Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 22.09.2015, Az.: 1 LA 54/15

Denkmalschutz; Kunststofffenster

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
22.09.2015
Aktenzeichen
1 LA 54/15
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2015, 45083
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 27.01.2015 - AZ: 2 A 656/13

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Auch durch den bereits einige Jahre zurückliegenden Einbau von Kunststofffenstern geht der Denkmalwert nicht verloren, weil der Austausch der denkmalwidrigen Teile gegen denkmalgemäße Fenster jederzeit ohne bleibende Schäden möglich ist.
Mildere Mittel als den Austausch gegen denkmalgerechte Fenster, um die Beeinträchtigung eines Denkmals durch Kunststofffenster zu beheben,sind i.d.R. nicht gegeben.

Tenor:

Der Antrag der Kläger, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 2. Kammer (Einzelrichterin) - vom 27. Januar 2015 zuzulassen, wird abgelehnt.

Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner.

Der Wert des Streitgegenstands für das Zulassungsverfahren und das Verfahren des ersten Rechtszuges wird auf 25.000,--€ festgesetzt; insoweit wird die Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts geändert.

Gründe

Die Kläger wenden sich gegen eine Verfügung der Beklagten, mit der ihnen aufgegeben wird, die in dem Gebäude C. 5 in der Altstadt von B-Stadt eingebauten Kunststofffenster gegen Holzfenster auszutauschen und die vor diesen Fenstern angebauten Außenrollläden zu beseitigen. Das Gebäude ist als Teil eines Gruppendenkmals in die Denkmalliste eingetragen. Nachdem die Beklagte anlässlich einer in dieser Straße durchgeführten Ortsbesichtigung das Vorhandensein von Kunststofffenstern in dem Gebäude der Kläger festgestellt hatte, hörte sie mit Schreiben vom 18. Juni 2012 die Kläger an und wies darauf hin, dass der Einbau von Fenstern in ein Baudenkmal einer denkmalrechtlichen Genehmigung gemäß § 10 Denkmalschutzgesetz bedürfe und eine solche Genehmigung nicht vorliege.

Daraufhin teilten die Kläger mit, dass sie bei der nächsten Renovierung der Fassade die Holzfenster einbauen würden und bis dahin der Zustand geduldet werden solle. Die Rollläden seien erforderlich, um Einbrüche in das Gebäude zu verhindern. Mit Verfügung vom 7. Januar 2013 gab die Beklagte den Klägern den Austausch der Kunststofffenster gegen denkmalgerechte Holzfenster und die Beseitigung der Außenrollläden auf. Dagegen wendeten sich die Kläger mit ihrer Klage beim Verwaltungsgericht, die mit dem angegriffenen Urteil abgewiesen worden ist. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht darauf verwiesen, dass die Kunststofffenster den Denkmalwert des Gebäudes beeinträchtigten. Der Denkmalwert sei auch nicht durch den bereits vorangegangenen ersten Einbau von Kunststofffenstern geschmälert worden, weil es sich dabei um vorübergehende Beeinträchtigungen handele, die durch den Einbau von Holzfenstern leicht rückgängig zu machen seien. Gleiches gelte für den Einbau der Außenrollläden. Die Kläger hätten insoweit nicht dargelegt, dass anderweitiger Schutz gegen Einbruch und Diebstahl nicht möglich sei. Die Beklagte habe auch ausreichend klargestellt, dass sie gegen vergleichbare Fälle in gleicher Weise vorgehe.

Dagegen wenden sich die Kläger mit ihrem auf § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 VwGO gestützten Antrag auf Zulassung der Berufung.

Der Antrag hat keinen Erfolg.

Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen vor, wenn es dem Zulassungsantragsteller gelingt, einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten so in Frage zu stellen (BVerfG, Beschl. v. 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458, 1459 = NVwZ 2000, 1163 = NdsVBl. 2000, 244), dass sich hierdurch etwas am Ergebnis der angegriffenen Entscheidung ändert; dieses entscheidet. Der Erfolg des Rechtsmittels muss nicht wahrscheinlicher sein als der Misserfolg (BVerfG, Beschl. v. 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 -, BVerfGE 110, 77 = UPR 2004, 305 = NJW 2004, 2510). Das Zulassungsverfahren soll nicht das Berufungsverfahren vorwegnehmen (BVerfG, Beschl. v. 21.1.2009 - 1 BvR 2524/06 -, NVwZ 2009, 515 = UPR 2009, 182 = JZ 2009, 850).

Das Vorbringen der Kläger ist nicht geeignet, ernstliche Zweifel in diesem Sinne an der Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu wecken. Die Kläger missverstehen das Urteil des Senats vom 14. September 1994 (- 1 L 5631/92 -, BRS 56 Nr. 221) wenn sie meinen, Voraussetzung für die Anordnung, Holzfenster einzubauen, sei, dass der Eigentümer gerade beabsichtige, die „alten“ Fenster zu erneuern. Der Senat hat sich in einer Vielzahl von Entscheidungen mit dem Einbau von Kunststofffenstern befasst (zuletzt Beschl. v. 3.6.2014 - 1 PA 50/14 -; Beschl. v. 19.3.2012 - 1 LA 278/10 -, Veröffentlichung nicht bekannt). Voraussetzung für ein Einschreiten der Behörde ist nicht, dass der Eigentümer des Baudenkmals ohnehin beabsichtigt, vorhandene, nicht denkmalgerechte Fenster auszutauschen. Von zentraler Bedeutung ist vielmehr, dass auch dann, wenn schon denkmalwidrige Teile wie etwa Kunststofffenster in einem Baudenkmal vorhanden sind, diese gegen denkmalgemäße Teile auszutauschen sind, sofern der Denkmalcharakter durch diese vorhergegangenen Veränderungen nicht verloren gegangen ist. Durch den bloßen Einbau denkmalwidriger Fenster geht die Denkmaleigenschaft deshalb nicht verloren, weil diese Maßnahme jederzeit ohne bleibende Schäden für das Denkmal durch den Einbau denkmalgerechter Fenster rückgängig gemacht werden kann (vgl. hierzu ausführlich Urt. d. Sen. v. 21.8.1998 - 1 L 5891/96 -, juris). Diese Sachlage ist auch und gerade im vorliegenden Fall gegeben.

Ein „Bestandsschutz“ für die denkmalwidrigen Fenster erwächst entgegen der Ansicht der Kläger auch nicht aus der Tatsache, dass die Behörde nicht unmittelbar nach Einbau der Fenster diese beanstandet hat. Dagegen ist im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass die Kläger bereits vor Einbau der Fenster ausreichend Anlass hatten, die Genehmigung für den Einbau der Fenster zu beantragen bzw. die Genehmigungs-fähigkeit des Einbaus von Kunststofffenstern prüfen zu lassen. Bereits im Jahr 1999 haben die Kläger nach Beratung durch die Beklagte im Hinblick auf die Denkmaleigenschaft ihres Gebäudes einen Antrag auf Beseitigung des Wintergartens zurückgenommen. Auf den daraufhin gestellten Bauantrag der Kläger auf Genehmigung einer denkmalgerechten Sanierung des Wintergartens und den entsprechenden Antrag auf Gewährung eines Zuschusses hat die Beklagte am 28.7.1999 eine Baugenehmigung sowie auf einen weiteren Antrag unter dem 25. Februar 2000 die Baugenehmigung für einen Fassadenanstrich erteilt, jeweils mit ausdrücklichen Hinweisen auf die Denkmaleigenschaft des Gebäudes. Wenn die Kläger in den Jahren 2006 und 2010 (die 1997 eingebauten Dachfenster und die 2000 eingebauten Fenster im Wintergarten sind nicht Gegenstand des angegriffenen Bescheids) die beanstandeten Kunststofffenster eingebaut haben, war ihnen zu diesem Zeitpunkt folglich die Denkmaleigenschaft ihres Gebäudes bekannt, so dass sie sich auch ohne einen weiteren Hinweis der Beklagten “mindestens vorsichtshalber“ an die Beklagte hinsichtlich der Erteilung einer denkmalrechtlichen Genehmigung hätten wenden müssen. Diese trifft keine „Bringschuld“ für allenfalls zu vermutende weitere Arbeiten.

