Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 15.09.2015, Az.: 8 LA 109/15
Approbation; Substitutionsbehandlung; Unwürdigkeit; Widerruf; Wiedererlangung der Würdigkeit
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 15.09.2015
- Aktenzeichen
- 8 LA 109/15
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2015, 45079
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 06.05.2015 - AZ: 5 A 3023/14
Rechtsgrundlagen
- § 3 Abs 1 S 1 Nr 2 BÄO
- § 5 Abs 2 S 1 BÄO
- § 8 BÄO
- § 124 Abs 2 Nr 3 VwGO
- § 124 Abs 2 Nr 2 VwGO
- § 124 Abs 2 Nr 1 VwGO
- § 124a Abs 4 S 4 VwGO
Tenor:
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 5. Kammer - vom 6. Mai 2015 wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.
Der Streitwert des Berufungszulassungsverfahrens wird auf 30.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Approbation als Arzt.
Der C. geborene Kläger ist seit 1993 als niedergelassener Arzt in einer vertragsärztlichen Gemeinschaftspraxis in D. tätig.
Mit Urteil vom 21. November 2012 - E. - verurteilte ihn das Landgericht F. wegen unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln in 263 Fällen und unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln unter leichtfertiger Verursachung des Todes eines anderen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten. Das Landgericht ordnete an, dass wegen der von der Justiz zu vertretenden Verfahrensverzögerung von dreieinhalb Jahren die Strafe im Umfang von sechs Monaten als vollstreckt gilt. Die danach verbleibende Strafe setzte das Landgericht zur Bewährung aus, legte eine Bewährungszeit von drei Jahren fest und erlegte dem Kläger auf, einen Geldbetrag in Höhe von 80.000 EUR an gemeinnützige Einrichtungen zu zahlen. Das Landgericht F. stellte in seinem Urteil fest, dass der Kläger dadurch gegen die gesetzlichen Vorgaben der Substitutionsbehandlung verstieß, dass er in allen abgeurteilten Fällen ohne hinreichende ärztliche Untersuchung und Kontrolle seinen Patienten Methadon als sogenannte Take-Home-Dosis zur freien Verfügung aushändigte. Die tatsächlichen 1.086 Einzelfälle sind dabei zu 263 Taten im rechtlichen Sinn zusammengefasst worden, weil die an einen Patienten erfolgten Abgaben aus einer für den jeweils einzelnen Patienten rezeptierten Flasche mit fertiger Methadonlösung entnommen worden sind und insoweit eine Bewertungseinheit bildeten. In einem weiteren Fall verletzte der Kläger grob leichtfertig die ihm als Substitutionsarzt obliegenden Pflichten bei der Abgabe eines Betäubungsmittels und verursachte so den Tod des Patienten. Er gab dem ihm bei der Einnahme von Betäubungsmitteln als unzuverlässig bekannten Patienten G. am 1. November 2005 8 ml Methadon zum Sofortkonsum und weitere 16 ml zum Mitnehmen. Der Patient nahm daraufhin mehr als die Tagesdosis von 8 ml ein und verstarb an einer Methadon-Intoxikation.
