Verwaltungsgericht Stade
Beschl. v. 31.08.2021, Az.: 1 B 1008/21

Antragsauslegung; Berichtigung; Eintragung; Melderegister; Realakt; Rechtsschein; schlichtes Verwaltungshandeln; Statthaftigkeit; Verwaltungsakt; Unzulässiger Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Berichtigung des Melderegisters nach rückwirkender Abmeldung von Amts wegen, um Wählbarkeit bei anstehenden Kommunalwahlen sicherzustellen

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
31.08.2021
Aktenzeichen
1 B 1008/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 36676
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2021:0831.1B1008.21.00

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Die Eintragung in das Melderegister oder die Berichtigung einer solchen ist grundsätzlich mangels Regelung nicht als Verwaltungsakt zu qualifizieren, sondern stellt rein tatsächliches Verwaltungshandeln dar.

  2. 2.

    Jedenfalls dann, wenn die Meldebehörde die Eintragung in das Melderegister oder die Berichtigung einer solchen aber nicht lediglich anhand der vom Meldepflichtigen mitgeteilten Daten vollzieht, sondern erkennbar eine eigene Entscheidung über die Richtigkeit der (bisherigen) Eintragung im Melderegister trifft und diese dem Betroffenen gesondert bekannt gibt, ist davon auszugehen, dass damit im Wege eines feststellenden Verwaltungsaktes eine Rechtsfolge verbindlich festgestellt wird.

[Gründe]

Der Antragsteller begehrt im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Berichtigung des Melderegisters.

Der Antragsteller ist seit F. Vorsitzender des G. -Stadtverbandes H.. Er kandidiert ausweislich der Bekanntmachungen über die zugelassenen Wahlvorschläge im Rahmen der Kommunalwahlen am 12. September 2021 für den Kreistag im Landkreis H., für den Rat in der Stadt H. und für den Ortsrat in H. -I..

Zum 10. November 2020 meldete sich der Antragsteller bei der Meldebehörde der Antragsgegnerin unter der Anschrift "J." mit alleiniger Wohnung an.

Mit Schreiben vom 9. Mai 2021 wurden gegenüber der Antragsgegnerin Zweifel am Hauptwohnsitz des Antragstellers in H. geäußert. Dieser sei für dessen Wahlberechtigung und die Wählbarkeit bei den anstehenden Kommunalwahlen von Bedeutung. Die Zweifel beruhten darauf, dass der Antragsteller sich überwiegend in K. und nur selten in H. aufhalte. Bei Anrufen und Videokonferenzen seien Familienangehörige des Antragstellers zu hören und zu sehen, die in K. lebten. Telefonate aus dem Festnetz würden vom Antragsteller meist mit der Vorwahl "L." und niemals mit der Vorwahl "M." geführt. Die postalische Erreichbarkeit des Antragstellers erfolge überwiegend von und nach K.. Eine Einbindung in das soziale Umfeld in H. sei nicht erkennbar. Es sei klärungsbedürftig, ob der verheiratete Antragsteller, wie zu vernehmen sei, dauernd von seiner Familie in K. getrennt lebe. Hingewiesen werde weiter darauf, dass es in der N. Stadt O. vor etwa zwei Jahren eine ähnliche Situation gegeben habe. Dort habe der Antragsteller ebenfalls vor den Kommunalwahlen angegeben, vor Ort zu wohnen, was jedoch einer Überprüfung durch den Wahlausschuss und das Verwaltungsgericht nicht standgehalten habe. Die Wahl des Antragstellers zum Ratsherrn und Kreistagsabgeordneten sei kurz nach der Wahl aberkannt worden. Es werde daher um vorherige Klärung des Verdachts gebeten.

