Verwaltungsakt mit Dauerwirkung; Wallhecke
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 30.09.2020
- Aktenzeichen
- 4 ME 104/20
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2020, 71942
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 12.05.2020 - AZ: 5 B 563/20
Rechtsgrundlagen
- § 3 Abs 2 BNatSchG
- § 2 Abs 1 S 2 BNatSchGAG ND
- § 22 Abs 3 BNatSchGAG ND
- § 80 Abs 1 VwGO
- § 80 Abs 2 S 1 Nr 4 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Gemäß der "Schlusspunkttheorie" stellt die Baugenehmigung - soweit die Prüfpflicht der Bauaufsichtsbehörde reicht - eine umfassende öffentlich-rechtliche Unbedenklichkeitsbescheinigung dar und gibt den Bau frei. Weil die Bauaufsichtsbehörde im bauaufsichtlichen Verfahren - auch im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nach § 63 NBauO - über die Baugenehmigung erst entscheiden darf, wenn andere Genehmigungen, Zustimmungen, Bewilligungen oder Erlaubnisse beantragt und erteilt sind, geht von einer einmal erteilten Baugenehmigung die Feststellungswirkung aus, dass das genehmigte Vorhaben sämtliche im Baugenehmigungsverfahren zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Anforderungen erfüllt, d.h. auch keine anderen Genehmigungen, Zustimmungen, Bewilligungen oder Erlaubnisse mehr erforderlich sind.
2. Die Berechtigung einer anderen Fachbehörde, die Ausführung des genehmigten Vorhabens wegen eines Verstoßes gegen das von ihr durchzusetzende Fachrecht - hier durch die Beschädigung eines geschützten Landschaftsbestandteils ohne Befreiung nach § 67 BNatSchG - zu untersagen, ist angesichts der Feststellungswirkung der Baugenehmigung gesperrt. Die Untere Naturschutzbehörde darf auf naturschutzrechtlicher Ermächtigungsgrundlage keine Maßnahmen gegen den Bauherren treffen, die einem Ausnutzen der Baugenehmigung entgegenstehen.
3. Die Feststellungswirkung einer Baugenhemigung kann durch ihre Rücknahme beseitigt werden. Hat ein Rechtsbehelf gegen den Rücknahmebescheid allerdings aufschiebende Wirkung, darf währenddessen keine naturschutzrechtliche Untersagungsanordnung getroffen werden. Eine bereits erlassene Untersagungsanordnung ist als Dauerverwaltungsakt mit Eintritt der aufschiebenden Wirkung rechtswidrig.
Tenor:
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg - Einzelrichter der 5. Kammer - vom 12. Mai 2020 geändert.
Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers mit dem Aktenzeichen 5 A 619/20 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 9. August 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. März 2020 wird wiederhergestellt.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.500 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine naturschutzrechtliche Untersagungsanordnung.
Der Antragsteller ist Bauunternehmer und Eigentümer des Grundstücks mit der Flurstücknummer C. der Flur 5 der Gemarkung D. in der Stadt B-Stadt. Auf diesem Grundstück befindet sich eine Wallhecke an der Grenze zu einem Nachbargrundstück.
Mit Bescheid vom 20. Dezember 2018 erteilte die Stadt B-Stadt als Bauaufsichtsbehörde dem Antragsteller eine Baugenehmigung im vereinfachten Genehmigungsverfahren für den Neubau von drei Wohnhäusern mit je einer Wohneinheit und den Abbruch des vorhandenen Gebäudes. Nach Beginn der Baumaßnahmen gingen Beschwerden bei der Stadt B-Stadt wegen der drohenden Beschädigung der auf dem Grundstück befindlichen Hecke ein.
