Sozialgericht Lüneburg
Urt. v. 25.05.2011, Az.: S 7 AL 116/10

Schulische Ausbildung zählt nicht zu einer beruflichen Ausbildung oder wäre dieser gleichzustellen; Möglichkeit eines Zählens der schulischen Ausbildung zu einer beruflichen Ausbildung

Bibliographie

Gericht
SG Lüneburg
Datum
25.05.2011
Aktenzeichen
S 7 AL 116/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2011, 24171
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGLUENE:2011:0525.S7AL116.10.0A

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Berufung wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger erstrebt im Rahmen der Leistungen aus dem Vermittlungsbudget die Übernahme von Reisekosten.

2

Der 1990 geborene Kläger bezieht weder Arbeitslosengeld noch Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) - Grundsicherung für Arbeitssuchende -.

3

Er beantragte am 07. Januar 2010 die Übernahme von Reisekosten zu der H. für die Information über die Ausbildung zum biologisch-technischen Assistenten am 23. Januar 2010 in Höhe von 83,- Euro.

4

Am 07. Januar 2010 beantragte er die Übernahme der Reisekosten zur Teilnahme an einem Einstellungstest auf Einladung der I. in Berlin für die Ausbildung als biologisch-technischer Assistent am 18. und 19. Februar 2010 in Höhe von 118,- Euro.

5

Am selben Tag beantragte er die Übernahme der Reisekosten zum J. der Stadt Bielefeld für die Ausbildung als biologisch-technischer Assistent am 21. und 22. Januar 2010 in Höhe von 73,- Euro.

6

Die Beklagte lehnte die Anträge mit Bescheid vom 23. März 2010 ab und begründete dies damit, dass die Reisekosten im Zusammenhang mit Bewerbungen um schulische Ausbildungen entstanden seien und aus dem Vermittlungsbudget nicht erstattet werden könnten.

7

Dagegen legte der Kläger am 22. April 2010 Widerspruch ein, welchen er damit begründete, dass in der Dienstanweisung der Beklagten nicht stehe, dass schulische Ausbildungen nicht gefördert werden könnten. Auch schulische Ausbildungen führten zum Erlernen eines Berufes und mündeten in eine versicherungspflichtige Beschäftigung.

8

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21. Mai 2010 zurück und führte zur Begründung an, dass es nicht ermessensfehlerhaft sei, den Antrag abzulehnen. Nach § 45 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) - Arbeitsförderung - seien unter anderem Ausbildungssuchende förderungsfähig. Zu diesen Personen, die eine Berufsausbildung suchten, gehöre der Kläger derzeit nicht.

9

Dagegen hat der Kläger am 14. Juni 2010 Klage erhoben.

10

Er trägt vor:

11

Die beantragten Reiskosten seien im Zusammenhang mit einer schulischen Ausbildung entstanden. Das Gesetz trenne nicht zwischen schulischer und betrieblicher Ausbildung, was sich auch aus der Bundestagsdrucksache 16/10810 ergebe. Es gehe um die Aufnahme und Anbahnung eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses. Zahllose Berufe seien nur über schulische Ausbildungen erlernbar.

12

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23. März 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Mai 2010 zu verurteilen, dem Kläger im Rahmen des Vermittlungsbudgets Reisekosten in Höhe von insgesamt 274,- Euro zu gewähren.

13

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

14

Sie trägt unter Bezugnahme auf die erlassenen Bescheide vor:

15

Eine schulische Ausbildung sei nicht versicherungspflichtig und könne keine Anwartschaft für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld begründen im Gegensatz zu einer beruflichen Ausbildung. Bei einer schulischen Ausbildung könnten Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) bewilligt werden, bei beruflichen Ausbildungen Berufsausbildungsbeihilfe (BAB). Berufsausbildung sei im Sinne von § 15 SGB III nicht die schulische Ausbildung. Diese sei durch die abstrakt-theoretische Wissensvermittlung geprägt.