Mit Schreiben vom 10. Mai 2021 wurde der Antragsgegnerin ergänzend mitgeteilt, dass die vermutliche Wohnanschrift des Antragstellers in K. "P." laute. An dieser Adresse habe er bereits bis Ende des Jahres 2018 gewohnt und sei dann angeblich nach Q. umgezogen, wo am F. Kommunalwahlen stattgefunden hätten. Nachdem laut Presseberichten die Wählbarkeit des Antragstellers mangels dortigen Wohnsitzes aberkannt worden sei, sei der Antragsteller gegen Ende 2019 wieder an die vorgenannte Adresse in K. zurückgezogen. Vermutlich in 2020 sei dann der Umzug von dort in die angebliche Hauptwohnung in H. erfolgt.

Die Antragsgegnerin leitete daraufhin ein melderechtliches Ermittlungsverfahren ein.

Hierzu führte sie in einem Vermerk vom 15. Juni 2021 u.a. das Folgende aus:

"Herr R. soll seinen Hauptwohnsitz unter der Anschrift S. in T. U. haben. Der Unterzeichner versuche dazu Herrn R. persönlich anzutreffen, um sich dies eben auch durch ihn persönlich bestätigen zu lassen.

Bei der Liegenschaft S. handelt es sich um ein Haus mit 2 Wohneinheiten. Die Liegenschaft liegt hinter der V. und ist über das Grundstück des W. (X.) erreichbar. Die Klingeltaster sind mit dem jeweiligen Namen ,Y. '/'Z. ' beschriftet. Es ist ein großer Briefkasten vorhanden, der ebenfalls mit beiden Namen beschriftet ist.

Im Zeitraum von 22. Mai bis 14. Juni konnte Herr R. nicht an seinem Hauptwohnsitz angetroffen werden. Der Unterzeichner suchte dazu an verschiedenen Tagen, auch an Wochenenden, zu unterschiedlichen Tageszeiten die Anschrift auf.

Bei der Ermittlung am 04.06.2021 um 19 Uhr wurde der Unterzeichner von einer Person (mit Meerschweinchen) angesprochen, die sich auf dem Grundstück davor (AA.) aufhielt. Die besagte Person kenne Herrn Y.; er sei ein Parteifreund von Herrn Y. und R.. Herr R. sei darüber hinaus eher an Wochenenden unter dieser Anschrift erreichbar. Falls etwas abzugeben sei, würde dies sicher auch Herr Y. entgegennehmen.

Bei der Ermittlu8ng am 14.06.2021 um 17:35 Uhr wurde der Unterzeichner von Herrn Y. begrüßt. Herr Y. äußerte sich dahingehend, dass R. momentan viel zu tun habe und unterwegs sei. R. werde um den 25. Juni wohl wieder zurückerwartet. Unterlagen oder dergleichen würde jedoch auch Herr Y. entgegennehmen.

Bei einigen Ermittlungen wurde die Anschrift auch spät abends bzw. sehr früh aufgesucht. An diesen Tagen wurde auf das Klingeln verzichtet. Jedoch konnte beobachtet werden, dass sich keine weiteren bzw. unbekannten Fahrzeuge auf dem Grundstück oder davor befinden.

Der Unterzeichner kann nicht beurteilen, ob es sich bei der Anschrift um den Haupt- oder Nebenwohnsitz des Herrn R. handelt. Außer den Aussagen des Eigentümers (und Wohnungsgeber), Herrn Y., sowie der weiteren Person mit den Meerschweinchen, fehlen dem Unterzeichner Hinweise darauf, dass Herr R. die Wohnung in I. vorwiegend benutzt. [...]".

In einer internen Mitteilung der Antragsgegnerin vom 28. Juni 2021 wurde ergänzend u.a. ausgeführt:

"[...] an folgenden Tagen wurde ermittelt:

- Samstag, 22.05.2021 / 15:30 Uhr

- Montag, 24.05.2021 / 15:40 Uhr

- Montag, 31.05.2021 / 18:00 Uhr

- Freitag, 04.06.2021 / 18:55 Uhr (Mann mit Meerschweinchen gibt Auskunft - AB.)