Der Antragsgegner erließ daraufhin als untere Naturschutzbehörde am 9. August 2019 eine für sofort vollziehbar erklärte Anordnung, mit der er dem Antragsteller die Beseitigung der Wallhecke auf dem o.a. Flurstück sowie alle Handlungen, welche die Wallhecke in Gestalt des entsprechenden Baum- und Strauchbestandes sowie des Wallheckenkörpers zerstören, beschädigen oder verändern könnten, untersagte und aufgab, mit allen Baumaßnahmen (Versiegelungen, Abgrabungen, Aufschüttungen etc.) einen Mindestabstand von 3 m zum Wallheckenfuß einzuhalten. Den Widerspruch des Antragstellers gegen diese Anordnung wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 2. März 2020 zurück. Dagegen hat der Antragsteller Anfechtungsklage (- 5 A 619/20 -) erhoben und einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO (- 5 B 563/20 -) gestellt.
Mit Bescheid vom 13. August 2019 ordnete die Stadt B-Stadt unter Androhung eines Zwangsgeldes die sofortige Einstellung der Bauarbeiten auf dem o.a. Flurstück an und erklärte die sofortige Vollziehung des Bescheides. Den dagegen erhobenen Widerspruch des Antragstellers wies die Stadt B-Stadt mit Widerspruchsbescheid vom 7. Oktober 2019 zurück. Der Antragsteller erhob gegen den o.a. Einstellungsbescheid und den Widerspruchsbescheid am 18. Oktober 2019 Anfechtungsklage (- 4 A 2984/19 -) und stellte einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (- 4 B 2985/19 -).
Mit Bescheid vom 11. November 2019 nahm die Stadt B-Stadt die am 20. Dezember 2018 dem Antragsteller erteilte Baugenehmigung nach § 48 Abs. 2 VwVfG zurück und wies den dagegen eingelegten Widerspruch des Antragstellers mit Bescheid vom 27. Januar 2020 zurück. Nachdem der Antragsteller dagegen am 25. Februar 2020 Klage vor dem Verwaltungsgericht Oldenburg (- 4 A 487/20 -) erhoben hatte, ordnete die Stadt B-Stadt unter dem 25. Februar 2020 die sofortige Vollziehung des Rücknahmebescheides vom 11. November 2019 an.
Mit Beschluss vom 29. Januar 2020 (- 4 B 2985/19 -) gab das Verwaltungsgericht Oldenburg dem Antrag des Antragstellers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung der bauaufsichtlichen Stilllegungsverfügung der Stadt B-Stadt vom 13. August 2019 statt. Das Verwaltungsgericht begründete seinen Beschluss damit, dass eine bauaufsichtliche Anordnung der Stadt B-Stadt zum Schutz der Wallhecke angesichts der zeitlich vorher erlassenen naturschutzrechtlichen Untersagungsanordnung des Antragsgegners nicht mehr erforderlich und damit voraussichtlich rechtswidrig sei.
Daraufhin hob die Stadt B-Stadt ihren Rücknahmebescheid vom 11. November 2019 mit Bescheid vom 6. Mai 2020 auf. Nach übereinstimmender Erledigungserklärung der Beteiligten stellte das Verwaltungsgericht Oldenburg mit Beschluss vom 22. Mai 2020 das unter dem Aktenzeichen 4 A 487/20 geführte Klageverfahren des Antragstellers gegen die Stadt B-Stadt ein.
Mit Beschluss vom 12. Mai 2020 hat das Verwaltungsgericht Oldenburg in dem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die naturschutzrechtliche Untersagungsanordnung des Antragsgegners vom 9. August 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. März 2020 (- 5 B 563/20 -) den Antrag des Antragstellers abgelehnt. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Antragstellers.
Nachdem der Senat mit Verfügung vom 26. August 2020 darauf hingewiesen hat, dass die Untersagungsverfügung des Antragsgegners vom 9. August 2019 rechtswidrig sein dürfte, da nach der Aufhebung des Rücknahmebescheides der Stadt B-Stadt vom 11. November 2019 mit dem Bescheid vom 6. Mai 2020 die Baugenehmigung vom 20. Dezember 2018 wieder gelte, haben der Antragsteller und der Antragsgegner jeweils mit Schriftsatz vom 23. September 2020 mitgeteilt, dass die Stadt B-Stadt ihren Aufhebungsbescheid vom 6. Mai 2020 mit Bescheid vom 10. September 2020 aufgehoben hat.
