Sozialgericht Lüneburg
Urt. v. 06.04.2011, Az.: S 23 AS 1244/09

Angemessene Wohnungsgröße einer aus fünf Personen bestehenden Bedarfsgemeinschaft beträgt nach den vom niedersächsischen Sozialministerium erlassenen WFB 95 qm; 95 qm als angemessene Wohnungsgröße einer aus fünf Personen bestehenden Bedarfsgemeinschaft nach den vom niedersächsischen Sozialministerium erlassenen WFB; Bestimmung der Referenzmiete aus der Heranziehung der Ergebnisse der Mietwertuntersuchung 2009 des zuständigen Sozialhilfeträgers

Bibliographie

Gericht
SG Lüneburg
Datum
06.04.2011
Aktenzeichen
S 23 AS 1244/09
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2011, 25214
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGLUENE:2011:0406.S23AS1244.09.0A

Tenor:

  1. 1.

    Die Klage wird abgewiesen.

  2. 2.

    Der Beklagte trägt ein Viertel der außergerichtlichen Kosten der Kläger. Die Beteiligten haben einander im Übrigen keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Höhe der vom Beklagten zu gewährenden Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 01.09. bis zum 31.12.2009.

2

Die Kläger bewohnten in streitgegenständlichen Zeitraum das Einfamilienhaus M ... Das von den Klägern bewohnte Haus hatte eine Wohnfläche von 185 qm. Die Grundmiete betrug 780,- EUR, die Nebenkosten 131,15 EUR und die Heizkosten beliefen sich auf 208,- EUR monatlich. Nachdem der Beklagte die Kosten für Unterkunft und Heizung zunächst in vollem Umfang übernommen hatte, wies dieser die Kläger mit Schriftsätzen vom 27.01.2009 und - nach dem Auszug eines Familienmitgliedes - 07.05.2009 darauf hin, dass deren Kosten für Unterkunft und Heizung unangemessen hoch seien, und forderte diese unter Benennung der nach seiner Auffassung höchstens übernahmefähigen Kosten zur Kostensenkung auf. Spätestens ab dem 01.09.2009 könnten nur noch die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung bei der Berechnung der Leistungen berücksichtigt werden. Einen Wohnungswechsel führten die Kläger in der Folgezeit nicht durch.

3

Mit Bescheid vom 23.06.2009 bewilligte der Beklagte den Klägern Leistungen für den Bewilligungszeitraum vom 01.07. bis zum 31.12.2009. Die übernommenen Kosten für Unterkunft und Heizung betrugen für die Monate Juli und August 2009 jeweils 611,81 EUR sowie für die Monate ab September 2009 jeweils 562,81 EUR.

4

Mit Schriftsatz vom 08.07.2009, der am 09.07.2009 fristgerecht beim Beklagten einging, legten die Kläger gegen diesen Bewilligungsbescheid Widerspruch ein. Sie rügten die Rechtswidrigkeit der Herabsetzung der Leistungen für Unterkunft und Heizung und forderten den Beklagten auf, diese unverändert in voller Höhe zu übernehmen.

5

In seinem Widerspruchsbescheid vom 20.07.2009 entsprach der Beklagte dem Verlangen der Kläger insoweit, als dass für den Juli 2009 nunmehr die Kosten für Unterkunft und Heizung ungekürzt übernommen wurden. Für die Monate August bis Dezember 2009 wurde der den Klägern gewährte Betrag auf 563,12 EUR monatlich neu festgesetzt. Im Übrigen wies der Beklagte den Widerspruch der Kläger zurück. Für das Gebiet der Samtgemeinde Eschede sei für eine fünfköpfige Bedarfsgemeinschaft eine Bruttokaltmiete in Höhe von höchstens 468,- EUR als angemessen anzusehen. Dieser Wert ergebe sich aus der aktuellen Mietwerttabelle für den Landkreis Celle, welche der Beklagte seinen Entscheidungen zur Ermittlung der angemessenen Vergleichsmiete zugrundelege. Die Unterkunft der Kläger sei sowohl von der Wohnfläche als auch von den Bruttokaltmietkosten her unangemessen. Dieser Umstand sei den Klägern bekannt und mehrfach in Senkungsaufforderungen mitgeteilt worden. Der Widerspruchsbescheid wurde durch Erteilung eines geänderten Bewilligungsbescheides am 22.07.2009, der entgegen der enthaltenen Widerspruchsbelehrung Bestandteil des laufenden Verfahrens wurde, umgesetzt.

