Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 11.05.2023, Az.: 9 LB 225/20

Anbaubestimmung; Aufpflasterung; Außenbereichsgrundstück; natürliche Betrachtungsweise; zeitliche Dimension; Erschließungsanlage; Erschließungsbeitrag; erstmalige endgültige Herstellung; Minderausbau; vorhandene Straße; Verjährung; nachträgliche Verlängerung; Verwirkung; Vorteilslage; Erschließungsbeiträge für eine in mehreren Bauabschnitten gebaute Straße

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
11.05.2023
Aktenzeichen
9 LB 225/20
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 24174
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2023:0511.9LB225.20.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 09.08.2018 - AZ: 15 A 536/17

Fundstellen

  • DÖV 2023, 822
  • NVwZ-RR 2024, 168
  • NordÖR 2023, 551

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Die Einmündung einer Straße in eine vor und nach dem Einmündungsbereich in gerader Linie fortgeführte Erschließungsanlage stellt bei natürlicher Betrachtungsweise regelmäßig keine Zäsur/Unterbrechung dar.

  2. 2.

    Im konkreten Fall steht weder eine Maßnahme zur Verkehrsberuhigung in Form eines leicht erhöhten und gepflasterten Bereichs (sog. Aufpflasterung) noch die unterschiedliche Ausgestaltung von Teileinrichtungen auf einer Straßenseite vor und nach dem Einmündungsbereich dem Eindruck einer nahtlos fortgeführten Erschließungsanlage entgegen.

  3. 3.

    Wenn eine endgültig hergestellte Anbaustraße, für die die sachlichen Erschließungsbeitragspflichten bereits entstanden (nicht notwendigerweise auch erhoben) sind, nachträglich verlängert oder fortgeführt wird, stellt das nachträglich angelegte Teilstück aus Rechtsgründen eine selbständige Erschließungsanlage dar, auch wenn zu diesem späteren Zeitpunkt eine natürliche Betrachtungsweise einen einheitlichen Straßenverlauf des vorhandenen wie des neu hergestellten Straßenteilstücks ergibt (ständige Rechtsprechung; hier zu dem Fall, dass das zunächst hergestellte Teilstück noch nicht vollständig dem gemeindlichen Bauprogramm entsprach und zudem weder dieses Bauprogramm noch die weitergehende Planung nachfolgend aufgegeben wurden).

  4. 4.

    Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den zeitlichen Dimensionen der natürlichen Betrachtungsweise ist auf die vorgenannte Konstellation nicht anwendbar.

  5. 5.

    Zur Einstufung eines rund 5 ha großen Friedhofsgeländes als sog. Außenbereichsinsel im Innenbereich.

  6. 6.

    Verringert sich auf einem 125 m langen Teilstück der insgesamt 870 m langen Erschließungsanlage die im Bebauungsplan festgesetzte Breite der Straßenverkehrsfläche von 11,50 m auf 8,70 - 8,85 m (sog. Minderausbau), ist dies regelmäßig mit den Grundzügen der Planung im Sinne von § 125 Abs. 3 BauGB vereinbar.

  7. 7.

    Die Erhebung von Erschließungsbeiträgen ist nicht i. S. d. § 11 Abs. 3 Nr. 1 NKAG wegen einer 20 Jahre zurückliegenden Vorteilslage ausgeschlossen, wenn es sich bei der Herstellung eines ersten Teilstücks der Erschließungsanlage noch nicht um eine bauprogrammgemäße endgültige Herstellung handelt. Dies gilt auch dann, wenn zwischen der Errichtung des Teilstücks und der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage auf voller Länge mehr als 20 Jahre vergangen sind.

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 15. Kammer - vom 9. August 2018 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 16. Oktober 2018 geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu Erschließungsbeiträgen für den Ausbau der Straße I. zwischen der J. -Straße und der K. Straße in B-Stadt.

Der Kläger ist Eigentümer des 7.178 m2 großen und als Gärtnerei genutzten Grundstücks I. L. (Flurstücke M., N. und O. der Flur P., Gemarkung Q., Grundbuchblatt R.) sowie eines weiteren 6.114 m2 großen und - ausweislich des Auszugs aus dem Liegenschaftskataster - für Handel und Dienstleistungen genutzten Grundstücks am I. (Flurstück S. der Flur P., Gemarkung Q., Grundbuchblatt T.). Beide Grundstücke befinden sich im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. U. "Stadtteil Q." vom 3. August 1983, der die Flächen als Gewerbegebiet festsetzt.

Die - grob gesehen - von Ost nach West verlaufende Straße I. verbindet die Stadtteile Q. und V.. Sie beginnt im Osten als Abzweigung der W. -Straße, kreuzt nach etwa 500 m die von Norden nach Süden verlaufende J. -Straße sowie nach weiteren 870 m die K. Straße und knickt nach weiteren rund 650 m an der Kleingartenkolonie am X. rechtwinklig nach Norden ab, von wo sie in einer Verschwenkung zurück zur K. Straße führt. Im hier betroffenen, 870 m langen Teil des I. zwischen der J. -Straße und der K. Straße zweigt - von Osten ausgehend - nach ca. 350 m in südliche Richtung der Y. -Weg, nach weiteren ca. 170 m in nördliche Richtung die Z. -Straße und nach weiteren ca. 120 in südliche Richtung die Straße AA. ab. Zwischen der J. -Straße und der Z. -Straße weist der I. auf der nördlichen Seite eine gewerbliche Nutzung auf, auf der südlichen Seite befinden sich heute angrenzend an die J. -Straße ein Gebäude der Feuerwehr, westlich hiervon der Stadtfriedhof Q. sowie das Baugebiet Y. -Weg und ein Regenwasserrückhaltebecken. Zwischen der Z. -Straße und der K. Straße liegen im Norden die Kleingartenanlage AB. und im Süden ein Wohngebiet.

Die Straße I. existierte vor dem hier streitgegenständlichen Ausbau bereits in der Vergangenheit mit einer provisorischen Fahrbahnbefestigung aus Asphalt ohne Gehwege, Entwässerung oder Beleuchtung. Am 28. September 1960 nahm die Beklagte die Straße I. - damals unter der Bezeichnung AC. - in das Bestandsverzeichnis der öffentlichen Straßen auf und widmete sie für den allgemeinen Verkehr.

Ab dem Jahr 1972 wurde - bis zum Jahr 1989 - die Straßenbeleuchtung zwischen der J. -Straße und der K. Straße hergestellt.

Der Bebauungsplan Nr. U. "Stadtteil Q." vom 3. August 1983 setzte die Straßenverkehrsfläche des I. zwischen der J. -Straße und der Z. -Straße mit einer Breite von 10,50 m fest. Die nördlich dieses Straßenzuges befindliche Fläche wurde als Gewerbegebiet ausgewiesen. Die südlich der Straße gelegenen Flächen waren zu diesem Zeitpunkt nicht beplant und nicht bebaut. Es grenzte auf einer Länge von rund 220 m der nicht überplante Stadtfriedhof Q. an die Straßenverkehrsfläche an.

Im Jahr 1984 ließ die Beklagte im Zuge der Bebauung des mit seiner Ostseite an die J. -Straße angrenzenden Grundstücks I. AD. die Nebenanlage (Gehweg) vor diesem Grundstück herstellen.

Der Bebauungsplan Nr. AE. "Stadtteil Q." vom 30. Juni 1987 setzte die Straßenverkehrsfläche des I. zwischen der Z. -Straße und der K. Straße mit einer Breite von 10,50 m fest. Die in diesem Abschnitt nördlich an den I. angrenzende Fläche wurde als Fläche für Dauerkleingärten festgesetzt.

Ausweislich eines Vermerks des Tiefbauamts der Beklagten vom 10. März 1988 (vgl. Blatt 344 f. der Gerichtsakte) wurde die Verwaltung im Februar 1988 vom Rat aufgefordert, die Planung für den endgültigen Ausbau der Straße I. zwischen der J. -Straße und der K. Straße vorzulegen. Vermerkt ist die Entscheidung der Verwaltung, dass die endgültige Fertigstellung im Abschnitt Z.-Straße bis J. -Straße noch 1988 erfolgen solle. Ein Ausbau zwischen Z. -Straße und K. Straße sei aus finanziellen Gründen vorerst nicht möglich.

Nachdem im Jahr 1988 der Regenwasserkanal im I. zwischen der J. -Straße und der Z. -Straße verlegt worden war, erfolgte der übrige Ausbau des I. zwischen der J. -Straße und der Z. -Straße in der Zeit vom 9. Februar bis zum 10. Mai 1989. Der Ausbauplan aus dem Jahr 1988 sah insoweit eine 6,10 m breite Fahrbahn und beidseitige Gehwege mit einer Breite von jeweils 2,20 m vor, d. h. insgesamt eine Straßenverkehrsfläche in einer Breite von 10,50 m. Der vorgenommene Ausbau entsprach im Wesentlichen der Ausbauplanung. Allerdings wurde die südliche Nebenanlage (Gehweg) im Bereich von dem Regenwasserrückhaltebecken (Station 390) bis zur Z. -Straße auf einer Länge von ca. 120 m nicht ausgebaut.

In einer Hausmitteilung der Stadtverwaltung B-Stadt vom 24. Juli 1991 (vgl. Blatt 13 der Beiakte 002) heißt es unter der Überschrift "Grundstücksaustausch Grundstücke AF. -Straße und I.", dass für die beteiligten Grundstücke bisher kein Erschließungsbeitrag gezahlt worden sei. Beide Straßen seien erschließungsbeitragsrechtlich unfertig. In einer weiteren Hausmitteilung der Stadtverwaltung B-Stadt vom 11. Januar 1993 (vgl. Blatt 54 der Beiakte 001) wird mitgeteilt, dass eine endgültige Herstellung der Erschließungsanlage I. von der J. -Straße bis zur K. Straße in den nächsten vier Jahren nicht vorgesehen sei.

Am 12. April 1995 trat der Bebauungsplan Nr. AG. "Stadtteil Q." in Kraft, der die Fläche südlich der Straße I. zwischen der J. -Straße und dem Stadtfriedhof Q. als Mischgebiet und allgemeines Wohngebiet und zudem die Straßenverkehrsfläche eines Teils der J. -Straße festsetzte.

Mit dem Bebauungsplan Nr. AH. "Stadtteile AI., Q. und AJ." vom 22. Juli 1998 wurde unter anderem die südliche Bebauung des I. zwischen dem Regenwasserrückhaltebecken und der K. Straße als Mischgebiet und allgemeines Wohngebiet festgesetzt. Der Plan setzte zudem die Straßenverkehrsfläche des I. im Bereich zwischen dem Regenwasserrückhaltebecken und der K. Straße neu fest. Die Planung sah insoweit eine Verbreiterung der Straßenverkehrsfläche um ca. 1 m vor. Im Plangebiet trat der Bebauungsplan Nr. AE. außer Kraft.

In einem handschriftlichen Vermerk des Bauverwaltungsamts der Beklagten vom 17. Juli 2000 betreffend den I. zwischen der J. -Straße und der Z. -Straße (vgl. Beiakte 008) heißt es, dass einiges dafür spreche, die noch zu erhebenden Erschließungsbeiträge ggf. im Wege der Abschnittsbildung/Kostenspaltung geltend zu machen.

Am 16. Oktober 2000 teilte die Stadtwerke B-Stadt AK. der Beklagten die Erstherstellungskosten für die Straßenbeleuchtung für den Bereich der J. -Straße bis zur Z. -Straße mit. Die Kosten der Straßenbeleuchtung für den Bereich zwischen der Z. -Straße und der K. Straße konnten nicht mehr ermittelt werden.

Eine Hausmitteilung der Stadtverwaltung B-Stadt vom 22. Januar 2001 (vgl. Blatt 43 der Gerichtsakte) hält unter der Überschrift "Erschließungsaufwand für die Erschließungsanlage I. von Z. -Straße bis J. -Straße" fest, dass die o. a. Anlage endgültig ausgebaut sei und abgerechnet werden müsse. Es werde daher um Erstellung verschiedener Unterlagen gebeten. In einer weiteren Hausmitteilung vom 7. Juni 2001 (vgl. Blatt 57 der Beiakte 001) wird sodann ausgeführt, dass der I. im Abschnitt von der Z. -Straße bis zur J. -Straße bereits 1989 weitestgehend tiefbautechnisch endgültig hergestellt worden sei. Lediglich die südliche Nebenanlage sei im Bereich vom Stadtfriedhof Q. bis zur Z. -Straße noch unfertig. Es werde daher um Mitteilung gebeten, wann mit der endgültigen Herstellung der südlichen Nebenanlage zu rechnen sei. Als Antwort wird in der Hausmitteilung vom 18. Juli 2001 (vgl. Blatt 58 der Beiakte 001) mitgeteilt, dass zur Zeit nicht absehbar sei, wann die endgültige Herstellung der südlichen Nebenanlage vorgenommen werden solle. In einer weiteren Hausmitteilung der Stadtverwaltung B-Stadt vom 13. Februar 2004 (vgl. Blatt 41 der Beiakte 003) heißt es unter der Überschrift "Grundstück: I. L." sodann, dass die Erschließungsanlage noch als unfertig geführt werde. Das heiße, dass für das Grundstück bezogen auf die Anlage I. noch ein Erschließungsbeitrag nach dem Baugesetzbuch zu zahlen sei. Wann und in welcher Höhe der Beitrag erhoben werde, könne derzeit nicht angegeben werden.

Im Jahr 2009 wurde der Regenwasserkanal im I. im Bereich von der Z. -Straße bis zur K. Straße verlegt.

Mit dem Bebauungsplan Nr. AL. "I. - Stadtfriedhof Q." vom 6. Januar 2011 wurde eine westliche Teilfläche des Stadtfriedhofs Q. abgeschnitten und als Gebiet für friedhofsbedingtes Gewerbe und im Übrigen als allgemeines Wohngebiet festgesetzt. Zudem wurde die Straßenverkehrsfläche des Y. -Weges festgesetzt.

Der Ausbau des I. zwischen der Z. -Straße und der K. Straße erfolgte in zwei Bauabschnitten in den Jahren 2010 bis 2012.

Zunächst wurde vom 21. Oktober 2010 bis zum 19. Juni 2011 im Zuge des ersten Bauabschnitts der Ausbau des I. von der Z. -Straße bis zur Straße AA. durchgeführt. Der Ausbauplan aus dem Jahr 2010 sah insoweit eine 5,50 m breite Fahrbahn sowie nördlich einen 1,20 - 1,70 m breiten Anpassungsstreifen (Splitt) sowie südlich 2,0 m breite Parkstände nebst Grünflächen, einen 0,70 m breiten Sicherheitsstreifen und einen 2,0 m breiten Gehweg vor, d. h. insgesamt eine Straßenverkehrsfläche in einer Breite von 11,40 - 11,90 m. Der Ausbauplan beinhaltete zudem den Ausbau der bislang noch fehlenden südlichen Nebenanlage östlich der Z. -Straße bis zum Regenwasserrückhaltebecken in Form von 2 m breiten Parkständen nebst Grünflächen und eines 2 m breiten Gehwegs bzw. auf den letzten Metern lediglich eines 2,15 m breiten Gehwegs (ohne Parkstände und Grünflächen). Der vorgenommene Ausbau entsprach der Ausbauplanung. Die Schlussrechnung der Firma AM. vom 22. Januar 2012 für den ersten Bauabschnitt ging am 24. Januar 2012 bei der Beklagten ein.

Im Zuge des zweiten Bauabschnitts erfolgte vom 3. November 2011 bis zum 25. April 2012 der Ausbau des I. von der Straße AA. bis zur K. Straße. Der Ausbauplan aus dem Jahr 2010 sah insoweit eine 5,50 m breite Fahrbahn sowie nördlich einen 1,16 - 1,40 m breiten Anpassungsstreifen (Splitt) sowie südlich 2,0 m breite Parkstände nebst Grünflächen, einen 0,70 m breiten Sicherheitsstreifen und einen 2,0 m breiten Gehweg vor, d. h. insgesamt eine Straßenverkehrsfläche in einer Breite von 11,36 - 11,60 m. Vor den Grundstücken I. AN. und AO. bis zur K. Straße, d. h. auf einer Länge von ca. 125 m, sah der Ausbauplan abweichend davon südlich der Fahrbahn lediglich einen 1,80 - 1,95 m breiten Gehweg (ohne Parkstände nebst Grünflächen und Sicherheitsstreifen) vor, d. h. insgesamt - inklusive des dort vorgesehenen nördlichen Anpassungsstreifens (Splitt) von 1,40 m - eine Straßenverkehrsfläche von 8,70 - 8,85 m. Der vorgenommene Ausbau entsprach der Ausbauplanung. Die Schlussrechnung der AP. GmbH vom 31. Oktober 2012 für den zweiten Bauabschnitt ging am 12. November 2012 bei der Beklagten ein.

Unter dem 25. Oktober 2016 wandte sich der Fachbereich Tiefbau der Beklagten per E-Mail an den Fachbereich Planen und Stadtentwicklung (vgl. Blatt 44 der Gerichtsakte). Es wurde darauf hingewiesen, dass in der Erschließungsanlage I. vor den Grundstücken I. AN. und AO. der Ausbau hinter den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. AH. zurückgeblieben sei. Der Endausbau des I. habe 2011 bis 2013 stattgefunden. Es wurde um Mitteilung gebeten, ob durch diesen Minderausbau die Grundzüge der Planung (§ 125 Abs. 3 BauGB) berührt seien. Unter dem 8. November 2016 wurde hierzu handschriftlich vermerkt, dass die Grundzüge der Planung laut telefonischer Aussage nicht berührt seien. Eine schriftliche Bestätigung folge. In der nachfolgenden internen Stellungnahme des Fachbereichs Planen und Stadtentwicklung der Beklagten vom 19. Januar 2017 (vgl. Blatt 45 der Gerichtsakte) heißt es sodann wie folgt: "Die Straße I. ist in dem Abschnitt zwischen K. Straße und J. -Straße durch die Bebauungspläne Nr. AH. und U. mit 10,5 m Breite als Straßenverkehrsfläche festgesetzt. Ausgebaut ist die Straße durchgehend mit einer Fahrbahn von ca. 5,3 m bis 6,1 m Breite. (...) Nördlich der Fahrbahn ist zwischen der J. -Straße und der Z. -Straße ein Fußweg mit Überfahrten zu den angrenzenden gewerblichen Grundstücken angelegt. Vor der Kleingartenanlage AB. fehlen Nebenanlagen. Südlich der Fahrbahn befinden sich ein durchgehender Fußweg und abschnittsweise durch Einzelbäume unterbrochene Parkbuchten. Von der Einmündung in die K. Straße bis zur Ostgrenze des Grundstücks I. AN. bleibt der Ausbau der Straßenverkehrsfläche hinter den Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr. AH. zurück. Dieser Minderausbau wirkt sich auf die Leistungsfähigkeit von Fahrbahn und Fußweg jedoch nicht aus. Die Fahrbahn ist in diesem Abschnitt 5,3 m breit und bietet damit auch Kraftfahrzeugen des weiter östlich befindlichen gewerblichen Bereichs unter Beachtung der Geschwindigkeitsbegrenzung sichere Verkehrsbewegungen. Der Fußweg ist gegenüber dem direkt östlich angrenzenden Abschnitt der Straße nur um wenige Zentimeter schmaler. Der hier, also im Bereich des Minderausbaus befindliche Fußweg ist mit einer Breite von knapp 1,9 m kaum schmaler als der ca. gut 2 m breite Fußweg im plankonform ausgebauten Abschnitt der Straße I.. (...) Durch den beschriebenen Minderausbau sind die Grundzüge der Planung folglich nicht berührt."

