Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 30.05.2024, Az.: 1 B 1230/24
Fraktionsausschluss; Gestörtes Vertrauensverhältnis; Rat der Stadt Hannover; strafrechtliche Ermittlungen; Vorwegnahme der Hauptsache; Einstweiliger Rechtsschutz gegen Fraktionsausschluss
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 30.05.2024
- Aktenzeichen
- 1 B 1230/24
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2024, 16226
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGHANNO:2024:0530.1B1230.24.00
Rechtsgrundlagen
- NkomVG § 57
- VwGO § 123
Amtlicher Leitsatz
Eine nachhaltige Störung des Vertrauensverhältnisses kann für sich genommen bereits einen Fraktionsausschluss aus wichtigem Grund tragen, ohne dass es der Feststellung eines strafrechtlich relevanten Verhaltens bedarf (siehe bereits Beschl. d. Kammer v. vom 7.2.24 - 1 B 5718/23 und 1 B 5632/23)
Tenor:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege einstweiligen Rechtschutzes gegen seinen Ausschluss aus der Antragsgegnerin, einer Fraktion aus ursprünglich 13 Mitgliedern im Rat der Stadt A-Stadt.
Der Antragsteller ist Mitglied der Jungen Union A-Stadt-Stadt und im September 2023 in den Rat der Stadt A-Stadt nachgerückt. Seitdem ist er Mitglied der Antragsgegnerin und wurde von dieser in verschiedene Ausschüsse entsandt. Der Antragsteller ist zudem Mitglied im Stadtbezirksrat Herrenhausen-Stöcken; dort war er Mitglied der CDU-Stadtbezirksfraktion und als stellvertretender Bezirksbürgermeister gewählt.
Am 30. September 2023 veranstaltete der Kreisverband der Jungen Union A-Stadt-Land eine Mitgliederversammlung und anschließend zusammen mit dem Kreisverband A-Stadt-Stadt ein "Hoffest". Im Rahmen dieses Festes trank der Antragsteller Alkohol und unterhielt sich längere Zeit mit einem weiblichen 16-jährigen Mitglied der Jungen Union. Der Antragsteller habe nach Aussage eines anderen Parteimitglieds das Haar der 16-Jährigen angefasst und diese ohne deren Einverständnis von hinten am Gesäß berührt. Der Tatvorwurf gegenüber dem Antragsteller ist strittig und nach Strafanzeige durch die 16-Jährige auch Gegenstand polizeilicher Ermittlungen. Der Antragsteller schrieb abends um 20:17 Uhr über die Plattform "Instagram" an die 16-Jährige zunächst nur "Hallo Du alte Schachtel" und um 22:30 Uhr: "Ok ich würde Treffen vorschlagen aber Du bist schon ziemlich alte Schrulle. Also entweder Du schreibt mir Whattsapp oder Du vergammelst Wo Du bist. Kokekt gemeint LG (P.S. bei unseren Altersunterschied musst Du den nächsten Schritt machen.)".
In der Fraktionssitzung am 10. Oktober 2023 wurden die strafrechtlichen Vorwürfe gegen den Antragsteller in dessen Anwesenheit das erste Mal diskutiert und das weitere Vorgehen erörtert. Die Mitglieder der Antragsgegnerin wurden sodann mit E-Mail vom 23. Oktober 2023 zur Fraktionssitzung am 26. Oktober 2023 geladen. Mit der Einladung wurde eine Beschlussvorlage des Fraktionsvorsitzenden vom 21. Oktober 2023 versandt, in der die Geschehnisse geschildert werden. Im Rahmen der Fraktionssitzung am 26. Oktober 2023 beschloss die Antragsgegnerin gegen die Stimme des Antragstellers, ihn mit sofortiger Wirkung aus den ihm zugewiesenen Ausschüssen abzuberufen und aus der CDU-Fraktion im Rat der Landeshauptstadt auszuschließen.
Im November 2023 berief die Antragsgegnerin den Antragsteller aus den Ausschüssen des Rates ab. Auch im Stadtbezirksrat wurde der Antragsteller aus der Fraktion ausgeschlossen und ein neuer stellvertretender Bezirksbürgermeister gewählt.