6

Die Kläger erhoben daraufhin mit Schriftsatz vom 20.08.2009, der am gleichen Tage beim Sozialgericht Lüneburg einging, fristgerecht Klage. Den Klägern stehe über den Juli 2009 hinaus ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung in voller Höhe zu. Unabhängig von der Übersendung von Kostensenkungsaufforderungen dürfe sich der Beklagte im vorliegenden Fall nicht auf die Sechsmonatsfrist des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II berufen. Die Kläger hätten schon im Februar 2009 damit begonnen, sich nach anderweitigem Wohnraum umzusehen und zahlreiche Zeitungsanzeigen abzuarbeiten. Sie hätten jedoch in der Samtgemeinde N. zu den vom Beklagten genannten Konditionen keinen Wohnraum gefunden. Aufgrund des Besuchs der Schule bzw. des Kindergartens seitens der Kinder komme ein Umzug in eine andere Gemeinde nicht in Betracht. Im Übrigen hätten die Kläger bereits in der Nachbarschaft ein Einfamilienhaus gefunden, dessen käuflicher Erwerb angedacht sei, jedoch wegen Problemen bei der Finanzierung noch nicht habe vollzogen werden können. Aus diesem Grund sei ein nochmaliger Wohnungswechsel den Klägern gleichfalls nicht zumutbar. Desweiteren sei die Vorgehensweise des Beklagten, die angemessene Vergleichsmiete anhand der in dessen Auftrag erstellten Mietwerttabelle zu ermitteln, rechtswidrig. Es handele sich hierbei nicht um ein "schlüssiges Konzept" i. S. der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Die Angemessenheit der Kosten für Unterkunft und Heizung sei daher im Zweifel anhand der Tabelle zu § 12 Abs. 1 Wohngeldgesetz zu ermitteln, wobei auf die dortigen Tabellenwerte ggf. ein Zuschlag von zehn Prozent aufzurechnen sei.

7

Im weiteren Verlauf des Klageverfahrens gab der Beklagte mehrere Teilanerkenntnisse ab, die von den Klägern angenommen wurden und zur teilweisen Erledigung des Rechtsstreits führten:

8

Mit Schriftsatz vom 27.08.2009 erklärte sich der Beklagte zum einen bereit, aufgrund einer am 07.05.2009 erteilten Zusicherung auch für den Monat August 2009 die entstandenen Kosten für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe zu übernehmen und den Klägern insoweit einen Betrag in Höhe von weiteren 544,63 EUR nachzuzahlen. Die Umsetzung dieses Teilanerkenntnisses erfolgte mit Änderungsbescheid vom 01.10.2009, in dem die Leistungen für den August 2009 auf 1.107,75 EUR heraufgesetzt wurden. Die in demselben Bescheid erfolgte Heraufsetzung der Leistungen für die Monate September bis Dezember 2009 erfolgte lediglich vorläufig aufgrund eines Beschlusses des Sozialgerichts Lüneburg in einem gesonderten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (Az.: S 73 AS 1264/09 ER) unter Vorbehalt der Rückforderung bei Unterliegen in der Hauptsache. Seit der Annahme dieses Teilanerkenntnisses beschränkt sich der Rechtsstreit auf die Höhe der Leistungen für die Monate September bis Dezember 2009.

9

Zum anderen verpflichtete sich der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 06.04.2011, aufgrund der zwischenzeitlich festgestellten Schwerbehinderung der Klägerin O. für September bis Dezember 2009 eine monatliche Bruttokaltmiete in Höhe von 517,- EUR zu berücksichtigen.

10

Die Kläger beantragen,

den Beklagten zu verurteilen, den Bescheid vom 23. Juni 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 2009 sowie die Änderungsbescheide vom 22. Juli 2009 und 01. Oktober 2009 dahingehend abzuändern, dass den Klägern für die Monate September bis Dezember 2009 Kosten der Unterkunft und Heizung in voller Höhe gewährt werden.