Mit zwei Bescheiden vom 19. Dezember 2016 setzte die Beklagte gegenüber dem Kläger für die erstmalige Herstellung des I. zwischen der J. -Straße und der K. Straße Erschließungsbeiträge in Höhe von 74.286,77 EUR für das klägerische Grundstück I. L. (Flurstücke M., N. und O.) und in Höhe von 63.275,19 EUR für das klägerische Grundstück I. (Flurstück S.) fest und forderte ihn zur Zahlung binnen eines Monats auf. Bei der Berechnung des Erschließungsbeitrags ging die Beklagte von einem beitragsfähigen Erschließungsaufwand von 830.152,72 EUR und von einer Gesamtverteilungsfläche aller erschlossenen Grundstücke von 126.337,00 m2 aus. Die Fläche des Stadtfriedhofs Q. zur Größe von 50.186 m2 (Flurstück AQ. der Flur P., Gemarkung Q.) beurteilte die Beklage als nicht beitragspflichtiges Außenbereichsgrundstück und nahm es nicht in die Gesamtverteilungsfläche auf. Zur Berechnung der beitragsfähigen Grundstücksflächen des Klägers legte die Beklagte die Grundbuchgrößen zugrunde. Die jeweils anzusetzende Grundstücksfläche multiplizierte sie mit dem Nutzungsfaktor 1,75 und errechnete hieraus eine Verteilungsfläche von 12.561,50 m2 für die Flurstücke M., N. und O. und von 10.699,50 m2 für das Flurstück S..

Der Kläger hat am 9. Januar 2017 beim Verwaltungsgericht Hannover Klage erhoben.

Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger im Wesentlichen geltend gemacht:

Die Bescheide seien rechtswidrig, da die Festsetzungsfrist bereits verstrichen sei. Die Beklagte habe in den 1980er Jahren begonnen, die Straße I. von der J. -Straße an auszubauen. Die Erschließung der Straße I. sei bereits im Jahr 1989 auf ihrer gesamten Länge in rechtlicher Hinsicht hergestellt gewesen. Dies gehe auch aus der Hausmitteilung der Stadtverwaltung B-Stadt vom 22. Januar 2001 hervor, in der die Beklagte ausführe, dass die Straße I. von der Z. -Straße bis zur J. -Straße abgeschlossen und die Anlage "endgültig ausgebaut" sei. Soweit die Beklagte im Hinblick auf den genannten Straßenabschnitt weitere Einzelmaßnahmen vorgenommen habe, handele es sich nicht um Maßnahmen der endgültigen Herstellung. Die Voraussetzungen der endgültigen Herstellung i. S. v. § 8 der Satzung über die Erhebung eines Erschließungsbeitrags der Beklagten hätten bereits nach dem ersten Ausbau in den 1980er Jahren vorgelegen. Insbesondere werde bestritten, dass im weiteren Verlauf der Anlage zu diesem Zeitpunkt noch keine Entwässerungseinrichtung bestanden habe.

Die Erschließungsanlage I. sei hinter den Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr. 1583 vom 22. Juli 1998 zurückgeblieben. Dies ergebe sich aus der hausinternen E-Mail der Beklagten vom 25. Oktober 2016 sowie der internen Stellungnahme des Fachbereichs Planen und Stadtentwicklung der Beklagten vom 19. Januar 2017. Die dort vorgenommene Bewertung der Beklagten sei unzutreffend. Durch den Minderausbau würden die Grundzüge der Planung berührt. Zu der tatsächlich hergestellten Fahrbahnbreite sei allenfalls der südliche Gehweg als Straßenverkehrsfläche hinzuzurechnen; dies gelte jedoch nicht für den Streifen auf der nördlichen Straßenseite. Es ergebe sich somit insgesamt nur eine Ausbaufläche von 7,40 m. Selbst bei Einbeziehung sämtlicher Nebenanlagen belaufe sich die Ausbaufläche lediglich auf knapp 8,80 m statt wie geplant auf 10,50 m. Die Straßenverkehrsfläche bleibe somit mindestens 1,70 m hinter den Festsetzungen des Bebauungsplanes zurück. Es sei daher kein plangerechter Ausbau erfolgt. Sobald eine mehr als nur geringfügig abweichende Herstellung erfolge, sei die Erschließungsbeitragspflicht ausgeschlossen. Vorliegend weiche die tatsächliche Herstellung der Straße so signifikant von dem Bebauungsplan ab, dass die tolerierte "geringfügige Abweichung" nicht mehr angenommen werden könne.

Darüber hinaus sei auch Verwirkung eingetreten. Aus Sicht der betroffenen Anlieger des Gewerbegebiets sei die Erschließungsanlage I. bereits seit den 1990er Jahren hergestellt und vollumfänglich in Betrieb. Er, der Kläger, habe nicht damit rechnen müssen, Ende des Jahres 2016 noch zu Erschließungsbeiträgen herangezogen zu werden. Selbst wenn keine Festsetzungsverjährung eingetreten wäre, stünden daher übergeordnete rechtliche Aspekte der Möglichkeit der Festsetzung eines Erschließungsbeitrags entgegen. Das Bundesverfassungsgericht habe betont, dass eine Festsetzung von Abgaben nur zeitlich begrenzt möglich sei. Der durch den Straßenausbau abzugeltende Vorteil habe sich bei ihm, dem Kläger, im Laufe der Zeit nach 27 Jahren naturgemäß verflüchtigt.

Schließlich habe die Beklagte die Beiträge falsch berechnet. Die Beklagte habe den an die Erschließungsanlage I. angrenzenden Stadtfriedhof bei der Ermittlung des Erschließungsbeitrags zu Unrecht unberücksichtigt gelassen. Das Friedhofsgrundstück befinde sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht im Außenbereich. Die Gesamtanmutung des Umfelds des Friedhofes lasse erkennen, dass es sich um unbeplanten Innenbereich handele. Der Friedhof unterbreche im maßgeblichen Bereich den bestehenden Bebauungszusammenhang nicht, sondern füge sich in diesen ein. Das Friedhofsgrundstück habe Zugang und Zufahrt aus dem öffentlichen Straßennetz.

Der Kläger hat beantragt,

die Bescheide der Beklagten über die Erhebung eines Erschließungsbeitrags für die Grundstücke I. L., Flurstücke M., N. und O. (Grundbruch Q., Blatt R.) sowie I., Flurstück S. (Grundbuch AI., Blatt T.) vom 19.12.2016 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat im Wesentlichen erwidert:

Bei der Anlage I. habe es sich bis 1983 um eine Außenbereichsanlage gehandelt, die bis dahin nicht zum Anbau bestimmt gewesen sei. Erst mit den Festsetzungen der Bebauungspläne vom 3. August 1983 und vom 30. Juni 1987 sei aus der Anlage I. von der J. -Straße bis zur K. Straße eine öffentliche zum Anbau bestimmte Straße geworden. Der Ausbau der Erschließungsanlage I. von der J. -Straße bis zur Z.-Straße im Jahr 1989 habe nicht zu einer endgültigen Herstellung geführt. Der Ausbauplan habe für diesen Teilbereich eine Fahrbahn und beidseitige Gehwege vorgesehen. Die südliche Nebenanlage im Bereich der heutigen Grünverbindung bis zur Z. -Straße (ca. 120 m) sei nicht mit hergestellt worden. Mit diesem Ausbau habe eine endgültige Herstellung der Gesamtanlage I. nicht entstehen können. Im befahrbaren Abschnitt des I. zwischen der Z. -Straße und der K. Straße habe im Jahr 1989 nur eine provisorische Befestigung ohne Gosse, Bord oder Nebenanlagen vorgelegen. In diesem Bereich hätten Abläufe und Kanäle gefehlt, das Regenwasser sei am Straßenrand versickert. Dieser Ausbau habe nicht den Merkmalsregelungen einer endgültigen Herstellung genügt. Die Weiterführung von der Z. -Straße bis zur K. Straße, d. h. der Ausbau in gesamter Länge, sei erst in den Jahren 2010 bis 2012 erfolgt. Erst mit diesem Ausbau sei die Anlage I. von J. -Straße bis K. Straße befestigungstechnisch hergestellt gewesen. Die von dem Kläger erwähnte interne Hausmitteilung vom 22. Januar 2001 habe sich nicht auf die endgültige Herstellung der Gesamtanlage, sondern ausschließlich auf den Ausbau des Bereichs zwischen der Z. -Straße und der J. -Straße bezogen. Mit dieser Anfrage habe der Grunderwerbsaufwand für die Straßenverkehrsfläche in dem angefragten Bereich zusammengestellt werden sollen, da die Möglichkeit einer abschnittsweisen Ermittlung des beitragsfähigen Erschließungsaufwands überprüft worden sei. Ein Abschnittbildungsbeschluss sei im Folgenden jedoch nicht gefasst worden, da davon ausgegangen worden sei, dass die endgültige Herstellung der Anlage I. auf gesamter Länge innerhalb der nächsten Jahre erfolgen werde.

Es treffe zu, dass der Ausbau der Erschließungsanlage I. vor den Grundstücken I. AN. und AO. hinter den Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr. AH. vom 22. Juli 1998 zurückbleibe. Die Grundzüge der Planung seien hierdurch aber nicht berührt. Der Minderausbau wirke sich auf die Leistungsfähigkeit von Fahrbahn und Fußweg nicht maßgeblich aus. Der Ausbauplan habe in dem Bereich der Planunterschreitung auf den Ausbau von Parkständen verzichtet, um den Gehweg vor den Grundstücken I. AN. und AO. ohne große Einbußen in der Breite herstellen zu können. Es werde hier nur ca. 0,1 bis 0,15 m von der Breite des weiterführenden Gehwegs abgewichen. Die Nichtanlegung von Parkständen in einem Bereich von ca. 120 m der Anlage I. hindere deren Leistungsfähigkeit ebenfalls nicht. Der Bebauungsplan setze eine Breite der Straßenverkehrsfläche von 10,50 m fest. Er nehme aber keine Unterteilung in Fahrbahn, Parkstände und Gehwege vor. Dies bedeute, dass der Fahrbahn noch die Nebenanlagen hinzuzurechnen seien. Zu der Fahrbahn mit einer Breite von 5,50 m komme daher vorliegend noch ein Gehweg auf der südlichen Seite mit ca. 1,90 m und ein Streifen von ca. 1,40 m auf der nördlichen Seite hinzu, so dass insgesamt ein Ausbau von 8,80 m vorgenommen worden sei. Im Ergebnis bleibe der Ausbau der Straßenverkehrsfläche damit nur in einer Breite von 1,70 m hinter den Festsetzungen des Bebauungsplanes zurück. Dies sei mit den Grundzügen der Planung vereinbar. Die Abweichungen seien nicht derart signifikant, dass gegenüber den Festsetzungen des Bebauungsplans ein "aliud" vorliegen würde.

Der Beitragsanspruch sei nicht verwirkt. Der Erschließungsbeitrag sei zwar seit der erstmaligen Festsetzung der Straßenverkehrsfläche des I. im Bebauungsplan über einen langen Zeitraum nicht geltend gemacht worden. Beitragsschuldner dürften jedoch regelmäßig nicht darauf vertrauen, dass die Behörde den Betrag nicht mehr einfordern werde. Sie, die Beklagte, habe stets darauf hingewiesen, dass die Anlage I. erschließungsbeitragsrechtlich unfertig und ein Erschließungsbeitrag noch zu zahlen sei. Zudem sei die Anlage erst mit der Fertigstellung des zweiten Bauabschnitts im Jahr 2012 endgültig hergestellt worden. Verwirkung während einer laufenden Verjährungsfrist könne nur unter besonderen Umständen angenommen werden; solche seien hier nicht ersichtlich. Verjährung sei ebenfalls nicht eingetreten. Die Verjährungsfrist habe erst mit Fertigstellung des zweiten Bauabschnitts im Jahr 2012 zu laufen begonnen.

Der Stadtfriedhof Q. habe nicht in die Gesamtverteilungsfläche einbezogen werden müssen. Ein großes, nicht qualifiziert überplantes Friedhofsgelände, das nicht Teil eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB sei, unterliege als ein im Außenbereich liegendes Grundstück auch dann nicht der Erschließungsbeitragspflicht, wenn es bebaut sei und seine Nutzung Verkehr auslöse. Das hier streitgegenständliche Friedhofsgelände werde durch die Erschließungsanlage nicht im Sinne des § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB erschlossen. Es handele sich um Außenbereich im Sinne des § 35 BauGB. Das Grundstück befinde sich mit einer Grundstücksgröße von 50.186 m2 nicht in einem qualifiziert überplanten Bereich und sei nach der Verkehrsauffassung auch kein Bauland. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zählten solche großen unbeplanten Grundstücke regelmäßig zum Außenbereich. Das Friedhofsgrundstück nehme auch nicht an dem Bebauungszusammenhang der umliegenden Wohnbebauung teil.

Mit Urteil vom 9. August 2018 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 16. Oktober 2018 hat das Verwaltungsgericht nach einer Ortsbesichtigung die Bescheide der Beklagten über die Erhebung eines Erschließungsbeitrags für die Grundstücke I. L., Flurstücke M., N. und O. (Grundbuch Q., Blatt R.) sowie I., Flurstück S. (Grundbuch AI., Blatt T.) vom 19. Dezember 2016 aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig und verletzten den Kläger in seinen Rechten. Der Erschließungsbeitragsanspruch der Beklagten für die Grundstücke des Klägers sei wegen Ablaufs der vierjährigen Festsetzungsfrist erloschen. Der Fristlauf beginne mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die sachliche Beitragspflicht entstanden sie. Das Gericht sei zu der Überzeugung gelangt, dass der Straßenteil des I. zwischen der J. -Straße und der Z. -Straße eine selbständige Erschließungsanlage bilde, die bereits im Jahr 1989 endgültig hergestellt und spätestens im Jahr 2000 mit Eingang der Mitteilung über die Kosten für die Straßenbeleuchtung abrechenbar gewesen sei.

Im Zeitpunkt des Ausbaus des I. zwischen der J. -Straße und der Z. -Straße im Jahr 1989 sei durch den Bebauungsplan Nr. U. vom 3. August 1983 eine straßenverkehrsmäßige Erschließung allein für den vorgenannten Teil des I. erforderlich gewesen. Hierüber hätten die Zu- und Abfahrten zu dem geplanten Gewerbegebiet erfolgen sollen. Der weitere Verlauf des I. in Richtung K. Straße sei für die Erschließung des Gewerbegebiets dagegen ohne Bedeutung gewesen. Zwar könnte der Bebauungsplan Nr. AE. vom 30. Juni 1987 ein Indiz für eine beide Plangebiete durchquerende einheitliche Erschließungsanlage darstellen. Alleiniger Zweck dieses Bebauungsplans sei ausweislich seiner Begründung jedoch gewesen, die Kleingartenanlage AR. zu sichern. Im Übrigen sei dieser Bebauungsplan am 22. Juli 1998 durch den Bebauungsplan Nr. AH. außer Kraft gesetzt worden. Allein die (nicht umgesetzte) Planung der Verlängerung eines bereits hergestellten Straßenzuges vermöge nicht zu bewirken, dass der bereits ausgebaute Teil nicht als Erschließungsanlage qualifiziert werden könne.

Das seinerzeitige tatsächliche Erscheinungsbild des I. habe sich ausweislich der vorgelegten Lichtbilder aus dem Jahr 1999 sowie der Bebauungs- und Ausbaupläne so dargestellt, dass die in den I. einmündende Z. -Straße nach Abschluss der Straßenausbauarbeiten im Jahr 1989 eine deutliche Zäsur darstellt habe. Aufgrund der Gehwege und der deutlich breiteren Fahrbahn habe der bereits ausgebaute Teil des I. den Eindruck einer selbständigen, fertig hergestellten Anlage erweckt. Dafür sprächen auch die Verkehrsfunktion und Verkehrsbedeutung.

Auch nach Fertigstellung des I. über den Bereich der Z.-Straße hinaus gemäß dem ersten und zweiten Bauabschnitt unterscheide sich der Eindruck der öffentlichen Einrichtung im Bereich der klägerischen Grundstücke so erheblich von der Fortsetzung des I., dass bei einer natürlichen Betrachtungsweise nicht von einer einheitlichen Erschließungsanlage ausgegangen werden könne. Das Erscheinungsbild der Anlage verändere sich insbesondere aufgrund der unterschiedlich ausgestalteten Teileinrichtungen ab dem Bereich der südlichen Grünverbindung beträchtlich. Auch die Verkehrsfunktion der beiden Straßenzüge weise bei heutiger Betrachtung noch erhebliche Unterschiede auf. Im Rahmen der erforderlichen Gesamtbetrachtung führten die genannten Unterschiede trotz der im Wesentlichen geradlinig über den Einmündungsbereich der Z. -Straße hinweg verlaufenden Fahrbahn zu einem Überwiegen des Eindrucks, dass die Straßenzüge westlich und östlich der Z. -Straße jeweils verselbständigte Elemente des öffentlichen Straßennetzes seien.

Doch selbst wenn das Gericht annähme, dass der I. seit dem vollständigen Ausbau im Jahr 2012 den Eindruck einer einheitlichen Anlage erwecke, wäre der Straßenzug zwischen der Z. -Straße und der K. Straße als beitragsrechtlich selbständige Erschließungsanlage zu qualifizieren. Denn die Frage nach dem durch die tatsächlichen Gegebenheiten geprägten Erscheinungsbild habe auch eine zeitliche Dimension. Der Umstand, dass eine Anlage lange Zeit trotz Planung nicht weitergebaut werde, könne zu dem Schluss zwingen, dass die seinerzeitigen Straßenbauarbeiten endgültig beendet worden waren, mit der Folge, dass eine etwaige spätere Verlängerung nur als neue, selbständige Erschließungsanlage in Betracht komme. So liege der Fall hier. Nachdem der Abschnitt des I. zwischen der J. -Straße und der Z. -Straße 1989 gebaut worden sei, habe die Beklagte die Straßenbauarbeiten über rund 20 Jahre nicht weitergeführt.