- Samstag, 05.06.2021 / 13:50 Uhr

- Dienstag, 08.06.2021 / 21:35 Uhr (nicht geklingelt)

- Samstag, 12.06.2021 / 14:25 Uhr

- Sonntag, 13.06.2021 / 16:30 Uhr (nicht geklingelt, Meerschweinchen vor Ort)

- Montag, 14.06.2021 / 17:35 Uhr (nicht geklingelt, Herr Y. vor Ort)".

Mit Schreiben vom 1. Juli 2021 wies die Antragsgegnerin den Antragsteller darauf hin, dass aufgrund von Hinweisen, die Zweifel am Hauptwohnsitz des Antragstellers in H. begründet hätten, mehrfach versucht worden sei, den Antragsteller an seiner alleinigen Wohnanschrift in H. anzutreffen. Diese Versuche seien erfolglos verlaufen. Da dem Internet zu entnehmen sei, dass der Antragsteller einer Tätigkeit als Büroleiter eines Bundestagsabgeordneten nachgehe, lasse dies darauf schließen, dass er sich überwiegend in K. und nicht in H. aufhalte. Sofern der Antragsteller nicht belegen könne, die Adresse in H. als alleinige Wohnung innezuhaben, sei sie, die Antragsgegnerin, nach den Bestimmungen des Bundesmeldegesetzes gezwungen, den Antragsteller von Amts wegen nach unbekannt abzumelden. Alternativ könnte der Antragsteller sich mit Hauptwohnsitz in K. und mit Nebenwohnsitz in H. anmelden. Vor einer Abmeldung von Amts wegen bestehe nach § 28 VwVfG Gelegenheit, sich bis zum 15. Juni 2021 zum Sachverhalt zu äußern.

Mit Schreiben vom 9. Juli 2021 meldeten sich die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers und wiesen die Antragsgegnerin darauf hin, dass die in der Vergangenheit liegende Frist zur Stellungnahme unwirksam sei. Soweit die Antragsgegnerin auf erfolglose Ermittlungsversuche verwiesen habe, sei nicht mitgeteilt worden, wer wann vor Ort gewesen sei. Im Übrigen bestehe im Melderecht ohnehin keine permanente Anwesenheitspflicht. Auch die Behauptung der Antragsgegnerin, der Antragsteller sei Büroleiter eines Bundestagsabgeordneten, sei falsch. AC. Tageszeitungen hätten sich insoweit bereits zu einem Widerruf verpflichtet und diesen auch veröffentlicht. Das Anhörungsschreiben bestehe mithin aus unwahren Tatsachenbehauptungen und auf Denunziationen beruhenden Drohungen. Vor diesem Hintergrund werde vor einer weiteren Stellungnahme Akteneinsicht beantragt.

Mit Schreiben vom 20. Juli 2021 gewährte die Antragsgegnerin dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers Akteneinsicht und gab nach § 28 VwVfG Gelegenheit, sich bis zum 30. Juli 2021 zum Sachverhalt zu äußern. Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Antragsteller nicht mehr Büroleiter eines Bundestagsabgeordneten in K. sei, bestünden Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ummeldung.