Auf den Antrag des Antragstellers vom 24. November 2023 hat das beschließende Gericht die Antragsgegnerin mit Beschluss vom 7. Februar 2024 dazu verpflichtet, dem Antragsteller bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache sämtliche Befugnisse als Mitglied der Antragsgegnerin zu belassen, weil der Fraktionsausschluss in formeller Hinsicht wegen eines Verstoßes gegen eine wesentliche Verfahrensvorschrift rechtswidrig war, da zwischen der Ladung zur Fraktionssitzung und der Durchführung der Fraktionssitzung keine drei Tage lagen, wie es § 14 Nr. 3 Satz 3 der Geschäftsordnung der Antragsgegnerin für Ordnungsmaßnahmen ausdrücklich vorsieht (Beschl. d. Kammer v. 7.2.2024 - 1 B 5632/23 -, juris). Ebenfalls mit Beschluss der Kammer vom 7. Februar 2024 (- 1 B 5718/23 -, juris) hat das beschließende Gericht den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz des Antragstellers gegen den Ausschluss aus dem Stadtbezirksrat Herrenhausen-Stöcken abgelehnt. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Fraktionsausschluss weder an formellen noch an materiellen Fehlern leidet. Insbesondere lag ein "wichtiger Grund" für den Ausschluss aus der Fraktion vor, den die Fraktion willkürfrei beschlossen und dabei den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt hatte. Die nachhaltige Störung des Vertrauensverhältnisses wegen des Verhaltens des Antragstellers im Anschluss an die Vorwürfe eines sexuellen Übergriffs gegenüber einer Minderjährigen reichte als wichtiger Grund für den Fraktionsausschluss aus. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers vom 22. Februar 2024 hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 19. April 2024 (- 10 ME 62/24 -, juris) zurückgewiesen. Auch nach Ansicht des Senats stelle sich der Fraktionsausschluss mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als rechtmäßig dar. Ein "wichtiger Grund" für einen Fraktionsausschluss könne auch darin bestehen, dass ein Fraktionsmitglied durch sein (auch rats- oder fraktionsexternes) Verhalten das Ansehen der Fraktion in der Öffentlichkeit nachhaltig schädige und die Außenwirkung der Fraktion und deren Wirkungsmöglichkeit damit beeinträchtige. Auch eine Verletzung des Willkürverbots und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit sei nicht festzustellen. Die Klagen des Antragstellers gegen die Fraktionsausschlüsse der Antragsgegnerin (1 A 5736/23 und 1 A 5717/23) sind derzeit noch am beschließenden Gericht anhängig.
Der Fraktionsvorstand lud die Fraktion zur Fraktionssitzung und der erneuten Entscheidung über den Fraktionsausschluss ein. Die Beschlussvorlage des Fraktionsvorsitzenden vom 12. Februar 2024 sieht für die Fraktionssitzung folgende Beschlüsse vor:
"Die Fraktion stellt zunächst fest, dass
das Vertrauensverhältnis zwischen Ratsherrn A. und der Fraktion so nachhaltig gestört ist, dass eine weitere Zusammenarbeit aus ihrer Sicht unmöglich ist;
das Verhalten Ratsherrn A.s einer Frau gegenüber, zumal einer Minderjährigen, inakzeptabel, mit den Werten der CDU und den von ihm bekleideten Ämtern und Mandaten nicht vereinbar und daher geeignet ist, der Fraktion einen erheblichen Reputationsschaden in der Öffentlichkeit zuzufügen.
Die Fraktion beschließt, mit sofortiger Wirkung:
1. der Beschluss der CDU-Ratsfraktion A-Stadt vom 26. Oktober 2023 wird in Punkt 2 (Ausschluss von Ratsherrn A. aus der Fraktion) aufgehoben,
2. Ratsherr A. wird gemäß § 14 Abs. 2 c) und Abs. 3 der Geschäftsordnung der Ratsfraktion aus der CDU-Fraktion im Rat der Landeshauptstadt A-Stadt ausgeschlossen."
Der Fraktionsvorsitzende führt in der Beschlussvorlage zur Begründung aus, dass er nach Kenntnis der Vorwürfe mehrfach das Gespräch mit dem Antragsteller gesucht habe, um ihn zunächst zum Sachverhalt zu hören, ihm die Folgen eines Festhaltens an Amt und Mandat und einer öffentlichen Diskussion vor Augen zu führen und ihm einen gesichtswahrenden Rücktritt zu ermöglichen, um somit Schaden von ihm, der Partei und der Fraktion abzuwenden. Im Verlaufe dieser Gespräche habe der Antragsteller sich in Widersprüche verstrickt und sein Verhalten bagatellisiert. Hieraus hätten sich Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit ergeben. Der Fraktionsvorstand sei in seiner Sitzung am 10. Oktober 2023 zu der Auffassung gelangt, dass die Übergriffigkeit gegenüber einer Minderjährigen und die Strafanzeige einen erheblichen Reputationsschaden für die Fraktion bedeute. Durch die bisherigen Einlassungen sei das zwingend erforderliche Vertrauensverhältnis gestört. Der Vorstand habe den Antragsteller zum Verzicht auf seine kommunalpolitischen Ämter und Mandate aufgefordert. In der Fraktionssitzung am 10. Oktober 2023 habe der Antragsteller die Möglichkeit gehabt, sich zu erklären. Er habe dabei jedoch zum eigentlichen Sachverhalt keine Angaben gemacht, sondern die Fraktion und die Fraktionsspitze in herabsetzender Weise angegriffen und das Vorgehen als "anarchistisch" bezeichnet. Verschiedene Ratsmitglieder hätten den Antragsteller zum Einlenken bewegen wollen. Anschließend seien ihm die möglichen Ordnungsmaßnahmen vor Augen geführt und der Ausschluss aus der Fraktion in der nächsten Sitzung angedroht worden. Anschließend habe auch der Generalsekretär der CDU in Niedersachsen das Gespräch gesucht. In der Fraktionssitzung am 26. Oktober 2023 habe der Antragsteller das Geschehen bestritten. Nach Ansicht des Antragstellers habe es keine ungebührlichen Berührungen gegeben, zumal ihn die Betroffene selbst über ihr Alter im Unklaren gelassen habe und ihn in der Folge, da sie für den Ausschank zuständig gewesen sei, großzügig mit Aperol Spritz versorgt habe. Nach Angaben des Fraktionsvorsitzenden hätten sich im Anschluss andere Fraktionsmitglieder zu Wort gemeldet und alle ihr Unverständnis über das Verhalten geäußert. Schon der offenbar starke Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit sei für einen Ratsherrn nicht tolerabel; sich dann einem Mädchen aufzudrängen und dieses nach Abweisung, so scheine es, auch noch zu beleidigen, sei untragbar. Für eine weitere Zusammenarbeit mangele es am nötigen Vertrauen. Zwecks Heilung des Formmangels hinsichtlich der Ladungsfrist sei nun erneut über den Ausschluss des Antragstellers aus der Fraktion zu beschließen.