Lediglich ergänzend sei darauf hingewiesen, dass offenbar auch die Beklagte von einer Selbständigkeit des Straßenzuges zwischen der Z. -Straße und der K. Straße ausgegangen sei. Die Beklagte habe diese bei ihrer weiteren Planung in zwei Bauabschnitte unterteilt, die sie als ersten und zweiten Bauabschnitt bezeichnet habe. Wäre die Beklagte davon ausgegangen, dass es sich bei dem I. zwischen der J. -Straße und der K. Straße um eine einheitliche Erschließungsanlage handele, hätte es nahegelegen, die Bauabschnitte als zweiten und dritten Baubschnitt zu bezeichnen. Eine vergleichbare Indizwirkung lasse sich der Hausmitteilung der Beklagten vom 22. Januar 2001 zu dem Erschließungsaufwand für die Erschließungsanlage I. von Z. -Straße bis J. -Straße entnehmen.

Die sachliche Beitragspflicht für die die Grundstücke des Klägers erschließende Anlage zwischen der J. -Straße und der Z. -Straße sei spätestens im Jahr 2000 - mit der Mitteilung der Kosten für die Beleuchtung - entstanden. Die hier maßgebliche Erschließungsanlage sei im Jahr 1989 endgültig hergestellt gewesen. Der 1989 erfolgte tiefbautechnische Ausbau habe den Anforderungen der Erschließungsbeitragssatzung entsprochen. Die Herstellung sei auch in planungsrechtlich zulässiger Weise erfolgt. Die Erschließungsanlage sei auf der im Bebauungsplan Nr. U. ausgewiesenen Straßenfläche errichtet worden. Die unterbliebene vollständige Herstellung der südlichen Nebenanlage (des Gehweges) widerspreche nicht den Festsetzungen des Bebauungsplans. Die Festsetzungen im Bebauungsplan hätten lediglich die konkrete Breite der Straßenverkehrsfläche umfasst; es seien jedoch keine Nebenanlagen festgesetzt worden. Doch selbst wenn es sich bei dem nicht vollständig erfolgten Ausbau des Gehwegs um eine Planunterschreitung handelte, berührte sie die Rechtmäßigkeit der Herstellung nicht, da sie mit den Grundzügen der Planung vereinbar sei. Da die sachliche Beitragspflicht spätestens im Jahr 2000 entstanden sei, habe die Festsetzungsfrist am 31. Dezember 2004 geendet.

Auf den am 29. November 2018 eingegangenen Zulassungsantrag der Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 20. November 2020 (Az. 9 LA 162/18) die Berufung wegen besonderer tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zugelassen.

Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Beklagte im Wesentlichen folgendes vor:

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts seien die Voraussetzungen für die Erhebung von Erschließungsbeiträgen für die erstmalige Herstellung der Straße I. gegeben. Bei der erst mit Abschluss der Arbeiten im Jahr 2012 endgültig hergestellten Straße I. von J. -Straße bis K. Straße handele es sich um eine einheitliche Erschließungsanlage. Bei einer natürlichen Betrachtungsweise käme ein unbefangener Beobachter nicht auf die Idee, dass der I. aus zwei Anlagen bestehen könnte. Die Straßenführung des I. von J. -Straße bis K. Straße sei durchgehend geradlinig. Die Straßenbreite sei nach dem endgültigen Ausbau in etwa gleichbleibend. Die vom Verwaltungsgericht festgestellten Differenzen in der Gestaltung der Nebenanlagen und der Ausstattung seien marginal. Die Einmündung der Z. -Straße stelle keine deutliche Zäsur da; es handele sich lediglich um eine Einmündung ohne Ampelanlage und keine Kreuzung, welche den I. durchschneide. Die Z. -Straße sei auch nicht breiter als der I. selbst. Die Gestaltung der verkehrsberuhigenden Einmündung habe zudem eine Klammerwirkung und verbinde insoweit den I. östlich und westlich der Z. -Straße. Das gleiche gelte für die Parkbuchten auf der südlichen Seite des I.: Diese seien sowohl westlich als auch östlich der Einmündung Z. -Straße vorhanden und in ähnlicher Weise ausgestaltet. Der einheitliche Eindruck werde auch nicht dadurch nachhaltig beeinträchtigt, dass der Gehweg westlich der Z. -Straße auf der nördlichen Seite etwas schmaler und lediglich mit Splitt befestigt sei. Es werde insoweit auf die umfangreiche Fotodokumentation des Straßenverlaufs des I. verwiesen.

Eine andere Beurteilung könne sich auch nicht daraus ergeben, dass sich der Ausbau der Straße I. über einen Zeitraum von 1983 bis 2012 erstreckt habe. Der Umstand, dass kurz vor Ausbau des östlichen Bereichs des I. s im Jahr 1989 der Abschnitt zwischen Z. -Straße und K. Straße im Bebauungsplan Nr. AE. vom 30. Juni 1987 als Straßenverkehrsfläche festgesetzt worden sei, habe für jedermann offensichtlich und unmissverständlich gezeigt, dass auch nach Herstellung des Bauabschnitts von der J. -Straße bis zur Einmündung Z. -Straße der Straßen(aus)bau in westlicher Richtung habe fortgesetzt werden sollen und die Ausbauarbeiten am I. an dieser Stelle mitnichten als endgültig beendet anzusehen gewesen seien. Es handele sich bei dem I. um eine bereits vorhandene Straße, die durch Aufstellung verschiedener Bebauungspläne und entsprechende Festsetzungen von einer Außenbereichsstraße zu einer Erschließungsanlage geworden sei. Der weitere Ausbau zwischen der Z. -Straße und der K. Straße sei aber aus finanziellen Gründen vorerst nicht möglich gewesen. Die Planung einer einheitlichen Anlage sei dann insbesondere auch durch den Bebauungsplan Nr. AH. vom 22. Juli 1998, der die Straßenverkehrsfläche des I. im Bereich zwischen der westlichen Grenze des Stadtfriedhofs über die Z. -Straße hinweg bis zur K. Straße festgesetzt habe, noch einmal bekräftigt worden. Zudem sei die etwa 500 m lange Teilstrecke von J. -Straße bis Z. -Straße nicht infolge Zeitablaufs bereits in eine erschließungsbeitragsrechtliche Selbständigkeit erwachsen. Die Straße I. sei auch nach den Bauarbeiten des Teilabschnitts bereits von J. -Straße bis K. Straße vorhanden gewesen, habe aber nicht den Merkmalen in der Erschließungsbeitragssatzung entsprochen. Auch zu diesem Zeitpunkt habe es sich bei natürlicher Betrachtungsweise um eine einheitliche Anlage gehandelt.

Der Umstand, dass zwischen 1989 und 2009 - also etwa 20 Jahre - keine Bautätigkeiten erfolgt seien, könne nicht zu dem Schluss führen, dass die Ausbauarbeiten seinerseits bereits endgültig beendet worden seien. Sowohl der Bebauungsplan Nr. U. von 1983 als auch der 1998 in Kraft getretene Bebauungsplan Nr. AH. und auch das gemeindliche Bauprogramm hätten hier ausdrücklich den (vollständigen) Ausbau der Nebenanlagen auf der Südseite des I. vorgesehen. Beim Ausbau des ersten Teilabschnitts J. -Straße bis Z. -Straße sei aber die südliche Nebenanlage nicht vollständig ausgebaut worden (vgl. dazu den Ausbauplan I. vom 22. März 1988). Etwa 120 m der südlichen Nebenanlage fehlten und seien erst mit dem zweiten Bauabschnitt in den Jahren 2009 bis 2012 endgültig hergestellt worden. Erst nach Abschluss dieser Arbeiten habe der Teil der Straße auch östlich der Einmündung Z. -Straße dem Bauprogramm sowie dem technischen Ausbauprogramm entsprochen.

Soweit nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der Umstand, dass eine Anlage lange Zeit nicht weitergebaut werde, zu dem Schluss zwingen könne, dass die seinerzeitigen Ausbauarbeiten endgültig beendet worden seien mit der Folge, dass eine etwaige spätere Verlängerung nur als eine neue, selbständige Erschließungsanlage in Betracht komme, könne dieser Schluss bei dem hier vorliegenden Sachverhalt aus zwei Gründen nicht gezogen werden: Zum einen sei der Teilabschnitt des I. von J. -Straße bis Z. -Straße nach Abschluss der Arbeiten 1989 erkennbar noch nicht vollständig hergestellt gewesen, denn ein etwa 120 m langer Ausbauabschnitt der südlichen Nebenanlage habe gefehlt. Zum anderen sei die Anlage I. von der J. -Straße bis zur K. Straße bereits auf ganzer Länge seit langer Zeit vorhanden gewesen, habe bis 2012 nur noch nicht den Festsetzungen des Bebauungsplans bzw. den Merkmalen der Erschließungsbeitragssatzung und dem vorliegenden Bauprogramm entsprochen. Es handele sich daher nicht um eine spätere Verlängerung einer zunächst nur teilweise angelegten Anlage. Der verfahrensgegenständliche Fall unterscheide sich daher von dem vom Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 7.3.2017 - 9 C 20.15 - juris) entschiedenen Fall.

Ein Vertrauensschutz der Anwohner in die Annahme, mit dem Ausbau von 1989 sei die Erschließungsanlage I. nunmehr abschließend hergestellt, könne nicht entstanden sein. Nach der vom Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung sei völlig offen und unklar, nach wieviel Jahren sich eine hergestellte Teilstrecke zu einer selbständigen Erschließungsanlage entwickele. Auch den diesbezüglichen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts könnten keine allgemeingültigen Kriterien entnommen werden. In dieser Situation würden die Gemeinden gezwungen, entweder eine Abschnittsbildung vorzunehmen oder den Zeitraum nach Beendigung von Ausbauarbeiten an einer Teilstrecke bezüglich der weitergehenden Erschließungsanlage möglichst gering zu halten. Diese Rechtsauffassung bürde den Gemeinden ein gewichtiges Verjährungsrisiko auf und laufe der Dispositonsbefugnis der Gemeinde zuwider. Die Entscheidung über eine Abschnittsbildung stehe grundsätzlich im Ermessen der Gemeinde. Diese habe sich, da es sich um ein Vorfinanzierungsinstrument handele, im Wesentlichen an Haushaltsgesichtspunkten zu orientieren. Aus diesen Gründen lasse der unterbliebene Abschnittsbildungsbeschluss keinen rechtlich überzeugenden Rückschluss darauf zu, dass sie, die Beklagte, den beschriebenen Teilabschnitt ihrerseits als selbständige Erschließungsanlage angesehen habe. Eine abstrakte Bestimmung der Zeitgrenze, ab welcher hergestellte Teilabschnitte einer weitergehenden Erschließungsanlage in die rechtliche Selbständigkeit hineinwachsen könnten, wäre im Übrigen Sache des Gesetzgebers, nicht der Gerichte.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 9. August 2018 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er führt im Wesentlichen Folgendes aus:

Für die Beurteilung, ob es sich bei dem Teilstück des I. zwischen der J. -Straße und der Z. -Straße auf der einen Seite und dem Teilstück zwischen der Z. -Straße und der K. Straße auf der anderen Seite jeweils um selbständige Erschließungsanlagen handele, sei das durch die tatsächlichen Gegebenheiten geprägte Erscheinungsbild maßgebend. Das Verwaltungsgericht habe seiner Entscheidung die Annahme zweier selbständiger Erschließungsanlagen zugrunde gelegt. Zu der die Entscheidung rechtfertigenden tatsächlichen Feststellung sei das Verwaltungsgericht aufgrund der Inaugenscheinnahme der näheren Umgebung durch die Kammer und einer Begehung des kompletten Straßenzugs I. von der J. -Straße bis zur K. Straße gelangt. Der erzielte Erkenntnisgewinn in tatsächlicher Hinsicht sei daher in besonderer Weise nicht nur durch den Akteninhalt, sondern durch den im Rahmen des Augenscheins persönlich gewonnenen Eindruck vor Ort entstanden. Die von der Beklagten vertretene These, dass bei einem Vergleich der beiden Teilabschnitte des Straßenzugs Unterschiede optisch kaum wahrnehmbar seien, sei auch bei gründlicher Ansicht der von der Beklagten vorgelegten Fotodokumentation nicht nachvollziehbar. Die vom Verwaltungsgericht herausgearbeiteten Unterschiede der einzelnen Teilabschnitte würden auch aus der Fotodokumentation ersichtlich. Richtig bleibe die vom Verwaltungsgericht gewonnene Erkenntnis, dass die Einmündung der Z. -Straße eine deutliche Zäsur zwischen zwei unterschiedlichen Teilabschnitten darstelle. Der unmittelbare Eindruck vor Ort, der für die vorzunehmende Wertungsentscheidung bedeutsamer sei als die Würdigung einfacher Fotografien, bestätige die Richtigkeit der Wertung des Verwaltungsgerichts.

Zutreffend erkenne die Beklagte, dass der Bau einer Teilstrecke in Folge Zeitablaufs zur erschließungsbeitragsrechtlichen Selbständigkeit führen könne, wenn die Teilstrecke im Rechtssinne erstmals endgültig hergestellt sei, weil sie den Herstellungsmerkmalen der Erschließungsbeitragsatzung entspreche. Aus den von der Beklagten angestellten Erwägungen folge aber keineswegs die offensichtliche und unmissverständliche Erkenntnis für jedermann, dass auch nach Herstellung des Bauabschnitts von der J. -Straße bis zur Einmündung Z. -Straße der Straßenausbau in westlicher Richtung habe fortgesetzt werden sollen. Das Gegenteil sei der Fall. Sowohl die bauplanungsrechtliche Lage als auch die tatsächlichen Verhältnisse vor Ort vermittelten jedermann den - nachvollziehbaren und richtigen - Eindruck, der Ausbau des I. habe sein Ende gefunden. Gerade der Umstand, dass für einen Zeitraum von 20 Jahren keine weiteren Bautätigkeiten stattgefunden hätten, führe zu der gerechtfertigten Annahme, dass die Ausbauarbeiten seinerzeit bereits endgültig beendet waren.

Auch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den zeitlichen Dimensionen des durch die tatsächlichen Gegebenheiten geprägten Erscheinungsbilds einer Erschließungsanlage stehe der Annahme der Beklagten entgegen, es handele sich erschließungsrechtlich um eine Einheit. Durch die 20-jährige Dauer bis zum Ausbau des zweiten Abschnitts sei die zunächst hergestellte Erschließungsanlage in die Eigenschaft einer selbständigen Erschließungsanlage hineingewachsen. Alle Anlieger des bereits fertiggestellten Ausbauabschnitts bis zur Einmündung Z. -Straße seien aufgrund des tatsächlichen Erscheinungsbilds davon ausgegangen, die Straße werde nicht mehr als Erschließungsanlage auf ganzer Länge ausgebaut werden. Dass sodann für 20 Jahre keinerlei weitere Bautätigkeit erfolgt sei, habe die Anlieger in dieser Annahme zutreffend bestärkt. Die Maßstäbe des Bundesverwaltungsgerichts stellten auch allgemeingültige Kriterien dar. Bereits unterbliebene Bautätigkeiten für die Dauer von 15 Jahren führten zwingend zu der Annahme, dass die seinerzeitigen Ausbauarbeiten endgültig beendet worden seien, mit der Folge, dass eine etwaige spätere Verlängerung nur als eine neue, selbständige Erschließungsanlage in Betracht komme.

Der Senat hat am 11. Mai 2023 die Örtlichkeit in Augenschein genommen. Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung nebst Anlage (Lichtbilder) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten dieses Verfahrens sowie der Parallelverfahren 9 LB 226/20, 9 LB 227/20 und 9 LB 228/20 verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts erweisen sich die Bescheide der Beklagten vom 19. Dezember 2016 über die Heranziehung des Klägers zu Erschließungsbeiträgen für den Ausbau der Straße I. zwischen der J. -Straße und der K. Straße in Höhe von 74.286,77 EUR für das klägerische Grundstück I. L. (Flurstücke M., N. und O.) und in Höhe von 63.275,19 EUR für das klägerische Grundstück I. (Flurstück S.) als rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist deshalb zu ändern und die Klage abzuweisen.

Rechtsgrundlage für die angegriffenen Erschließungsbeitragsbescheide sind die §§ 127 ff. BauGB in der Fassung vom 23. September 2004 (BauGB) in Verbindung mit der Satzung der Beklagten über die Erhebung des Erschließungsbeitrags vom 23. Juni 1987, zuletzt geändert durch die Satzung vom 21. März 2002 (Erschließungsbeitragssatzung - EBS -). Nach § 127 Abs. 1 BauGB erheben die Gemeinden zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwands für Erschließungsanlagen einen Erschließungsbeitrag nach Maßgabe der folgenden Vorschriften.

Die Voraussetzungen für die Erhebung von Erschließungsbeiträgen für die erstmalige Herstellung der Straße I. zwischen der J. -Straße und der K. Straße in B-Stadt sind gegeben.

1.

Die abgerechnete Straßenbaumaßnahme fällt in den Anwendungsbereich des Erschließungsbeitragsrechts. Insbesondere handelt es sich bei der abgerechneten Anlage nicht um eine bereits vor dem Ausbau vorhandene Erschließungsanlage im Sinne von § 242 Abs. 1 BauGB, für die ein Erschließungsbeitrags nicht mehr erhoben werden kann.

§ 242 Abs. 1 BauGB bestimmt, dass für vorhandene Erschließungsanlagen, für die eine Beitragspflicht auf Grund der bis zum 29. Juni 1961 - d. h. bis zum Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes - geltenden Vorschriften nicht entstehen konnte, auch nach dem Baugesetzbuch kein Beitrag - d. h. kein Erschließungsbeitrag - erhoben werden kann.

Die abgerechnete Anlage I. zwischen der J. -Straße und der K. Straße stellt keine am 29. Juni 1961 bereits im Sinne von § 242 Abs. 1 BauGB vorhandene Straße dar. Weder erfüllte sie die Mindestanforderungen betreffend den Ausbauzustand der erforderlichen Teileinrichtungen (dazu unter a)), noch ist sie am maßgeblichen Stichtag zum Anbau bestimmt gewesen (dazu unter b)).

a)

Die abgerechnete Anlage I. zwischen der J. -Straße und der K. Straße erfüllte am Stichtag des 29. Juni 1961 nicht die Mindestanforderungen an eine vorhandene Straße.