Mit Schreiben vom 29. Juli 2021 wiesen die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers die Antragsgegnerin darauf hin, dass die an sie, die Antragsgegnerin, herangetragenen Anschuldigungen im Hinblick auf den Wohnsitz des Antragstellers sich inhaltlich und zeitlich mit Angriffen von zwei innerparteilichen Konkurrenten decken würden. Nach H. sei der Antragsteller auf Anraten seines Hausarztes gezogen. Ein Attest könne jederzeit vorgelegt werden. Seit November 2020 liege sein Lebensmittelpunkt in H.. Über weitere Wohnsitze verfüge er nicht. In H. sei der Antragsteller sowohl beruflich als auch privat engagiert und sozial eingebunden. Seine Einbindung erfolge zum einen über seine kommunalpolitische Arbeit als Vorsitzender des G. -Stadtverbandes H., wo er sich für die öffentlichen Belange seines Wohnortes engagiere. Seine Berufstätigkeit in K. habe der Antragsteller Ende Januar 2021 aufgegeben, um sich voll und ganz seiner Bundestagskandidatur und der Vorstandstätigkeit für den G. -Stadtverband H. widmen zu können. Hierdurch erklärten sich auch seine wiederkehrenden Abwesenheiten aus seiner Wohnung in H.. Zwischenzeitlich sei außerdem die Kandidatur auf Platz AD. der G. -Landesliste AE. zur Wahl des Deutschen Bundestags dazugekommen. Deshalb pendele der Antragsteller regelmäßig zwischen H. und AE.. Familienangehörige, wie beispielsweise die acht Kinder des Antragstellers, sein Bruder aus AF. oder sein Bruder nebst Enkelkind aus AG. hätten ihn mehrfach in H. besucht. Das sei der Grund, weshalb Familienangehörige gelegentlich auch im Hintergrund von Video- oder Telefonkonferenzen auftauchten. Der Antragsteller verfüge nicht über einen Festnetzanschluss. Er telefoniere ausschließlich über sein Mobiltelefon. Von daher besitze er weder einen Telefonanschluss mit der Vorwahl "L." noch mit der Vorwahl "M.". Das Kraftfahrzeug-Kennzeichen des Antragstellers laute "AH.". Soweit behauptet worden sei, dass auf einem Klingelschild "Y. /Z." stehe, treffe dies nicht zu. Hierauf stehe allein der Name des Antragstellers. Sein Vermieter, Herr Y., wohne ebenfalls unter der Anschrift "J.". Es handele sich um ein Haus mit zwei Wohneinheiten. Zu den Tagen im Zeitraum vom 22. Mai bis zum 14. Juni 2021, an denen der Antragsteller angeblich in seiner Wohnung nicht angetroffen worden sei, sei mitzuteilen, dass er sich während des Zeitraums auf eine Sachkundeprüfung vorbereitet habe. Er sei überwiegend in seiner Wohnung in H. gewesen. Die Sachkundeprüfung habe der Antragsteller am 15. Juni 2021 vor der IHK AI. abgelegt. Weiterhin habe er im genannten Zeitraum folgende Termine von H. aus wahrgenommen: 25. Mai 2021 - Sitzung des Bundesvorstandes der Alternativen Vereinigung der Arbeitnehmer; 28. Mai 2021 - Arztbesuch; 2. Juni 2021 - Aufsuchen einer Mercedes-Autowerkstatt; 4./5. Juni 2021 - Besprechung in AE. wegen der beabsichtigten Bundestagskandidatur; 7. Juni 2021 - Besuch beim 5. Geburtstag seiner Tochter AJ. in K.; 10. Juni 2021 - Besprechung in AE. wegen der Bundestagskandidatur; 11. Juni 2021 - Vorstandsbesprechung mit dem G. -Stadtverband H.; 12. Juni 2021 - Gesprächstermin in AK. mit dem AfD-Landesvorsitzenden MdB AL.; 15. Juni 2021 - IHK-Sachkundeprüfung in AI..

Mit Schreiben vom 11. August 2021 teilte die Antragsgegnerin dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers unter Hinweis auf § 6 Abs. 1 und 3 BMG mit, dass der Antragsteller rückwirkend zum 10. November 2020 von Amts wegen nach unbekannt abgemeldet worden sei. Eine Bestätigung hierüber sei als Anlage beigefügt. Die Zweifel an der Richtigkeit des Meldeverhältnisses hätten durch die vorgebrachten Argumente nicht beseitigt werden können.

Am 18. August 2021 hat der Antragsteller, vertreten durch seine Prozessbevollmächtigten, den vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt.