II.
Die Beschwerde des Antragstellers hat aus von ihm dargelegten Gründen (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO) Erfolg. Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die naturschutzrechtliche Untersagungsanordnung des Antragsgegners vom 9. August 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. März 2020 ist wiederherzustellen, da das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung dieser Untersagungsanordnung das Aussetzungsinteresse des Antragstellers nicht überwiegt. Denn die o.a. Untersagungsanordnung erweist sich im maßgeblichen Zeitpunkt der Überprüfung der Sach- und Rechtslage bei summarischer Prüfung als rechtswidrig. Die vom Antragsteller gegen sie gerichtete Klage beim Verwaltungsgericht Oldenburg (- 5 A 619/20 -) hätte also voraussichtlich Erfolg.
Bei der vom Antragsteller angegriffenen naturschutzrechtlichen Untersagungsanordnung handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, also einen Verwaltungsakt, dessen Wirkung nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern während eines bestimmten Zeitraums eintritt bzw. dessen Regelungswirkung sich ständig neu aktualisiert. Für ordnungsrechtliche Unterlassungsverfügungen, zu denen die auf § 3 Abs. 2 BNatSchG i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 2 NAGBNatSchG gestützte Untersagungsanordnung des Antragsgegners vom 9. August 2019 gehört, ist allgemein anerkannt, dass es sich um sog. Dauerverwaltungsakte im o.a. Sinne handelt (Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 35 Rn. 224; speziell für naturschutzrechtliche Untersagungsverfügungen: VG München, Urt. v. 25.4.2011 - M 9 K 11.3620 -, juris; vgl. auch BayVGH, Urt. v. 23.7.2020 - 14 B 18.1472 -, juris; offen gelassen im Senatsbeschl. v. 28.5.2015 - 4 LA 275/14 -). Bei Klagen gegen Dauerverwaltungsakte kommt es, sofern das einschlägige Fachrecht – was hier nicht der Fall ist – nichts anderes vorschreibt, abhängig vom zeitlichen Umfang des Aufhebungsbegehrens regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten tatsachengerichtlichen Verhandlung an (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.1.1993 - 11 C 35.92 -, BVerwGE 92, 32; Beschl. v. 9.7.2019 - 6 B 2.18 -, juris). In einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist bei der Entscheidung über die Frage, ob die aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anzuordnen bzw. wiederherzustellen ist, dementsprechend auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Entscheidung – hier also der Entscheidung über dieses Beschwerdeverfahren – abzustellen, weil sich das Begehren insoweit auf die vorläufige Gestaltung der Rechtslage ex nunc richtet.
Zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt muss davon ausgegangen werden, dass die Untersagungsanordnung des Antragsgegners vom 9. August 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. März 2020 rechtswidrig ist. Denn ihr steht die Baugenehmigung der Stadt B-Stadt vom 20. Dezember 2018 entgegen. Ob der neuerliche Bescheid der Stadt B-Stadt vom 10. September 2020, welcher der Sache nach eine (erneute) Aufhebung der Baugenehmigung zum Gegenstand hat, rechtmäßig ist und daher die Baugenehmigung zu Fall bringen kann, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Denn jedenfalls dürfen aus dem Bescheid der Stadt B-Stadt vom 10. September 2020 derzeit keine für den Antragsteller nachteiligen Rechtswirkungen in Bezug auf die Baugenehmigung vom 20. Dezember 2018 gezogen werden. Dies folgt daraus, dass der unter dem 22. September 2020 gegen diesen Bescheid erhobene Widerspruch des Antragstellers gemäß § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung hat.