Welche Teilanlagen in welchem Ausbauzustand bestanden haben müssen, um eine Straße als "vorhandene" qualifizieren zu können, lässt sich jeweils nur im Einzelfall beurteilen. Gewisse Mindestanforderungen aber wird man allgemein stellen können (vgl. Driehaus/Raden, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 11. Auflage 2022, § 2 Rn. 47). Zu der Frage, wann von einer vorhandenen Erschließungsanlage auszugehen ist, hat der beschließende Senat in seiner Rechtsprechung ausgeführt (vgl. etwa Senatsurteil vom 19.2.2020 - 9 LB 132/17 - juris Rn.117 f.; Senatsbeschlüsse vom 5.5.2011 - 9 LA 85/10 - n. v. und vom 25.7.2007 - 9 LA 399/05 - n. v.):

"Ob am 29. Juni 1961, dem maßgeblichen Stichtag (vgl. OVG Münster, Urteil vom 19.5.1999 - 3 A 6205/95 - ZMR 1999, 858), eine im Rechtssinn vorhandene Straße bestanden hat, beurteilt sich letztlich immer nach den konkreten Umständen des Einzelfalls (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 7. Aufl. 2004, § 2 Rdnr. 35). Als Mindestanforderung wird nach der Rechtsprechung des beschließenden Senats (Beschlüsse vom 25.1.1989 - 9 A 77/87 -, vom 5.3.1996 - 9 M 6654/95 -, vom 24.6.1998 - 9 L 4899/96 -, vom 26.7.1999 - 9 L 2874/99 -, vom 6.9.1999 - 9 L 4564/98 -, vom 9.9.1999 - 9 L 4596/98 - und vom 14.11.2005 - 9 MC 1/05 -) allgemein lediglich vorausgesetzt, dass die Fahrbahn - in Form einer Deckschicht aus Asphalt, Teer, Beton, Pflaster oder einem ähnlichen Material - hinreichend befestigt ist und sich auf einem festen Unterbau befindet, und dass eine - wenn auch primitive - Straßenentwässerung z. B. über offene Gräben (so auch OVG Münster, Beschluss vom 14.4.1993 - 3 A 1114/89 -) sowie eine Straßenbeleuchtung, die eine ausreichende Ausleuchtung der Straße und damit einen ungefährdeten Haus-zu-Haus-Verkehr ermöglicht, vorhanden sind."

Die Beweislast für das Vorhandensein einer funktionstüchtigen Straße vor dem maßgeblichen Stichtag liegt bei dem Kläger. Die Gemeinde trägt zwar die Beweislast für alle in ihren Verantwortungsbereich fallenden, einem Außenstehenden nicht ohne weiteres erkennbaren Merkmale der vorhandenen Straße, insbesondere für ihre Ausbauvorstellungen und ihre Einschätzung der Tauglichkeit des Ausbauzustands der Straße. Dagegen ist es Sache des zu einer Beitragszahlung in Anspruch Genommenen, diejenigen Umstände darzulegen und zu beweisen, die an der Straßenstrecke vor Ort wahrgenommen werden können und die deshalb ihm ebenso gut bekannt sein können wie der Gemeinde. Zu diesen Umständen gehört unter anderem das Vorhandensein einer funktionstüchtigen Straße zum maßgeblichen Stichtag sowie das Vorhandensein und der Umfang der Bebauung auf den Anliegergrundstücken entlang der Straße (vgl. Driehaus/Raden, a. a. O., § 2 Rn. 47; BVerwG, Urteil vom 9.12.1988 - 8 C 72.87 - juris Rn. 17; Senatsbeschluss vom 31.8.2022 - 9 LA 234/21 - juris Rn. 13).

Dies vorausgeschickt, hat der beweisbelastete Kläger nicht dargelegt, dass die Straße I. zwischen der J. -Straße und der K. Straße am Stichtag des 29. Juni 1961 eine vorhandene Straße im Sinne des § 242 Abs. 1 BauGB dargestellt hat. Im Gegenteil hat die Beklagte zur Überzeugung des Senats dargelegt, dass die Straße I. zum maßgeblichen Stichtag lediglich über eine provisorische Fahrbahnbefestigung verfügt hat, jedoch weder über Entwässerungseinrichtungen noch über eine Beleuchtung verfügte. Die Straßenbeleuchtung zwischen der J. -Straße und der K. Straße wurde erst ab dem Jahr 1972 hergestellt, der Regenwasserkanal erst in den Jahren 1988 und 2009. Das bloße Bestreiten des Klägers genügt insoweit nicht.

b)

Unabhängig davon ist die abgerechnete Anlage I. zwischen der J. -Straße und der K. Straße am maßgeblichen Stichtag des 29. Juni 1961 auch nicht zum Anbau bestimmt gewesen.

Von einer vorhandenen Straße im Sinne des § 242 Abs. 1 BauGB kann nur dann ausgegangen werden, wenn sie zu irgendeinem Zeitpunkt vor Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes Erschließungsfunktion besessen hat, sie also zum Anbau bestimmt gewesen ist (vgl. Senatsurteil vom 30.9.2020 - 9 LC 110/18 - juris Rn. 47 m. w. N.; Driehaus/Raden, a. a. O., § 2 Rn. 33). Eine erstmalig hergestellte Erschließungsanlage konnte nur eine solche sein, die "zur Bebauung bestimmt ist" (vgl. § 15 PrFluchtlG; Senatsurteil vom 30.9.2020, a. a. O., Rn. 47).

Dies war hier zum maßgeblichen Stichtag nicht der Fall. Bei der Straße I. zwischen der J. -Straße und der K. Straße handelte es sich am 29. Juni 1961 noch um eine im Außenbereich verlaufende Verbindungsstraße (vgl. dazu auch das Schreiben der Polizeidirektion B-Stadt vom 20.3.1956, Blatt 180 der Gerichtsakte). Sie war seinerzeit nicht zum Anbau bestimmt. Erst mit dem Bebauungsplan Nr. U. "Stadtteil Q." vom 3. August 1983 wurde die Straßenverkehrsfläche des I. zwischen der J. -Straße und der Z. -Straße festgesetzt und die nördlich dieses Straßenzuges befindliche Fläche als Gewerbegebiet ausgewiesen. Mit dem Bebauungsplan Nr. AE. "Stadtteil Q." vom 30. Juni 1987 wurde sodann die Straßenverkehrsfläche des I. zwischen der Z. -Straße und der K. Straße festgesetzt und die in diesem Abschnitt nördlich an den I. angrenzende Fläche als Fläche für Dauerkleingärten festgesetzt. Erst zu diesem Zeitpunkt war die Straße I. zwischen der J. -Straße und der K. Straße einseitig zum Anbau bestimmt.

Dabei führt die Festsetzung als Fläche für Dauerkleingärten nicht zu einer fehlenden Anbaubarkeit. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass in einem qualifizierten Bebauungsplan festgesetzte Dauerkleingärten, die an eine Straße grenzen, sowohl zu den von der Straße erschlossenen Grundstücken im Sinne des § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB als auch zu den nach § 133 Abs. 1 BauGB der Beitragspflicht unterliegenden Grundstücken gehören (vgl. BVerwG, Urteile vom 1.2.1980 - IV C 43.76 - juris Rn. 10 ff. und - 4 C 63.78, 4 C 64.78 - juris Rn. 12 ff.). Zwar sind festgesetzte Kleingärten nicht bebaubar im engeren Sinne. Sie werden aber von einer Straße, zu der sie - wie hier - Zufahrt oder Zugang haben, in beitragsrechtlich relevanter Weise erschlossen, weil ihre Nutzung einer baulichen Nutzung gleichartig ist, sie Anliegerverkehr anziehen und ihre bestimmungsgemäße Nutzung auf die Zugänglichkeit von der Straße angewiesen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 1.2.1980 - IV C 43.76 - juris Rn. 13). Aus diesen Gründen ist eine in einem qualifizierten Bebauungsplan festgesetzte Kleingartennutzung auch als eine der baulichen Nutzung im Sinne des § 133 Abs. 1 Satz 1 BauGB gleichartige Nutzung anzusehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 1.2.1980 - 4 C 63.78, 4 C 64.78 - juris Rn. 14 ff.). Wenn diese Grundstücke - wie hier - eine Zufahrt oder einen Zugang zur Straße haben, ist diejenige Straßenseite, an der sie liegen, entsprechend (in einem weiteren Sinne) zum "Anbau bestimmt" (vgl. BVerwG, Urteil vom 1.2.1980 - 4 C 63.78, 4 C 64.78 - juris Rn. 21). Eine Straße, die einseitig "zum Anbau bestimmt" ist, erfüllt in ihrer den betreffenden Grundstücken zugewandten Seite den Begriff der beitragsfähigen Erschließungsanlage im Sinne des § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB (vgl. BVerwG, Urteile vom 3.3.2004 - 9 C 6.03 - juris Rn. 20 und vom 31.1.1992 - 8 C 31.90 - juris Rn. 13; vgl. zu dem Vorstehenden insgesamt: Senatsbeschluss vom 4.3.2016 - 9 LA 154/15 - juris Rn. 44 f.).

2.

Bei der in den Jahren 1988/1989 (J. -Straße bis Z. -Straße) und in den Jahren 2009 bis 2012 (Z. -Straße bis K. Straße) hergestellten Straße I. zwischen der J. -Straße und der K. Straße handelt es sich um eine einheitliche Erschließungsanlage i. S. v. § 127 Abs. 1 Nr. 1 BauGB.

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, unter welchen Voraussetzungen es sich bei einer erstmals hergestellten Anbaustraße um eine eigenständige Erschließungsanlage handelt. Die Ausdehnung einer beitragsfähigen Erschließungsanlage ist nicht nach Maßgabe des Erschließungs- oder des Planungsrechts, sondern unter Anwendung des Erschließungsbeitragsrechts zu bestimmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 7.3.2017 - 9 C 20.15 - juris Rn. 11).

Für die Beurteilung der Frage, wo eine selbständige Erschließungsanlage beginnt und endet, ist das durch die tatsächlichen Gegebenheiten geprägte Erscheinungsbild maßgebend. Abzustellen ist auf die tatsächlich sichtbaren Verhältnisse, wie sie zum Beispiel durch Straßenführung, Straßenbreite, Straßenlänge und Straßenausstattung geprägt werden und wie sie sich im Zeitpunkt des Entstehens sachlicher Beitragspflichten einem unbefangenen Beobachter bei natürlicher Betrachtungsweise darstellen (vgl. BVerwG, Urteile vom 7.3.2017 - 9 C 20.15 - juris Rn. 12 und vom 10.6.2009 - 9 C 2.08 - juris Rn. 16). Erforderlich ist eine Würdigung aller dafür relevanten Umstände. Die natürliche Betrachtungsweise ist nicht aus einer Vogelperspektive anzustellen; vielmehr ist grundsätzlich der Blickwinkel eines Betrachters am Boden einzunehmen. Wegen der damit unter Umständen verbundenen Einengung des Horizonts kann gegebenenfalls ergänzend auch der sich aus Plänen oder Luftbildaufnahmen ergebende Straßenverlauf mit in die Betrachtung einzubeziehen sein (vgl. BVerwG, Urteile vom 7.3.2017, a. a. O., Rn. 12 und vom 10.6.2009, a. a. O., Rn. 18; zum Vorstehenden insgesamt: Senatsurteil vom 19.2.2020 - 9 LB 132/17 - juris Rn. 103). Unterschiede, welche Straßenteile zu einem abgegrenzten Element des Straßennetzes machen, kennzeichnen jeden dieser Straßenteile als eigene Einrichtung (vgl. Senatsurteil vom 24.8.2020 - 9 LB 146/17 - juris Rn. 38 m. w. N.).

Dies zugrunde gelegt, handelt es sich bei der Straße I. zwischen der J. -Straße und der K. Straße bei einer natürlichen Betrachtungsweise im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht, d. h. nach Beendigung der streitgegenständlichen Baumaßnahmen (vgl. Senatsbeschluss vom 9.5.2017 - 9 LA 26/17 - n. v.), um eine einheitliche Erschließungsanlage (dazu unter a)), die auch nicht aus Rechtsgründen in zwei selbständige Erschließungsanlagen zerfällt (dazu unter b)). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den zeitlichen Dimensionen der natürlichen Betrachtungsweise (dazu unter c)).

a)

Nach dem Eindruck, den der Senat bei der Inaugenscheinnahme vor Ort gewonnen hat, stellt sich die Straße I. zwischen der J. -Straße und der K. Straße bei einer natürlichen Betrachtungsweise im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht - d. h. nach dem Abschluss des Ausbaus des letzten Teilstücks im Jahr 2012 und Eingang der Schlussrechnung für den Ausbau bei der Beklagten am 12. November 2012 - als eine einheitliche Erschließungsanlage dar.

Die Erschließungsanlage beginnt im Osten an der Kreuzung der - grob gesehen - von Ost nach West verlaufende Straße I. mit der von Nord nach Süd verlaufenden J. -Straße. Im Rahmen der natürlichen Betrachtungsweise können Kreuzungen je nach den tatsächlichen Verhältnissen eine trennende Wirkung entfalten. Bei sehr langen, im Wesentlichen gleichförmig verlaufenden Innerortsstraßen sind insoweit geringere Anforderungen zu stellen als bei kurzen Innerortsstraßen (vgl. Senatsurteile vom 24.8.2020 - 9 LB 146/17 - juris Rn. 45 m. w. N. und vom 19.2.2020 - 9 LB 132/17 - juris Rn. 105). Die genannte Kreuzung bildet vorliegend nach den tatsächlichen Verhältnissen eine deutliche Zäsur zwischen dem von dort aus in einem Schwenk nach Nord-Osten verlaufenden Teil der Straße I. und dem in gerader Linie Richtung Westen verlaufenden Teil der Straße I.. Die Zäsur wird neben dieser dort stattfindenden Verschwenkung des Straßenverlaufs des I. auch aus der unterschiedlichen Fahrbahnbreite des I. östlich und westlich der J. -Straße ersichtlich.

Die Erschließungsanlage endet an der Kreuzung der Straße I. mit der von Nord-Westen nach Süd-Osten verlaufenden K. Straße. Bei der K. Straße handelt es sich um eine mehrspurige Straße, die parallel von Straßenbahnschienen begleitet wird. Die Kreuzung dieser Straße stellt für den I. eine deutliche Zäsur dar.

Der Straßenzug des I. stellt sich nach dem Eindruck, den der Senat bei der Inaugenscheinnahme vor Ort gewonnen hat, bei einer natürlichen Betrachtungsweise zwischen den genannten Anfangs- und Endpunkten nach den durch die Straßenführung, Straßenbreite, Straßenlänge und Straßenausstattung geprägten Verhältnissen als eine Einheit dar. Beginnend an der Kreuzung mit der J. -Straße verläuft der I. geradlinig und ohne Schwünge oder Kurven bis zur Kreuzung mit der K. Straße. Der I. wird in diesem Bereich durch keine kreuzenden Straßen unterbrochen. Der Eindruck einer einheitlichen Anlage wird - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - auch nicht durch die von Norden in den I. einmündende Z. -Straße unterbrochen (und erst Recht nicht durch den von Süden einmündenden Y. -Weg und die Straße AA.).

Zunächst ist insoweit zu beachten, dass es sich bei der Z. -Straße lediglich um eine einmündende und nicht um eine den I. kreuzende Straße handelt, so dass bereits aus diesem Grund eine trennende Wirkung durch die Z. -Straße nicht offensichtlich ist. Die Z. -Straße weist zudem im Vergleich zum I. bei natürlicher Betrachtungsweise eine geringere Anlagenbreite mit einem einseitig begrünten Straßenrand auf und erscheint gegenüber dem I. untergeordnet. Des Weiteren ändert sich die Straßenführung des I. vor und nach der Einmündung der Z. -Straße nicht; der I. wird über die Z. -Straße in gerader Linie fortgeführt. Aus der Blickrichtung der Z. -Straße trifft diese fast rechtwinklig auf den geradlinig verlaufenden I.. Eine Zäsur des I. ist auch aus dieser Blickrichtung nicht zu erkennen. Dass im Einmündungsbereich der Z. -Straße in den I. - ebenso wie im Einmündungsbereich der Straße AA. in den I. - eine Maßnahme zur Verkehrsberuhigung in Form eines leicht erhöhten und gepflasterten Bereichs (sog. Aufpflasterung) durchgeführt worden ist, nimmt dem I. ebenfalls nicht den Eindruck einer nahtlos fortgeführten Verkehrsanlage. Aus der Entfernung ist die Aufpflasterung nicht erkennbar und wirkt nicht massiv.

Die Fahrbahnbreite des I. unterscheidet sich östlich und westlich der Einmündung der Z. -straße ebenfalls nicht maßgeblich: Östlich der Einmündung der Z. -Straße liegt die Fahrbahnbreite bei 6,17 m und westlich der Einmündung bei 5,60 m bei gleichbleibender Fahrbahnbefestigung. Bei einer natürlichen Betrachtungsweise vermag dieser geringe Unterschied in der Fahrbahnbreite keine Zäsur der Anlage zu begründen.

Auch die vom Verwaltungsgericht angeführte unterschiedliche Ausgestaltung der Teileinrichtungen stellt vorliegend keine solche Zäsur dar. Zwar befindet sich östlich der Einmündung der Z. -Straße auf der nördlichen Straßenseite des I. sein 2,20 m breiter, befestigter Gehweg, während sich westlich der Einmündung der Z. -Straße auf der nördlichen Straßenseite des I. lediglich ein 1,37 m breiter sog. Anpassungsstreifen aus Splitt befindet. Einheitlich stellt sich in diesem Bereich jedoch die Ausstattung auf der südlichen Straßenseite des I. dar: Beginnend ab dem Y. -Weg bzw. dem Regenrückhaltebecken im Osten bis zur Einmündung der Z. -Straße befinden sich auf der südlichen Straßenseite ein 2,20 m breiter Gehweg sowie 2,10 m breite Parkstände nebst Begrünung. Westlich der Einmündung der Z. -Straße setzt sich diese Ausstattung mit einem 2,0 m breiten Gehweg sowie 2,0 m breiten Parkständen nebst Begleitgrün und einem 0,70 m breiten Sicherheitsstreifen im Wesentlichen unverändert fort bis zur Hausnummer I. AN.. Die einheitliche Ausstattung mit Gehwegen und Parkständen sowie Begleitgrün auf der südlichen Straßenseite des I. entfaltet insoweit eine Klammerwirkung über die Z-Straße hinaus. Angesichts dieser optisch deutlich wahrnehmbaren Klammerwirkung fällt die unterschiedliche Ausgestaltung der Gehwege bzw. Anpassungsstreifen nördlich des I. bei einer natürlichen Betrachtungsweise nicht entscheidend ins Gewicht und nimmt der Straße nicht ihr einheitliches Erscheinungsbild.

