Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 23.09.2015, Az.: 8 LA 126/15
Approbation; außerberuflich; Berufserlaubnis; Betrug; Reifeprozess; Unwürdigkeit; Widerruf; Wiedererlangung der Würdigkeit
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 23.09.2015
- Aktenzeichen
- 8 LA 126/15
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2015, 45081
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 10.06.2015 - AZ: 6 A 180/13
Rechtsgrundlagen
- § 3 Abs 1 S 1 Nr 2 BÄO
- § 5 Abs 2 S 1 BÄO
- § 8 BÄO
- § 124 Abs 2 Nr 5 VwGO
- § 124 Abs 2 Nr 3 VwGO
- § 124 Abs 2 Nr 1 VwGO
- § 124a Abs 4 S 4 VwGO
- § 86 Abs 1 VwGO
Tenor:
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück - 6. Kammer - vom 10. Juni 2015 wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.
Der Streitwert des Berufungszulassungsverfahrens wird auf 30.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Approbation als Arzt.
Dem C. geborenen Kläger wurde 2003 die ärztliche Approbation erteilt. Seitdem ist er als angestellter Arzt und seit 2010 zudem als Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten tätig.
Mit Urteil vom 14. Februar 2012 - D. - verurteilte ihn das Amtsgericht E. wegen Betruges in elf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren. Das Amtsgericht stellte fest, dass der Kläger unter dem Vorwand der Beteiligung an einer Privatstation im Krankenhaus F. bei zwei verschiedenen Banken die Gewährung von Darlehen in Höhe von jeweils 200.000 EUR erwirkte und die Auszahlung der Darlehensbeträge an sich unter Vorlage von Rechnungen, die gar keinen realen Hintergrund hatten oder andere Verbindlichkeiten betrafen, veranlasste. Bei Kenntnis der wahren Sachlage hätten die Banken keine Auszahlungen veranlasst. Der Vermögensschaden resultierte aus der wirtschaftlichen Wertlosigkeit der Darlehensrückzahlungsansprüche. Dem Kläger sei bewusst gewesen, dass er die durch Täuschung erlangten Darlehen möglicherweise nicht würde zurückzahlen können. Er handelte, um sich aus den Taten über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten eine dauernde Einnahmequelle von einigem Umfang zu verschaffen. Gegen den Strafausspruch in der amtsgerichtlichen Entscheidung gerichtete Rechtsmittel hatten letztlich Erfolg. Durch Urteil des Landgerichts G. vom 19. Februar 2013 - H. - wurde für die vom Amtsgericht festgestellten Taten eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verhängt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Nach Anhörung widerrief der Beklagte mit Bescheid vom 4. Oktober 2013 die ärztliche Approbation des Klägers. Der Beklagte nahm unter Bezugnahme auf die Feststellungen in den strafgerichtlichen Entscheidungen eine Unwürdigkeit des Klägers zur Ausübung des ärztlichen Berufs an. Ein Arzt, der seine berufliche Stellung zur Gewährung von Darlehen in sechsstelliger Höhe ausnutze, um die Darlehensmittel zweckwidrig zur privaten Zins- und Schuldentilgung zu verwenden, habe sein Ansehen und das Vertrauen in der Bevölkerung verspielt. Der Annahme einer Unwürdigkeit stehe nicht entgegen, dass die Verfehlungen nicht den Kernbereich ärztlicher Berufspflichten beträfen. Der Widerruf der Approbation greife auch unter Berücksichtigung aller individuellen Umstände nicht unverhältnismäßig in die grundgesetzlich geschützte Berufsfreiheit des Klägers ein. Die seit der Begehung der Taten verstrichene Zeit habe nicht zur Folge, dass von dem Widerruf abgesehen werden könne.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 10. Juni 2015 abgewiesen. Hiergegen richtet sich der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (1.), der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (2.) und des Verfahrensmangels nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO (3.) sind zum Teil schon nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt und liegen im Übrigen nicht vor.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind zu bejahen, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 8.12.2009 - 2 BvR 758/07 -, BVerfGE 125, 104, 140). Die Richtigkeitszweifel müssen sich dabei auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.3.2004 - BVerwG 7 AV 4.03 -, NVwZ-RR 2004, 542, 543). Eine den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügende Darlegung dieses Zulassungsgrundes erfordert, dass im Einzelnen unter konkreter Auseinandersetzung mit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ausgeführt wird, dass und warum Zweifel an der Richtigkeit der Auffassung des erkennenden Verwaltungsgerichts bestehen sollen. Hierzu bedarf es regelmäßig qualifizierter, ins Einzelne gehender, fallbezogener und aus sich heraus verständlicher Ausführungen, die sich mit der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage einer eigenständigen Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffes auseinandersetzen (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 3.4.2013 - 13 LA 34/13 -, juris Rn. 2; Beschl. v. 24.3.2009 - 10 LA 377/08 -, juris Rn. 2; Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 124a Rn. 100 (Stand: September 2004)).