Die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers legen zur Begründung mehrere eidesstattliche Versicherungen vor, auf die Bezug genommen wird. Ergänzend zur Wiederholung und Vertiefung der vorangegangenen Ausführungen tragen sie u.a. das Folgende vor:

Der Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO sei zulässig. Insbesondere sei er statthaft, da eine Eintragung im Melderegister keinen Verwaltungsakt, sondern einen Realakt darstelle.

Der Antrag sei auch begründet.

Ein Anordnungsanspruch ergebe sich aus § 6 Abs. 1 BMG. Danach habe die Meldebehörde das Melderegister von Amts wegen oder auf Antrag der betroffenen Person zu berichtigen oder zu ergänzen, wenn es unrichtig oder unvollständig sei. Diese Voraussetzungen lägen vor. Bei der ursprünglich im Melderegister eingetragenen Wohnung unter der Anschrift "J." handele es sich entgegen der nicht näher begründeten Auffassung der Antragsgegnerin um die einzige Wohnung des Antragstellers. Die Abmeldung von Amts wegen sei zu Unrecht erfolgt. Er benutze die dort komplett von ihm eingerichtete Wohnung zum Aufenthalt, Arbeiten, Essen und Schlafen. Sämtliche seiner persönlichen Gegenstände befänden sich dort. Er habe dort ein häusliches Arbeitszimmer eingerichtet. Sein Vermieter, Herr Y., könne bestätigen, dass der Antragsteller sich regelmäßig in der angemieteten Wohnung aufhalte. Seit November 2020 liege der Lebensmittelpunkt des Antragstellers in H.. Seine getrennt von ihm lebende Ehefrau wohne mit den gemeinsamen Kindern in K.. Nach H. sei der Antragsteller auf ärztlichen Rat hin wegen der Seeluft gekommen. Er finde dort zudem die Ruhe und Abgeschiedenheit, die er für seine Autorentätigkeit benötige. Er habe sich auch aufgrund beruflicher und familiärer Kontakte in der Region für H. entschieden. Seine beruflichen Tätigkeiten für Abgeordnete in K., die er weitgehend aus dem Homeoffice in H. erbracht habe, habe er vollständig beendet. Dazu zählten die Ende Januar 2021 beendete Tätigkeit als Büroleiter für den Bundestagsabgeordneten AM. und die Ende Mai 2021 beendete wissenschaftliche Mitarbeit für einen weiteren Abgeordneten. Der Antragsteller sei in H. sowohl beruflich als auch privat engagiert und sozial eingebunden. Er besuche kulturelle, gesellschaftliche und politische Veranstaltungen. Privat nutze er regelmäßig die AN. in AO. und unternehme Wattwanderungen. Der Antragsteller verfolge die Vorkommnisse im Rathaus und in der Stadt H. und sei für die Koordination der Arbeit der Mitglieder seiner Partei zuständig. Dazu sei seine Anwesenheit bei Sitzungen und Besprechungen unerlässlich. Soweit dem Antragsteller vorgehalten werde, sich zwischen dem 22. Mai 2021 bis zum 14. Juni 2021 nicht in H. aufgehalten zu haben, sei dies falsch. Die aufgrund übler Nachrede eingeleiteten, spitzelhaften und unverhältnismäßigen Überwachungsmaßnahmen der Antragsgegnerin befremdeten den Antragsteller. Der Antragsteller sei nur gelegentlich von seiner Wohnung abwesend, um örtliche und auswärtige Termine wahrzunehmen, seine Kinder in K. oder Verwandte in AF. zu besuchen. Während des vorgenannten Zeitraums habe sich der Antragsteller auf eine IHK-Sachkundeprüfung vorbereitet und sei überwiegend in seiner Wohnung in H. gewesen oder habe unter der Anschrift AP. in AQ. gearbeitet.

