Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 22.09.2015, Az.: 1 LA 62/15
Baugebühren; Herstellungswert; Photovoltaikanlage
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 22.09.2015
- Aktenzeichen
- 1 LA 62/15
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2015, 45084
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 17.02.2015 - AZ: 2 A 45/14
Rechtsgrundlagen
- § 1 Abs 1 S 1 BauGebO ND
- § 3 BauGebO ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die Gebühren für die Genehmigung einer Freiflächenphotovoltaikanlage sind nach dem Herstellungswert zu bemessen, weil es an einem abgrenzbaren Rohbaustadium fehlt.
Tenor:
Der Antrag der Klägerin, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 2. Kammer (Einzelrichterin) - vom 17. Februar 2015 zuzulassen, wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstands für das Zulassungsverfahren wird auf 63.775,-- EUR festgesetzt.
Gründe
Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid des Beklagten, mit dem dieser Baugenehmigungsgebühren für die Genehmigung einer Freiflächen-Photovoltaikanlage erhebt. Unter dem 20. September 2012 hatte die Klägerin die Erteilung einer Baugenehmigung für eine Freiflächen-Photovoltaikanlage mit 13.300 Photovoltaikmodulen beantragt. Nachdem das von der zuständigen Gemeinde begonnene Bauleitplanverfahren so weit fortgeschritten war, dass die Klägerin eine Erklärung zur Anerkennung der künftigen Festsetzungen des Bebauungsplans abgeben konnte, erteilte der Beklagte am 7. Mai 2013 die Baugenehmigung. Bereits am 27. November 2012 hatte der Beklagte festgestellt, dass die Anlage zu 90 % fertig gestellt worden war. Am 17. Januar 2013 war die Anlage vollständig errichtet. Die Berechnung der Höhe der anfallenden Gebühren stützte der Beklagte auf die von der Klägerin in der Baubeschreibung angegebenen Herstellungskosten der Anlage. Dagegen wendete sich die Klägerin nach erfolglosem Widerspruchsverfahren mit ihrer Klage, zu deren Begründung sie vortrug, die Baugenehmigungsgebühren für die Herstellung einer Photovoltaikanlage seien nach dem Rohbauwert und nicht nach den Herstellungskosten zu berechnen. Eine Rohbauabnahme könne nach Fertigstellung der tragenden Stahlkonstruktion, auf welche die Photovoltaikmodule aufgebracht würden, durchgeführt werden. Die Module selbst zählten nicht zu den konstruktiv wichtigen Teilen der Anlage.
Mit dem angegriffenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen, soweit der Beklagte Kosten von mehr als 63.775,-- EUR festgesetzt hatte. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, die Berechnung der Kosten aufgrund des Herstellungswertes sei gerechtfertigt und orientiere sich an der Rechtsprechung des Senats im Hinblick auf Windkraftanlagen. Mit diesen seien die Photovoltaikanlagen vergleichbar, nicht jedoch mit Gebäuden herkömmlicher Bauweise. Allerdings sei für die Berechnung der Gebühr darauf abzustellen, dass die Klägerin die Zahl der zu errichtenden Module von 13.300 mit Schreiben vom 20. Februar 2013 auf 13.062 Module reduziert habe. Dies habe der Beklagte zu Unrecht bei der Berechnung nicht berücksichtigt.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung, den sie auf § 124 Abs. 2 Nrn. 1, 2 und 3 VwGO stützt.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen vor, wenn es dem Zulassungsantragsteller gelingt, einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten so in Frage zu stellen (BVerfG, Beschl. v. 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458, 1459 = NVwZ 2000, 1163 = NdsVBl. 2000, 244), dass sich hierdurch etwas am Ergebnis der angegriffenen Entscheidung ändert; dieses entscheidet. Der Erfolg des Rechtsmittels muss nicht wahrscheinlicher sein als der Misserfolg (BVerfG, Beschl. v. 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 -, BVerfGE 110, 77 = UPR 2004, 305 = NJW 2004, 2510). Das Zulassungsverfahren soll nicht das Berufungsverfahren vorwegnehmen (BVerfG, Beschl. v. 21.1.2009 - 1 BvR 2524/06 -, NVwZ 2009, 515 = UPR 2009, 182 = JZ 2009, 850).