Daneben vermittelt auch die unterschiedliche Bebauung nicht den Eindruck unterschiedlicher Anlagen. Zwar ändert sich die nördlich des I. befindliche Bebauung mit der Einmündung der Z. -Straße deutlich: Östlich der Einmündung befindet sich ein Gewerbegebiet, während sich westlich der Einmündung eine Kleingartenanlage befindet. Allerdings kommt auch insoweit der südlich des I. befindlichen Wohnbebauung eine entscheidende Klammerwirkung zu. Die dortige Wohnbebauung setzt sich gerade im Bereich der Einmündung der Z.-Straße derart einheitlich fort, dass sie dem I. den Eindruck einer einheitlichen Anlage vermittelt.

Schließlich vermag die vom Verwaltungsgericht bemühte Verkehrsfunktion nicht den Eindruck zu vermitteln, die Anlage I. zerfalle in zwei Anlagen, nämlich von der J. -Straße bis zur Z. -Straße und von der Z. -Straße bis zur K. Straße. Zwar mag der nördliche Teil des I. östlich der Z. -Straße - wie soeben dargelegt - durch gewerbliche Bebauung geprägt sein und entsprechende gewerbliche Verkehre erzeugen. Jedoch befindet sich eine gewerbliche Bebauung, die entsprechende Verkehre auslösen mag, auch südlich des I. westlich der Z. -Straße (zur K. Straße hin). Umgekehrt befindet sich eine Wohnbebauung, die Anliegerverkehre auslösen mag, nicht ausschließlich im südlichen Bereich des I. westlich der Z. -Straße. Vielmehr setzt sich die Wohnbebauung nach Osten über die Z. -Straße hinaus bis zum Wohngebiet Y. -Weg fort und löst auch dort die entsprechenden Verkehre aus. Von einer bei einer natürlichen Betrachtungsweise erkennbaren Zäsur im Einmündungsbereich der Z. -Straße kann somit auch im Hinblick auf die Verkehrsfunktion nicht gesprochen werden.

Nach allem sind die bestehenden Unterschiede nach Auffassung des Senats nicht in einer Weise prägend, dass dadurch der Eindruck entstünde, der I. würde - von der J. -Straße aus gesehen - an der Z. -Straße enden und hier würde eine andere und eigenständige Verkehrsanlage beginnen.

Diese natürliche Betrachtungsweise wird dadurch bestätigt, dass mit dem Bebauungsplan Nr. AH. "Stadtteile AI., Q. und AJ." vom 22. Juli 1998 die Straßenverkehrsfläche des I. zwischen dem Regenwasserrückhaltebecken (bzw. der öffentlichen Grünverbindung) und der K. Straße neu festgesetzt worden ist. Demnach wurde mit diesem Bebauungsplan die Straßenverkehrsfläche östlich und westlich der Z. -Straße neu festgesetzt. Auch diese einheitliche Festsetzung entfaltet eine Klammerwirkung und spricht für eine einheitliche Erschließungsanlage.

b)

Von dieser grundsätzlich gebotenen natürlichen Betrachtungsweise ist nicht aus Rechtsgründen abzuweichen. Es handelt sich nicht aus Rechtsgründen um zwei selbständige Erschließungsanlagen.

Wenn eine endgültig hergestellte Anbaustraße, für die die sachlichen Erschließungsbeitragspflichten bereits entstanden (nicht notwendigerweise auch erhoben) sind, nachträglich verlängert oder fortgeführt wird, stellt das nachträglich angelegte Teilstück eine selbständige Erschließungsanlage dar, auch wenn zu diesem späteren Zeitpunkt eine (grundsätzlich gebotene) natürliche Betrachtungsweise einen einheitlichen Straßenverlauf des vorhandenen wie es neu hergestellten Straßenteilstücks ergibt, weil die Beurteilungszeitpunkte insoweit voneinander abweichen (vgl. BVerwG, Urteile vom 22.3.1996 - 8 C 17.94 - juris Rn. 22, vom 18.5.1990 - 8 C 80.88 - juris Rn. 16, vom 9.11.1984 - 8 C 77.83 - juris Rn. 19 und vom 5.10.1984 - 8 C 41.83 - juris Rn. 21; BayVGH, Urteil vom 22.7.2011 - 6 B 08.1935 - juris Rn. 16; Beschlüsse vom 20.10.2022 - 6 CS 22.1804 - juris Rn. 15 und vom 29.6.2016 - 6 ZB 15.2786 - juris Rn. 10; vgl. dahingehend auch: VGH BW, Urteil vom 10.11.2022 - 2 S 595/22 - juris Rn. 43).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Bei dem im Jahr 1989 ausgebauten Teilstück des I. zwischen der J. -Straße und der Z. -Straße handelt es sich nicht um eine endgültig hergestellte Anbaustraße, für die die sachlichen Erschließungsbeitragspflichten bereits in der Vergangenheit entstanden sind. Es kommt insoweit - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht darauf an, ob sich das Teilstück des I. zwischen der J. -Straße und der Z. -Straße bei einer natürlichen Betrachtungsweise im Jahr 1989 als selbständige Erschließungsanlage darstellte. Denn unabhängig von dieser Frage war das Teilstück des I. zwischen der J. -Straße und der Z. -Straße nach den im Jahr 1989 durchgeführten Arbeiten jedenfalls nicht erstmals endgültig hergestellt, so dass bereits aus diesem Grund für dieses Teilstück in der Vergangenheit noch keine sachlichen Erschließungsbeitragspflichten entstehen konnten.

Eine Anbaustraße ist erstmalig endgültig hergestellt, wenn sie erstmals die nach dem satzungsmäßigen Teileinrichtungsprogramm (für die nicht flächenmäßigen Teileinrichtungen) und dem (dieses Teileinrichtungsprogramm bezüglich der flächenmäßigen Teileinrichtungen ergänzenden) Bauprogramm erforderlichen Teileinrichtungen aufweist und diese dem jeweils für sie aufgestellten technischen Ausbauprogramm entsprechen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6.9.2018 - 9 C 5.17 - juris Rn. 55; Urteil vom 10.10.1995 - 8 C 13.94 - juris Rn. 19; Senatsurteil vom 19.2.2020 - 9 LB 132/17 - juris Rn. 120).

Dies zugrunde gelegt, war das Teilstück des I. zwischen der J. -Straße und der Z. -Straße nach den im Jahr 1989 durchgeführten Arbeiten nicht erstmals endgültig hergestellt und konnten die sachlichen Erschließungsbeitragspflichten zu diesem Zeitpunkt noch nicht entstehen. Die im Jahr 1989 durchgeführten Arbeiten an dem Teilstück des I. zwischen der J. -Straße und der Z. -Straße entsprachen nicht vollständig dem gemeindlichen Bauprogramm. Der "Ausbauplan I." vom 22. März 1988, zuletzt ergänzt am 23. Dezember 1988, sah auf dem Teilstück zwischen der J. -Straße und der Z. -Straße beidseitig auf der gesamten Länge Gehwege mit einer Breite von jeweils 2,20 m vor (vgl. den Ausbauplan I. vom 22.3.1988 in der Beiakte 008). Tatsächlich wurde jedoch die südliche Nebenanlage (Gehweg) im Bereich von dem Regenwasserrückhaltebecken (Station 390) bis zur Z. -Straße auf einer Länge von ca. 120 m im Jahr 1989 nicht ausgebaut. Erst im Rahmen des Ausbaus des I. von der Z. -Straße bis zur Straße AA. in den Jahren 2010/2011 wurde die bislang noch fehlende südliche Nebenanlage östlich der Z. -Straße bis zum Regenwasserrückhaltebecken entsprechend der Ausführungsplanung "Lageplan 1. BA I. AS. /AA. - RRB" vom 4. März 2010 ausgebaut (vgl. die Ausführungsplanung in der Beiakte 008); die Schlussrechnung für diesen Bauabschnitt ging am 24. Januar 2012 bei der Beklagten ein. Bis zu diesem - deutlich späteren - Zeitpunkt war daher das Teilstück des I. zwischen der J. -Straße und der Z. -Straße nicht endgültig hergestellt.

Es ist auch nicht davon auszugehen, dass die Beklagte im Jahr 1989 ihre ursprünglich weitergehende Planung zur Herstellung der südlichen Nebenanlage - wirksam - aufgegeben hätte und den erreichten technischen Ausbauzustand als endgültig angesehen hätte. Gegen eine solche Aufgabe der ursprünglichen Planung spricht insbesondere die Hausmitteilung vom 7. Juni 2001 (vgl. Blatt 57 der Beiakte 001). Dort wird ausgeführt, dass der I. im Abschnitt von der Z. -Straße bis zur J. -Straße bereits 1989 "weitestgehend" tiefbautechnisch endgültig hergestellt worden sei. Lediglich die südliche Nebenanlage sei im Bereich vom Stadtfriedhof Q. bis zur Z. -Straße noch unfertig. Es werde daher um Mitteilung gebeten, wann mit der endgültigen Herstellung der südlichen Nebenanlage zu rechnen sei. Aus dieser Hausmitteilung wird zum einen deutlich, dass mit den Ausbauarbeiten im Jahr 1989 noch keine "vollständige", sondern - aufgrund des Fehlens der südlichen Nebenanlage - nur eine "weitestgehende" endgültige Herstellung erfolgt ist. Zum anderen folgt aus der hausinternen Anfrage, wann mit der endgültigen Herstellung der Nebenanlage zu rechnen sei, dass die Planung nicht aufgegeben wurde. Schließlich folgt auch aus dem Umstand, dass die Beklagte die fehlende südliche Nebenanlage in den Jahren 2010/2011 hat ausbauen lassen, dass sie an ihrer ursprünglichen Planung festgehalten hat. Die tatsächliche Herstellung der fehlenden südlichen Nebenanlage zu einem späteren Zeitpunkt ist ein starkes Indiz dafür, dass ihre Herstellung zu keinem Zeitpunkt wirksam aufgegeben, sondern lediglich aus finanziellen oder sonstigen Gründen verschoben wurde.

Im Übrigen lässt sich den vorliegenden Unterlagen entnehmen, dass ein Weiterausbau des I. über die Z. -Straße hinaus bis zur K. Straße schon in der Vergangenheit - insbesondere im Jahr 1989 - immer geplant war und zu keinem Zeitpunkt aufgegeben wurde. Auch dies spricht gegen ein Zerfallen der einheitlichen Erschließungsanlage I. aus Rechtsgründen in zwei selbständige Anlagen.

Dies ergibt sich zunächst aus dem Bebauungsplan Nr. AE. "Stadtteil Q." vom 30. Juni 1987, der die Straßenverkehrsfläche des I. zwischen der Z. -Straße und der K. Straße mit einer Breite von 10,5 m festgesetzt hat. Dieser Bebauungsplan schließt unmittelbar an den Bebauungsplan Nr. U. "Stadtteil Q." vom 3. August 1983 an, der bereits die Straßenverkehrsfläche des I. zwischen der J. -Straße und der Z. -Straße mit einer Breite von 10,5 m festgesetzt hatte. Es war daher bereits im Jahr 1987 geplant, den I. zwischen der J. -Straße und der K. Straße durchgehend mit einer Breite von 10,5 m auszubauen. Von einem durchgehenden Ausbau ist ausweislich eines Vermerks des Tiefbauamts der Beklagten vom 10. März 1988 (vgl. Blatt 344 f. der Gerichtsakte) lediglich aus finanziellen Gründen vorerst abgesehen und zunächst nur ein Teilausbau zwischen der J. -Straße und der Z. -Straße vorgesehen worden, der dann im Jahr 1989 erfolgt ist. Dem Ausbauplan aus dem Jahr 1988 (vgl. den Ausbauplan I. vom 22.3.1988 in der Beiakte 008) lässt sich jedoch ebenfalls entnehmen, dass der I. über die Z. -Straße hinaus weitergeführt bzw. endgültig hergestellt werden sollte.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den internen Hausmittelungen und Vermerken der Beklagten. In den internen Hausmitteilungen der Beklagten vom 24. Juli 1991 (vgl. Blatt 13 der Beiakte 002) und vom 13. Februar 2004 (vgl. Blatt 41 der Beiakte 003) ist festgehalten worden, dass der I. bislang erschließungsbeitragsrechtlich unfertig sei bzw. dass die Erschließungsanlage noch als unfertig geführt werde. Zudem wird in der Hausmitteilung vom 11. Januar 1993 (vgl. Blatt 54 der Beiakte 001) mitgeteilt, dass eine endgültige Herstellung der Erschließungsanlage I. von der J. -Straße bis zur K. Straße in den nächsten vier Jahren nicht vorgesehen sei. Auch insoweit wird auf die endgültige Herstellung der gesamten Erschließungsanlage I. von der J. -Straße bis zur K. Straße abgestellt. Soweit das Verwaltungsgericht und der Kläger hingegen maßgeblich auf die interne Hausmitteilung vom 22. Januar 2001 (vgl. Blatt 43 der Gerichtsakte) verwiesen haben, in der unter der Überschrift "Erschließungsaufwand für die Erschließungsanlage I. von Z. -Straße bis J. -Straße" festgehalten wird, dass die o. a. Anlage endgültig ausgebaut sei und abgerechnet werden müsse, kann diese Hausmitteilung im Zusammenhang mit den soeben genannten weiteren Plänen und Vermerken/Hausmitteilungen lediglich dahingehend verstanden werden, dass diese Hausmitteilung im Zusammenhang mit der Möglichkeit einer abschnittsweisen Ermittlung des beitragsfähigen Erschließungsaufwands stand. Dies wird gestützt durch einen handschriftlichen Vermerk des Bauverwaltungsamts der Beklagten vom 17. Juli 2000 betreffend den I. zwischen der J. -Straße und der Z. -Straße (vgl. Beiakte 008), wonach einiges dafür spreche, die noch zu erhebenden Erschließungsbeiträge ggf. im Wege der Abschnittsbildung/Kostenspaltung geltend zu machen. Der in der mündlichen Verhandlung anwesende Sachbearbeiter der Beklagten hat bestätigt, dass die Formulierung in der von ihm verfassten Hausmitteilung vom 22. Januar 2001 unglücklich gewählt worden sei und lediglich dazu gedient habe, internen Druck aufzubauen.

c)

Eine andere Beurteilung ergibt sich schließlich auch nicht aus der Fortentwicklung des Begriffs der beitragsfähigen Erschließungsanlage durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den zeitlichen Dimensionen der natürlichen Betrachtungsweise und dem Hineinwachsen eines Abschnitts einer Erschließungsanlage durch Zeitablauf in eine selbständige Erschließungsanlage.

Die Frage nach dem durch die tatsächlichen Gegebenheiten geprägten Erscheinungsbild einer Erschließungsanlage hat nach dieser Rechtsprechung auch eine zeitliche Dimension (vgl. BVerwG, Urteile vom 7.3.2017 - 9 C 20.15 - juris Rn. Rn. 14 und vom 22.11.2016 - 9 C 25.15 - juris Rn. 26). Bereits mit Urteil vom 25. Februar 1994 (- 8 C 14.92 - juris) hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, dass der Umstand, dass eine Anlage lange Zeit - im konkreten Fall über 15 Jahre - nicht weitergebaut wird, zu dem Schluss zwinge, dass die Ausbauarbeiten endgültig beendet worden seien mit der Folge, dass eine etwaige spätere Verlängerung nur als eine neue, selbständige Erschließungsanlage in Betracht komme (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.2.1994, a. a. O., Rn. 28). Diese Rechtsprechung hat es mit Urteilen vom 12. Mai 2016 (- 9 C 11.15 - juris), vom 22. November 2016 (a. a. O.) und vom 7. März 2017 (a. a. O.) fortgeführt. Danach könne eine Straße, die sich bei natürlicher Betrachtungsweise als Abschnitt einer weitergehenden Erschließungsanlage darstelle, durch Zeitablauf in die Eigenschaft selbständige Erschließungsanlage hineinwachsen (vgl. BVerwG, Urteil vom 7.3.2017, a. a. O., Rn. 14). Der Umstand, dass eine Anlage über viele Jahre nicht weitergebaut worden sei, könne zu dem Schluss zwingen, dass die seinerzeitigen Ausbauarbeiten an einer Erschließungsanlage endgültig beendet worden seien mit der Folge, dass eine etwaige spätere Verlängerung nur als neue, selbständige Erschließungsanlage in Betracht komme (vgl. BVerwG, Urteile vom 22.11.2016, a. a. O., Rn. 26 und vom 12.5.2016, a. a. O., Rn. 28). Das gelte insbesondere dann, wenn eine im Bebauungsplan ausgewiesene Straße nur auf einer kürzeren Strecke angelegt und die verbleibende Reststrecke abweichend von der ursprünglichen Planung für andere als Verkehrszwecke in Anspruch genommen werde (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.5.2016, a. a. O., Rn. 28).

Diesen zeitlichen Aspekt hat auch das Bundesverfassungsgericht aufgegriffen. Werde eine Erschließungsanlage über längere Zeit nicht weitergebaut oder bleibe der Ausbauzustand der Erschließungsanlage hinter den Vorgaben des technischen Ausbauprogramms zurück, könne eine durchgehende Herstellung auch endgültig aufgegeben sein, indem eine teilweise hergestellte Anlage in eine selbständige Erschließungsanlage hineinwachse (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3.11.2021 - 1 BvL 1/19 - juris Rn. 75).

Dies zugrunde gelegt, ist die rund 520 m lange Teilstecke des I. zwischen der J. -Straße und der Z. -Straße, die im Jahr 1989 ausgebaut wurde, nicht in erschließungsbeitragsrechtliche Selbständigkeit erwachsen. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist auf den vorliegenden Fall bereits nicht anwendbar.