Nach Anhörung widerrief der Beklagte mit Bescheid vom 16. Januar 2014 die ärztliche Approbation des Klägers. Der Beklagte nahm unter Bezugnahme auf die Feststellungen in der strafgerichtlichen Entscheidung eine Unwürdigkeit des Klägers zur Ausübung des ärztlichen Berufs an. Ein Arzt, der entgegen den betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften Betäubungsmittel an Drogenabhängige abgebe oder verschreibe, habe sein Ansehen und das Vertrauen in der Bevölkerung verspielt. Der Widerruf der Approbation greife auch unter Berücksichtigung aller individuellen Umstände nicht unverhältnismäßig in die grundgesetzlich geschützte Berufsfreiheit des Klägers ein. Die seit der Begehung der Taten verstrichene Zeit habe nicht zur Folge, dass von dem Widerruf abgesehen werden könne.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 6. Mai 2015 abgewiesen. Hiergegen richtet sich der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (1.), der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (2.) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (3.) sind zum Teil schon nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt und liegen im Übrigen nicht vor.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind zu bejahen, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 8.12.2009 - 2 BvR 758/07 -, BVerfGE 125, 104, 140). Die Richtigkeitszweifel müssen sich dabei auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.3.2004 - BVerwG 7 AV 4.03 -, NVwZ-RR 2004, 542, 543). Eine den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügende Darlegung dieses Zulassungsgrundes erfordert, dass im Einzelnen unter konkreter Auseinandersetzung mit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ausgeführt wird, dass und warum Zweifel an der Richtigkeit der Auffassung des erkennenden Verwaltungsgerichts bestehen sollen. Hierzu bedarf es regelmäßig qualifizierter, ins Einzelne gehender, fallbezogener und aus sich heraus verständlicher Ausführungen, die sich mit der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage einer eigenständigen Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffes auseinandersetzen (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 3.4.2013 - 13 LA 34/13 -, juris Rn. 2; Beschl. v. 24.3.2009 - 10 LA 377/08 -, juris Rn. 2; Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 124a Rn. 100 (Stand: September 2004)).
Der Kläger wendet gegen die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung ein, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht seine Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs angenommen. Dem stehe bereits entgegen, dass in seinem beruflichen Umfeld ein konkreter Vertrauensverlust nicht eingetreten sei. Sein Ansehen als Arzt sei nicht beeinträchtigt worden. Die Zahl der in seiner Praxis behandelten Patienten sei vielmehr stetig gestiegen.
Dieser Einwand vermag ernstliche Richtigkeitszweifel nicht zu begründen. Es trifft zwar zu, dass die Annahme einer Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs nur bei solchen schweren Verfehlungen gerechtfertigt ist, die zu einem Ansehens- und Vertrauensverlust führen, der den Betroffenen für den ärztlichen Beruf als auf absehbare Zeit untragbar erscheinen lässt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.8.1995 - BVerwG 3 B 7.95 -, NVwZ-RR 1996, 477; Beschl. v. 9.1.1991 - BVerwG 3 B 75.90 -, NJW 1991, 1557; Senatsbeschl. v. 2.9.2009, - 8 LA 99/09 -, juris Rn. 3). Dabei ist aber allein nach objektivem Maßstab (vgl. BVerwG, Beschl. v. 6.3.2003 - BVerwG 3 B 10.03 -, juris Rn. 3, Bayerischer VGH, Beschl. v. 21.5.2010 - 21 BV 09.1206 -, juris Rn. 40) zu beurteilen, ob das Fehlverhalten geeignet ist, das Ansehen des Berufsstandes der Ärzte und das in ihn gesetzte Vertrauen nachhaltig zu erschüttern. Nicht erforderlich ist hingegen, dass der Ansehens- und Vertrauensverlust in der Öffentlichkeit konkret eingetreten ist (vgl. Senatsbeschl. v. 2.5.2012 - 8 LA 78/11 -, juris Rn. 16; Bayerischer VGH, Beschl. v. 7.2.2002 - 21 ZS 01.2890 -, juris Rn. 12). Einer Feststellung der Unwürdigkeit steht daher - entgegen der Annahme des Klägers - nicht entgegen, dass sein erhebliches strafbares Verhalten einen konkreten Ansehens- oder Vertrauensverlust nicht bewirkt haben soll.
Der Kläger macht weiter geltend, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht die Wiedererlangung der Würdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs verneint. Die erforderliche Änderung der Sachlage zum Guten sei lange eingetreten. Die abgeurteilten Straftaten lägen mehr als neun Jahre zurück. Er habe die Substitutionsbehandlung bereits 2006 eingestellt und werde diese auch zukünftig nicht mehr ausführen. Seitdem übe er seinen Beruf als Hausarzt beanstandungsfrei aus. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die lange Dauer des Strafverfahrens sei dadurch ausreichend kompensiert, dass ein Teil der abgeurteilten Strafe als vollstreckt gelte, gehe fehl. Er - der Kläger - habe die Dauer des Strafverfahrens nicht verursacht, sondern sich stets kooperativ gezeigt und mit den Strafverfolgungsbehörden zusammengearbeitet. Wäre das Strafverfahren dem strafprozessualen Beschleunigungsgebot entsprechend bereits im Jahre 2008 abgeschlossen worden, hätte er die anschließende Wohlverhaltensphase längst absolviert und wäre wieder approbiert.