11

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

12

Der Beklagte vertritt die Auffassung, dass das in seinem Auftrag erstellte Wohnungsmarktgutachten für den Landkreis Celle die vom Bundessozialgericht aufgestellten Anforderungen an eine lokale Mietwerterhebung erfüllt und somit zur Konkretisierung der Angemessenheitsgrenze herangezogen werden könne. Bei dessen Erstellung habe man sich an den Ausführungen des Bundessozialgerichts im Urteil vom 22.09.2009 (Az. B 4 AS 18/09 R), in dem die Anforderungen an ein "schlüssiges Konzept" benannt worden seien, orientiert. Die Mietwerterhebung basiere ausschließlich auf einer umfangreichen Vermieterbefragung. Diese Vorgehensweise sei auch bei der Erstellung von Mietspiegeln anerkannt. Eine Überprüfung der von den Vermietern zur Verfügung gestellten Mietdaten auf deren Relevanz sei vorgenommen worden. Der Anteil derjenigen auf dem Wohnungsmarkt angebotenen Wohnungen, die maximal für den Mittelwert der Nettokaltmiete der Bestandsmieten anzumieten wären, läge bei mindestens 26%. Da dieser Anteil deutlich über dem Anteil derjenigen Haushalte liege, die Leistungen für die Kosten der Unterkunft nach dem SGB II erhielten, könnten die ermittelten Mittelwerte der Nettokaltmiete und die dazugehörigen durchschnittlichen Teilbetriebskosten im Rahmen der Produkttheorie als Mietpreisobergrenze angewendet werden.

13

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der Beklagtenakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

14

Die zulässige Klage ist unbegründet.

15

Die angefochtenen Bescheide sind - nach Abgabe der Teilanerkenntnisse seitens des Beklagten - rechtmäßig ergangen und verletzen die Kläger in deren Rechten nicht. Den Klägern steht für die noch im Streit stehenden Monate von September bis Dezember 2009 kein Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung zu.

16

Die Kläger können einen Anspruch auf Übernahme höherer Leistungen nicht auf § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II stützen. Als grundsicherungsrechtlicher Bedarf für Kosten der Unterkunft und Heizung sind nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen des Hilfebedürftigen zu gewähren. Die Vorschrift begrenzt die Übernahme der tatsächlichen Aufwendungen jedoch zugleich auf die nach dem SGB II angemessenen Kosten.

17

Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Beklagte im genannten, noch streitgegenständlichen Zeitraum (September bis Dezember 2009) die monatlich übernommene Bruttokaltmiete auf 517,- EUR beschränkt hat. Da die tatsächlichen Aufwendungen der Kläger für die Unterkunft, soweit sie die vom Beklagten festgesetzten Grenzen überschreiten, unangemessen sind, hat der Beklagte zu Recht geringere als die tatsächlich angefallenen Kosten in seine Berechnung der bewilligten Leistungen eingestellt.

18

Die Angemessenheit der Aufwendungen für eine Wohnung ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in mehreren Schritten zu prüfen (so die Urteile vom 17.12.2009, B 4 AS 27/09 R, B 4 AS 50/09 R, B 4 AS 19/09 R mit weiteren Nachweisen zur vorgängigen Rechtsprechung des BSG auch zum Nachstehenden; vgl. auch BSG, Urteil vom 18.02.2010, B 14 AS 74/08 R - hier jeweils zitiert nach [...]):

19

Zunächst ist die Größe der Wohnung des oder der Hilfebedürftigen festzustellen und zu überprüfen, ob diese angemessen ist. Dabei erfolgt die Bemessung der angemessenen Größe nach den landesrechtlichen Durchführungsvorschriften zu § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung vom 13.09.2001 (WofG, BGBl. I 2376). Angemessen ist eine Wohnung ferner nur, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist. Nach der Rechtsprechung des BSG genügt es jedoch insoweit, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist (BSG, SozR 4-4200, § 22 Nr. 2), also die zu übernehmende Miete in dem räumlichen Bezirk, der den Vergleichsmaßstab bildet, die angemessene Mietobergrenze nicht überschreitet.