16

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung, den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

17

Die Klage hat keinen Erfolg.

18

Der Bescheid des Beklagten vom 23. März 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Mai 2010 erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten.

19

Auf die zutreffenden Ausführungen in den angegriffenen Bescheiden wird Bezug genommen (§ 136 Absatz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).

20

Rechtsgrundlage der angegriffenen Bescheide ist § 45 SGB III.

21

Nach Absatz 1 Satz 1 dieser Norm können Ausbildungssuchende, von Arbeitslosigkeit bedrohte Arbeitssuchende und Arbeitslose aus dem Vermittlungsbudget der Agentur für Arbeit bei der Anbahnung oder Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gefördert werden, wenn dies für die berufliche Eingliederung notwendig ist. Nach Satz 2 sollen sie insbesondere bei der Erreichung der in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Eingliederungsziele unterstützt werden.

22

Gemäß Satz 3 umfasst die Förderung die Übernahme der angemessenen Kosten, soweit der Arbeitgeber gleichartige Leistungen nicht oder voraussichtlich nicht erbringen wird.

23

Nach Absatz 3 Satz 1 der Norm entscheidet die Agentur für Arbeit über den Umfang der zu erbringenden Leistungen; sie kann Pauschalen festlegen.

24

Gemäß § 15 Satz 1 SGB III sind Ausbildungssuchende Personen, die eine Berufsausbildung suchen.

25

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 45 Absatz 1 SGB III sind nicht erfüllt, da der Kläger keine Ausbildungssuchende Person ist. Die schulische Ausbildung zählt nicht zu einer beruflichen Ausbildung oder wäre dieser gleichzustellen (vgl. Urteil des Sächsischen Landessozialgerichtes vom 17. Januar 2008 - L 3 AS 26/07 -; Gagel/Bieback, Kommentar zum SGB III, Loseblattsammlung, § 45, Rd. 13; Niesel, Kommentar zum SGB III, 4. Auflage 2007, § 35, Rd. 18; Eicher/Schlegel/Becker, Kommentar zum SGB III, Loseblattsammlung, § 15, Rd. 19). Die Wissensvermittlung an schulischen Ausbildungsstätten begründet - anders als das betriebliche Ausbildungsverhältnis - kein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis, da keine Integration in den Produktions- und Dienstleistungsprozess erfolgt. Es werden lediglich berufliche Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen vermittelt.

26

Die Kammer vermag sich über den klaren und unmissverständlichen Gesetzeswortlaut und die Legaldefinition des Begriffs Ausbildungssuchender nicht hinwegzusetzen, wobei der Gesetzgeber des SGB III weiterhin zwischen schulischer und beruflicher Ausbildung unterscheidet, so dass das entsprechende Regelungskonzept in § 45 SGB III zumindest begründbar ist, worauf aber nicht entscheidend abgestellt wird. Für das Klagebegehren fehlt es an einer Anspruchsgrundlage gemäß § 31 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) - Allgemeiner Teil -.

27

Da bereits der Tatbestand nicht erfüllt ist, kommt es auf die Rechtmäßigkeit der Ermessensausübung nicht an, wobei die Kammer aber darauf hin weist, dass keine Ermessensreduktion auf Null anzunehmen wäre.

28

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Absatz 1 SGG.

29

Gemäß § 144 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, Absatz 2 SGG bedarf die Berufung der Zulassung, weil hier die Beschwer des Klägers mit 274,- Euro unterhalb des Schwellenwertes von 750,- Euro liegt. Die Berufung wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und nicht von einer Entscheidung des Landessozialgerichtes, des Bundessozialgerichtes, des Gemeinsamen Senates der Obersten Gerichtshöfe oder des Bundesverfassungsgerichtes abweicht sowie auf dieser Abweichung beruht.

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Rechtsmittelbelehrung:

31

Dieses Urteil kann nicht mit der Berufung angefochten werden, weil sie gesetzlich ausgeschlossen und vom Sozialgericht nicht zugelassen worden ist.

32

...

Gille