Auch diese Einwände setzen die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung ernstlichen Richtigkeitszweifeln nicht aus.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist es zwar durchaus möglich, dass ein Arzt die durch eine gravierende Verfehlung eingebüßte Berufsunwürdigkeit bereits während des laufenden behördlichen Verfahrens über den Widerruf der Approbation wiedererlangt (vgl. etwa Senatsbeschl. v. 17.2.2015 - 8 LA 26/14 -, juris Rn. 62; v. 23.7.2014 - 8 LA 142/13 -, juris Rn. 38 f.). An einer solchen Wiedererlangung der Würdigkeit bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.8.2011 - BVerwG 3 B 6.11 -, juris Rn. 9; Senatsbeschl. v. 17.2.2015, a.a.O., Rn. 52) fehlt es hier aber.
Die Wiedererlangung der Würdigkeit setzt voraus, dass sich an der zum Widerruf führenden Sachlage nachweislich etwas zum Guten geändert hat, also der Arzt das für die Ausübung seines Berufes erforderliche Ansehen und Vertrauen zurückerlangt hat (vgl. BVerwG, Beschl. v. 15.11.2012 - BVerwG 3 B 36.12 -, Buchholz 418.00 Ärzte Nr. 113; Beschl. v. 23.7.1996 - BVerwG 3 PKH 4.96 -, juris Rn. 3). Die hier zu stellenden Anforderungen hat der Senat in seiner Entscheidung vom 29. Juli 2015 (- 8 ME 33/15 -, juris Rn. 21ff.) wie folgt konkretisiert:
"Dies erfordert regelmäßig einen längeren inneren Reifeprozess zur Kompensation der zu Tage getretenen charakterlichen Mängel (vgl. Senatsurt. v. 11.5.2015 - 8 LC 123/14 -, juris Rn. 57; Senatsbeschl. v. 10.6.2015, a.a.O., Rn. 78; Sächsisches OVG, Urt. v. 13.3.2012, a.a.O., Rn. 31 und 37). In Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Fortdauer einer die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ausschließenden Berufsunwürdigkeit (vgl. etwa BGH, Beschl. v. 8.5.2013 - AnwZ (Brfg) 46/12 -, juris Rn. 6; Beschl. v. 12.7.2010 - AnwZ (B) 116/09 -, juris Rn. 9; v. 14.2.2000 - AnwZ (B) 8/99 -, NJW-RR 2000, 1445; v. 11.12.1995 - AnwZ (B) 34/95 -, juris Rn. 10: Dauer zwischen fünf Jahren (leichtere Verfehlungen) und zwanzig Jahren (schwere Straftaten im Kernbereich der beruflichen Tätigkeit des Rechtsanwalts), nicht jedoch vor beanstandungsfreiem Ablauf einer von den Strafgerichten angeordneten Bewährungszeit) und des Bundessozialgerichts zur erforderlichen Dauer eines Wohlverhaltens für die Wiedererteilung einer entzogenen Vertragsarztzulassung (vgl. BSG, Urt. v. 17.10.2012 - B 6 KA 49/11 R -, juris Rn. 49: mindestens fünf Jahre nach Wirksamwerden der Entziehung der Vertragsarztzulassung) erachtet der Senat einen Reifeprozess von regelmäßig mindestens fünf Jahren bei gravierenden Verfehlungen außerhalb des beruflichen Wirkungskreises und von regelmäßig mindestens acht Jahren bei gravierenden Verfehlungen im beruflichen Wirkungskreis für erforderlich.