In der Fraktionssitzung am 20. Februar 2024 beschlossen die anwesenden Fraktionsmitglieder sodann auf der Grundlage des Beschlussvorschlags vom 12. Februar 2024 gegen die Stimme des Antragsstellers erneut mit 11 Ja-Stimmen unter anderem den Ausschluss aus der Fraktion. Laut Protokoll vom 20. Februar 2024 habe der Fraktionsvorsitzende zuvor den Hintergrund des Antrags erklärt. Die Begründung und der Sachverhalt für den Fraktionsausschluss habe sich demnach nicht geändert. Der Antragsteller habe die Möglichkeit, sich vorab schriftlich zu äußern, nicht wahrgenommen. Laut Protokoll habe der Antragsteller im Rahmen der Fraktionssitzung seine Sicht der Ereignisse auf dem Hoffest und der danach stattgefundenen Ereignisse erläutert. Der Fraktionsvorsitzende habe anschließend darauf hingewiesen, dass der Ausschluss aufgrund eines Verhaltens, das nicht akzeptabel sei, erfolgt sei und habe seinem Bedauern Ausdruck gegeben, dass der Antragsteller keinerlei Entschuldigung oder Reue wegen seines Verhaltens zeige.
Der Antragsteller hat am 20. März 2024 um einstweiligen Rechtschutz nachgesucht und mit Schreiben vom selben Tag Klage erhoben, über die noch nicht entschieden worden ist (1 A 1228/24). Mit der Klage begehrt der Antragsteller die Feststellung der Nichtigkeit der Beschlüsse der Antragsgegnerin und weiter hilfsweise die Feststellung, dass der Antragsteller über den 20. Februar 2024 hinaus Mitglied der Antragsgegnerin ist.
Zur Begründung des Antrags auf einstweiligen Rechtschutz macht er geltend, dass der Fraktionsausschluss unverhältnismäßig sei. Die Antragsgegnerin habe bereits außer Acht gelassen, dass ein etwaiges Ermittlungsverfahren noch nicht abgeschlossen sei, und somit noch keine ausreichenden Kenntnisse vorlägen, die zu einem endgültigen Ergebnis führten. Damit habe die Antragsgegnerin insbesondere die Unschuldsvermutung offensichtlich und in eklatanter Weise ignoriert. Zudem sei kein wichtiger Grund mehr erkennbar, der den Ausschluss rechtfertigen könnte. Der wichtige Grund sei "im Sande" verlaufen. Die Antragsgegnerin habe die Entscheidung erst jetzt getroffen, obwohl ihr die Tatsachen bereits seit Oktober 2023 bekannt gewesen seien. Wo nunmehr neue, gewichtige Gründe für einen Ausschluss erkennbar sein sollten, könne die Antragsgegnerin nicht darlegen. Dies schon allein deshalb nicht, weil der Antragsteller nicht mehr in der Fraktion Mitglied sei. Wenn die Antragsgegnerin bei ihrer ersten Beschlussfassung rechtswidrig gehandelt habe, dann liege dieser Fehler einzig in ihrer Sphäre. Für eine Wiederholung der Abstimmung über den Ausschluss mehr als vier Monate nach der Kenntnis des relevanten Vorfalls bestehe kein (weiterer) Grund. Sie habe nicht unbegrenzt Zeit, um ihre (fehlerhaften) Beschlüsse aufgrund desselben Sachverhalts unbegrenzt oft zu wiederholen. Im Arbeitsrecht sei eine außerordentliche Kündigung auch nur binnen zwei Wochen möglich. Erkläre der Arbeitgeber diese fehlerhaft, sei die Kündigungserklärungsfrist abgelaufen und die Kündigung verfristet. Vorsorglich werde bestritten, dass "die Verfahrensvorschriften (welche?) eingehalten" seien, das Vertrauensverhältnis nachhaltig gestört sei und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht zu erwarten sei. Falsch sei zudem, dass ihm mehrere Belästigungen vorgeworfen würden. Auch die Korrespondenz über die sozialen Medien lasse offen, wo das Vertrauensverhältnis gestört sei, da die Betroffene nicht Mitglied der Antragsgegnerin sei. Wenn sich "die Antragsgegnerin auf einen respektvollen Umgang als relevantes Kriterium für den Ausschluss eines Mitgliedes aus der Fraktion bezieh[e], dann dürfte die Fraktion im Rat der Stadt schon lange nicht mehr existieren." Eine gerichtliche Entscheidung sei dringend geboten, um die Möglichkeiten der Fraktionsarbeit und die Einflussmöglichkeiten in der Gemeinde zu erhalten. Er legt eine eidesstattliche Versicherung vom 28. November 2023 vor, in der er angibt, die 16-Jährige mit dem Zeigefinger seitlich an die Hinterseite ihrer Hüfte, kurz unter ihrem Gürtel, gepikst zu haben, um deren Aufmerksamkeit zu erhalten. Die 16-Jährige habe nicht reagiert und später geäußert, dass sie den Pikser nicht gemerkt habe.