Der Kläger wendet gegen die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung ein, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht die Wiedererlangung der Würdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs verneint. Die von ihm - dem Kläger - begangenen Verfehlungen lägen außerhalb des beruflichen Wirkungskreises, so dass zur Wiedererlangung einer verlorenen Würdigkeit ein Reifeprozess von nicht mehr als fünf Jahren gefordert werden könne. Diesen Prozess habe er hier absolviert. Die Verfehlungen seien in den Jahren 2008 und 2009 begangen worden. Seitdem habe er den ärztlichen Beruf beanstandungsfrei ausgeübt. Den bei den Banken entstandenen Schaden habe er wieder gutgemacht.
Diese Einwände setzen die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung ernstlichen Richtigkeitszweifeln nicht aus.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist es zwar durchaus möglich, dass ein Arzt die durch eine gravierende Verfehlung eingebüßte Berufsunwürdigkeit bereits während des laufenden behördlichen Verfahrens über den Widerruf der Approbation wiedererlangt (vgl. etwa Senatsbeschl. v. 17.2.2015 - 8 LA 26/14 -, juris Rn. 62; v. 23.7.2014 - 8 LA 142/13 -, juris Rn. 38 f.). An einer solchen Wiedererlangung der Würdigkeit bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.8.2011 - BVerwG 3 B 6.11 -, juris Rn. 9; Senatsbeschl. v. 17.2.2015, a.a.O., Rn. 52) fehlt es hier aber.
Die Wiedererlangung der Würdigkeit setzt voraus, dass sich an der zum Widerruf führenden Sachlage nachweislich etwas zum Guten geändert hat, also der Arzt das für die Ausübung seines Berufes erforderliche Ansehen und Vertrauen zurückerlangt hat (vgl. BVerwG, Beschl. v. 15.11.2012 - BVerwG 3 B 36.12 -, Buchholz 418.00 Ärzte Nr. 113; Beschl. v. 23.7.1996 - BVerwG 3 PKH 4.96 -, juris Rn. 3). Die hier zu stellenden Anforderungen hat der Senat in seiner Entscheidung vom 29. Juli 2015 (- 8 ME 33/15 -, juris Rn. 21 ff.) wie folgt konkretisiert:
"Dies erfordert regelmäßig einen längeren inneren Reifeprozess zur Kompensation der zu Tage getretenen charakterlichen Mängel (vgl. Senatsurt. v. 11.5.2015 - 8 LC 123/14 -, juris Rn. 57; Senatsbeschl. v. 10.6.2015, a.a.O., Rn. 78; Sächsisches OVG, Urt. v. 13.3.2012, a.a.O., Rn. 31 und 37). In Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Fortdauer einer die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ausschließenden Berufsunwürdigkeit (vgl. etwa BGH, Beschl. v. 8.5.2013 - AnwZ (Brfg) 46/12 -, juris Rn. 6; Beschl. v. 12.7.2010 - AnwZ (B) 116/09 -, juris Rn. 9; v. 14.2.2000 - AnwZ (B) 8/99 -, NJW-RR 2000, 1445; v. 11.12.1995 - AnwZ (B) 34/95 -, juris Rn. 10: Dauer zwischen fünf Jahren (leichtere Verfehlungen) und zwanzig Jahren (schwere Straftaten im Kernbereich der beruflichen Tätigkeit des Rechtsanwalts), nicht jedoch vor beanstandungsfreiem Ablauf einer von den Strafgerichten angeordneten Bewährungszeit) und des Bundessozialgerichts zur erforderlichen Dauer eines Wohlverhaltens für die Wiedererteilung einer entzogenen Vertragsarztzulassung (vgl. BSG, Urt. v. 17.10.2012 - B 6 KA 49/11 R -, juris Rn. 49: mindestens fünf Jahre nach Wirksamwerden der Entziehung der Vertragsarztzulassung) erachtet der Senat einen Reifeprozess von regelmäßig mindestens fünf Jahren bei gravierenden Verfehlungen außerhalb des beruflichen Wirkungskreises und von regelmäßig mindestens acht Jahren bei gravierenden Verfehlungen im beruflichen Wirkungskreis für erforderlich.