Es liege auch ein Anordnungsgrund vor. Es sei dem Antragsteller schlechthin unmöglich, das Ergebnis eines Hauptsacheverfahrens abzuwarten, da die Abmeldung von Amts wegen unmittelbare Auswirkungen auf die Wählbarkeit des Antragstellers im Rahmen der am 12. September 2021 anstehenden Kommunalwahlen habe. Denn nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 NKomVG seien nur Personen wählbar, die am Wahltag mindestens sechs Monate in der Kommune ihren Wohnsitz innehätten. Mit der Abmeldung sei diese Voraussetzung entfallen. Über die Abmeldung erfolge nach Mitteilung einer niedersächsischen Kreiswahlleitung auch eine automatische Mitteilung der Antragsgegnerin an den Wahlausschuss. Nach § 25 Abs. 3 NKWG sei zwar nach Ablauf der Frist zur Einreichung der Wahlvorschläge, die hier am 26. Juli 2021 geendet habe, der Verlust der Wählbarkeit eines Kandidaten für die Durchführung der Wahl zunächst ohne Einfluss. Jedoch werde bei der Feststellung des Wahlergebnisses im Wahlgebiet gemäß § 36 Abs. 5 Satz 2 NKWG der Sitz dem Bewerber mit derselben oder nächsthöheren Stimmzahl zugeteilt, wenn der Bewerber mit der höheren oder gleich hohen Stimmzahl seine Wählbarkeit verloren habe. Das bedeute, dass sämtliche Stimmen, die auf den Antragsteller entfielen, unwiderruflich verloren gingen. Der Antragsteller werde definitiv keinen Sitz erhalten, selbst wenn er zunächst wählbar bleibe. Dies komme einem Ausschluss von der Kommunalwahl gleich. Eine Entscheidung in der Hauptsache käme angesichts der bevorstehenden Wahlen zu spät. Dem Antragsteller drohten irreparable und unzumutbare Nachteile für seine politische Karriere. Er werde in seinen Rechten aus Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 38 Abs. 2 i.V.m. Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt. Die zu Unrecht erfolgte Berichtigung des Melderegisters sei daher umgehend rückgängig zu machen.

Der Antragsteller beantragt,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, das Melderegister der Stadt H. dergestalt zu berichtigen, dass sie die am 11. August 2021 durchgeführte Abmeldung des Antragstellers rückgängig macht, sodass der Antragsteller in der Anschrift AR., in. [gemeint: T.] H. ununterbrochen mit Wohnsitz gemeldet ist.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie tritt dem Antrag u.a. wie folgt entgegen:

Der Antrag sei unbegründet. Ein Anordnungsanspruch sei nicht gegeben. Nach § 6 Abs. 1 BMG habe die Meldebehörde das Melderegister von Amts wegen oder auf Antrag der betroffenen Person zu berichtigen oder zu ergänzen, wenn es unrichtig oder unvollständig sei. Diese Voraussetzungen für eine Rückgängigmachung der Abmeldung lägen nicht vor. Aus dem zu Recht durchgeführten melderechtlichen Ermittlungsverfahren hätten sich konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Antragsteller die Wohnung unter der Anschrift "J." nicht benutze. Der Antragsteller sei deshalb angehört und ihm sei die Möglichkeit gegeben worden, das Gegenteil nachzuweisen. Ausreichende Belege seien aber nicht beigebracht worden. Der Antragsteller habe lediglich pauschal behauptet, seinen Lebensmittelpunkt in H. zu haben und nicht über weitere Wohnsitze zu verfügen. Dies genüge für ein substantiiertes Bestreiten der auf Tatsachen beruhenden Feststellung, dass der Antragsteller in der vorgenannten Wohnung nicht wohnt/gewohnt hat, nicht. Es sei u.a. keine Erklärung abgegeben worden, weshalb der Antragsteller an sieben Tagen, an denen der Mitarbeiter der Antragsgegnerin vor Ort gewesen sei, nicht habe angetroffen werden können. Weiterhin seien bei einigen vom Antragsteller genannten Terminen keine Ortsangaben gemacht worden. Es fehlten auch Zeitangaben sowie Angaben dazu, wie der Antragsteller zu den jeweiligen Terminen gekommen sei. Nicht erklärt worden sei auch, weshalb der Antragsteller die Tür nicht geöffnet habe, wenn er sich, wie behauptet, während des Ermittlungszeitraums auf eine Sachkundeprüfung in seiner Wohnung in H. vorbereitet habe. Warum sein Kraftfahrzeug nicht auf dem Grundstück oder davor gestanden habe, sei ebenfalls nicht mitgeteilt worden. Auch die im Verfahren vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen führten zu keinem anderen Ergebnis.