Der Antragsteller beantragt,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, dem Antragsteller sämtliche Befugnisse als Mitglied der Antragsgegnerin zu belassen und ihm ungehinderten Zutritt zu den Geschäftsräumen der Antragsgegnerin in A-Stadt, C-Straße zu gewähren, bis in der Hauptsache rechtskräftig entschieden ist, ob in der Fraktionssitzung der Antragsgegnerin vom 20. Februar 2024 ein wirksamer Beschluss über den Ausschluss der Antragsgegnerin gefasst wurde.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die Verfahrensvorschriften seien nunmehr eingehalten worden. Auch inhaltlich sei der Ausschluss aus der Fraktion nicht zu beanstanden, weil das Vertrauensverhältnis nachhaltig gestört sei und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Antragsteller nicht zu erwarten sei. Dem Antragsteller würden sexuelle Belästigungen vorgeworfen, die durch Zeugenaussagen belegt seien. Selbst wenn deren Intensität umstritten bleibe, so könne sich die Fraktion auf anschließenden Schriftverkehr in den sozialen Medien berufen, aus denen sich eindeutig ein respektloser Umgang mit der Betroffenen ergebe. Dies allein rechtfertige den Fraktionsausschluss.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Für den hier vorliegenden Rechtsstreit um die Wahrnehmung der Rechte eines Fraktionsmitglieds ist der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet. Da die durch den Fraktionszusammenschluss begründeten Rechtsbeziehungen öffentlich-rechtlicher Natur sind, gilt dies auch für den Entzug der Rechte als Fraktionsmitglied (Wefelmeier, NdsVBl. 2021, 139 m.w.N.; Nds. OVG, Beschl. v. 24.03.1993 - 10 M 338/93 -, juris Rn. 2; VG Oldenburg, Beschl. v. 12.04.2022 - 3 B 3712/21 -, juris Rn. 22).
Der Antrag ist zulässig.
Vorläufiger Rechtsschutz gegen den Fraktionsausschluss ist im Wege einer einstweiligen Anordnung statthaft, weil der Fraktionsausschluss mangels Außenwirkung kein Verwaltungsakt i. S. v. § 1 Abs. 1 Nds. VwVfG i. V. m. § 35 VwVfG ist. Daher kommt vorläufiger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht in Betracht (vgl. § 123 Abs. 5 VwGO). Richtige Klageart im Hauptsacheverfahren ist die auf die Unwirksamkeit des Ausschlusses gerichtete Feststellungsklage, die gegen die Fraktion zu richten ist (Wefelmeier, NdsVBl. 2021, 139 m.w.N.). Der Antrag, die Antragsgegnerin zu verpflichten, dem Antragsteller sämtliche Befugnisse als Mitglied der Antragsgegnerin zu belassen richtet sich gegen den unter Ziffer 2. der Beschlussvorlage aufgeführten Antrag, den Antragsteller gemäß § 14 Ziffer 2 c) und Ziffer 3 der Geschäftsordnung der Ratsfraktion aus der Antragsgegnerin auszuschließen. Darauf bezieht sich auch die Konkretisierung, ein Zutrittsrecht zu den Räumen der Antragsgegnerin in der C-Straße, A-Stadt zu erhalten, soweit die anderen Fraktionsmitglieder ebenfalls Zutrittsrechte haben. Die sonstigen feststellenden Beschlüsse und die Aufhebung des vorherigen Fraktionsausschlusses sind hingegen nicht Gegenstand des Eilverfahrens.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen (Regelungs-)Anordnung gem. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist unbegründet.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund voraus. Ein Anordnungsanspruch ist zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung überwiegende Erfolgsaussichten in der Hauptsache bestehen. Für das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - also die Eilbedürftigkeit der begehrten Regelung - ist Voraussetzung, dass es dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner Interessen, aber auch der öffentlichen Interessen und der Interessen anderer Personen nicht zumutbar ist, eine Hauptsacheentscheidung abzuwarten (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 28. Aufl., § 123 Rn. 25, 26). Die tatsächlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs und der Grund für die notwendige vorläufige Regelung sind glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Eine einstweilige Anordnung darf grundsätzlich nicht eine Entscheidung in der Hauptsache vorwegnehmen; sie soll möglichst keine endgültigen Verhältnisse schaffen (vgl. Kopp/Schenke, a. a. O., § 123 Rn. 13 f). Einem Antrag, der die Hauptsache vorwegnimmt, "ist im Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO nur ausnahmsweise dann stattzugeben, wenn das Abwarten der rechtskräftigen Entscheidung im Klageverfahren für den Antragsteller schwere und unzumutbare, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile zur Folge hätte. [...] Dabei ist dem jeweils betroffenen Grundrecht und den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes Rechnung zu tragen." (BVerwG, Beschl. v. 26.11.2013 - 6 VR 3/13 -, juris Rn. 5). Diese Grundsätze sind auch auf Anträge nach § 123 VwGO im Kommunalverfassungsstreitverfahren anzuwenden (Nds. OVG, Beschl. v. 03.12.2015 - 10 ME 46/15 -, V.n.b.). Der sich (nur) gegen den Fraktionsausschluss richtende Antrag zielt auf eine Vorwegnahme der Hauptsache ab.