Maßgeblich für den Beginn des Reifeprozesses ist der Zeitpunkt, in dem die zur Annahme der Berufsunwürdigkeit führenden gravierenden Verfehlungen durch den Betreffenden eingestellt worden sind, gleich ob dies auf einem freiwilligen Willensentschluss des Betreffenden oder auf einer Aufdeckung und Ahndung der Verfehlungen durch Dritte, insbesondere Strafverfolgungs- oder Approbationsbehörden beruht (so auch BGH, Beschl. v. 8.5.2013, a.a.O., Rn. 6; Beschl. v. 12.7.2010, a.a.O., Rn. 9: "zeitlicher Abstand zwischen der die Unwürdigkeit begründenden Straftat des Bewerbers und dessen Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft"; Sächsisches OVG, Urt. v. 13.3.2012, a.a.O., Rn. 32: "das gesamte Nachtatverhalten des Betroffenen bis zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Wiedererteilung der Approbation").
Eine Anknüpfung an den Zeitpunkt, in dem das Verwaltungsverfahren über den Widerruf der ärztlichen Approbation abgeschlossen ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 22.12.2008 - 1 BvR 3457/08 -, juris Rn. 3; BVerwG, Beschl. v. 15.11.2012, a.a.O., mit zahlreichen weiteren Nachweisen), an den Zeitpunkt, in dem der Widerruf der ärztlichen Approbation bestandskräftig geworden oder in dem die Ausübung der ärztlichen Tätigkeit tatsächlich eingestellt worden ist (vgl. Bayerischer VGH, Urt. v. 15.2.2000 - 21 B 96.1637 -, juris Rn. 59; VG Regensburg, Urt. v. 29.7.2010 - RO 5 K 09.2408 -, juris Rn.65; VG Würzburg, Urt. v. 26.10.2009 - W 7 K 09.90 -, juris Rn. 17 und 19; VG Freiburg, Beschl. v. 22.5.2007 - 1 K 1634/06 -, juris Rn. 22), ist nicht sachgerecht. Der Senat geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass die durch eine gravierende Verfehlung eingebüßte Berufsunwürdigkeit bereits während des laufenden behördlichen Verfahrens über den Widerruf der Approbation wieder erlangt worden sein kann (vgl. etwa Senatsbeschl. v. 17.2.2015, a.a.O., Rn. 52; v. 23.7.2014 - 8 LA 142/13 -, juris Rn. 38 f.). Dem liegt die Annahme zugrunde, dass der zur Kompensation zu Tage getretener charakterlicher Mängel erforderliche Reifeprozess ein tatsächlicher Vorgang ist, der in der Regel bereits mit der Aufgabe der gravierenden Verfehlungen einsetzt und nicht eine behördliche oder gar gerichtliche Bestätigung der Verfehlung und einen damit verbundenen Appell zur Läuterung voraussetzt. Durch eine Anknüpfung an die genannten nachgelagerten Zeitpunkte würde zudem derjenige Betreffende benachteiligt, der eine selbst erkannte Verfehlung freiwillig aufgibt, das Unrecht seines Handelns frühzeitig einsieht und sich ohne behördlichen oder anderen Einfluss um Wiedergutmachung entstandener Schäden bemüht. Denn wenn sein Handeln nicht ausreicht, um die Würdigkeit bis zu einem der genannten nachgelagerten Zeitpunkte wieder zu erlangen, bliebe es in einem nachfolgenden Verfahren auf Wiedererteilung der Approbation unberücksichtigt. Ein bereits weitgehend oder jedenfalls teilweise absolvierter Reifeprozess würde so ohne jede sachliche Rechtfertigung entwertet. Eine Anknüpfung an den Zeitpunkt, in dem Bescheid über den Widerruf der Approbation bestandskräftig geworden ist, oder an den Zeitpunkt, in dem die Ausübung der ärztlichen Tätigkeit tatsächlich