Von einer „aktiven“ Duldung der 2006 und 2010 eingebauten Fenster durch die Beklagte bis zum Jahr 2012, dem Zeitpunkt der Anhörung, konnten die Kläger daher nicht ausgehen.

Wenn der Einbau von Kunststofffenstern den Denkmalwert eines Gebäudes beeinträchtigt, kann nur durch den Einbau denkmalgerechter Fenster diese Beeinträchtigung beseitigt werden. Ein milderes Mittel ist insofern nicht erkennbar. „Milder“ wäre das Abwarten der nächsten ohnehin erforderlich werdenden Fenstererneuerung zwar in Bezug auf die für den Eigentümer entstehenden Kosten. Diese Möglichkeit, Kosten zu sparen, besteht für den Eigentümer (und bestand auch für die Kläger) allerdings dann, wenn zum Zeitpunkt der notwendigen Auswechslung der Fenster die denkmalrechtliche Genehmigung beantragt wird und damit der zusätzliche Kostenaufwand durch den kurzfristig nach Erneuerung der Fenster erforderlichen Einbau der denkmalgerechten Fenster vermieden wird. Abgesehen davon haben die Kläger hier aber auch durch den Zeitablauf seit dem Einbau der (Kunststoff-)Fenster in den Jahren 2006 und 2010 bereits Vorteile aus den damals verwendeten Fenstern gezogen.

Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte entgegen ihren ausführlichen Äußerungen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ausschließlich gegen die Kläger „vorgeht“, sind nicht erkennbar und von den Klägern auch nicht im Einzelnen vorgetragen. Eine Verletzung des Gleichheitssatzes, wie ihn die Kläger befürchten, ist danach nicht gegeben.

Eine Zulassung der Berufung wegen besonderer Schwierigkeiten oder grundsätzlicher Bedeutung kommt nicht in Betracht. Die grundsätzliche Frage, ob der Einbau von Kunststofffenstern anstelle von Holzfenstern denkmalgerecht ist, ist in der umfangreichen Rechtsprechung des Senats sowie anderer Oberverwaltungsgerichte ausgiebig erörtert worden und vom Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung teilweise auch angeführt (Entscheidungen d. Sen., aaO; vgl. etwa auch Sächs. OVG, Urt. v. 17.9.2007 - 1 B 324/06 -; VGH Kassel, Urt. v. 30.10.2006 - 3 OE 1626/06 -, BRS 70 Nr. 200; OVG Münster, Urt. v. 8.7.2004 - 8 A 851/03 -, BRS 77 Nr. 170; vgl. im Übrigen die Nachweise bei: Martin/Krautzberger, Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege, 3. Aufl., Rdnr. E 168; Kleine-Tebbe/Martin, Denkmalschutzrecht Niedersachsen, 2. Aufl., § 10 Anm 4.4 Fenster; Davydov/Hönes/Otten/Ringbeck, Denkmalschutzgesetz Nordrh.-Westf., 2. Aufl., § 9 Rdnr. 116). Soweit in Einzelfällen von der grundsätzlichen Linie abgewichen wird, handelt es sich gerade nicht um Fragen, die einer grundsätzlichen Klärung zugänglich sind.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 159 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 52 Abs. 1, 62 Abs. 3 GKG. Der Austausch der Fenster wird mit nur 5.000,-- € nicht zutreffend erfasst.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 iVm § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).