Zwar ist in zeitlicher Hinsicht zu berücksichtigen, dass die Fraktionsmitgliedschaft ein auf die laufende Wahlperiode (hier: 01.11.2021 bis 31.10.2026) befristetes Dauerrechtsverhältnis darstellt (Nds. OVG, Beschl. v. 17.01.2002 - 10 LA 1407/01 -, juris (Orientierungssatz); Beschl. v. 20.02.2019 - 4 KN 251/16 -, juris Rn. 4). Dass ein auf einer stattgebenden Eilentscheidung beruhendes zeitweiliges Mitwirken des Antragstellers sich im Falle einer späteren Klageabweisung nicht ungeschehen machen ließe, genügt nach Ansicht des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs für sich genommen nicht, um eine - prinzipiell unzulässige - Vorwegnahme der Hauptsache annehmen zu können (vgl. Beschl. v. 10.04.2018 - 4 CE 17.2450 -, juris Rn. 21). Allerdings würde das Ergebnis des Klageverfahrens im vorliegenden Fall im Hinblick auf die zu erwartende Verfahrensdauer in erheblichen Teilen bereits faktisch vorweggenommen. Durch die konkrete Antragstellung ("sämtliche Befugnisse als Mitglied der Antragsgegnerin zu belassen") würde der Antragsteller mit allen Rechten eines Fraktionsmitglieds zur Fraktionsarbeit zugelassen. Damit einher ginge nicht nur die Teilnahme an Fraktionssitzungen mit Rederechten (vgl. dazu Beschl. d. Kammer v. 26.09.2023 - 1 B 4632/23 -, juris), sondern auch Antrags- und Stimmrechte in der Fraktion. Der Antragsteller möchte den Fraktionsausschluss daher für die Dauer des Hauptsacheverfahrens außer Kraft setzen und damit die Entscheidung in der Hauptsache sachlich vollständig vorwegnehmen (Beschl. d. Kammer v. 7.2.2024 - 1 B 5632/23 und 1 B 5718/23 -, juris; vgl. auch VG Oldenburg, Beschl. v. 12.04.2022 - 3 B 3712/21 -, juris Rn. 28; Nds. OVG, Beschluss vom 02.12.2015 - 10 ME 46/15 -, Umdruck S. 4, n. v.).
Der Fraktionsausschluss ist nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung voraussichtlich rechtmäßig. Der Ausschluss leidet weder an formellen noch an materiellen Fehlern.
Die Fraktionen sind politisches Gliederungsprinzip für die Arbeit der Gemeindevertretungen und für den Willensbildungsprozess von herausgehobener Bedeutung (vgl. BVerfGE, 80, 188, 219 [BVerfG 13.06.1989 - 2 BvE 1/88]). Der Fraktionsausschluss ist eine vornehmlich politische Entscheidung und kann im Einzelfall die Funktionsfähigkeit der Fraktion und die anderen Fraktionsmitglieder in der Wahrnehmung ihres Mandats schützen. Gemäß § 57 Abs. 2 NKomVG wirken Fraktionen und Gruppen bei der Willensbildung und Entscheidungsfindung in der Vertretung, im Hauptausschuss und in den Ausschüssen mit. Ihre innere Ordnung muss demokratischen und rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechen. Einzelheiten über die Bildung der Fraktionen und Gruppen sowie über deren Rechte und Pflichten werden in der Regel durch eine Geschäftsordnung vorgegeben (§ 57 Abs. 5 NKomVG).
Hinsichtlich der formellen Anforderungen an den Fraktionsausschluss hat der Antragsteller keine Fehler glaubhaft machen können.
Insbesondere ist nicht dargelegt, dass die Frist von drei Tagen, die gem. § 14 Ziffer 3 der Geschäftsordnung zwischen Bekanntgabe des Antrages über eine Ordnungsmaßnahme und der Abstimmung über eine Ordnungsmaßnahme liegen muss, nicht eingehalten wurde. Die Beschlussvorlage für die Fraktionssitzung vom 20. Februar 2024 datiert auf den 12. Februar 2024 und führt § 14 der Geschäftsordnung als Sondervorschrift für den Beschluss über Ordnungsmaßnahmen ausdrücklich an. Nach dem Protokoll der Fraktionssitzung wurde die ordnungsgemäße Ladung festgestellt. Der Antragsteller hat weder während der Sitzung noch im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens die Ladungsfrist gerügt, obwohl alle Beteiligten nach dem Beschluss des beschließenden Gerichts vom 7. Februar 2024 hinsichtlich der besonderen Ladungsfrist für den Beschluss über Ordnungsmaßnahmen sensibilisiert waren. Hinsichtlich des notwendigen Quorums einer Zwei-Drittel-Mehrheit erfüllt die erreichte Mehrheit von 11 Ja-Stimmen gegenüber 1 Nein-Stimme diese Voraussetzung. Eine Missachtung der sonstigen Verfahrensvorgaben des § 14 Ziffer 3 der Geschäftsordnung hat der Antragsteller weder substantiell gerügt noch ist eine solche anderweitig ersichtlich.