20

Die angemessene Größe der Wohnung eines Hilfebedürftigen bestimmt sich nach den vom niedersächsischen Sozialministerium erlassenen Wohnraumförderungsbestimmungen (WFB 2003, vgl. Nieders. Ministerialblatt 2003, S. 580 ff.). Die angemessene Wohnungsgröße einer aus fünf Personen bestehenden Bedarfsgemeinschaft beträgt nach dieser Verwaltungsvorschrift i.V.m. § 7 Abs. 4 WofG 95 qm. Schwerbehinderte Hilfebedürftige, für die ein Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 festgestellt wurde, können einen Mehrbedarf an zusätzlicher Wohnfläche von 10 qm für sich beanspruchen. Die Wohnfläche des von den Klägern angemieteten Hauses überschreitet den als angemessen anzusehenden Wert von 105 qm erheblich.

21

Diese Überschreitung der angemessenen Wohnungsgröße wäre grundsicherungsrechtlich unbeachtlich, wenn das Produkt aus angemessener Miete je Quadratmeter und tatsächlicher Wohnfläche, ausgedrückt in der Höhe des Mietzinses (Produkttheorie, vgl. Lauterbach in Gagel (Hrsg.), Kommentar zu SGB II/III, Stand 37. Erg.Lfg. 2010, § 22, Rdn. 28; Berlit in LPK-SGB II, 3. Auflage, § 22. Rdn 39; Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage, § 22, Rdn. 41 jeweils m.w.N. aus der Rspr. des BSG und des BVerwG zum Sozialhilferecht), gleichwohl angemessen i.S. des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II wäre, etwa, weil der Standard der Wohnung nach unten abweicht. Dies ist hier jedoch nicht der Fall, denn die tatsächlichen Aufwendungen der Kläger überschreiten im konkreten Fall die Referenzmenge oder die Angemessenheitsobergrenze für den Vergleichsraum.

22

Die Referenzmiete bestimmt sich aus der Heranziehung der Ergebnisse der Mietwertuntersuchung 2009 des Beklagten. Soweit der Beklagte hierin den Wohnungsmarkt im Gebiet des Landkreises P. in drei Wohnungsmärkte aufgeteilt hat, welche sich aufgrund der Siedlungs- und Einkommensstruktur unterscheiden (Wohnungsmarkttyp 1: Stadt P.; Wohnungsmarkttyp 2: Ländliche einkommensstärkere Gemeinden mit mittleren Grundstückspreisen; Wohnungsmarkttyp 3: Dünner besiedelte, einkommensschwache Gemeinden mit niedrigeren Grundstückspreisen), ist diese Verfahrensweise nicht rechtswidrig. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts muss es sich um einen ausreichend großen Raum der Wohnbebauung handeln, der aufgrund seiner räumlichen Nähe, seiner Infrastruktur und insbesondere seiner verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet (vgl. BSG, Urteil vom 19.02.2009, Az.: B 4 AS 30/08 R; BSG, Urteil vom 08.06.2008, Az.: B 14/7 b AS 44/06 R, Rdn 17). Das Gericht geht ebenso wie der Beklagte davon aus, dass die Stadt P., die näher an der Großstadt Q. gelegenen südlichen Gemeinden des Landkreises P. und die eher dünn besiedelten, entlegeneren Gemeinden des Nordkreises unterschiedliche Wohnungsmärkte aufweisen, so dass diese als einheitliche Lebens- und Wohnbereiche betrachtet werden konnten.

23

Die im Auftrag des Beklagten von der Firma "R. " erstellte Mietwertuntersuchung entspricht den Vorgaben des Bundessozialgerichts in einem "schlüssiges Konzept", so dass der Beklagte diese bei der Bestimmung der angemessenen Vergleichsmiete zugrunde legen konnte.

