Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 20.06.2011, Az.: 11 ME 167/11

Bestimmung der Hauptwohnung eines Marinesoldaten im niedersächsischen Heimathafen seines Schiffes erfolgt nach Maßgabe der vom Antragsteller vorwiegend genutzten Wohnung; Bestimmung der Hauptwohnung eines Marinesoldaten im niedersächsischen Heimathafen seines Schiffes nach Maßgabe der vom Antragsteller vorwiegend genutzten Wohnung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
20.06.2011
Aktenzeichen
11 ME 167/11
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2011, 18838
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2011:0620.11ME167.11.0A

Fundstellen

  • DÖV 2012, 77
  • FStNds 2012, 205-206
  • NdsVBl 2011, 289

Amtlicher Leitsatz

Zur Bestimmung der Hauptwohnung eines Marinesoldaten im niedersächsischen Heimathafen seines Schiffes

Beschluss

1

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts hat keinen Erfolg.

2

Der 1977 geborene Antragsteller wendet sich gegen die von der Antragsgegnerin durch Berichtigung des Melderegisters vorgenommene Bestimmung seines Hauptwohnsitzes.

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Er ist seit 1996 bei der Bundesmarine tätig und leistet mindestens seit 2010 seinen Dienst als Leitender Logistikoffizier auf der Fregatte "B.", die in C. stationiert ist. Auf dem Schiff steht ihm als dienstliche Unterkunft eine (kleine) Einzelkabine zur Verfügung. Daneben bewohnt er nach eigenen Angaben in der Gemeinde D. Land (E.) ein Haus auf dem gleichen Grundstück, auf dem sich auch ein von seinen Eltern bewohntes Haus befindet. Da der Antragsteller in dieser Gemeinde seine Heimat sieht und nach seinen Angaben ausschließlich dort seine familiären, sozialen und gesellschaftlichen Beziehungen pflegt, betrachtet er seine dortige Unterkunft weiterhin als Hauptwohnung und meldete auch nach Hinweis der Antragsgegnerin in C. lediglich einen Zweitwohnsitz an. Mit dem hier umstrittenen, sofort vollziehbaren Bescheid vom 11. März 2011 berichtigte die Antragsgegnerin das Melderegister und bestimmte die Unterkunft des Antragstellers auf der Fregatte zur Hauptwohnung mit der Folge, dass seine Wohnung in der Gemeinde D. Land zur Nebenwohnung wird. Den dagegen gerichteten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat das Verwaltungsgericht abgelehnt.

4

Aus den vom Antragsteller zur Begründung seiner Beschwerde vorgetragenen und vom Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfenden Gründen ergibt sich kein Anlass zur Änderung des Beschlusses.

5

Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei der Unterkunft des Antragstellers auf der Fregatte melderechtlich jedenfalls nach § 7 Satz 2 NMG um eine meldepflichtige (§ 16 Nr. 2 NMG) Wohnung handelt, der Antragsteller daneben im D. Land eine weitere Wohnung nutzt, also i.S.d. § 8 Abs. 1 NMG mehrere Wohnungen bewohnt und demnach eine dieser Wohnungen seine nach den Vorgaben des § 8 Abs. 2 NMG zu bestimmende Hauptwohnung ist.

6

Dem Verwaltungsgericht ist weiterhin in der Annahme zu folgen, dass die Bestimmung der Hauptwohnung hier gemäß der Grundregel des § 8 Abs. 2 Satz 1 NMG, d.h. nach Maßgabe der vom Antragsteller vorwiegend genutzten Wohnung, und damit weder unmittelbar noch entsprechend nach der Sonderbestimmung des § 8 Abs. 2 Satz 2 NMG zu erfolgen hat. Denn der Antragsteller ist weder - wie in § 8 Abs. 2 Satz 2 NMG ausdrücklich vorausgesetzt wird - verheiratet noch lebt er in einer Lebenspartnerschaft. Auf ledige Personen ist diese Bestimmung mangels planwidriger Lücke auch nicht entsprechend anwendbar. Ein Verstoß gegen den Schutz der Familie (Art. 6 Abs. GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG) liegt hierin nicht, so dass offen bleiben kann, ob ein solcher Verstoß überhaupt zu der vom Antragsteller gewünschten Rechtsfolge führen würde. Dass nach Art. 6 Abs. 1 GG Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen, bedeutet nicht, dass Ehe und Familie stets gleich zu behandeln, also - wie vom Antragsteller geltend gemacht - (melderechtliche, von ihm als begünstigend empfundene) Sonderregelungen für Ehepartner stets in gleichem Umfang auch auf (sonstige) Familienangehörige zu übertragen seien. Dass in den von ihm kritisierten, o. a. unterschiedlichen Vorgaben des § 8 Abs. 2 NMG für die Bestimmung der Hauptwohnung von Ledigen einerseits und verheirateten Personen andererseits auch im Übrigen kein Verstoß gegen den Schutz der Familie zu sehen ist, ist in der Rechtsprechung anerkannt (vgl. nur BVerfG, Beschl. v. 17.2.2010 - 1 BvR 529/09 -, NVwZ 2010, 1022 ff., zu volljährigen Kindern, die noch bei ihren Eltern leben).