Die vorliegende Fallkonstellation ist nicht mit denen vergleichbar, die den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde lagen. Es kann insoweit dahinstehen, ob die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts nur die Sondersituation eines Wendehammers erfassen (vgl. zur Frage, ob die Rechtsprechung nur auf diese Sondersituation anwendbar ist: VGH BW, Urteile vom 10.11.2022 - 2 S 595/22 - juris Rn. 74 und vom 19.9.2018 - 2 S 1116/18 - juris Rn. 31 f.). Denn jedenfalls lag den vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fällen eine etappenweise Herstellung einer Erschließungsanlage bzw. die Konstellation eines nicht weiter gebauten Abschnitts zugrunde (vgl. BVerwG, Urteil vom 7.3.2017 - 9 C 20.15 - juris Rn. 35). Es geht hier jedoch nicht um den Fall, in dem eine Anlage - hier das Teilstück des I. zwischen der J. -Straße und der Z. -Straße - etappenweise als erster Abschnitt hergestellt und sodann über viele Jahre nicht weitergebaut wurde. Vielmehr stellte der I. zwischen der J. -Straße und der K. Straße bereits ab dem Jahr 1987 eine auf gesamter Länge einseitig zum Anbau bestimmte Erschließungsanlage mit einer provisorischen Fahrbahnbefestigung aus Asphalt dar, für die lediglich noch nicht auf ihrer gesamten Länge ein Bauprogramm aufgestellt war, so dass sie schon deshalb nicht die Merkmale der erstmaligen endgültigen Herstellung erfüllte. Nach dem Ausbau des Teilstücks des I. zwischen J. -Straße und Z. -Straße im Jahr 1989 - um dessen mögliches Hineinwachsen in eine erschließungsbeitragsrechtliche Selbständigkeit es hier gehen würde - endete dieses Teilstück nicht an der Z. -Straße (etwa mit einem Wendehammer) und wurde erst nach vielen Jahren weitergebaut, sondern der I. setzte sich bereits damals als tatsächlich angelegte Straße bis zur K. Straße fort. Es geht damit vorliegend nicht um einen über viele Jahre unterbliebenen Weiterbau der Straße. Es fehlte lediglich noch der vollständige Ausbau als Anbaustraße. Dieser vollständige Ausbau des bereits bestehenden Teilstücks zwischen der Z. -Straße und der K. Straße war zudem von vornherein geplant und wurde auch zu keinem Zeitpunkt aufgegeben; der vollständige Ausbau wurde - wie bereits ausgeführt - lediglich aus finanziellen Gründen erst später durchgeführt.

Unabhängig davon kann nach der Rechtsprechung des Senats der Bau einer Teilstrecke infolge Zeitablaufs nur dann zur erschließungsbeitragsrechtlichen Selbständigkeit führen, wenn die Teilstrecke im Rechtssinne erstmals endgültig als Erschließungsanlage hergestellt war, weil sie den Herstellungsmerkmalen der Erschließungsbeitragssatzung entsprach sowie ergänzend vollständig dem gemeindlichen Bauprogramm für die flächenmäßigen und sonstigen Teileinrichtungen sowie dem technischen Ausbauprogramm (vgl. Senatsurteil vom 30.9.2020 - 9 LC 110/18 - juris Rn. 52). Dies ist hier - wie bereits dargelegt - nicht der Fall. Das Teilstück des I. zwischen der J. -Straße und der Z. -Straße war nach den im Jahr 1989 durchgeführten Arbeiten noch nicht erstmals endgültig hergestellt, weil die im Jahr 1989 durchgeführten Arbeiten nicht vollständig dem gemeindlichen Ausbauprogramm entsprachen (vgl. dazu unter 2. b)).

Schließlich hat das Bundesverwaltungsgericht seine Rechtsprechung zu den zeitlichen Dimensionen der natürlichen Betrachtungsweise in seinen Urteilen vom 15. November 2022 (- 9 C 12.21 u. a. - juris Rn. 35) zwischenzeitlich dahingehend konkretisiert, dass die für die verfassungsrechtlich gebotene zeitliche Begrenzung der Erhebung von Erschließungsbeiträgen relevante Vorteilslage trotz Abweichung vom ursprünglichen Bauprogramm (erst) eintreten könne, wenn aufgrund des langen Zeitablaufs feststehe, dass mit einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse nicht mehr gerechnet werden könne und das ursprüngliche Bauprogramm tatsächlich aufgegeben worden sei. Jedenfalls an letzter Voraussetzung - tatsächliche Aufgabe des ursprünglichen Bauprogramms - fehlt es vorliegend. Wie bereits ausgeführt, war ein Weiterausbau der Erschließungsanlage I. bis zur K. Straße seitens der Beklagten stets beabsichtigt und konnte lediglich aus finanziellen Gründen nicht früher durchgeführt werden. Auf die diesbezüglichen Ausführungen unter 2. b) wird verwiesen.

Der Senat kann vor diesem Hintergrund seine generellen Zweifel an der Anwendbarkeit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den zeitlichen Dimensionen der natürlichen Betrachtungsweise vorliegend dahinstehen lassen. Ohne dass es darauf noch entscheidungserheblich ankäme, sei jedoch angemerkt, dass der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - auch nach der erfolgten Konkretisierung in den Urteilen vom 15. November 2022 - nach der Auffassung des Senats jede Orientierung für die Beantwortung der Frage fehlt, zu welchem Zeitpunkt in diesen Fällen von einem Entstehen der Vorteilslage ausgegangen werden kann. Dadurch wird den Gemeinden ein mehr oder weniger gewichtiges Verjährungsrisiko aufgebürdet, das sie dazu zwingt, entweder - soweit die Voraussetzungen dafür vorliegen - eine Abschnittsbildung vorzunehmen oder den Zeitraum nach der Beendigung von Ausbauarbeiten an der Teilstrecke einer weitergehenden Erschließungsanlage möglichst gering zu halten (vgl. dazu kritisch Driehaus, Neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Erschließungs- und Erschließungsbeitragsrecht, ZMR 2018, S. 289 ff.; VGH BW, Urteil vom 19.9.2018 - 2 S 1116/18 - juris Rn. 32). Es stellt sich die Frage, ob diese Konstellation nicht durch den Gesetzgeber zu regeln wäre.

3.

Die Beklagte hat für die erstmalige Herstellung der einheitlichen Erschließungsanlage I. zwischen der J. -Straße und der K. Straße durch die in den Jahren 1989 und 2010 bis 2012 durchgeführten Straßenbauarbeiten, die in den Jahren 1988 und 2009 erfolgte Verlegung des Regenwasserkanals sowie die in den Jahren 1972 bis 1989 hergestellte Straßenbeleuchtung einen beitragsfähigen Erschließungsaufwand i. S. v. §§ 128, 129 Abs. 1 Satz 1 BauGB i. V. m. § 4 EBS in Höhe von 830.152,72 EUR und auf dieser Grundlage einen umlagefähigen Aufwand i. S. v. § 129 Abs. 1 Satz 3 BauGB i. V. m. § 5 EBS in Höhe von 747.137,45 EUR (= 830.152,72 abzüglich 10 % Gemeindeanteil) ermittelt. Fehler bei dieser Ermittlung werden von dem Kläger weder geltend gemacht noch sind sie von Amts wegen ersichtlich.

4.

Die Ermittlung der bevorteilten Grundstücksflächen, die bei der Verteilung des umlagefähigen Aufwands zu berücksichtigen sind, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat die durch die Anlage erschlossenen - und damit bei der Verteilung zu berücksichtigenden - Grundstücke i. S. v. §§ 131 Abs. 1 Satz 1, 133 Abs. 1 BauGB fehlerfrei ermittelt.

Die Fläche des Stadtfriedhofs Q. zur Größe von 50.186 m2 (Flurstück AQ. der Flur P., Gemarkung Q.) hat die Beklagte als nicht durch die Erschließungsanlage i. S. d. § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB erschlossenes Außenbereichsgrundstück beurteilt und es nicht in die Gesamtverteilungsfläche aufgenommen. Dies ist - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht zu beanstanden.

Grundstücke sind dann durch eine Erschließungsanlage i. S. d. § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB erschlossen und daher in die Verteilung des beitragsfähigen Erschließungsaufwands einzubeziehen, wenn und soweit die Erschließungsanlage ihnen (potentiell) das an Erreichbarkeit (Zugang und/oder Zufahrt) aus dem öffentlichen Straßennetz vermitteln kann, was nach dem bundesrechtlichen Bebauungsrecht und dem landesrechtlichen Bauordnungsrecht als Voraussetzung für eine baurechtlich relevante Nutzung erforderlich ist (vgl. Senatsbeschluss vom 11.10.2018 - 9 LA 37/18 - juris Rn. 18; HambOVG, Urteil vom 12.5.2016 - 1 Bf 118/14 - juris Rn. 159 unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 7.10.1977 - IV C 103.74 - juris Rn. 16).

Die Prüfung, ob ein Grundstück durch eine bestimmte beitragsfähige Erschließungsanlage im Sinne des § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB erschlossen wird, muss sich zudem darauf erstrecken, ob aufgrund der gegebenen rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse die Annahme gerechtfertigt ist, dieses Grundstück werde auch die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 BauGB erfüllen können. Der Kreis der durch die Erschließungsanlage erschlossenen Grundstücke wird daher dadurch begrenzt, dass nur solche im vorgenannten Sinne erschlossenen Grundstücke darunter fallen, für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung (in einem Bebauungsplan nach § 30 BauGB) festgesetzt ist, sobald sie bebaut oder gewerblich genutzt werden dürfen (§ 133 Abs. 1 Satz 1 BauGB), oder für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung zwar nicht festgesetzt ist, sie aber nach der Verkehrsauffassung Bauland sind und nach der geordneten baulichen Entwicklung der Gemeinde zur Bebauung anstehen (§ 133 Abs. 1 Satz 2 BauGB) (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.11.2014 - 9 C 7.13 - juris Rn. 18 m. w. N.; HambOVG, Urteil vom 12.5.2016 - 1 Bf 118/14 - juris Rn. 159).

Dies zugrunde gelegt, wird das Gelände des Stadtfriedhofs Q. (Flurstück AQ. der Flur P., Gemarkung Q.) durch die Erschließungsanlage I. nicht i. S. v. §§ 131 Abs. 1 Satz 1, 133 Abs. 1 BauGB erschlossen.

Für das Friedhofsgrundstück existiert keine Überplanung durch einen Bebauungsplan nach § 30 BauGB, der für das Grundstück eine bauliche oder gewerbliche Nutzung festsetzen würde. Ist eine bauliche oder gewerbliche Nutzung nicht in einem Bebauungsplan festgesetzt, so ist ein Grundstück nur dann nach der Verkehrsauffassung Bauland (vgl. § 133 Abs. 1 Satz 2 BauGB), wenn das Grundstück nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bebaubar ist. Grundstücke, die hingegen im Außenbereich nach § 35 Abs. 1 Satz 1 BauGB liegen, unterliegen nicht der Beitragspflicht nach §§ 131 Abs. 1 Satz 1, 133 Abs. 1 BauGB. Dies gilt auch dann, wenn Grundstücke im Außenbereich bebaut sind und/oder durch ihre Nutzung Verkehr auslösen (vgl. BVerwG, Urteile vom 12.11.2014 - 9 C 7.13 - juris Rn. 18 m. w. N., vom 23.10.1996 - 8 C 40.95 - juris Rn. 10, vom 14.2.1986 - 8 C 115.84 - juris Rn. 14 ff. und vom 20.9.1974 - IV C 70.72 - juris Rn. 10; HambOVG, Urteil vom 12.5.2016 - 1 Bf 118/14 - juris Rn. 164 m. w. N.; zu Friedhöfen im unbeplanten und beplanten Bereich: Driehaus/Raden, a. a. O., § 23 Rn. 5 und 9). Das Gelände des Stadtfriedhofs Q. ist nicht als ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB zu qualifizieren. Vielmehr handelt es sich um Außenbereich i. S. d. § 35 BauGB.

Für die Abgrenzung von Innen- und Außenbereich ist maßgeblich, wie weit sich das Grundstück noch in einem Bebauungszusammenhang befindet, der einem Ortsteil angehört; die Anwendung des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB setzt einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil voraus. Die Tatbestandsmerkmale "im Zusammenhang bebaut" und "Ortsteil" gehen nicht ineinander auf, sondern sind kumulativer Natur. "Ortsteil" im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist jeder Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist. Ein "Bebauungszusammenhang" ist gegeben, soweit die aufeinanderfolgende Bebauung trotz vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.6.2015 - 4 C 5.14 - juris Rn. 11). Maßgeblich hierfür ist die tatsächlich vorhandene Bebauung. Die Gründe für deren Genehmigung sind unerheblich. Es kommt weder auf die Zweckbestimmung noch auf die Entstehungsgeschichte der vorhandenen Bebauung an (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.6.2015, a. a. O., Rn. 14).

"Bebauung" im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist indes nicht jede beliebige bauliche Anlage. Den Bebauungszusammenhang selbst herstellen oder zu seiner Entwicklung beitragen können nur Bauwerke, die optisch wahrnehmbar sind und ein gewisses Gewicht haben, so dass sie geeignet sind, ein Gebiet als einen Ortsteil mit einem bestimmten Charakter zu prägen. Grundsätzlich sind nur Hauptanlagen geeignet, ein Gebiet als einen Ortsteil mit einem bestimmten Charakter zu prägen. Baulichkeiten, die nur vorübergehend genutzt werden oder in einem weiteren Sinne "Nebenanlagen" zu einer landwirtschaftlichen, (klein-) gärtnerischen oder sonstigen Hauptnutzung sind, sind in aller Regel keine Bauten, die für sich genommen ein für die Siedlungsstruktur prägendes Element darstellen. Zu den maßstabsbildenden Gebäuden gehören regelmäßig solche Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.6.2015 - 4 C 5.14 - juris Rn. 15, 20; HambOVG, Urteil vom 12.5.2016 - 1 Bf 118/14 - juris Rn. 193). Maßgeblich bleiben aber die Umstände des Einzelfalls.

Der Bebauungszusammenhang endet regelmäßig am letzten Baukörper. Örtliche Besonderheiten können es im Einzelfall aber ausnahmsweise rechtfertigen, ihm noch bis zu einem Geländehindernis, einer Erhebung oder einem Einschnitt (Damm, Böschung, Fluss, Waldrand o. ä.) ein oder mehrere Grundstücke zuzuordnen, die unbebaut sind oder trotz des Vorhandenseins von Baulichkeiten sonst nicht zur Prägung der Siedlungsstruktur beitragen. Ebenso wie ein Bebauungszusammenhang nicht unmittelbar mit dem letzten Baukörper zu enden braucht, verbietet sich umgekehrt die Annahme, dass notwendigerweise das letzte Grundstück in seinem gesamten Umfang vom Zusammenhang erfasst wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8.10.2015 - 4 B 28.15 - juris Rn. 6). Eine unbebaute Fläche ist - als "Baulücke" - Teil des Bebauungszusammenhangs, wenn sie von der angrenzenden zusammenhängenden Bebauung so stark geprägt wird, dass die Errichtung eines Gebäudes auf dieser Fläche als zwanglose Fortsetzung der vorhandenen Bebauung erscheint (vgl. BayVGH, Beschluss vom 20.10.2022 - 6 CS 22.1804 - juris Rn. 22). Ein Grundstück liegt im Rechtssinne jedoch nicht bereits deshalb innerhalb eines Bebauungszusammenhangs, weil es von Bebauung umgeben ist. Erforderlich ist vielmehr weiter, dass das Grundstück selbst einen Bestandteil dieses Zusammenhangs bildet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12.3.1999 - 4 B 112.98 - juris Rn. 22 m. w. N.). Ein bebautes Grundstück unterbricht regelmäßig nicht den Bebauungszusammenhang, es sei denn, die Bebauung ist im Verhältnis zur Größe des Grundstücks nur von ganz untergeordneter Bedeutung (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.9.1986 - 4 C 15.84 - juris Rn. 13).

Darüber, wo die Grenze des Bebauungszusammenhangs verläuft bzw. wie eng die Aufeinanderfolge von Baulichkeiten sein muss, um sich als zusammenhängende Bebauung darzustellen, ist nicht nach geographisch-mathematischen Maßstäben, sondern aufgrund einer umfassenden, die gesamten örtlichen Gegebenheiten erschöpfend würdigenden Wertung und Bewertung des konkreten Sachverhalts zu entscheiden (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.6.2015 - 4 C 5.14 - juris Rn. 16; Beschlüsse vom 30.8.2019 - 4 B 8.19 - juris Rn. 8 und vom 8.10.2015 - 4 B 28.15 - juris Rn. 5). Es entspricht jedoch einer aus der Erfahrung abzuleitenden Faustformel, dass die wachsende Größe einer unbebauten Fläche als Indiz gegen einen Bebauungszusammenhang spricht (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 30.8.2019, a. a. O., Rn. 9 und vom 12.3.1999 - 4 B 112.98 - juris Rn. 22 m. w. N.). Insoweit nehmen einige Oberverwaltungsgerichte als Faustformel an, dass eine Fläche von zwei bis drei Bauplätzen als Baulücke angesehen werden kann, die den Bebauungszusammenhang nicht unterbricht (vgl. zum Überblick über die Rechtsprechung: BVerwG, Beschluss vom 30.8.2019, a. a. O., Rn. 9).

Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Fläche des Stadtfriedhofs Q. nicht Teil des Bebauungszusammenhangs, sondern stellt eine sog. Außenbereichsinsel im Innenbereich dar. Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass ursprünglich - d. h. vor Aufstellung des Bebauungsplans Nr. U. "Stadtteil Q." vom 3. August 1983 sowie vor Beginn des Ausbaus des I. im Jahr 1989 - sowohl das Friedhofsgelände als auch die das Friedhofsgelände umgebenden Grundstücke allesamt im Außenbereich lagen. Erst sukzessive wurden die das Friedhofsgelände umgebenden Flächen durch Bebauungspläne überplant und rückte die Bebauung an das Friedhofsgelände heran. Trotz des Heranrückens der Bebauung ist das Friedhofsgelände weiterhin als Außenbereich zu klassifizieren. Das Friedhofsgelände wirkt - nach dem Eindruck, den der Senat bei der Inaugenscheinnahme vor Ort gewonnen hat - bereits von der Straße I. aus betrachtet aufgrund des dichten Baumbestandes als Gebiet mit einem anderen Charakter, das mit der Bebauung am I. in keinem Zusammenhang steht. Das 50.186 m2 große Grundstück ist zu einem ganz überwiegenden Teil unbebaut und baumbestanden. Es hat einen parkähnlichen Charakter. Es ist lediglich mit einer Kapelle sowie einem weiteren kleinen Nebengebäude bebaut (vgl. dazu den Plan zur Berechnung vom 16.11.2016 in der Beiakte 001). Diese Bebauung ist im Verhältnis zur Größe des Grundstücks jedoch nur von untergeordneter Bedeutung. Die Baumasse der Kapelle und des kleinen Nebengebäudes ist gering. Die Gebäude dienen zudem ersichtlich nicht dem ständigen Aufenthalt von Menschen und sind damit nicht maßstabsbildend. Vielmehr dienen die Gebäude maßgeblich den Freiflächen des Friedhofs mit den dortigen Gräbern als Hauptnutzung und nicht umgekehrt - wie etwa bei einem Sanatorium - die Freiflächen den Gebäuden und den sich dort aufhaltenden Menschen. Die Gebäude vermitteln auch nicht den Eindruck der Zusammengehörigkeit zu der das Friedhofsgelände umgebenden Bebauung. Sie konzentrieren sich im Wesentlichen an einer Stelle, so dass zumindest die umgebenden Freiflächen den Bebauungszusammenhang unterbrechen. Insoweit spricht insbesondere die Größe des ganz überwiegend unbebauten Grundstücks gegen einen Bebauungszusammenhang. Die Errichtung eines Gebäudes auf dieser Fläche würde sich nicht als zwanglose Fortsetzung der vorhandenen Bebauung darstellen.