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO hat keinen Erfolg.

Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

Der Antrag ist bereits unzulässig. Der Statthaftigkeit des Antrags steht § 123 Abs. 5 VwGO entgegen. Danach gelten die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 des § 123 VwGO nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a VwGO. Hier liegt ein Fall des § 80 VwGO vor. Das Schreiben der Antragsgegnerin vom 11. August 2021, in dem sie dem Antragsteller unter Hinweis auf § 6 Abs. 1 und 3 BMG mitteilt, dass er rückwirkend zum 10. November 2020 von Amts wegen nach unbekannt abgemeldet worden ist, stellt ungeachtet seiner äußeren Form (z.B. fehlende Rechtsbehelfsbelehrung) einen anfechtbaren Verwaltungsakt i.S.d. § 35 Satz 1 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 NVwVfG dar.

Die Eintragung in das Melderegister oder die Berichtigung einer solchen ist zwar grundsätzlich mangels Regelung nicht als Verwaltungsakt zu qualifizieren, sondern stellt rein tatsächliches Verwaltungshandeln dar. Denn durch die Eintragung werden lediglich die vom Meldepflichtigen gelieferten Daten im Melderegister festgehalten, ohne dass damit unmittelbar Rechte des Meldepflichtigen gestaltet werden. Die Abwicklung der allgemeinen Meldepflicht ist ein Massengeschäft, das auf einfachen und zügigen Vollzug angelegt ist (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 25. April 2014 - 11 ME 64/14 -, Rn. 8, juris; OVG NRW, Beschluss vom 29. April 2010 - 16 E 1566/09 -, Rn. 3, juris; OVG MV, Beschluss vom 21. Juni 1999 - 1 M 63/99 -, juris; VGH BW, Beschluss vom 30. November 1992 - 1 S 2567/92 -, Rn. 2, juris; Breckwoldt, Melderechtskommentar, 3. Auflage, 2019, § 6 BMG, Rn. 13 ff.; s. auch Nr. 6.0 BMGVwV ["Berichtigungen und Ergänzungen des Melderegisters sind keine Verwaltungsakte"]).