24

Der Begriff der Angemessenheit ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, also ein ausfüllungsbedürftiger Wertungsmaßstab. Ihm wohnt der Gedanke der Begrenzung inne (BSG a.a.O.). Die Mietobergrenze ist unter Berücksichtigung der Bedingungen eines existenzsichernden Leistungssystems festzulegen. Sie soll dabei die Wirklichkeit, also die Gegebenheiten auf dem Mietwohnungsmarkt des Vergleichsraums abbilden, denn der Hilfebedürftige soll durch die Leistungen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in die Lage versetzt werden, sein elementares Grundbedürfnis "Wohnen" zu grundsicherungsrechtlich angemessenen Bedingungen zu befriedigen (vgl. auch Berlit in LPK-SGB II, 3. Aufl., § 22, Rdn. 35). Dessen Lebensmittelpunkt soll geschützt werden. Die festgestellte angemessene Referenzmiete oder die Mietobergrenze müssen mithin so gewählt werden, dass es dem Hilfebedürftigen möglich ist, im konkreten Vergleichsraum eine "angemessene" Wohnung anzumieten. Die Mietobergrenze ist nach der Rechtsprechung des BSG auf der Grundlage eines diese Anforderungen beachtenden "schlüssigen Konzepts" zu ermitteln. Der Grundsicherungsträger muss mithin nicht nur ein Konzept haben, nach dem er die Referenzmiete bestimmt, sondern dieses Konzept muss zudem einer gerichtlichen Überprüfung Stand halten, also schlüssig sein (BSG, Urteil vom 22.09.2009, Az.: B 4 AS 18/09 R; vgl. dazu auch Keller in NDV 2009, S. 51 ff.). Die Datenerhebung muss folgenden Kriterien entsprechen:

  • sie darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten Vergleichsraum und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine Ghettobildung),

  • es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, z.B. welche Art von Wohnungen,

  • Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto-Nettomiete (Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgröße,

  • Angaben über den Beobachtungszeitraum,

  • Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z.B. Mietspiegel),

  • Repräsentativität des Umfangs der einbezogenen Daten,

  • Validität der Datenerhebung,

  • Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und

  • Angaben über die gezogenen Schlüsse (z.B. Spannoberwert oder Kappungsgrenze). Die Mietwerterhebung für den Landkreis P. stellt eine zureichende Grundlage für ein solches Konzept dar. Sie folgt im Wesentlichen der Methodik, die auch für die Erstellung eines qualifizierten Mietspiegels im Sinne von § 558 d Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) angewandt wird (vgl. hierzu im Überblick: Börstinghaus in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 9. Aufl. zu § 558 c und d BGB; Artz in Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl., zu § 558 d). Das BSG hat in seiner Rechtsprechung zu § 22 SGB II mehrfach darauf hingewiesen, dass diese Methodik im Grundsatz ein geeigneter Maßstab zur Erstellung eines schlüssigen Konzepts sein kann (zustimmend Lauterbach in Gagel, SGB II/III zu § 22 SGB II, Rdn. 34; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, § 22, Rdn. 58; Frank in GK SGB II, § 22, Rdn. 25 f; Keller, NDV, 2009, S. 51, 52; Butzer/Keller, NZS, 2009, S. 65, 67; Börstinghaus a.a.O., Rdn. 56-60 weist aber darauf hin, dass auch im Zivilrecht die Methodik der Aufstellung eines qualifizierten Mietspiegels im Einzelnen sehr umstritten ist und wissenschaftliche Grundsätze nur in Grundzügen als allgemein feststehend angesehen werden können; zustimmend Artz a.a.O., § 558 d Rdn. 2; Butzer/Keller, a.a.O., S. 69).