eingestellt worden ist, wäre zudem zwangsläufig mit dem generellen Erfordernis einer Bewährung im außerberuflichen Bereich verknüpft. Ein solches generelles Erfordernis ist mit Blick auf die Beeinträchtigung der Berufswahlfreiheit nicht verhältnismäßig (vgl. hierzu auch kritisch: BVerfG, Beschl. v. 28.8.2007, a.a.O., Rn. 22). Im Übrigen bietet ein Reifeprozess, der während eines tatsächlich ausgeübten ärztlichen Berufs absolviert wird und durch den der Betreffende seine Fähigkeit zur beanstandungsfreien Berufsausübung dokumentieren kann, noch am ehesten die Gewähr dafür, dass der Betreffende sich "zum Guten geändert" hat (so auch Sächsisches OVG, Urt. v. 13.3.2012, a.a.O., Rn. 37). Hiervon ist offenbar auch der Gesetzgeber bei Einführung der Erlaubnis nach § 8 BÄO ausgegangen....
Ein bloßer Zeitablauf allein ist für die Wiedererlangung der Würdigkeit aber nicht ausreichend (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.7.1996 - BVerwG 3 B 44.96 -, Buchholz 418.00 Ärzte Nr. 95). Denn durch den Approbationswiderruf wegen Unwürdigkeit soll nicht das bisherige Verhalten des Arztes durch eine zeitliche Verhinderung der Berufsausübung sanktioniert, sondern das Ansehen der Ärzteschaft in den Augen der Öffentlichkeit geschützt werden, dies freilich nicht als Selbstzweck, sondern um das für jede Heilbehandlung unabdingbare Vertrauen der Patienten in die Integrität der Personen aufrecht zu erhalten, denen mit der Approbation die staatliche Erlaubnis zur selbständigen Ausübung der Heilkunde verliehen ist, und in deren Behandlung sich die Patienten begeben (vgl. eingehend Senatsbeschl. v. 3.2.2015 - 8 LA 2/14 -, juris Rn. 29 m.w.N.). Die Würdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs besteht daher erst dann wieder, wenn der Arzt das erforderliche Ansehen und Vertrauen zurückerlangt hat, mithin wenn nach einer Gesamtwürdigung aller Umstände nicht mehr zu besorgen ist, dass dessen selbstständige Berufstätigkeit das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Berufsstand nachhaltig erschüttern könnte (vgl. BVerwG, Beschl. v. 15.11.2012, a.a.O.). In die danach gebotene Gesamtwürdigung ist zum einen die Dauer des Reifeprozesses einzustellen und dabei zu gewichten. Zeiten der inneren Reifung, die unter dem Druck eines schwebenden behördlichen Verfahrens absolviert worden sind, kommt regelmäßig kein besonderer Wert, sondern ein geringeres Gewicht zu (ständige Rechtsprechung des Senats zuletzt im Urt. v. 11.5.2015, a.a.O., Rn. 56; vgl. auch OVG Saarland, Urt. v. 29.11.2005 - 1 R 12/05 -, juris Rn. 166; Bayerischer VGH, Beschl. v. 15.6.1993 - 21 B 92.226 -, juris Rn. 34). Darüber hinaus sind bei der Gesamtwürdigung insbesondere auch zu berücksichtigen die Art, Schwere und Zahl der Verfehlungen, die zur Annahme der Unwürdigkeit geführt haben, und das Verhalten des Betreffenden nach der Aufgabe oder Aufdeckung der Verfehlungen, etwa seine Mitwirkung an der Aufklärung der gegen ihn erhobenen Vorwürfe, seine Einsicht in das verwirklichte Unrecht und seine Bemühungen um eine Wiedergutmachung entstandener Schäden sowie das Ausbleiben erneuter, mit Blick auf die Würdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs relevanter Verfehlungen."