Soweit der Antragsteller auf den Zeitablauf seit Kenntnis der Vorwürfe abstellt, so hindert dies die Antragsgegnerin nicht, den Ausschluss aus der Fraktion (erneut) zu beschließen. Zwar verkennt die Kammer nicht, dass der vormalige Ausschluss wegen eines Verfahrensfehlers der Antragsgegnerin rechtswidrig war und der Antragsteller daher vorübergehend als Mitglied der Antragsgegnerin galt. Damit war der Antragsteller aber - anders als er selber angibt - zum Zeitpunkt des (erneuten) Beschlusses auch als Mitglied der Antragsgegnerin anzusehen. Der Beschluss über den Fraktionsausschluss gründet auf einem nachhaltig gestörten Vertrauensverhältnis, das nicht alleine durch Zeitablauf geheilt wird. Insofern bedarf es keines "neuen" Grundes - es genügt vielmehr das weiterhin anhaltende nachhaltig gestörte Vertrauensverhältnis. Auch der Verweis des Antragstellers auf arbeitsrechtliche Kündigungsfristen geht fehl, da die Geschäftsordnung der Antragsgegnerin als von den Mitgliedern vereinbarte Grundlage der Fraktionsarbeit keine Fristen für einen Beschluss über Ordnungsmaßnahmen vorsieht.
Soweit sich der Antragsteller auf die Nichtbeachtung der Unschuldsvermutung beruft, ist der Antragsteller nicht wegen einer Straftat aus der Fraktion ausgeschlossen worden, sondern aufgrund des nachhaltig gestörten Vertrauensverhältnisses, auf das sich die Unschuldsvermutung nicht bezieht. Maßgeblich ist daher vielmehr, dass der Antragsteller und die anderen Fraktionsmitglieder ausreichend über die Vorwürfe informiert waren, um im Rahmen der Fraktionssitzung eine sachgerechte Entscheidung treffen zu können. Dies war vorliegend der Fall, da der Antragsteller über die gegen ihn erhobenen Vorwürfe sowie mögliche Ordnungsmaßnahmen schon durch zahlreiche vorangegangene persönliche Gespräche informiert war. Er und die anderen Fraktionsmitglieder waren weiterhin durch die rechtzeitige Ladung, die ausführliche Beschlussvorlage sowie die vorangegangenen Fraktionssitzungen in der Lage, sich sachgerecht auf die Thematik vorzubereiten. Es wird aus der Gesamtschau der dargelegten Umstände zudem ausreichend deutlich, dass aus Sicht der Antragsgegnerin nicht nur der strafrechtliche Vorwurf, sondern insbesondere der Umgang des Antragstellers mit diesem Vorwurf zum Vertrauensverlust aller übrigen Fraktionsmitglieder führte. Eine weitere Sachverhaltsaufklärung war weder für die Antragsgegnerin noch für das Gericht erforderlich. Angesichts der ausführlichen Beschlussvorlage, der Diskussion in der Fraktionssitzung und deren Protokollierung war nach Ansicht des Gerichts eine weitergehende schriftliche Begründung des Fraktionsausschlusses nicht notwendig (vgl. zu den Begründungsanforderungen: RhPfVerfGH, Urt. v. 30.10.2020 - VGH O 52/20 -, juris Rn. 64 f.; BayVGH, Beschl. v. 10.04.2018 - 4 CE 17.2450 -, juris Rn. 31).
Der Beschluss der Antragsgegnerin über den Ausschluss des Antragstellers ist aller Voraussicht nach auch materiell rechtmäßig.
Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 19. April 2024 (- 10 ME 62/24 -, juris Rn. 13 f.) die Ausführungen aus dem Beschluss vom 14. Juni 2010 (- 10 ME 142/09 -, Beschlussabdruck, S. 8 m.w.N.) zum Vorliegen eines "wichtigen Grundes" erweitert und ausgeführt:
"Ein den Ausschluss eines Mitglieds rechtfertigender "wichtiger Grund" ist gegeben, wenn zum Zeitpunkt der Beschlussfassung in der Fraktion Umstände vorliegen, die das Vertrauensverhältnis innerhalb der Fraktion nachhaltig und derart stören, dass den übrigen Fraktionsmitgliedern eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr zugemutet werden kann (Senatsbeschluss vom 14.6.2010 - 10 ME 142/09 - Beschlussabdruck, S. 8 m.w.N.). Beispielhaft kommen in Betracht das Aufkündigen der Grundidentifikation mit dem politischen Programm, die nachhaltige Störung des Vertrauensverhältnisses durch eine Abweichung in zentralen Fragen des politischen Konsens, grobe und ordnungswidrige Schädigungen der Fraktion, das Austragen von Auseinandersetzungen in der Presse und sonstigen Öffentlichkeit, das Erschweren der Gremienarbeit der Fraktion bis zur Ineffektivität oder ernste atmosphärische Störungen, die das Vertrauensverhältnis zwischen dem Betroffenen und den anderen Mitgliedern untergraben (Senatsbeschluss vom 14.6.2010 a.a.O.). Darüber hinaus kann ein "wichtiger Grund" auch darin bestehen, dass ein Fraktionsmitglied durch sein (auch rats- oder fraktionsexternes) Verhalten das Ansehen der Fraktion in der Öffentlichkeit nachhaltig schädigt und die Außenwirkung der Fraktion und deren Wirkungsmöglichkeit damit beeinträchtigt (vgl. VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30.10.2020 - VGH O 52/20 -, juris Rn. 47).