25

Der Beklagte hat zum Zwecke der Erstellung eines grundsicherungsrelevanten "Mietspiegels" zunächst eine umfangreiche Befragung von Vermietern auf seinem Gebiet durchführen lassen. Von den erhobenen Mieten sind diejenigen aus der Betrachtung ausgeschieden worden, die schon mehr als vier Jahre vereinbart waren, weil insoweit nicht mehr davon ausgegangen werden könne, dass diese den derzeitigen Markt wiederspiegelten. Weiter sind Mieten aus der Betrachtung ausgeschlossen worden, die von den ansonsten erhobenen Mieten erheblich abweichen. Aufgrund dieser Erhebung ist der Beklagte zunächst zu dem Ergebnis gelangt, dass sich der Wohnungsmarkt auf seinem Gebiet in drei unterscheidbare Teilwohnungsmärkte in den dem Beschwerdeführer angehörenden Gebietskörperschaften aufteilen lässt (Wohnungsmarkttyp 1 - 3). In den Teilwohnungsmärkten sind die Mieten in den verschiedenen, grundsicherungsrechtlich für die einzelnen Bedarfsgemeinschaftsgrößen zu berücksichtigenden Wohnungsgrößen entsprechend den WFB 2003 zusammen gefasst worden. Von den erhobenen Mieten ist für die einzelnen Größenklassen in den Teilwohnungsmärkten der Median gebildet und als Referenzwert festgesetzt worden. Den so erhobenen Werten für qm-Mieten sind Werte gegenüber gestellt worden, die aus aktuellen Mietangeboten erhoben worden sind, um zu klären, ob mit den ermittelten Bestandsmieten auch Wohnungen im notwendigen Umfang angemietet werden können. Hierbei hat sich herausgestellt, dass Wohnungen zu den ermittelten Preisen am Markt verfügbar sind und die Durchschnittswerte der Angebotsmieten teilweise unter den ermittelten Bestandsmieten gelegen haben.

26

Die vom Beklagten bei der Durchführung seiner Mietwerterhebung berücksichtigten Gesichtspunkte führen nicht dazu, dass das Konzept aus grundsicherungsrechtlicher Sicht unschlüssig wird. Die Datenerhebung hat - wie für ein schlüssiges Konzept vom Bundessozialgericht gefordert - vorliegend einen eingegrenzten zeitlichen Rahmen. Nach Ziffer 3.2 der Untersuchung sind die Erhebungen von Mitte November 2008 bis Mitte Februar 2009 und über den gesamten Vergleichszeitraum des Gebietes des Beklagten erfolgt. Die Untersuchung wurde aufgrund einer Befragung von Vermietern, also einer Primärdatenerhebung, durchgeführt. Dabei wurde in der Untersuchung nachvollziehbar dargelegt, aus welchem Grund Wohnungen, die bestimmten Kriterien entsprechen, die darauf hindeuten, dass es sich um Wohnungen aus dem oberen Wohnungssegment handelt, welches nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts grundsicherungsrechtlich als nicht angemessen anzusehen ist, außer Betracht gelassen worden sind (z.B. Penthouse-Wohnungen, Wohnungen mit außergewöhnlich großen einzelnen Räumen).

27

Einbezogen worden sind in die Untersuchung Wohnungen, die öffentlich gefördert wurden und ggf. einer Mietpreisbindung unterliegen, sowie Wohnungen, die in Ein- und Zweifamilienhäusern gelegen sind, was bei der Erstellung von qualifizierten Mietspiegeln nicht der Fall ist (vgl. Butzer/Keller, a.a.O., S. 68, Fußnote 23 unter Hinweis auf die "Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln" des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, 2002, vgl. dort ausführlich S. 18 ff., 22). Auch dies spricht nicht gegen die Schlüssigkeit der Mietwerterhebung. Vielmehr ist die Einbeziehung derartiger Wohnungen für den Zweck, dem die Mietwerterhebung dienen soll, naheliegend. Mietpreisgebundene Wohnungen sollen gerade dazu dienen, auch den Teil der Bevölkerung mit Wohnraum zu versorgen, den das Grundsicherungsrecht in den Blick genommen hat. Gerade zur Versorgung der Schichten der Bevölkerung, die nicht aus eigener Kraft in der Lage sind, sich am Markt mit angemessenem Wohnraum zu versorgen, dient die Förderung des sozialen Wohnungsbaus und das darauf beruhende System der Mietpreisbindungen (vgl. insoweit die Regelungen im Gesetz über die soziale Wohnraumförderung - WoFG - vom 13.09. 2001 = BGBl. I S. 2376 in §§ 28, 13 Abs. 2, 1 Abs. 2). Die Nichteinbeziehung derartiger Wohnungen bei der Erstellung von Mietspiegeln aber ist dem unterschiedlichen Zweck der beiden Untersuchungen des Mietwohnungsmarkts geschuldet. Während der qualifizierte Mietspiegel nach den Vorschriften des BGB dazu dienen soll, dem privaten - frei finanzierten - Mietwohnungsmarkt die ortsübliche Miete als Grundlage eines Mieterhöhungsverlangens (§ 558 BGB; dazu Artz a.a.O. zu §§ 557 ff., Rdn. 1) zu benennen, soll die schlüssige Untersuchung des Mietmarktes (grundsicherungsrelevanter Mietspiegel) nach der Rechtsprechung des BSG die angemessenen Kosten der Unterkunft unter den Bedingungen eines Grundsicherungssystems abbilden.