Nach diesen Maßgaben hatte der Kläger die Würdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs am 4. Oktober 2013, dem Erlass der Widerrufsverfügung durch den Beklagten, noch nicht wiedererlangt.
Der Kläger hat die strafrechtlich geahndeten gravierenden Verfehlungen außerhalb seines beruflichen Wirkungskreises als Arzt begangen. Nach der Rechtsprechung des Senats ist zur Wiedererlangung der Würdigkeit folglich ein Reifeprozess von regelmäßig mindestens fünf Jahren zu absolvieren. Besondere individuelle Umstände, die im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung ausnahmsweise eine signifikante Abkürzung des fünfjährigen Reifeprozesses gebieten würden, ergeben sich aus dem Zulassungsvorbringen des Klägers nicht und sind für den Senat auch sonst nicht ersichtlich. Die geltend gemachte Wiedergutmachung der entstandenen Schäden und die seitdem offenbar beanstandungsfreie Ausübung der ärztlichen Tätigkeit vermögen solche Umstände allein nicht zu begründen, zumal der Kläger unter dem Druck der gegen ihn geführten straf- und approbationsrechtlichen Verfahren gestanden hat.
Der danach mindestens zu absolvierende fünfjährige Reifeprozess konnte frühestens mit der Aufdeckung der Verfehlungen durch die geschädigten Banken im Juni 2009 zu laufen beginnen (vgl. die Strafanzeige der I. v. 9.6.2009) und war folglich im Zeitpunkt des Erlasses der Widerrufsverfügung durch den Beklagten am 4. Oktober 2013 noch nicht abgelaufen. Soweit der Kläger demgegenüber auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abstellt, geht er fehl. Die Rechtmäßigkeit des hier allein streitgegenständlichen Widerrufs der ärztlichen Approbation ist anhand der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung zu überprüfen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.8.2011, a.a.O., Rn. 9; Senatsbeschl. v. 29.7.2015, a.a.O., Rn. 24). Lediglich bei der Beurteilung eines Anspruchs auf Wiedererteilung der Approbation oder dem vorausgehend auf Erteilung einer Berufserlaubnis nach § 8 BÄO kommt es auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an (vgl. BVerfG, Beschl. v. 28.8.2007 - 1 BvR 1098/07 -, juris Rn. 28; Senatsbeschl. v. 29.7.2015, a.a.O., Rn. 18; Sächsisches OVG, Urt. v. 13.3.2012 - 4 A 18/11 -, juris Rn. 32 ff.).
Der Kläger wendet gegen die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung weiter ein, das Verwaltungsgericht habe eine Sanktionierung der begangenen Verfehlungen durch mildere Mittel als einen Widerruf der ärztlichen Approbation zu Unrecht ausgeschlossen. In Betracht komme die Erteilung einer Berufserlaubnis nach § 8 BÄO, die gerade nicht voraussetze, dass die in § 3 BÄO genannten Voraussetzungen für die Erteilung einer Approbation vollständig vorlägen.
Auch diese Einwände setzen die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung ernstlichen Richtigkeitszweifeln nicht aus.