Maßgeblich für den Beginn des Reifeprozesses ist der Zeitpunkt, in dem die zur Annahme der Berufsunwürdigkeit führenden gravierenden Verfehlungen durch den Betreffenden eingestellt worden sind, gleich ob dies auf einem freiwilligen Willensentschluss des Betreffenden oder auf einer Aufdeckung und Ahndung der Verfehlungen durch Dritte, insbesondere Strafverfolgungs- oder Approbationsbehörden beruht (so auch BGH, Beschl. v. 8.5.2013, a.a.O., Rn. 6; Beschl. v. 12.7.2010, a.a.O., Rn. 9: "zeitlicher Abstand zwischen der die Unwürdigkeit begründenden Straftat des Bewerbers und dessen Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft"; Sächsisches OVG, Urt. v. 13.3.2012, a.a.O., Rn. 32: "das gesamte Nachtatverhalten des Betroffenen bis zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Wiedererteilung der Approbation").
Eine Anknüpfung an den Zeitpunkt, in dem das Verwaltungsverfahren über den Widerruf der ärztlichen Approbation abgeschlossen ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 22.12.2008 - 1 BvR 3457/08 -, juris Rn. 3; BVerwG, Beschl. v. 15.11.2012, a.a.O., mit zahlreichen weiteren Nachweisen), an den Zeitpunkt, in dem der Widerruf der ärztlichen Approbation bestandskräftig geworden oder in dem die Ausübung der ärztlichen Tätigkeit tatsächlich eingestellt worden ist (vgl. Bayerischer VGH, Urt. v. 15.2.2000 - 21 B 96.1637 -, juris Rn. 59; VG Regensburg, Urt. v. 29.7.2010 - RO 5 K 09.2408 -, juris Rn.65; VG Würzburg, Urt. v. 26.10.2009- W 7 K 09.90 -, juris Rn. 17 und 19; VG Freiburg, Beschl. v. 22.5.2007- 1 K 1634/06 -, juris Rn. 22), ist nicht sachgerecht. Der Senat geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass die durch eine gravierende Verfehlung eingebüßte Berufsunwürdigkeit bereits während des laufenden behördlichen Verfahrens über den Widerruf der Approbation wieder erlangt worden sein kann (vgl. etwa Senatsbeschl. v. 17.2.2015, a.a.O., Rn. 52; v. 23.7.2014 - 8 LA 142/13 -, juris Rn. 38 f.). Dem liegt die Annahme zugrunde, dass der zur Kompensation zu Tage getretener charakterlicher Mängel erforderliche Reifeprozess ein tatsächlicher Vorgang ist, der in der Regel bereits mit der Aufgabe der gravierenden Verfehlungen einsetzt und nicht eine behördliche oder gar gerichtliche Bestätigung der Verfehlung und einen damit verbundenen Appell zur Läuterung voraussetzt. Durch eine Anknüpfung an die genannten nachgelagerten Zeitpunkte würde zudem derjenige Betreffende benachteiligt, der eine selbst erkannte Verfehlung freiwillig aufgibt, das Unrecht seines Handelns frühzeitig einsieht und sich ohne behördlichen oder anderen Einfluss um Wiedergutmachung entstandener Schäden bemüht. Denn wenn sein Handeln nicht ausreicht, um die Würdigkeit bis zu einem der genannten nachgelagerten Zeitpunkte wieder zu erlangen, bliebe es in einem nachfolgenden Verfahren auf Wiedererteilung der Approbation unberücksichtigt. Ein bereits weitgehend oder jedenfalls teilweise absolvierter Reifeprozess würde so ohne jede sachliche Rechtfertigung entwertet. Eine Anknüpfung an den Zeitpunkt, in dem Bescheid über den Widerruf der Approbation bestandskräftig geworden ist, oder an den Zeitpunkt, in dem die Ausübung der ärztlichen Tätigkeit tatsächlich eingestellt worden ist, wäre zudem zwangsläufig mit dem generellen Erfordernis einer Bewährung im außerberuflichen Bereich verknüpft. Ein solches generelles Erfordernis ist mit Blick auf die Beeinträchtigung der Berufswahlfreiheit nicht verhältnismäßig (vgl. hierzu auch kritisch: BVerfG, Beschl. v. 28.8.2007, a.a.O., Rn. 22). Im Übrigen bietet ein Reifeprozess, der während eines tatsächlich ausgeübten ärztlichen Berufs absolviert wird und durch den der Betreffende seine Fähigkeit zur beanstandungsfreien Berufsausübung dokumentieren kann, noch am ehesten die Gewähr dafür, dass der Betreffende sich "zum Guten geändert" hat (so auch Sächsisches OVG, Urt. v. 13.3.2012, a.a.O., Rn. 37). Hiervon ist offenbar auch der Gesetzgeber bei Einführung der Erlaubnis nach § 8 BÄO ausgegangen....