28

Es ist nicht ersichtlich, warum die Einbeziehung von Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern gegen die Schlüssigkeit des gewählten Konzepts sprechen sollte. Nach dem Kenntnisstand des Gerichts spricht nichts dafür, dass es sich hierbei um besonders teure oder besonders billige Mieten handelt, die geeignet wären, das Bild des Mietwohnungsmarktes zu verfälschen.

29

Von der Repräsentativität und Validität der Datenerhebung ist bei der vorliegenden Untersuchung hinsichtlich des zu betrachtenden Wohnungstyps von Wohnungen mit mehr als 85 qm Wohnfläche auszugehen.

30

Bei der Erstellung von qualifizierten Mietspiegeln im Sinne des Zivilrechts werden auch sehr kleine Stichproben für statistische Anforderungen für genügend gehalten (vgl. Butzer/Keller, a.a.O., S. 68, Rdn. 20 unter Hinweis auf das Schrifttum; zustimmend für den Bereich des Grundsicherungsrechts im Hinblick auf die zugrundezulegenden Stichproben wohl auch Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, § 22, Rdn. 58).

31

Die Untersuchung stellt durch die Erhebung von aktuellen Angebotsmieten und deren Gegenüberstellung mit den erhobenen Bestandsmieten auch sicher, dass die ermittelten Mietpreise es Grundsicherungsempfängern erlauben, zu den angegebenen Preisen Wohnraum anmieten zu können (zu diesem Erfordernis: BSG, Urteil vom 07.11.2006, Az. B 7 b AS 18/06 R, zitiert nach [...], dort Rdn. 22 unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BVerwG zum Sozialhilferecht; unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BSG, vgl. Butzer/Keller, a.a.O., S. 70; Keller, a.a.O., S. 55).

32

Das erkennende Gericht konnte daher - wie schon das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (Beschluss vom 27.07.2010, Az.: L 9 AS 1049/09 B ER) - in der Art und Weise der Erstellung der Mietwerterhebung des Beklagten keine Fehler erkennen, die es davon abhalten müssten, diese als "schlüssiges Konzept" i.S. der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts anzusehen. Das Gericht hält die Ausführungen des Landessozialgerichts in dem genannten Beschluss auf das vorliegende Verfahren der Hauptsache für übertragbar, so dass es die tragenden Gründe des Beschlusses in seine Entscheidung übernommen und sich die dortigen Ausführungen zu Eigen gemacht hat. Soweit der Beklagte - wie im Schriftsatz vom 10.03.2010 - eingeräumt hat, dass in den dem Wohnungsmarkttyp 3 zugeordneten Gemeinden aktuell keine Wohnungen mit einer Wohnfläche von bis zu 50 qm bis zur Höhe des Durchschnittswertes der Bestandsmieten angemietet werden könnten, ist dieser mögliche Mangel der Mietwerterhebung für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits ohne Belang, weil dieser die Kosten der Unterkunft für deutlich größeren Wohnraum betrifft. Es ist nicht ersichtlich, dass evtl. Mängel des Gutachtens, die nur eine konkrete Wohnungsgröße eines bestimmten Wohnungsmarkttyps betreffen, sich auf die Mietwerterhebung insgesamt durchschlagen und das Gutachten in seiner Gesamtheit als fehlerhaft erscheinen lassen (s. auch LSG Niedersachsen-Bremen, a.a.O.).

33

Da die Aufwendungen der Kläger den als Referenzmiete zutreffend ermittelten Wert überschreiten, handelt es sich folglich um unangemessene Kosten, welche vom Grundsicherungsträger gemäß § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II nach Ablauf von sechs Monaten grundsätzlich nicht mehr übernommen werden müssen.