Da der Ausschluss aus der Fraktion als ein Akt interner Selbstgestaltung und (kollektiver) politischer Verantwortung anzusehen ist, steht der Fraktion bei der Bewertung, ob das Verhalten eines Mitglieds einen den Ausschluss rechtfertigenden Grund darstellt, nach überwiegend vertretener Auffassung ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu (Senatsbeschluss vom 14.6.2010 -- 10 ME 142/09 --, Beschlussabdruck S. 8 f.; vgl. VerfGH Berlin, Urteil vom 4.7.2018 - 130/17 -, juris Rn. 32). Das zur Ausschlussentscheidung führende Mitgliederverhalten wird sich häufig aus einer Vielzahl einzelner Vorgänge zusammensetzen, die auch in ihren personalen Anlässen und Auswirkungen unwägbar bleiben. Die autonome Gestaltung der innerfraktionellen Beziehungen, ihre zwischenmenschliche, gruppendynamische und politische Dimension, steht einer vollständigen Kontrollierbarkeit entgegen. Die gerichtliche Kontrolle ist darauf beschränkt, ob die Entscheidung auf ausreichender Beurteilungsgrundlage getroffen worden ist und der Fraktionsausschluss gegen gesetzliche Bestimmungen, Geschäftsordnungen, ungeschriebene Rechtsregeln, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bzw. das Willkürverbot verstößt (vgl. Senatsbeschluss vom 14.6.2010 - 10 ME 142/09 - Beschlussabdruck, S. 9 m.w.N.; VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30.10.2020 - VGH O 52/20 -, juris Rn. 48; VerfGH Berlin, Urteil vom 4.7.2018 - 130/17 -, juris Rn. 32). Als letztlich politische Entscheidung ist der Fraktionsausschluss gerichtlich daher nicht daraufhin zu überprüfen, ob er vertretbar ist, sondern im Rahmen der Willkürkontrolle allein darauf, ob das Statusrecht des betroffenen Abgeordneten in grundlegender Weise evident verkannt wurde. Das Willkürverbot ist dabei dann verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst sachlich einleuchtender Grund für die Entscheidung nicht finden lässt, sondern vielmehr evident sachfremd entschieden wurde (VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30.10.2020 - VGH O 52/20 -, juris Rn. 50 f. m.w.N.).
Gemessen an diesen Vorgaben hält die Einschätzung der Antragsgegnerin, es liege ein wichtiger Grund für einen Fraktionsausschluss vor, der gerichtlichen Überprüfung der Kammer im Einzelfall stand.
Soweit der Antragsteller einen Bezug des "wichtigen Grundes" zur Fraktionsarbeit fordert, hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht nunmehr klargestellt, dass die politische fraktionsinterne Zusammenarbeit selbstredend auch in dem Fall erheblich beeinträchtigt werden kann, wenn die schwere und nachhaltige Störung des Vertrauensverhältnisses auf außerhalb der Fraktion liegenden Umständen beruht, jedoch derart schwerwiegend ist, dass sie die Fraktionsarbeit negativ beeinflusst. Denn die wirkungsvolle Zusammenarbeit in der Fraktion hängt nicht nur von wechselseitigen Loyalitäten in politischen Inhalten ab, vielmehr erfordert der Charakter einer Fraktion als "Arbeitsgemeinschaft" auch ein anhaltendes, wechselseitiges Vertrauensverhältnis der Fraktionsmitglieder zueinander, das die persönliche Zuverlässigkeit und Umgänglichkeit einschließt und einen Schwerpunkt in der persönlichen Verlässlichkeit hat. Vorliegend ist auch nicht etwa ein rein zwischenmenschliches Zerwürfnis als Grund für den streitgegenständlichen Fraktionsausschluss angeführt worden, sondern ein objektiv fehlerhaftes Verhalten des Antragstellers, dessen Umfang sowie strafrechtliche Relevanz zwar umstritten ist, das von dem Antragsteller in den Grundzügen (Berührung an der "Hinterseite ihrer Hüfte, kurz unter ihrem Gürtel" sowie Versenden unangemessener Nachrichten) jedoch durch die vorgelegte eidesstattliche Versicherung eingeräumt wird (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 19.04.2024 - 10 ME 62/24 -, juris Rn. 16 m.w.N.). Dabei verkennt die Kammer nicht, dass derzeit noch strafrechtliche Ermittlungen laufen und die Strafbarkeit des konkreten Verhaltens des Antragstellers am 30. September 2023 nicht feststeht. Allerdings ist für die rechtliche Bewertung des Fraktionsausschlusses auch kein strafbares Verhalten notwendig. Der Fraktionsausschluss erscheint nach Auffassung der Kammer vielmehr vornehmlich aufgrund der fraktionsinternen Reaktion des Antragstellers auf die Vorwürfe als gerechtfertigt. Dabei trägt die auf dem Gesamtverhalten des Antragstellers beruhende nachhaltige Störung des Vertrauensverhältnisses für sich bereits den Fraktionsausschluss. Diese Störung basiert auf dem außerhalb der Fraktionsarbeit bekannt gewordenen Anknüpfungsverhalten von einer gewissen Erheblichkeit und hat sich durch den anschließenden Umgang des Antragstellers mit diesen Vorwürfen