Ernstliche Zweifel an der Entscheidung des Verwaltungsgerichts ergeben sich entgegen der Ansicht der Klägerin nicht daraus, dass es - wie die Klägerin meint - den Begriff „herkömmliche Bauweise nicht gibt“ und schon allein deshalb das Verwaltungsgericht die Ziff. 1.1 der Anlage 1 zur Baugebührenordnung hätte anwenden müssen. Dass der Begriff „herkömmliche Bauweise“ nicht im Text der Anlage 1 zur Baugebührenordnung verwendet wird, bedeutet nicht, dass dieser nicht inhaltlich zugrunde gelegt ist, wenn an den „Rohbauwert“ angeknüpft wird. Herkömmlich gebaut sind Gebäude, wie sie etwa in Anlage 2 der Baugebührenordnung in der Tabelle der Rohbauwerte aufgezählt sind. Die Tragekonstruktion einer frei stehenden Photovoltaikanlage lässt sich nicht unter eines der dort aufgeführten Beispiele fassen und auch nicht mit ihnen vergleichen. Vergleichbar ist dagegen die Errichtung von frei stehenden Photovoltaikanlagen mit der von Windenergieanlagen. Zur Bauweise von Windenergieanlagen und ihrer Vergleichbarkeit mit herkömmlichen Gebäuden hat sich der Senat - in der vom Verwaltungsgericht zitierten Entscheidung - bereits ausführlich geäußert. Zu den Herstellungskosten derartiger Anlagen zählen alle Kosten, die für die zum Betrieb notwendigen Teile anfallen. Dass die von der Klägerin aufgezählten Teile nicht notwendig zum Betrieb sind, lässt sich ihrem Vorbringen nicht entnehmen.
§ 75a NBauO a.F., der hier gemäß § 86 Abs. 1 NBauO n.F. - ebenso wie die Baugebührenordnung und ihre Anlagen in der Fassung bis zum 31. Oktober 2012 gemäß § 7a Baugebührenordnung - anzuwenden ist, weil der Bauantrag vor dem 1. November 2012 gestellt wurde, erfasst nicht die hier zu genehmigende Freiflächen-Photovoltaikanlage, so dass ein vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren nicht in Betracht kam. Die Anwendung des § 62 Abs. 1 Nr. 3 NBauO n.F. war -noch- nicht möglich. Dass es sich bei der Errichtung von mehr als 3.000 Photovoltaikmodulen nicht um fliegende Bauten i.S. von § 84 NBauO a.F./ § 75 NBauO n.F. handelt, die keiner Baugenehmigung bedürfen, dürfte auf der Hand liegen. Zudem ist dieser Zulassungsantrag verspätet.
Nicht zu beanstanden ist auch die Erhöhung der Genehmigungsgebühr im Hinblick darauf, dass die Anlage bereits vor Erteilung der Baugenehmigung fertig gestellt worden war (vgl. dazu BVerwG, Beschl. v. 21.9.2001 - 9 B 51.01 -, NVwZ 2002, 482). Die erhöhte Gebühr für die nachträgliche Genehmigung einer bereits errichteten baulichen Anlage folgt aus Ziff. 1.1.3 der Anlage 1 zur Baugebührenordnung in der Fassung vom 12. Oktober 2010. Aus den Verwaltungsvorgängen ergibt sich, dass bereits Ende November 2012 die Photovoltaikanlage fast vollständig errichtet worden war, und zwar nicht nur die Unterkonstruktion, sondern auch die Solarmodule angebracht waren (Bl. 183 bis 188, Beiakte A). Auch wenn sich aus einem Vermerk vom März 2013 ergibt, dass die Klägerin mündlich um eine „Vorabgenehmigung“ gebeten habe, lässt sich daraus entgegen der Ansicht der Klägerin nicht entnehmen, dass sie bereits im November 2012 eine Teilbaugenehmigung beantragt hatte und danach erst mit der Aufstellung der Anlage begonnen habe. Zudem bezog sich der Antrag nach den sich aus der Bauakte ergebenden Umständen auf die Erteilung einer Vorabgenehmigung gemäß § 33 Abs. 1 BauGB.
Dass die Gebühren für die Prüfung von Standsicherheit und Feuerwiderstandsfähigkeit falsch berechnet sind, lässt sich nach dem Vorbringen der Klägerin ebenfalls nicht feststellen. Die Prüfung des Standsicherheitsnachweises war nach Ziff. 9.1 der Anlage 1 i.V.m. Anlage 4 (Bauwerksklasse 3) in der hier vom 8. Dezember 2010 bis 31. Oktober 2012 geltenden Fassung vorzunehmen. Danach ist nicht eine Berechnung nach dem zeitlichen Aufwand notwendig, sondern die Gebühr nach der Tafel der Anlage 3 zu berechnen.
Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, lässt sich die Frage nach der Berechnung von Baugebühren für die Genehmigung von Freiflächen-Solaranlagen aufgrund der bisherigen Rechtsprechung des Senats beantworten, so dass eine Zulassung der Berufung weder aufgrund besonderer rechtlicher Schwierigkeiten noch wegen grundsätzlicher Bedeutung in Betracht kommt. Das Zulassungsvorbringen enthält keine Ausführungen, welche eine darüber hinausgehende grundsätzliche Klärungsbedürftigkeit darlegen.
Die Nebenentscheidungen folgen aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 52 Abs. 3 GKG.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 5 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).