34

Voraussetzung für eine auf das Niveau der Vergleichsmiete abgesenkte Leistungsgewährung sind ferner eine Kostensenkungsaufforderung durch den Leistungsträger sowie die Zumutbarkeit bzw. die Möglichkeit von Kostensenkungsmaßnahmen i.S. des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II, ggf. auch eines Umzugs. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gleichfalls erfüllt. Der Beklagte hat die Kläger bereits mit Schriftsatz vom 27.01.2009 (damals noch unter Bezugnahme auf die Werte der Wohngeldtabelle) sowie abermals mit weiterem Schriftsatz vom 07.05.2009 auf die Unangemessenheit der Unterkunftskosten hingewiesen. Die Kläger wurden darüber in Kenntnis gesetzt, dass ab dem 01.09.2009 nur noch die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung berücksichtigt werden könnten und ab diesem Zeitpunkt der unangemessene Teil der Kosten ggf. aus eigenen Mitteln aufzubringen sei.

35

In der Person der Kläger lagen auch keine Umstände vor, die der Zumutbarkeit eines Umzugs entgegen gestanden hätten. Soweit die Kläger umfangreiche Wohnungslisten zu den Akten gereicht haben, haben diese in der mündlichen Verhandlung vom 06.04.2011 eingeräumt, dass es sich bei den von ihnen erstellten Listen im Wesentlichen um die Auswertung von Zeitungsanzeigen handelt. Die Kläger hätten lediglich in einigen Fällen bei den potentiellen Mietern angerufen. Über die Führung eines informatorischen Ferngesprächs hinausgehende Maßnahmen zur Anmietung preiswerteren Wohnraumes haben die Kläger hingegen nicht entfaltet. Das Gericht geht daher davon aus, dass die Klägerin keine ernsthaften Anstrengungen unternommen haben, um eine günstigere Wohnung anzumieten. Hierfür sprechen insbesondere auch die von den Klägern selbst im Verlauf des Rechtsstreits abgegebenen Einlassungen. Dem Schreiben an das Gericht vom 29.04. 2010 war ein Schriftsatz des Klägers S. an dessen Prozessbevollmächtigte vom 11.04.2010 angefügt, in dem auf Absprachen mit einem auswanderungswilligen Nachbarn betreffend den Erwerb von dessen Einfamilienhaus verwiesen wurde. Nicht zuletzt wegen der Beschränkung der dort geschilderten, letztlich gescheiterten und auf ein Einzelobjekt gerichteten Bemühungen bezweifelt das Gericht ebenso wie der Beklagte, dass die Kläger bis zum September 2009 tatsächlich eine umfassende Eigeninitiative zur Anmietung günstigeren Wohnraums entfaltet haben.

36

Aufgrund der Mietwerterhebung des Beklagten geht das Gericht davon aus, dass die Kläger in ihrem bisherigen Wohnumfeld bis zum genannten Zeitpunkt eine preiswertere Unterkunft gefunden hätten, hätten sie den Wohnungsmarkt umfassend nach anmietbaren Immobilien abgesucht und ggf. mit möglichen Vermietern konkrete Vertragsverhandlungen aufgenommen. Die von den Klägern erstellten Wohnungslisten sind allein nicht geeignet, um die Unmöglichkeit eines Wohnungswechsels zu belegen. Diese wurden nicht nach wissenschaftlich-statistischen Kriterien erstellt und enthalten im Übrigen auch Wohnungen in vom damaligen Wohnort der Kläger weiter entfernt gelegenen Städten wie T. oder P., deren Anmietung für die Kläger aufgrund der Bindung der Kinder an die örtlichen Betreuungseinrichtungen in der Samtgemeinde Eschede von vornherein nicht in Betracht kam.

37

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits. Ein Teil der außergerichtlichen Kosten der Kläger war dem Beklagten aufzuerlegen, weil dieser im Verlauf des Klageverfahrens zwei Teilanerkenntnisse abgab, die zur teilweisen Erledigung des Rechtsstreits i.S. der Kläger führten.