5.

Auch die Frage, mit welchem Beitrag die zu berücksichtigenden Grundstücksflächen nach dem Beitragsmaßstab gemäß § 131 Abs. 2 und 3 BauGB i. V. m. der Verteilungsregelung in § 6 EBS zu belasten sind, ist durch die Beklage fehlerfrei beantwortet worden.

Dies gilt insbesondere für die klägerischen Grundstücke I. L. (Flurstücke M., N. und O. der Flur P., Gemarkung Q.) sowie I. (Flurstück S. der Flur P., Gemarkung Q.). Zu Recht hat die Beklagte die jeweilige Grundstücksfläche gemäß § 6 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 4 i. V. m. Abs. 10 Satz 1 EBS mit dem Nutzungsfaktor 1,75 multipliziert. Denn die Grundstücke des Klägers befinden sich im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. U. "Stadtteil Q." vom 3. August 1983. Dieser setzt die Fläche nördlich des I. zwischen der J. -Straße und der Z. -Straße als Gewerbegebiet mit einer höchstzulässigen Zahl der Vollgeschosse von 2 fest. Da durch die Straße I. zwischen der J. -Straße und der K. Straße außer den Grundstücken im beplanten Gewerbegebiet auch andere Grundstücke erschlossen werden, namentlich solche im Mischgebiet und allgemeinen Wohngebiet, ist der in § 6 Abs. 3 Nr. 2 EBS aufgeführte Nutzungsfaktor von 1,25 bei zweigeschossiger Bebaubarkeit gemäß § 6 Abs. 10 Satz 1 EBS um 0,5 zu erhöhen. Der Nutzungsfaktor beträgt daher 1,75.

6.

Die sachlichen Beitragspflichten sind mit der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage I. zwischen der J. -Straße und der K. Straße gemäß § 133 Abs. 2 BauGB mit dem Eingang der letzten Unternehmerrechnung am 12. November 2012 entstanden.

Die endgültige Herstellung im Rechtssinn nach § 133 Abs. 2 BauGB - und damit das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht - setzt sowohl die erschließungs(beitrags)rechtliche (dazu unter a)) als auch die planungsrechtliche (dazu unter b)) rechtmäßige Herstellung der beitragsfähigen Erschließungsanlage voraus (vgl. Senatsurteil vom 30.9.2020 - 9 LC 110/18 - juris Rn. 59 unter Bezug auf BVerwG, Urteil vom 25.2.1994 - 8 C 14.92 - juris Rn. 29 m. w. N.). Danach ist eine beitragsfähige Erschließungsanlage erstmalig hergestellt, wenn sie auf voller Länge nach Maßgabe der Merkmale der endgültigen Herstellung der Erschließungsbeitragssatzung (§ 132 Nr. 4 BauGB) i. V. m. dem Bauprogramm für die flächenmäßigen Teileinrichtungen und dem technischen Ausbauprogramm hergestellt ist, eine gültige Erschließungsbeitragssatzung mit namentlich einer den Anforderungen des § 131 Abs. 2 und 3 BauGB genügenden Verteilungsregelung vorhanden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 1.10.1986 - 8 C 68.85 - juris Rn. 9; Senatsurteil vom 21.5.2019 - 9 LC 110/17 - juris Rn. 59) und die Anlage dem öffentlichen Verkehr gewidmet ist (vgl. Senatsurteil vom 9.8.2016 - 9 LC 29/15 - juris Rn. 34 m. w. N.), ohne dass dabei die Dauer des Zeitraums zwischen der endgültigen Herstellung der Straße und der (nachträglichen) Widmung von Bedeutung ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29.10.1997 - 8 B 194.97 - juris Rn. 4; Driehaus/Raden, a. a. O., § 19 Rn. 38), sowie sie nach Maßgabe des § 125 BauGB rechtmäßig hergestellt worden ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 26.11.2003 - 9 C 2.03 - juris Rn. 20 und vom 30.5.1997 - 8 C 6.95 - juris Rn. 12). Dabei ist unbeachtlich, in welcher Reihenfolge die Voraussetzungen für die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht erfüllt werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.1.2018 - 9 B 10.17 - juris Rn. 5).

a)

Die Erschließungsanlage I. zwischen der J. -Straße und der K. Straße ist erschließungs(beitrags)rechtlich rechtmäßig hergestellt.

Nach § 8 Abs. 1 EBS sind die Erschließungsanlagen nach § 127 Abs. 2 Nr. 1 - 3 BauGB endgültig hergestellt, wenn 1. die Erschließungsanlagen mit Entwässerungs- und Beleuchtungseinrichtungen ausgestattet sind, 2. die Anlagen befestigungstechnisch hergestellt sind und 3. die Flächen der Anlagen im städtischen Eigentum stehen. § 8 Abs. 2 EBS regelt die Anforderungen an die Teileinrichtungen. Ob und ggf. welche Teileinrichtungen Bestandteil der Erschließungsanlage sind, bestimmt das Bauprogramm der Gemeinde. Eine Anbaustraße ist daher - wie bereits ausgeführt - erstmalig endgültig hergestellt, wenn sie erstmals die nach dem satzungsmäßigen Teileinrichtungsprogramm (für die nicht flächenmäßigen Teileinrichtungen) und dem (dieses Teileinrichtungsprogramm bezüglich der flächenmäßigen Teileinrichtungen ergänzenden) Bauprogramm erforderlichen Teileinrichtungen aufweist und diese dem jeweils für sie aufgestellten technischen Ausbauprogramm entsprechen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6.9.2018 - 9 C 5.17 - juris Rn. 55; Urteil vom 10.10.1995 - 8 C 13.94 - juris Rn. 19; Senatsurteil vom 19.2.2020 - 9 LB 132/17 - juris Rn. 120).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

Der I. zwischen der G.-Straße und der K. Straße ist mit Entwässerungseinrichtungen und Beleuchtungseinrichtungen ausgestattet (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 EBS). Der Regenwasserkanal im Bereich der J. -Straße bis zur Z. -Straße wurde im Jahr 1988 hergestellt, der Regenwasserkanal im Bereich AT. g straße bis K. Straße im Jahr 2009. Die Straßenbeleuchtung zwischen der J. -Straße und der K. Straße wurde in den Jahren 1972 bis 1989 hergestellt. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte, dass die Entwässerungs- und die Beleuchtungseinrichtungen nicht den Anforderungen der Satzung und des Ausbauprogramms entsprechen würden.

Die Anlage I. ist auch befestigungstechnisch hergestellt (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 EBS). Nach den Ausbauarbeiten in den Jahren 1989 (J. -Straße bis Z. -Straße) und 2010 bis 2012 (Z. -Straße bis K. Straße) weist die Anlage I. die in dem Bauprogramm der Beklagten aufgeführten flächenmäßigen Teileinrichtungen (Fahrbahn, Parkflächen, Gehwege, Sicherheitsstreifen, Grünanlagen) auf, und diese Teileinrichtungen entsprechen sowohl den in § 8 Abs. 1 Zu 2. EBS genannten satzungsmäßigen Voraussetzungen an eine befestigungstechnische Herstellung als auch dem aufgestellten technischen Ausbauprogramm.

Dies gilt insbesondere auch für die Gehwege. Soweit der 1,16 bis 1,70 m breite sog. Anpassungsstreifen auf der nördlichen Seite des I. zwischen der Z. -Straße und der K. Straße, der in der Sache einem (schmalen) Gehweg vor dem Dauerkleingartengrundstück entspricht (vgl. zu dieser Zweckbestimmung auch den Schriftsatz der Beklagten vom 10.1.2018, S. 2), lediglich eine Befestigung mit Splitt aufweist (vgl. dazu die Ausführungsplanung, Lagepläne 1. BA I. AS. /AA. - RRB, I. AS. /AA. und I. AS. /K. Straße, jeweils vom 4.3.2010, in der Beiakte 001), ist dies nicht zu beanstanden. Zwar sind nach § 8 Abs. 1 Zu 2. b) Halbsatz 1 EBS die Gehwege, die Radwege und die Schrammborde mit einer Breite von über 50 cm befestigungstechnisch in der Regel erst dann hergestellt, wenn sie mit einer bituminösen Decke, einer Pflaster- bzw. Zementbetondecke bzw. einem Plattenbelag befestigt sind. Jedoch kann nach § 8 Abs. 1 Zu 2. b) Halbsatz 2 EBS die Befestigung von Gehwegen vor öffentlichen und privaten Grünflächen im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB außer den bzw. anstelle der vorgenannten Befestigungsarten auch aus einer wassergebundenen Decke bestehen. Wassergebundene Decken sind Deckschichten ohne Bindemittel; der Belag besteht aus einem abgestuften Mineralgemisch gebrochenen Natursteinmaterials, wie Splitt und Schotter (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Wassergebundene_Decke; vgl. dazu auch: Senatsbeschluss vom 31.8.2022 - 9 LA 234/21 - juris Rn. 31). Der Anwendungsfall des § 8 Abs. 1 Zu 2. b) Halbsatz 2 EBS ist vorliegend erfüllt. Die Fläche nördlich des I. zwischen der Z. -Straße und der K. Straße ist durch den Bebauungsplan Nr. AE. "Stadtteil Q." vom 30. Juni 1987 als Grünfläche mit der Bezeichnung "Dauerkleingärten" ausgewiesen. Dies steht in Überstimmung mit § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB, wonach im Bebauungsplan die öffentlichen und privaten Grünflächen, wie z. B. Dauerkleingärten, festgesetzt werden können. In diesem Bereich war daher vorliegend eine Befestigung des Gehwegs mit einer wassergebundenen Decke, hier aus Splitt, ausreichend für eine satzungsgemäße endgültige Herstellung.

Die Flächen der Anlage I. stehen - soweit ersichtlich und von dem Kläger auch nicht bestritten - im städtischen Eigentum (§ 8 Abs. 1 Nr. 3 EBS). Die Straße wurde bereits 1960 durch Aufnahme in das Bestandsverzeichnis der öffentlichen Straßen der Beklagten gewidmet.

b)

Die Erschließungsanlage I. zwischen der J. -Straße und der K. Straße ist auch planungsrechtlich rechtmäßig i. S. v. § 125 BauGB hergestellt.

Zwar bleibt der Ausbau des I. räumlich hinter dem Bebauungsplan Nr. AH. "Stadtteile AI., Q. und AJ." vom 22. Juli 1998 zurück (dazu unter aa)). Dieser Minderausbau berührt aber nicht die Rechtmäßigkeit der Herstellung der Erschließungsanlage (dazu unter bb)).

aa)

Grundsätzlich sind für die rechtmäßige Herstellung einer Erschließungsanlage und damit für die Erhebung von Erschließungsbeiträgen ein gültiger Bebauungsplan sowie eine Übereinstimmung der tatsächlich hergestellten Erschließungsanlage mit den Festsetzungen im Bebauungsplan erforderlich, vgl. § 125 Abs. 1 BauGB (vgl. Senatsurteil vom 23.3.2009 - 9 LB 363/06 - juris Rn. 28). Die vom Bebauungsplan kraft seiner Stellung als Rechtssatz ausgehende Bindung lösen allerdings lediglich die Festsetzungen des Bebauungsplans aus, die dessen Rechtssatzqualität teilen (vgl. § 9 Abs. 1 BauGB). Für die Beurteilung einer Planabweichung maßgeblich können daher nur die nach § 9 Abs. 1 BauGB zulässigen Festsetzungen sein, also vor allem diejenigen hinsichtlich Verlauf und Fläche der Erschließungsanlage (vgl. Nr. 11). Unerheblich bleiben darüber hinausgehende nur nachrichtliche Angaben, z. B. über die Art und Weise des Straßenausbaus (vgl. Senatsurteil vom 23.3.2009 - 9 LB 363/06 - juris Rn. 30).

Der Herstellung der Erschließungsanlage I. zwischen der J. -Straße und der K. Straße liegen gültige Bebauungspläne zugrunde. Zunächst sahen der Bebauungsplan Nr. U. "Stadtteil Q." vom 3. August 1983, der die Straßenverkehrsfläche des I. zwischen der J. -Straße und der Z. -Straße festgesetzt hat, sowie der Bebauungsplan Nr. AE. "Stadtteil Q." vom 30. Juni 1987, der die Straßenverkehrsfläche des I. zwischen der Z. -Straße und der K. Straße festgesetzt hat, eine durchgehende Breite der Straßenverkehrsfläche von (insgesamt) 10,50 m vor. In den Bebauungsplänen sind insoweit die öffentlichen Verkehrsflächen durch Begrenzungslinien festgesetzt. Dabei handelt es sich um eine nach § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB zulässige Festsetzung hinsichtlich der Fläche der Erschließungsanlage. Die weiteren zeichnerischen Darstellungen zur beabsichtigten Aufteilung der Straßenverkehrsfläche haben hingegen lediglich nachrichtliche Qualität; sie sind - ausweislich der Planzeichenerklärung der Bebauungspläne selbst - nicht Gegenstand dieses Rechtssetzungsverfahrens. Mit dem Bebauungsplan Nr. AH. "Stadtteile AI., Q. und AJ." vom 22. Juli 1998 ist sodann die Straßenverkehrsfläche des I. zwischen dem Regenwasserrückhaltebecken (bzw. der öffentlichen Grünverbindung) und der K. Straße durch Begrenzungslinien neu festgesetzt worden. Die Planung sah insoweit eine - Bindung auslösende - Verbreiterung der Straßenverkehrsfläche um ca. 1 m, d. h. auf 11,50 m vor.

Die Erschließungsanlage I. stimmt auf dem Teilstück von der J. -Straße bis zur Hausnummer AN. mit den Festsetzungen der genannten Bebauungspläne überein. Von der nicht nur nachrichtlich, sondern rechtssatzmäßig vorgegebenen Breite der Verkehrsfläche des I. ist bei dessen Herstellung jedoch auf dem rund 125 m langen Teilstück ab der Hausnummer AN. bis zur K. Straße abgewichen worden. Dies ist erkennbar deshalb geschehen, um dem bestehenden Gebäudebestand (Hausnummern AN. und AO.) Rechnung zu tragen. Dort ist entsprechend der Ausführungsplanung der Beklagten (vgl. Lageplan I. AS. /K. Straße vom 4.3.2010 in der Beiakte 001) lediglich eine Straßenverkehrsfläche mit einer Breite von (insgesamt) 8,70 - 8,85 m (bestehend aus 5,50 m Fahrbahn, 1,40 m nördlichem Anpassungsstreifen und 1,80 - 1,95 m südlichem Gehweg) hergestellt worden. Entgegen der Auffassung des Klägers ist der 1,40 m breite nördliche Anpassungsstreifen bei der Ermittlung der Breite der Straßenverkehrsfläche zu berücksichtigen, da es sich hierbei um einen flächenmäßigen Bestandteil der Straße handelt. Der Ausbau des I. bleibt damit in diesem Bereich räumlich - d. h. hinsichtlich der Breite der Straßenverkehrsfläche - um 2,65 - 2,80 m hinter den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. AH. "Stadtteile AI., Q. und AJ." vom 22. Juli 1998 zurück. Es ist weniger Straßenfläche ausgebaut worden als nach dem Bebauungsplan vorgesehen.

bb)

Dieser Minderausbau - Unterschreitung der festgesetzten Breite - berührt aber nicht die Rechtmäßigkeit der Herstellung der Erschließungsanlage.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich der Senat angeschlossen hat, zwingt nicht jede Abweichung von den Festsetzungen eines Bebauungsplans zu der Annahme, dem erschließungsrechtlichen Planerfordernis sei nicht genügt. Vielmehr berühren geringfügige Abweichungen das Planerfordernis nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.11.1989 - 8 C 27/88 - juris Rn. 15; Senatsurteil vom 23.3.2009 - 9 LB 363/06 - juris Rn. 31). Dies entspricht auch der gesetzlichen Regelung in § 125 Abs. 3 BauGB. Nach § 125 Abs. 3 BauGB wird die Rechtmäßigkeit der Herstellung von Erschließungsanlagen durch Abweichungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht berührt, wenn die Abweichungen mit den Grundzügen der Planung vereinbar sind und 1. die Erschließungsanlagen hinter den Festsetzungen zurückbleiben oder 2. die Erschließungsbeitragspflichtigen nicht mehr als bei einer plangemäßen Herstellung belastet werden und die Abweichungen die Nutzung der betroffenen Grundstücke nicht wesentlich beeinträchtigen.

"Mit den Grundzügen der Planung" vereinbar sind Abweichungen, die deshalb von minderem Gewicht sind, weil sie nur den - gleichsam formalen - Festsetzungsinhalt treffen, nicht hingegen auch das, was an Planungskonzeption diese Festsetzung trägt und damit den für sie wesentlichen Gehalt bestimmt. Solche Abweichungen von minderem Gewicht sollen die Rechtmäßigkeit der Herstellung einer Erschließungsanlage nicht beseitigen. Ob eine Abweichung die Grundzüge der Planung berührt oder von minderem Gewicht ist, beurteilt sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls, nämlich dem im Bebauungsplan zum Ausdruck gebrachten planerischen Wollen. Bezogen auf dieses Wollen darf der Abweichung vom Planinhalt keine derartige Bedeutung zukommen, dass die angestrebte und im Plan zum Ausdruck gebrachte städtebauliche Ordnung in beachtlicher Weise beeinträchtigt wird. Die Abweichung muss - soll sie mit den Grundzügen der Planung vereinbar sein - durch das planerische Wollen gedeckt sein; es muss angenommen werden können, die Abweichung liege noch im Bereich dessen, was der Planende gewollt hat oder gewollt hätte, wenn er die weitere Entwicklung einschließlich des Grundes für die Abweichung gekannt hätte (vgl. BVerwG, Urteile vom 29.1.2009 - 4 C 16.07 - juris Rn. 23 und vom 9.3.1990 - 8 C 76.88 - juris Rn. 19).