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Zutreffend und vom Antragsteller unwidersprochen ist das Verwaltungsgericht weiterhin davon ausgegangen, dass nach § 8 Abs. 2 Satz 1 NMG eine quantitative Betrachtung der Aufenthaltszeiten vorzunehmen ist. Aus der zitierten Sonderbestimmung des § 7 Satz 2 NMG hat es zu Recht den weiteren Schluss gezogen, dass die Bordunterkunft des Antragstellers unabhängig von der jeweiligen Lage des Schiffes melderechtlich dem Heimathafen des Schiffes, also C., zuzuordnen ist, und damit auch die See- und Hafentage, an denen der Antragsteller sich außerhalb des Gemeindegebiets von C. auf dem Schiff bzw. in seiner Bordunterkunft aufhält, als Aufenthaltstage in C. zählen. Hiervon ist bereits im Gesetzgebungsverfahren zum Erlass des Dritten Änderungsgesetzes zum Niedersächsischen Meldegesetz vom 28. November 1997 (GVBl. S. 483), mit dem in § 7 der o. a. neue Satz 2 eingeführt worden ist, ausgegangen worden (vgl. Nds. LT-Drs. 13/2690, S. 18). Die Systematik des Gesetzes unterstreicht diese Annahme. Denn nach § 14 Abs. 1 Satz 1 sowie Abs. 2 Satz 3 NMG ist das Bordpersonal von (zivilen) Schiffen ebenfalls im Heimatort des Schiffes bzw. des Reeders anzumelden. Eine § 14 Abs. 3 NMG entsprechende Ausnahmevorschrift, wonach diese Meldepflicht entfällt, solange diese Personen (anderweitig) im Inland für eine Wohnung gemeldet sind, besteht für Angehörige der Bundesmarine bei einer über sechs Monaten andauernden Nutzung einer dienstlichen Unterkunft - wie hier - nach §§ 16 Nr. 2, 7 Satz 2 NMG gerade nicht.

8

Zählen demnach melderechtlich für den Antragsteller als Aufenthaltstage in C. nicht nur die sog. Hafentage, in denen sich die Fregatte dort befindet, sondern auch die Tage, in denen sich der Antragsteller auf hoher See oder in inländischen bzw. ausländischen Gewässern auf dem Schiff in seiner Bordunterkunft aufhält, so überwiegen diese Tage deutlich die Tage, an denen er sich in seinem Haus im D. Land aufhält. Dabei kann offen bleiben, ob sich dies bereits aus den allgemeinen Überlegungen des Verwaltungsgerichts zu den berufsbedingt überwiegenden Aufenthaltszeiten eines Berufssoldaten, der als Wochenendpendler - wie der Antragsteller - (nur) am Wochenende und an seinen freien Tagen an seinem "Heimatort" wohnt, am Dienstort oder dem Vorbringen der Antragsgegnerin zu den allgemein üblichen dienstlichen Aufenthaltszeiten von Marinesoldaten auf vergleichbaren Schiffen (mit allein 120 See- und weiteren 50 Liegetagen außerhalb des Heimathafens zuzüglich der Zeiten des Wachdienstes bei Liegetagen im Heimathafen) ergibt. Denn auch nach der vom Antragsteller im Beschwerdeverfahren für den Jahreszeitraum von Ende Juni 2010 bis Ende Juni 2011 vorgelegten Aufstellung zu seinen individuellen Aufenthaltsorten überwiegen bei der - nach den vorherigen Ausführungen gebotenen - Einbeziehung der Einsatzzeiten (von 145 Tagen) auf dem Schiff zu den Aufenthaltszeiten in C. die insoweit - zuzüglich der unstreitigen 70 Hafentage in C. - insgesamt berücksichtigungsfähigen 215 Tage deutlich die 121 Tage, an denen er sich nach seinen Angaben im D. Land aufgehalten hat; die Zuordnung der anderweitigen dienstlichen Aufenthalte kann dabei offen bleiben. Daher ist auch kein Zweifelsfall i.S.d. § 8 Abs. 2 Satz 5 NMG gegeben, in dem zur Bestimmung der Hauptwohnung auf den Schwerpunkt der Lebensbeziehungen (des Antragstellers) abzustellen wäre.

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Die Folgen dieser gesetzlichen Regelungen hat der Antragsteller wie andere ledige Wochenendpendler auch hinzunehmen, zumal nicht ersichtlich ist, dass er die von ihm vorgetragenen Aktivitäten in seiner Heimatregion wegen der melderechtlichen Änderung seiner Hauptwohnung nicht mehr wahrnehmen könnte oder dadurch sonst schwerwiegende, etwa finanzielle Nachteile erleiden würde.