Jedenfalls dann, wenn die Meldebehörde die Eintragung in das Melderegister oder die Berichtigung einer solchen aber nicht lediglich anhand der vom Meldepflichtigen mitgeteilten Daten vollzieht, sondern erkennbar eine eigene Entscheidung über die Richtigkeit der (bisherigen) Eintragung im Melderegister trifft und diese dem Betroffenen gesondert bekannt gibt, ist davon auszugehen, dass damit im Wege eines feststellenden Verwaltungsaktes eine Rechtsfolge verbindlich festgestellt wird (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 17. September 2014 - 11 LA 47/14 -, Rn. 3, juris; Nds. OVG, Beschluss vom 1. September 2014 - 11 ME 196/14 -, S. 3 f. BA, n.v.; Nds. OVG, Beschluss vom 25. April 2014 - 11 ME 64/14 -, Rn. 7 f., juris; VG Lüneburg, Urteil vom 30. November 2006 - 6 A 246/04 -, S. 4 f. UA, n.v.; VG Hannover, Urteil vom 23. März 2005 - 10 A 3286/04 -, Rn. 15, juris; Gamp, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 6. Auflage, 2018, Teil V, Rn. 40; die Fortschreibung des Melderegisters durch Abmeldung von Amts wegen offenbar generell als feststellenden Verwaltungsakt ansehend: VG München, Urteil vom 07. November 2013 - M 22 K 10.4711 -, Rn. 18, juris; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 27. Juli 1998 - 5 ZS 98.1714 -, Rn. 8, juris; a.A. [kein Verwaltungsakt] wohl: VG München, Urteil vom 23. Januar 2018 - M 13 K 17.1793 -, Rn. 15, juris; VG Oldenburg (Oldenburg), Beschluss vom 23. September 2009 - 12 B 2541/09 -, Rn. 3, juris; Nds. OVG, Urteil vom 17. Juni 1998 - 13 L 7556/95 -, S. 11 UA, n.v. ["Die bloße Mitteilung einer Berichtigung des Melderegisters ist nicht als Verwaltungsakt zu qualifizieren"]). Der Regelungsgehalt einer auf diese Weise mitgeteilten Abmeldung von Amts wegen besteht in der verbindlichen Feststellung, dass der Betroffene im Zuständigkeitsbereich der Meldebehörde keine Wohnung hat, die er zum Wohnen in Anspruch nimmt. Im Hinblick auf die Funktion des Melderechts, die in einer Gemeinde wohnhaften Einwohner zum Zweck der Identitäts- und Wohnungsfeststellung zu erfassen, handelt es sich bei der Inanspruchnahme der Wohnung zum Wohnen um einen tatsächlichen Vorgang, über dessen Vorliegen anhand der objektiven Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu entscheiden ist (vgl. VGH Hessen, Beschluss vom 27. August 2009 - 7 A 1884/09.Z -, Rn. 2, juris).

Dies zugrunde gelegt ist das Schreiben der Antragsgegnerin vom 11. August 2021 als feststellender Verwaltungsakt i.S.d. § 35 Satz 1 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 NVwVfG zu qualifizieren. Es lässt unter Berücksichtigung des vorangegangenen melderechtlichen Ermittlungsverfahrens i.S.d. § 6 Abs. 3 BMG, der zwischen den Beteiligten geführten Korrespondenz und ausweislich der angeführten Begründung erkennen, dass der darin mitgeteilten Abmeldung von Amts wegen eine eigene Entscheidung der Antragsgegnerin zugrunde liegt. Für das Vorliegen eines Verwaltungsaktes spricht in formaler Hinsicht weiterhin, dass der Antragsteller vor dem betreffenden Schreiben "gem. § 28 des Verwaltungsverfahrensgesetzes" angehört wurde (vgl. zum Rechtsschein, einen Verwaltungsakt erlassen zu wollen: VG Oldenburg, Gerichtsbescheid vom 17. Januar 2011 - 12 A 2331/10 - S. 3 GBA, n.v.). Diese Vorschrift gilt (zumindest direkt) nur vor Erlass eines eingreifenden Verwaltungsaktes (vgl. Herrmann, in: BeckOK VwVfg, 52. Edition, Stand: 1. Juli 2021, § 28 VwVfG, Rn. 5).

Für eine Auslegung des ausdrücklich vom anwaltlich vertretenen Antragsteller gestellten Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sieht die Kammer vorliegend keinen Raum und vor dem Hintergrund der Regelung des § 80 Abs. 1 VwGO, wonach eine (noch zu erhebende) Klage aufschiebende Wirkung entfaltet, letztlich auch kein Bedürfnis.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG und Ziffer 1.5 Satz 2 des Streitwertkataloges der Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. der am 31. Mai / 1. Juni 2012 und am 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen (NordÖR 2014, 11). Danach ist der Auffangstreitwert von 5.000,00 Euro zugrunde zu legen. Dieser wird wegen der vorliegend begehrten Vorwegnahme der Hauptsache nicht halbiert.