Ein bloßer Zeitablauf allein ist für die Wiedererlangung der Würdigkeit aber nicht ausreichend (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.7.1996 - BVerwG 3 B 44.96 -, Buchholz 418.00 Ärzte Nr. 95). Denn durch den Approbationswiderruf wegen Unwürdigkeit soll nicht das bisherige Verhalten des Arztes durch eine zeitliche Verhinderung der Berufsausübung sanktioniert, sondern das Ansehen der Ärzteschaft in den Augen der Öffentlichkeit geschützt werden, dies freilich nicht als Selbstzweck, sondern um das für jede Heilbehandlung unabdingbare Vertrauen der Patienten in die Integrität der Personen aufrecht zu erhalten, denen mit der Approbation die staatliche Erlaubnis zur selbständigen Ausübung der Heilkunde verliehen ist, und in deren Behandlung sich die Patienten begeben (vgl. eingehend Senatsbeschl. v. 3.2.2015 - 8 LA 2/14 -, juris Rn. 29 mit weiteren Nachweisen). Die Würdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs besteht daher erst dann wieder, wenn der Arzt das erforderliche Ansehen und Vertrauen zurückerlangt hat, mithin wenn nach einer Gesamtwürdigung aller Umstände nicht mehr zu besorgen ist, dass dessen selbstständige Berufstätigkeit das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Berufsstand nachhaltig erschüttern könnte (vgl. BVerwG, Beschl. v. 15.11.2012, a.a.O.). In die danach gebotene Gesamtwürdigung ist zum einen die Dauer des Reifeprozesses einzustellen und dabei zu gewichten. Zeiten der inneren Reifung, die unter dem Druck eines schwebenden behördlichen Verfahrens absolviert worden sind, kommt regelmäßig kein besonderer Wert, sondern ein geringeres Gewicht zu (ständige Rechtsprechung des Senats zuletzt im Urt. v. 11.5.2015, a.a.O., Rn. 56; vgl. auch OVG Saarland, Urt. v. 29.11.2005 - 1 R 12/05 -, juris Rn. 166; Bayerischer VGH, Beschl. v. 15.6.1993 - 21 B 92.226 -, juris Rn. 34). Darüber hinaus sind bei der Gesamtwürdigung insbesondere auch zu berücksichtigen die Art, Schwere und Zahl der Verfehlungen, die zur Annahme der Unwürdigkeit geführt haben, und das Verhalten des Betreffenden nach der Aufgabe oder Aufdeckung der Verfehlungen, etwa seine Mitwirkung an der Aufklärung der gegen ihn erhobenen Vorwürfe, seine Einsicht in das verwirklichte Unrecht und seine Bemühungen um eine Wiedergutmachung entstandener Schäden sowie das Ausbleiben erneuter, mit Blick auf die Würdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs relevanter Verfehlungen."
Nach diesen Maßgaben hatte der Kläger die Würdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs am 16. Januar 2014, dem Erlass der Widerrufsverfügung durch den Beklagten, noch nicht wiedererlangt.