Die Rechtswidrigkeit eines Widerrufs der ärztlichen Approbation kann sich zwar auch daraus ergeben, dass der mit ihr verbundene Eingriff in die grundrechtlich geschützte Berufswahlfreiheit des betroffenen Arztes unverhältnismäßig ist (vgl. Senatsbeschl. v. 19.2.2015 - 8 LA 102/14 -, juris Rn. 33 m.w.N.). Die insoweit auch zu betrachtende Erforderlichkeit eines Entzugs der ärztlichen Approbation zur Erreichung der mit diesem Entzug verfolgten legitimen Ziele wird durch die Möglichkeit, eine Berufserlaubnis nach § 8 BÄO zu erhalten, aber nicht in Frage gestellt. Diese vom Gesetzgeber geschaffene Möglichkeit, nach einem Widerruf der ärztlichen Approbation und vor Erfüllung der Voraussetzungen für deren Wiedererteilung sich im ärztlichen Beruf wieder bewähren zu können (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Bundesärzteordnung, BT-Drs. V/3838, Anlage 2 (Stellungnahme des Bundesrates), Nr. 4; VG Freiburg, Urt. v. 22.5.2007 - 1 K 1634/06 -, juris Rn. 28: "Bewährungserlaubnis"), sichert vielmehr die Verhältnismäßigkeit des mit dem Approbationswiderruf verbundenen Grundrechtseingriffs (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.8.2011, a.a.O., Rn. 9; Beschl. v. 14.4.1998 - BVerwG 3 B 95.97 -, NJW 1999, 3425, 3426; Senatsbeschl. v. 23.4.2012 - 8 LA 45/11 -, juris Rn. 10; Hessischer VGH, Beschl. v. 24.11.2011 - 7 A 37/11.Z -, juris Rn. 31; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 2.4.2009 - 13 A 9/08 -, juris Rn. 12).
Darüber hinaus verkennt der Kläger grundlegend, dass ein Widerruf der ärztlichen Approbation wegen Unwürdigkeit nicht repressiv das bisherige Verhalten des Arztes sanktionieren soll, sondern präventiv auf einen Schutz des Ansehens der Ärzteschaft in den Augen der Öffentlichkeit gerichtet ist. Dies freilich nicht als Selbstzweck, sondern um das für jede Heilbehandlung unabdingbare Vertrauen der Patienten in die Integrität der Personen aufrecht zu erhalten, denen mit der Approbation die staatliche Erlaubnis zur selbständigen Ausübung der Heilkunde verliehen ist, und in deren Behandlung sich die Patienten begeben (vgl. Senatsbeschl. v. 3.2.2015 - 8 LA 2/14 -, juris Rn. 29 m.w.N.). In Verfahren über den Widerruf einer ärztlichen Approbation nach § 5 Abs. 2 Satz 1 BÄO verhängen die Verwaltungsgerichte mithin nicht eine Sanktion, die sie nach dem Grad der Schwere der vom Arzt begangenen Verfehlungen variieren könnten. Sie überprüfen auf die Anfechtungsklage des betroffenen Arztes vielmehr allein die Rechtmäßigkeit der von der Approbationsbehörde erlassenen Widerrufsverfügung. Ist diese im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.8.2011, a.a.O., Rn. 9; Senatsbeschl. v. 29.7.2015, a.a.O., Rn. 24) rechtswidrig und verletzt sie den betroffenen Arzt in seinen Rechten, erfolgt durch das Verwaltungsgericht die Aufhebung der Widerrufsverfügung (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Von dem so beschriebenen Streitgegenstand ist die Erteilung einer Berufserlaubnis nach § 8 BÄO nicht umfasst. Nach Absatz 1 dieser Bestimmung kommt die Erteilung einer solchen Berufserlaubnis vielmehr nur in Betracht, wenn die Approbation wegen Fehlens oder späteren Wegfalls einer der Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 BÄO (rechtskräftig) zurückgenommen oder widerrufen worden ist. Nachfolgend muss ein Antrag auf Wiederteilung der Approbation gestellt worden sein und es muss hinreichend wahrscheinlich sein, dass die Voraussetzungen nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 BÄO jedenfalls nach Ablauf der Zweijahresfrist des § 8 Abs. 1 a.E. BÄO erfüllt sein werden (vgl. Senatsbeschl. v. 29.7.2015, a.a.O., Rn. 17). Zur gerichtlichen Durchsetzung eines Anspruchs auf Erteilung der Berufserlaubnis bedarf es einer Verpflichtungsklage nach § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO; maßgeblich ist für diese die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. BVerfG, Beschl. v. 28.8.2007, a.a.O., Rn. 28; Sächsisches OVG, Urt. v. 13.3.2012, a.a.O., Rn. 32 ff.).
2. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Eine solche grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine höchstrichterlich noch nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine obergerichtlich bislang ungeklärte Tatsachenfrage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die sich im Rechtsmittelverfahren stellen würde und im Interesse der Einheit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts einer fallübergreifenden Klärung durch das Berufungsgericht bedarf (vgl. Senatsbeschl. v. 11.7.2013 - 8 LA 148/12 -, juris Rn. 30; Schoch/Schneider/Bier, a.a.O., § 124 Rn. 30 f. m.w.N.). Um die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO darzulegen, hat der Zulassungsantragsteller die für fallübergreifend gehaltene Frage zu formulieren sowie näher zu begründen, weshalb sie eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat und ein allgemeines Interesse an ihrer Klärung besteht. Darzustellen ist weiter, dass sie entscheidungserheblich ist und ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten steht (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 17.2.2010 - 5 LA 342/08 -, juris Rn. 12; Schoch/Schneider/Bier, a.a.O., § 124a Rn. 103 f.).
Hieran gemessen kommt der vom Kläger aufgeworfenen Frage,
"ob bereits im Verfahren wegen des Widerrufs einer Approbation eine Berufserlaubnis im Sinne des § 8 BÄO als milderes Mittel in Betracht kommt",
eine die Zulassung der Berufung gebietende grundsätzliche Bedeutung nicht zu. Die Frage ist, wie zu 1. dargestellt, ohne Weiteres zu beantworten. Hierzu bedarf es der Durchführung eines Berufungsverfahrens nicht.
3. Die Berufung ist schließlich nicht wegen eines Verfahrensmangels nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zuzulassen.
Der Kläger rügt, das Verwaltungsgericht habe seinen jetzigen Arbeitgeber, Herrn J. aus K., als Zeugen vernehmen müssen. Dieser hätte Auskunft über seine - des Klägers - berufliche Situation und seine beanstandungsfreie Ausübung der ärztlichen Tätigkeit geben können.
Wird derart ein Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geltend gemacht, muss zur Begründung eines die Zulassung der Berufung gebietenden Verfahrensmangels substantiiert dargelegt werden, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären. Weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren des ersten Rechtszuges, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist, oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (vgl. Senatsbeschl. v. 16.11.2010 - 8 LA 224/10 -, juris Rn. 16). Die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Prozessbeteiligten in der Vorinstanz, vor allem das Unterlassen von förmlichen Beweisanträgen, zu kompensieren (vgl. BVerwG, Beschl. v. 5.3.2010 - BVerwG 5 B 7.10 -, Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 94 m.w.N.).
Den danach bestehenden Darlegungsanforderungen genügt das Zulassungsvorbringen des Klägers nicht. Er hat nicht aufgezeigt, dass sein Prozessbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 10. Juni 2015 einen förmlichen Beweisantrag gestellt oder in anderer geeigneter Weise auf die Zeugenvernehmung hingewirkt hat. Dies ergibt sich auch aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung (Blatt 42 ff. der Gerichtsakte) nicht. Dem Vorbringen des Klägers ist auch nicht zu entnehmen, dass sich dem Verwaltungsgericht die Zeugenvernehmung hätte aufdrängen müssen, da es die vom Kläger bezeichneten Beweistatsachen für nicht entscheidungserheblich erachtet hat (Urt. v. 10.6.2015, Umdruck, S. 10 f.).