bei den anderen Fraktionsmitgliedern in nachvollziehbarer Weise manifestiert. Die Kenntnis der Vorwürfe durfte die anderen Mitglieder der Antragsgegnerin dazu veranlassen, den Antragsteller zur Rede zu stellen. Angesichts der Bedeutung der geschlechtlichen Selbstbestimmung von Frauen und erst Recht von Minderjährigen für die Partei und die Gesellschaft und dem daraus folgenden notwendigen sensiblen Umgang mit solchen Vorwürfen erscheint auch für die Kammer nachvollziehbar, dass die Mitglieder der Antragsgegnerin davon ausgingen, dass eine weitere Zusammenarbeit das öffentliche Erscheinungsbild der Fraktion schädigen würde. Der Antragsteller hat die verschiedenen Gelegenheiten der Aussprache am Telefon und in den einzelnen Sitzungen jedoch unter anderem dazu genutzt, der Fraktion und der Fraktionsspitze Vorwürfe zu machen. Diese Schwerpunktsetzung und die konfrontative Haltung gegenüber anderen Parteimitglieder kann das Gericht nicht nachvollziehen. Die in den Unterlagen ansonsten erkennbaren Widersprüche, Schuldzuweisungen und Bagatellisierungen sind nicht geeignet, zur Aufklärung des Vorwurfs beizutragen und schädigen nachvollziehbarerweise die auf persönliches Vertrauen angewiesene Fraktionsarbeit der Antragsgegnerin (so auch schon Beschl. d. Kammer v. 7.2.2024 - 1 B 5718/23 -, juris Rn. 36). Nunmehr ist der abschließende Verweis in der Stellungnahme des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers vom 3. Mai 2024, wonach die Antragsgegnerin schon lange nicht mehr existieren würde, wenn auf einen respektvollen Umgang als relevantes Kriterium für den Ausschluss eines Mitgliedes gesetzt würde, weiteres nachdrückliches Beispiel für die konfrontative Haltung des Antragstellers gegenüber der Antragsgegnerin.
Eine Verletzung des Willkürverbotes lässt sich auf Grund dieser sachlich einleuchtenden Begründung nicht feststellen.
Die Entscheidung der Antragsgegnerin lässt auch keine durchgreifenden Ermessensfehler und insbesondere keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erkennen. Mit dem Ausschluss aus der Fraktion darf der Antragsteller zwar nicht mehr an den Fraktionssitzungen teilnehmen und ist auch ansonsten von der fraktionsinternen Kommunikation ausgeschlossen. Einen tatsächlichen politischen Gestaltungseinfluss auf die Arbeit des Rates würde der Antragsteller jedoch letztlich auch durch eine stattgebende gerichtliche Entscheidung nicht erreichen können. Es steht vielmehr zu erwarten, dass er im Falle einer "erzwungenen" Wiederaufnahme nicht als gleichberechtigtes Mitglied in der Fraktion aufgenommen würde, sondern bei der politischen Willensbildung übergangen würde. Er hätte keinen Anspruch darauf, dass sich die Antragsgegnerin mit seinen Anträgen inhaltlich näher beschäftigt oder diese gar im Rat unterstützt. Das kann bei dem nach § 57 Abs. 1 NKomVG freiwilligen Zusammenschluss von Abgeordneten zu einer Fraktion letztlich nicht verhindert werden. Mögliche organisatorische und atmosphärische Probleme könnten zudem die Arbeit der Fraktion und der übrigen Fraktionsmitglieder beeinträchtigen. Damit würde die Funktion der Fraktionen im Sinne einer Kanalisierung und Strukturierung der einzelnen Auffassungen konterkariert und die Funktionsfähigkeit des Rates gefährdet. Eine mit dem Wahlerfolg entstandene Erwartungshaltung der Wähler der Fraktionsbildung ist zudem nicht einmal rechtlich geschützt (Nds. OVG, Beschl. v. 03.12.2015 - 10 ME 46/15 -, n. v., Umdruck Bl. 7; VG Oldenburg, Beschl. v. 12.04.2022 - 3 B 3712/21 -, juris Rn. 41 ff.). Dass der Antragsteller schließlich ohne Zugehörigkeit zu der Antragsgegnerin von Informationen abgeschnitten wäre, die zur Mandatsausübung notwendig seien, ist von ihm nicht geltend gemacht worden und angesichts der auch einem fraktionslosen Abgeordneten zustehenden Rechte, insbesondere nach § 56 NKomVG, auch nicht zu erkennen (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 03.12.2015 - 10 ME 46/15 -, n. v., Umdruck Bl. 7; VG Oldenburg, Beschl. v. 12.04.2022 - 3 B 3712/21 -, juris Rn. 41 ff.). Eine Verbesserung der Situation würde sich daher wohl nur dann ergeben, wenn der Antragsteller zurück zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den Mitgliedern der Antragsgegnerin finden würde und diese einem (Wieder-)Aufnahmeantrag zustimmen würde.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG, § 53 Abs. 2 Nr. 1 und § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nrn. 1.5 und 22.7 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom 18. Juli 2013 (NordÖR 2014, 11); wegen der Vorwegnahme der Hauptsache wird eine Halbierung des für das Hauptsacheverfahren geltenden Wertes nicht vorgenommen.