Der Kläger verstieß in einer großen Zahl von Fällen gegen seine grundlegende ärztliche Pflicht, die Behandlung am Wohl der Patienten auszurichten, und gegen strafbewehrte gesetzliche Vorschriften zum Umgang mit Betäubungsmitteln. In einem Fall verursachte er durch diese Pflichtverletzungen leichtfertig den Tod eines Patienten. Bei derart schweren Straftaten mit unmittelbarem Bezug zum Arzt-Patienten-Verhältnis ist nach dem aufgezeigten Maßstab ein Reifeprozess von mindestens acht Jahren zu absolvieren. Um eine Kompensation der durch das Fehlverhalten zu Tage getretenen charakterlichen Mängel annehmen zu können, kann diese Mindestdauer im vorliegenden Fall mit Blick auf den leichtfertig verursachten Tod eines Patienten nicht genügen und ist unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls angemessen auf zehn Jahre zu erhöhen.
Der danach erforderliche Reifeprozess dauert bisher, ausgehend von einer Einstellung des Fehlverhaltens Mitte 2006 (vgl. LG Verden, Urt. v. 21.11.2012, Umdruck, S. 3), zwar neun Jahre an. Hiervon hat der Kläger aber siebeneinhalb Jahre unter dem Druck der gegen ihn geführten straf- und approbationsrechtlichen Verfahren gestanden. Der Reifung in diesem Zeitraum kommt ein geringeres Gewicht zu. Der Senat erachtet es im vorliegenden Einzelfall für angemessen, von diesem siebeneinhalb Jahre währenden Zeitraum eine Reifedauer von fünf Jahren anzuerkennen. Hierbei anerkennt der Senat insbesondere die aktive Beteiligung des Klägers an der Tataufarbeitung, seine geständige Einlassung im strafgerichtlichen Verfahren, die unverzügliche Erfüllung der Bewährungsauflage, an gemeinnützige Einrichtungen einen Betrag in Höhe von 80.000 EUR zu zahlen, den Ausgleich von Rückforderungsansprüchen der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen, die Dauer des Strafverfahrens und das Ausbleiben neuer Vorwürfe berufsrechtlicher Verfehlungen. Eine weitergehende Berücksichtigung der Dauer des Strafverfahrens ist auch mit Blick auf die vom Kläger aufgezeigte hypothetische Entwicklung nicht geboten. Zum einen geht der Kläger dabei von einer zu geringen Dauer des erforderlichen Reifeprozesses aus. Zum anderen blendet er die mit der Verfahrensverzögerung verbundenen Vorteile für den Fortbestand seiner ärztlichen Approbation zu Unrecht völlig aus.
Zur Wiedererlangung der Würdigkeit ist danach voraussichtlich noch eine weitere Reifedauer von fünf Jahren erforderlich. Diese außerhalb des ärztlichen Berufs zu absolvierende Dauer des Reifeprozesses ist auch unter Berücksichtigung der sonstigen Umstände des vorliegenden Einzelfalls und der Möglichkeit, zwei Jahre vor Wiedererlangung der Würdigkeit eine Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs nach § 8 BÄO zu erhalten, nicht unverhältnismäßig.
Der Kläger macht weiter geltend, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht unberücksichtigt gelassen, dass die anzustellende Zukunftsprognose für ihn günstig ausfalle.
Dieser Einwand ist von vorneherein nicht geeignet, ernstliche Richtigkeitszweifel zu begründen. Denn der hier vom Beklagten vorgenommene Widerruf der Approbation wegen Unwürdigkeit nach § 5 Abs. 2 Satz 1 BÄO in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 BÄO erfordert anders als der Widerruf der Approbation wegen Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Satz 1 BÄO in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 BÄO eine auf die Person des betroffenen Arztes bezogene Prognose, ob bei einer Fortsetzung der ärztlichen Tätigkeit die Gefahr erneuter schwerer Verfehlungen besteht, gerade nicht (so ausdrücklich BVerwG, Beschl. v. 13.2.2014 - BVerwG 3 B 68.13 -, juris Rn. 12; Senatsbeschl. v. 21.5.2013 - 8 LA 54/13 -, juris Rn. 13 jeweils mit weiteren Nachweisen).
Der Kläger macht schließlich geltend, der Widerruf der Approbation sei mit Blick auf die wirtschaftlichen Folgen unverhältnismäßig. Er verliere seine Existenzgrundlage; sein Praxispersonal müsste entlassen werden und fiele in die Arbeitslosigkeit.