Die Stadt B-Stadt hat eine die aufschiebende Wirkung hindernde Anordnung der sofortigen Vollziehung ihres Bescheides vom 10. September 2020 nach Aktenlage nicht getroffen. Die in diesem Bescheid gemachte Angabe, dass „die mit Bescheid vom 06.05.2020 erfolgte Aufhebung des Rücknahmebescheides vom 11.11.2019 einschl. der getroffenen Entscheidungen zum Widerspruchsverfahren und zur Festsetzung der Verwaltungsgebühr (…) mit sofortiger Wirkung aufgehoben“ werden, bezieht sich lediglich auf den Zeitpunkt, ab dem der Bescheid Wirkung entfalten soll. Hingegen kann hierin keine Anordnung der sofortigen Vollziehung erblickt werden, die nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO zur Vermeidung des Eintritts der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den neuerlichen Aufhebungsbescheid hätte getroffen und über dies begründet werden müssen.
Während der Dauer der aufschiebenden Wirkung darf die Verwaltung keine tatsächlichen oder rechtlichen Folgerungen aus dem Verwaltungsakt ziehen (Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 80 Rn. 51). Nicht nur die zwangsweise hoheitliche Durchsetzung des Verwaltungsaktes ist gehemmt, auch andere Folge- und Ausnutzungsmaßnahmen – seien sie privater oder behördlicher Natur – dürfen nicht getroffen werden; weder die Behörde noch sonst ein Dritter darf aus dem Verwaltungsakt unmittelbare oder mittelbare, tatsächliche oder rechtliche Folgerungen gleich welcher Art ziehen (vgl. Fehling/Kastner/Störmer, VerwR, 4. Aufl. 2016, § 80 VwGO Rn. 38; Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 12). Damit ist es dem Antragsgegner als unterer Naturschutzbehörde zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt verwehrt gewesen, Anordnungen zu treffen, denen die Genehmigungswirkung der Baugenehmigung der Stadt B-Stadt vom 20. Dezember 2018 entgegensteht.
Um eine solche Anordnung handelt es sich indessen bei der Untersagungsanordnung des Antragsgegners vom 9. August 2019.
Die Baugenehmigung trifft im Umfang des von der Bauaufsichtsbehörde im Genehmigungsverfahren zu prüfenden Rechts eine verbindliche Feststellung, dass das genehmigte Vorhaben mit dem geltenden öffentlichen Recht vereinbar ist (Große-Suchsdorf, NBauO, 10. Aufl. 2020, § 70 Rn. 5 f. m.w.N.). Nach der ständigen Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (Urt. v. 30.4.2014 - 1 LB 200/12 - u. Beschl. v. 10.9.2015 - 1 LA 90/15 -, juris) gilt die sog. „Schlusspunkttheorie“, d.h. durch die Erteilung einer Baugenehmigung wird – soweit die Bauaufsichtsbehörde einer Prüfpflicht unterliegt – eine umfassende öffentlich-rechtliche Unbedenklichkeitsbescheinigung erteilt und der Bau freigegeben. Im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach § 63 NBauO, welches der dem Antragsteller erteilten Baugenehmigung vom 20. Dezember 2018 zugrunde gelegen hat, ist die Vereinbarkeit der Bauvorlagen mit den sonstigen Vorschriften des öffentlichen Rechts im Sinne des § 2 Abs. 17 NBauO von der Bauaufsichtsbehörde zu prüfen (§ 63 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 NBauO). § 2 Abs. 17 NBauO bestimmt, dass die sonstigen Vorschriften des öffentlichen Rechts solche sind, die Anforderungen an bauliche Anlagen, Bauprodukte oder Baumaßnahmen stellen oder die Bebaubarkeit von Grundstücken regeln. Dazu gehören auch Vorschriften des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum Bundesnaturschutzgesetz - NAGBNatSchG - (Große-Suchsdorf, NBauO, 