Sozialgericht Lüneburg
Beschl. v. 25.03.2011, Az.: S 12 SF 146/10 E

Die Frage der Notwendigkeit stellt sich nur bei einem Anwaltswechsel innerhalb eines Verfahrensabschnitts oder innerhalb eines Rechtszugs

Bibliographie

Gericht
SG Lüneburg
Datum
25.03.2011
Aktenzeichen
S 12 SF 146/10 E
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2011, 16941
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGLUENE:2011:0325.S12SF146.10E.0A

Tenor:

Auf die Erinnerung des Erinnerungsführers vom 11. Oktober 2010 wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 05. Oktober 2010 - S 25 AS 25/10 E - geändert. Die dem Erinnerungsführer aus der Staatskasse zu gewährende Prozesskostenhilfevergü-tung wird endgültig auf einen Gesamtbetrag in Höhe von 815,15 EUR festgesetzt. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

1

I.

Der Erinnerungsführer macht als beigeordneter Rechtsanwalt einen Anspruch auf Fest-setzung einer höheren Vergütung aus Prozesskostenhilfemitteln der Staatskasse für ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht Lüneburg geltend. Streitig ist im vorliegenden Erin-nerungsverfahren, ob die Verfahrensgebühr dem Rahmen der Nr. 3102 VV-RVG oder der Nr. 3103 VV-RVG zu entnehmen ist. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle berücksich-tigte entgegen der Auffassung des Erinnerungsführers eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV-RVG, da die Mandantin des Erinnerungsführers im Vorverfahren durch eine andere Anwaltskanzlei vertreten worden ist.

2

II.

Die nach § 56 Abs. 1 RVG erhobene Erinnerung vom 11. Oktober 2010 gegen den Kos-tenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 05. Oktober 2010 - S 25 AS 25/10 E ist zulässig und begründet.

3

Dem Erinnerungsführer ist zuzustimmen, dass die Verfahrensgebühr entgegen der Auf-fassung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle nicht dem Rahmen der Nr. 3103 VV-RVG sondern dem Rahmen der Nr. 3102 VV-RVG zu entnehmen war.

4

Die Nr. 3103 VV-RVG kommt in Betracht, wenn dem Verfahren vor dem Sozialgericht eine Tätigkeit des Rechtsanwalts im Verwaltungsverfahren oder im weiteren, der Nach-prüfung des Verwaltungsaktes dienenden Verwaltungsverfahren vorausgegangen ist. In diesem Fall ist typischerweise davon auszugehen, dass der Rechtsanwalt den Streitstoff und die zugrunde liegenden Rechtsfragen schon im Verwaltungsverfahren voll durch-drungen hat und deshalb der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit im Klageverfahren typischerweise geringer ist, als in einem Verfahren, in dem er nicht im Vorverfahren tätig geworden ist. Die Mandantin des Erinnerungsführers war zwar bereits im Vorverfahren anwaltlich vertreten, aber nicht durch den Erinnerungsführer, da ein Rechtsanwaltswechsel stattgefunden hat. Der Erinnerungsführer ist erst im Klageverfah-ren tätig geworden. Es ist aus den vorliegenden Akten nicht ersichtlich, dass der Erinne-rungsführer und die Prozessbevollmächtigten des Vorverfahrens zum Zeitpunkt der Klageerhebung eine Bürogemeinschaft oder Sozietät gebildet haben, so dass sich auch hieraus keine Anwendung der Nr. 3103 VV-RVG ergibt.

5

Die Nr. 3103 VV-RVG kann auch nicht allein deshalb herangezogen werden, weil der Beklagte nur die notwendigen außergerichtlichen Kosten im Sinne von § 193 SGG zu erstatten hat und ein Anwaltswechsel möglicherweise nicht notwendig gewesen wäre. Die Frage der Notwendigkeit stellt sich nur bei einem Anwaltswechsel innerhalb eines Verfahrensabschnitts oder innerhalb eines Rechtszugs (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig, SGG, 9. Auflage 2008, § 193 Rn 9c). Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben.

6

Der in Nr. 3102 VV-RVG vorgesehene Rahmen sieht eine Spanne von 40,00 EUR bis 460,00 EUR vor. Die Mittelgebühr beträgt 250,00 EUR. Dieser Gebührenrahmen verschiebt sich nach Nr. 1008 VV-RVG wegen der Vertretung von drei weiteren Auftraggebern. Es ergibt sich ein Rahmen von 76,00 EUR bis 874,00 EUR. Die Mittelgebühr beträgt 475,00 EUR.

7

Wägt man alle Kriterien des § 14 RVG gegeneinander ab, so rechtfertigt dies für das vor-liegende insgesamt durchschnittliche Streitverfahren die Berücksichtigung der beantrag-ten Verfahrensgebühr in Höhe der Mittelgebühr.

8

Da die übrigen Gebührenpositionen nicht in Streit stehen, kann auf die zutreffende Berechnung des Erinnerungsführers in seinem Antrag vom 01. Oktober 2010 verwiesen werden.

9

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 56 Abs. 2 S. 3 RVG; die Erinnerungsentscheidung ergeht gemäß § 56 Abs. 2 S. 2 RVG gerichtskostenfrei.

10

Die Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde an das Landessozialgericht Niedersach-sen-Bremen anfechtbar, weil das Normengefüge der §§ 172 ff. SGG den Normen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes vorgeht (vgl. hierzu: Landessozialgericht Niedersach-sen-Bremen, Beschluss vom 28. Dezember 2006, - L 8 B 4/06 SO SF; Beschluss vom 21. Februar 2007, - L 7 B 1/07 AL SF; Beschluss vom 01. März 2007, - L 4 B 66/05 KR;Beschluss vom 14. Juni 2007, - L 13 B 4/06 AS SF; Beschluss vom 26. Oktober 2007, - L 14 B 1/06 SF; Beschluss vom 17. Oktober 2008, - L 13 B 4/08 SF; Beschluss vom 30. Oktober 2008, - L 1 B 2/08 R SF; Beschluss vom 09. Juni 2009, - L 13 B 1/08 SF; Beschluss vom 06. Juli 2009, - L 6 SF 44/09 B, Beschluss vom 29. September 2009, - L 6 SF 124/09 B (AS), Beschluss vom 11. März 2010, - L 7 SF 142/09 B (AS) sowie Beschluss vom 31. März 2010, - L 13 SF 4/10 B (AS), jeweils zitiert nach www.sozialgerichtsbarkeit.de).