Zudem ist zu beachten, dass das in § 125 Abs. 1 BauGB angesprochene erschließungsrechtliche Planerfordernis keine zentimetergenaue Einhaltung der Festsetzungen des Bebauungsplans verlangt. Mit ihm wird lediglich eine "Grobabstimmung" angestrebt. Der Gesetzgeber hat mit dem erschließungsrechtlichen Planerfordernis sicherstellen wollen, dass insbesondere die Anbaustraßen in Übereinstimmung mit der übrigen städtebaulichen Struktur der Gemeinde angelegt werden. Die Rechtmäßigkeit einer Straßenherstellung scheitert daher weder, wenn im Einzelfall die durch den Plan für diese Herstellung vorgesehene Fläche tatsächlich nicht in vollem Umfang in Anspruch genommen worden ist, noch wenn nicht alle Teile dieser Fläche so ausgebaut worden sind, wie es seinerzeit geplant war (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.5.1997 - 8 C 6.96 - juris Rn. 13 m. w. N.).

Dies zugrunde gelegt, ist der vorliegende Minderausbau durch das Zurückbleiben des Ausbaus des I. hinter den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. AH. "Stadtteile AI., Q. und AJ." vom 22. Juli 1998 in dem Teilstück ab der Hausnummer AN. bis zur K. Straße durch § 125 Abs. 3 Nr. 1 BauGB gedeckt. Die Abweichung ist mit den Grundzügen der Planung vereinbar. Der Ausbau des I. in dem Teilstück ab der Hausnummer AN. bis zur K. Straße bleibt im Ergebnis nur hinter dem formalen Festsetzungsinhalt des Bebauungsplans Nr. AH. "Stadtteile AI., Q. und AJ." vom 22. Juli 1998 zurück. Die durch die städtebauliche Planung gewollte Funktion der Erschließung der südlich angrenzenden Wohngrundstücke und der nördlich angrenzenden Dauerkleingärten ist jedoch weiterhin erfüllt. Die Abweichung ist - wie auch die interne Stellungnahme des Fachbereichs Planen und Stadtentwicklung der Beklagten vom 19. Januar 2017 (vgl. Blatt 45 der Gerichtsakte) zeigt - durch das planerische Wollen gedeckt. Ein die Abweichung billigender Beschluss des Rates war hierfür nicht erforderlich (vgl. Senatsurteil vom 22.1.1997 - 9 L 4721/95 - juris Rn. 33).

Der Minderausbau des I. verringert auf einem etwa 125 m langen Teilstück der insgesamt 870 m langen Erschließungsanlage die im Bebauungsplan festgesetzte Breite der Straßenverkehrsfläche von 11,50 m auf 8,70 - 8,85 m. Diese Reduzierung in der Breite hindert jedoch nicht die Funktion der Anlage im betroffenen Bereich, die insbesondere darauf ausgerichtet ist, einen Zugang und eine Zufahrt zu den nördlich befindlichen Dauerkleingärten und der südlichen Wohnbebauung zu schaffen. Eine den daraus erwachsenden Anforderungen gerecht werdende Zuwegung ist auch bei einer Straßenverkehrsfläche gegeben, die insgesamt auf 8,70 - 8,85 m verringert ist (vgl. VGH BW, Urteil vom 29.10.2019 - 2 S 465/18 - juris Rn. 106, wonach eine Straßenbreite von 8 m für den Anwohnerverkehr ausreicht). Mit der beschriebenen Abweichung ist insbesondere keine nennenswerte Beeinträchtigung der Belange der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs verbunden (vgl. zu diesem Aspekt: OVG NRW, Urteil vom 20.4.2021 - 15 A 4037/19 - juris Rn. 72 m. w. N.). Es verbleibt für die Fahrbahn noch eine Breite von 5,50 m. Diese Ausbaubreite erlaubt bei geringer Geschwindigkeit einen Begegnungsverkehr und genügt dem Planziel, die Anliegergrundstücke zu erschließen (vgl. zu einer Fahrbahnbreite von 5,50 m: VGH BW, Urteil vom 19.11.1992 - 2 S 1908/90 - juris Rn. 23). Der Entfall von Parkflächen oder Parkständen in diesem Bereich vermag keine wesentlichen Beeinträchtigungen hervorzurufen. Auch der Fußgängerverkehr wird durch die Planunterschreitung nicht beeinträchtigt. Durch die Anliegerstraße I. werden in dem Bereich des Minderausbaus Wohngrundstücke auf der südlichen Straßenseite erschlossen. Es befindet sich dort auf der südlichen Straßenseite ein Gehweg, der mit einer Breite von 1,80 - 1,95 m den Bedürfnissen des Fußgängerverkehrs genügt.

Die vorliegende Verringerung der Breite der Straßenverkehrsfläche liegt auch in dem Bereich, der von der Rechtsprechung noch als mit den Grundzügen der Planung vereinbar angesehen wurde. So kann etwa nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg ein Minderausbau in einer Straßenbreite von 5,50 m bei einer festgesetzten Straßenbreite von 6,25 m bis 7,50 m noch mit den Grundzügen der Planung vereinbar sein (vgl. VGH BW, Urteil vom 19.11.1992 - 2 S 1908/90 - juris Rn. 23). Werde demgegenüber eine Straße, verglichen mit den Festsetzungen des Bebauungsplanes, nur in halber Breite ausgebaut, sei diese Planabweichung im Allgemeinen nicht mehr mit den Grundzügen der Planung vereinbar (vgl. VGH BW, Urteil vom 20.3.2015 - 2 S 1327/14 - juris Rn. 41 m. w. N.). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat die planunterschreitende Herstellung einer insgesamt ca. 185 m langen Anlage auf einem 35 m langen Teilstück in einer Breite von ca. 3,80 m statt 7 m als mit den Grundzügen der Planung vereinbar angesehen (vgl. BayVGH, Beschluss vom 23.11.2020 - 6 ZB 20.2263 - juris Rn. 8).

7.

Im maßgeblichen Zeitpunkt der Bekanntgabe der Beitragsbescheide der Beklagten vom 19. Dezember 2016 war keine Festsetzungsverjährung eingetreten.

Gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 4 b) NKAG i. V. m. § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO beträgt die Frist für die Festsetzung des hier streitgegenständlichen Erschließungsbeitrags vier Jahre. Gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 4 b) NKAG i. V. m. § 170 Abs. 1 AO beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beitragspflicht entstanden ist. Die Beitragspflicht entsteht gemäß § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB - wie bereits dargelegt (vgl. dazu unter 6.) - mit der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage.

Dies zugrunde gelegt, begann die Festsetzungsfrist vorliegend mit Ablauf des Jahres 2012 zu laufen und endete danach mit Ablauf des Jahres 2016. Die am 19. Dezember 2016 erlassenen und noch vor Jahresende bekannt gemachten Beitragsbescheide der Beklagten sind danach noch vor Ablauf der Festsetzungsverjährungsfrist ergangen.

8.

Die Beitragserhebung verstößt auch nicht gegen das rechtsstaatliche Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit (dazu unter a)), welches in Niedersachsen durch § 11 Abs. 3 Nr. 1 NKAG konkretisiert wurde (dazu unter b)).

a)

Das Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit schützt davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 3.11.2021 - 1 BvL 1/19 - juris Rn. 61 und vom 5.3.2013 - 1 BvR 2457/08 - juris Rn. 41). Für die Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, ist der Gesetzgeber daher verpflichtet, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherzustellen, dass Beiträge nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Die Legitimation von Beiträgen liegt - unabhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung ihres Wirksamwerdens - in der Abgeltung eines Vorteils, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen ist. Je weiter dieser Zeitpunkt bei der Beitragserhebung zurückliegt, desto mehr verflüchtigt sich die Legitimation zur Erhebung solcher Beiträge. Zwar können dabei die Vorteile auch in der Zukunft weiter fortwirken und tragen nicht zuletzt deshalb eine Beitragserhebung auch noch relativ lange Zeit nach Anschluss an die entsprechende Einrichtung. Jedoch verliert der Zeitpunkt des Anschlusses, zu dem der Vorteil, um dessen einmalige Abgeltung es geht, dem Beitragspflichtigen zugewendet wurde, deshalb nicht völlig an Bedeutung. Der Bürger würde sonst hinsichtlich eines immer weiter in die Vergangenheit rückenden Vorgangs dauerhaft im Unklaren gelassen, ob er noch mit Belastungen rechnen muss. Dies ist ihm im Lauf der Zeit immer weniger zumutbar. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet vielmehr, dass Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen können, ob und in welchem Umfang sie die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen müssen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 3.11.2021, a. a. O., Rn. 62 und vom 5.3.2013, a. a. O., Rn. 45).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist es Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei steht ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet es dem Gesetzgeber jedoch, die berechtigten Interessen des Bürgers völlig unberücksichtigt zu lassen und ganz von einer Regelung abzusehen, die der Erhebung der Abgabe eine bestimmte auf den Eintritt der Vorteilslage bezogene zeitliche Grenze setzt (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 3.11.2021 - 1 BvL 1/19 - juris Rn. 63 und vom 5.3.2013 - 1 BvR 2457/08 - juris Rn. 46).

Diese Grundsätze gelten nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 3. November 2021 (- 1 BvL 1/19 - juris Rn. 65 f.) auch für das Erschließungsbeitragsrecht. Dabei knüpft das Bundesverfassungsgericht mit seiner Forderung nach einer zeitlichen Begrenzung der Heranziehung des Bürgers zu Abgaben zum Vorteilsausgleich an den Eintritt der tatsächlichen Vorteilslage an. Der Zeitpunkt, in dem der abzugeltende Vorteil entsteht, muss für die Betroffenen unter Zugrundelegung eines objektiven Empfängerhorizonts erkennbar sein (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3.11.2021, a. a. O., Rn. 69). Der Begriff der Vorteilslage muss deshalb an rein tatsächliche, für den möglichen Beitragsschuldner erkennbare Gegebenheiten anknüpfen und rechtliche Entstehungsvoraussetzungen für die Beitragsschuld außen vor lassen. In Ansehung dieser Vorgaben obliegt die nähere Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunkts des Eintritts der tatsächlichen Vorteilslage nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Einzelfall vorrangig den Fachgerichten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3.11.2021, a. a. O., Rn. 69), denen insoweit im Rahmen der grundgesetzlichen Bindungen ein Spielraum zukommt, der in verfassungsrechtlicher Hinsicht nur eingeschränkt überprüfbar ist.

b)

Die zum 1. April 2017 in Kraft getretene landesrechtliche Regelung des § 11 Abs. 3 Nr. 1 NKAG konkretisiert diesen Spielraum in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise (vgl. dazu im Einzelnen: Senatsurteil vom 30.9.2020 - 9 LC 110/18 - juris Rn. 66 ff.). Danach gilt § 169 AO (Festsetzungsfrist) mit der Maßgabe, dass die Festsetzung eines Beitrags außer in den Fällen des § 169 Abs. 1 Satz 1 AO auch dann nicht mehr zulässig ist, wenn das Entstehen der Vorteilslage mindestens 20 Jahre zurückliegt.

aa)

Die Vorschrift ist auf den vorliegenden Fall anwendbar. Zwar ist die Vorschrift erst zum 1. April 2017 in das NKAG eingefügt worden, während die hier streitgegenständlichen Bescheide bereits am 19. Dezember 2016 erlassen worden sind. Die Vorschrift findet jedoch auch auf nicht bestandskräftige Beitragsbescheide Anwendung, die - wie hier - vor Inkrafttreten der Bestimmung erlassen wurden, so dass dadurch das ursprüngliche Versäumnis des Landesgesetzgebers, zeitnah auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 (- 1 BvR 2457/08 - juris) eine verfassungsgemäße, dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit genügende Regelung zu schaffen, behoben wurde (vgl. dazu im Einzelnen: Senatsurteil vom 30.9.2020 - 9 LC 110/18 - juris Rn. 85 ff.).

bb)

Die Voraussetzungen des § 11 Abs. 3 Nr. 1 NKAG sind vorliegend aber nicht erfüllt, so dass die Festsetzung des Erschließungsbeitrags mit Bescheiden vom 19. Dezember 2016 nicht ausgeschlossen war. Das Entstehen der Vorteilslage lag im Zeitpunkt der Festsetzung des Erschließungsbeitrags nicht mindestens 20 Jahre zurück.

Für das Entstehen der Vorteilslage kommt es - nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats - auf die tatsächliche bautechnische Durchführung der jeweiligen Erschließungsanlage an, nicht jedoch darauf, ob darüber hinaus auch die weiteren, für den Betroffenen nicht erkennbaren rechtlichen Voraussetzungen für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht vorliegen. Erforderlich ist das Erschlossensein des Grundstücks durch eine insgesamt betriebsfertige Einrichtung. Beurteilungsmaßstab ist die konkrete Planung der Gemeinde für die jeweilige Anlage. Entscheidend ist, ob diese sowohl im räumlichen Umfang als auch in der bautechnischen Ausführung nur provisorisch hergestellt oder schon endgültig technisch fertiggestellt ist, d. h. dem gemeindlichen Bauprogramm für die flächenmäßigen und sonstigen Teileinrichtungen sowie dem technischen Ausbauprogramm vollständig entspricht. Soweit die Entstehung der Beitragspflicht gemäß § 133 Abs. 2 BauGB darüber hinaus die Widmung der Straße oder die Wirksamkeit der Beitragssatzung erfordert, wirkt sich dies indes nicht auf den Eintritt der Vorteilslage aus. Ungeachtet der fehlenden Erkennbarkeit jedenfalls der Wirksamkeit der Satzung könnten andernfalls die Erlangung des Vorteils und die Entstehung der Beitragspflicht zeitlich unbegrenzt zusammenfallen. Das Gebot der Belastungsklarheit und vorhersehbarkeit liefe dann leer (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12.12.2019 - 9 B 53.18 - juris Rn. 7 und Vorlagebeschluss vom 6.9.2018 - 9 C 5.17 - juris Rn. 55; Senatsurteil vom 30.9.2020 - 9 LC 110/18 - juris Rn. 91 ff.; VGH BW, Urteil vom 10.11.2022 - 2 S 595/22 - juris Rn. 81).

Diese fachgerichtliche Rechtsprechung konkretisiert ausweislich des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 3. November 2021 (- 1 BvL 1/19 - juris Rn. 71 ff.) die Anforderungen an die Entstehung der erschließungsrechtlichen Vorteilslage aus der Perspektive des Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise.

Für den Zeitpunkt des Entstehens der Vorteilslage ist daher nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats regelmäßig auf die Abnahme der Baumaßnahmen abzustellen. Denn diese bestätigt den mit der tatsächlichen Durchführung der Erschließungsmaßnahme beauftragten Unternehmen gegenüber, dass die erstmalige Herstellung sowohl im räumlichen Umfang als auch in der bautechnischen Ausführung dem gemeindlichen Bauprogramm für die flächenmäßigen und sonstigen Teileinrichtungen sowie dem technischen Ausbauprogramm vollständig entspricht (vgl. Senatsurteil vom 30.9.2020 - 9 LC 110/18 - juris Rn. 101).

Schließlich hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 3. November 2021 (- 1 BvL 1/19 - juris Rn. 75) im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Beschluss vom 6.9.2018 - 9 C 5.17 - juris Rn. 56) ausdrücklich betont, dass allein das individuelle Erschlossensein des veranlagten Grundstücks durch eine auf seiner Höhe technisch fertiggestellte Erschließungsanlage für den Eintritt der Vorteilslage nicht genüge, sondern für die Frage der endgültigen technischen Herstellung der Erschließungsanlage "auf die Fertigstellung der Anlage in ihrer gesamten Länge" abzustellen sei. Unter dem Begriff der (Erschließungs-)Anlage ist auch in diesem Zusammenhang die Erschließungsanlage im Sinne des gesetzlich geregelten Ermittlungsraums zu verstehen. Die Vorteilslage tritt also nicht bereits dann ein, wenn lediglich eine von der Gemeinde geplante Teilstrecke einer einheitlichen Erschließungsanlage fertiggestellt ist, ohne dass diese im Wege der Abschnittsbildung verselbständigt wurde (vgl. VGH BW, Urteil vom 10.11.2022 - 2 S 595/22 - juris Rn. 82).

Ausgehend hiervon ist die Vorteilslage im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 1 NKAG nicht schon aufgrund des 1989 erfolgten Ausbaus des I. von der J. -Straße bis zur Z. -Straße eingetreten. Wie der Senat bereits ausgeführt hat, handelte es sich bei dem im Jahr 1989 fertiggestellten Teilstück des I. zwischen der J. -Straße und der Z. -Straße nicht um eine endgültig hergestellte selbständige Erschließungsanlage. Die Vorteilslage für die gesamte selbständige Erschließungsanlage I. zwischen der J. -Straße und der K. Straße ist erst im Jahr 2012 eingetreten.

9.

Der Rechtmäßigkeit der Beitragsbescheide kann der Kläger auch nicht den Einwand der Verwirkung entgegenhalten.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erfordert Verwirkung nicht nur, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts längere Zeit verstrichen ist. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen (vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 17.8.2011 - 3 B 36.11 - juris Rn. 5 m. w. N.). Diese Voraussetzung ist selbst in den Fällen der Beitragserhebung nach scheinbarem Ablauf der Festsetzungsfrist regelmäßig nicht erfüllt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5.3.2013 - 1 BvR 2457/08 - juris Rn. 48).

Der Kläger kann sich vorliegend bereits deshalb nicht auf den Einwand der Verwirkung berufen, weil seit der Möglichkeit der Geltendmachung des Erschließungsbeitragsanspruchs durch die Beklagte keine längere Zeit verstrichen ist. Wie bereits ausgeführt, ist die sachliche Beitragspflicht für die Erschließungsanlage I. zwischen der J. -Straße und der Z. -Straße erst im Jahr 2012 entstanden (vgl. dazu unter 6.). Die Beklagte hat die Beitragsbescheide innerhalb der vierjährigen Festsetzungsverjährungsfrist erlassen (vgl. dazu unter 7.), so dass keine verspätete Geltendmachung vorliegt. Unabhängig davon sind vorliegend keine besonderen Umstände erkennbar, die die Geltendmachung des Erschließungsbeitragsanspruchs als treuwidrig erscheinen ließen. Vor dem Hintergrund der - hier jedoch nicht einschlägigen - Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den zeitlichen Dimensionen der natürlichen Betrachtungsweise (dazu unter 2. c)) sowie der - hier ebenfalls nicht einschlägigen - Ausschlussfrist des § 11 Abs. 3 Nr. 1 NKAG (dazu unter 8. b)) erscheint daneben kein Raum für eine Verwirkung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.