10. Aufl. 2020, Vorb. Rn. 35). Zudem hat die Bauaufsichtsbehörde im bauaufsichtlichen Verfahren – auch im vereinfachten – zu prüfen, ob andere Genehmigungen, Zustimmungen, Bewilligungen oder Erlaubnisse erforderlich sind, und – wenn ja – über die Baugenehmigung erst zu entscheiden, wenn diese anderen Genehmigungen, Zustimmungen, Bewilligungen oder Erlaubnisse beantragt und erteilt sind (vgl. Nds.OVG, Urt. v. 30.4.2014 - 1 LB 200/12 - für eine sanierungsrechtliche Genehmigung; vgl. auch auf Grundlage des schleswig-holsteinischen Landesrechts OVG S-H, Beschl. v. 20.4.2020 - 1 MB 2/20 -, juris für eine naturschutzrechtliche Befreiung). Umgekehrt geht von einer einmal erteilten Baugenehmigung die Feststellungswirkung aus, dass das genehmigte Vorhaben sämtliche im Baugenehmigungsverfahren zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Anforderungen erfüllt, d.h. auch keine anderen Genehmigungen, Zustimmungen, Bewilligungen oder Erlaubnisse mehr erforderlich sind. Die Berechtigung einer anderen Fachbehörde, die Ausführung des genehmigten Vorhabens wegen eines (drohenden) Verstoßes gegen das von ihr durchzusetzende Fachrecht zu untersagen, ist angesichts der Feststellungswirkung der Baugenehmigung gesperrt. Angesichts der Baugenehmigung der Stadt B-Stadt vom 20. Dezember 2018 war der Antragsgegner als untere Naturschutzbehörde folglich nicht befugt, Maßnahmen gegen einen mangels Befreiung bereits eingetretenen und weiterhin drohenden Verstoß gegen naturschutzrechtliche Vorschriften (hier: §§ 29 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG i.V.m. § 22 Abs. 3 Satz 3 NAGBNatSchG), den die Beschädigung der Wallhecke durch die Bauarbeiten nach Einschätzung des Senats zweifellos darstellt, zu treffen, sofern es dadurch dem Antragsteller unmöglich gemacht würde, das genehmigte Bauvorhaben zu verwirklichen.
Die vom Antragsteller erlassene Untersagungsanordnung vom 9. August 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. März 2020, stellt allerdings eine solche Maßnahme dar. Denn der Antragsteller kann einen Mindestabstand von 3 m zum Wallheckenfuß nicht einhalten, sofern er das ihm genehmigte Baufenster ausnutzt. Die Untersagungsanordnung erweist sich damit zum maßgeblichen Zeitpunkt der Beurteilung der Sach- und Rechtslage als rechtswidrig. Der Umstand, dass die Stadt B-Stadt als Bauaufsichtsbehörde nunmehr mit Bescheid vom 10. September 2020 der Sache nach die Aufhebung der am 20. Dezember 2018 erteilten Baugenehmigung veranlasst hat, rechtfertigt – wie bereits oben ausgeführt – keine andere Beurteilung. Zwar kann die von der Baugenehmigung ausgehende Feststellungswirkung durch ihre Aufhebung beseitigt werden (vgl. OVG S-H, Beschl. v. 20.4.2020 - 1 MB 2/20 -, juris). Vorliegend dürfen jedoch aus dem Bescheid der Stadt B-Stadt vom 10. September 2020 keine irgendwie gearteten rechtlichen oder tatsächlichen Folgerungen gezogen werden, weil aufgrund des Widerspruchs des Antragstellers gegen diesen Bescheid aufschiebende Wirkung eingetreten ist.
Da an der sofortigen Vollziehung einer rechtswidrigen Anordnung kein öffentliches Interesse bestehen kann, ist der Beschwerde des Antragstellers stattzugeben und die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die naturschutzrechtliche Untersagungsanordnung vom 9. August 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. März 2020 wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.