Auch dieser Einwand greift nicht durch. Der Verlust der Erlaubnis zur Ausübung des Arztberufs und der damit einhergehende Verlust der aus der Berufsausübung als Arzt erzielten Einnahmen ist Folge eines jeden Approbationsentzugs und kann allein deshalb, soweit die gesetzlichen Voraussetzungen für den Entzug der Approbation erfüllt sind, nicht als unverhältnismäßig angesehen werden (vgl. Senatsbeschl. v. 17.2.2015, a.a.O., Rn. 62). Im Übrigen ist für die Berücksichtigung individueller Gesichtspunkte dann kein Raum, wenn, wie hier, die Berufsunwürdigkeit im maßgeblichen Zeitpunkt vorlag (vgl. BVerwG, Beschl. v. 23.10.2007 - BVerwG 3 B 23.07 -, juris Rn. 6; Beschl. v. 14.4.1998 - BVerwG 3 B 95.97 -, NJW 1999, 3425, 3426).
2. Die Berufung ist auch nicht wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten zuzulassen. Solche Schwierigkeiten sind nur dann anzunehmen, wenn die Beantwortung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage oder die Klärung einer entscheidungserheblichen Tatsache in qualitativer Hinsicht mit überdurchschnittlichen Schwierigkeiten verbunden ist (vgl. Senatsbeschl. v. 26.1.2011 - 8 LA 103/10 -, juris Rn. 44). Daher erfordert die ordnungsgemäße Darlegung dieses Zulassungsgrundes eine konkrete Bezeichnung der Rechts- oder Tatsachenfragen, in Bezug auf die sich solche Schwierigkeiten stellen, und Erläuterungen dazu, worin diese besonderen Schwierigkeiten bestehen (vgl. Senatsbeschl. v. 11.10.2010 - 8 LA 65/10 -, juris Rn. 17; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl., § 124a Rn. 53).
Diesen Anforderungen trägt das Zulassungsvorbringen nicht Rechnung. Der Kläger hat nicht ansatzweise aufgezeigt, welche konkreten Tatsachen- oder Rechtsfragen für das Verwaltungsgericht nur schwer zu beantworten gewesen sein sollen und dass es sich bei diesen Schwierigkeiten um besondere, also in qualitativer Hinsicht überdurchschnittliche Schwierigkeiten gehandelt hat.
3. Die Berufung ist schließlich nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Eine solche grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine höchstrichterlich noch nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine obergerichtlich bislang ungeklärte Tatsachenfrage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die sich im Rechtsmittelverfahren stellen würde und im Interesse der Einheit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts einer fallübergreifenden Klärung durch das Berufungsgericht bedarf (vgl. Senatsbeschl. v. 11.7.2013 - 8 LA 148/12 -, juris Rn. 30; Schoch/Schneider/Bier, a.a.O., § 124 Rn. 30 f. mit weiteren Nachweisen). Um die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO darzulegen, hat der Zulassungsantragsteller die für fallübergreifend gehaltene Frage zu formulieren sowie näher zu begründen, weshalb sie eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat und ein allgemeines Interesse an ihrer Klärung besteht. Darzustellen ist weiter, dass sie entscheidungserheblich ist und ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten steht (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 17.2.2010 - 5 LA 342/08 -, juris Rn. 12; Schoch/Schneider/Bier, a.a.O., § 124a Rn. 103 f.).
Auch diesen Darlegungsanforderungen genügt der klägerische Zulassungsantrag nicht. Mit dem bloßen - und in der Sache nicht zutreffenden (vgl. Urt. v. 6.5.2015, Umdruck, S. 11 f.) - Hinweis darauf, dass das Verwaltungsgericht die Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs zwingend aus der noch laufenden strafrechtlichen Bewährungszeit abgeleitet habe, hat der Kläger eine Tatsachen- oder Rechtsfrage, der eine grundsätzliche Bedeutung zukommen soll, nicht hinreichend konkret formuliert.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, 52 Abs. 1 GKG und Nr. 16.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11).