Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 23.09.2015, Az.: 4 LA 230/15
Äquivalenzprinzip; Beherbergungsstätte; Ferienwohnung; Kleingarten; Kostendeckungsprinzip; Nebenwohnung; Rundfunkbeitrag; Vermutung; Widerlegung; Zweitwohnung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 23.09.2015
- Aktenzeichen
- 4 LA 230/15
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2015, 45077
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 16.06.2015 - AZ: 1 A 375/14
Rechtsgrundlagen
- § 8 Abs 2 MeldeG ND
- § 2 Abs 1 RdFunkBeitrStVtr ND
- § 2 Abs 2 S 2 RdFunkBeitrStVtr ND
- § 2 Abs 2 S 1 RdFunkBeitrStVtr ND
- § 3 Abs 1 S 2 RdFunkBeitrStVtr ND
- § 3 Abs 2 Nr 5 RdFunkBeitrStVtr ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die Pflicht zur Entrichtung des Rundfunkbeitrags besteht nebeneinander sowohl für die Haupt- als auch für die Nebenwohnung, soweit der Beitragsschuldner beide Wohnungen selbst bewohnt.
Tenor:
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg - Einzelrichter der 1. Kammer - vom 16. Juni 2015 wird verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.
Der Streitwert des Berufungszulassungsverfahrens wird auf 185,82 EUR festgesetzt.
Gründe
Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil zuzulassen, ist mangels Darlegung der Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, unzulässig und daher zu verwerfen.
Nach § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils darzulegen. Da die Berufung nach § 124 Abs. 2 VwGO nur aus den dort genannten Gründen zugelassen werden kann, ist im Berufungszulassungsantrag mithin darzulegen, ob die Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), Abweichung des erstinstanzlichen Urteils von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) und/oder eines der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) beantragt wird. Ferner muss unter konkreter Auseinandersetzung mit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im Einzelnen begründet werden, weshalb der benannte Zulassungsgrund erfüllt sein soll. Unterlässt es der Zulassungsantragsteller, einen oder mehrere der in § 124 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe konkret zu benennen, und greift er die erstinstanzliche Entscheidung lediglich in der Art einer Berufungsbegründungsschrift an, genügt sein Zulassungsantrag den Maßgaben des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO grundsätzlich nicht, zumal ein derartiges Vorbringen auch nicht ohne Weiteres dem Berufungszulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugeordnet werden kann (vgl. u. a. Senatsbeschl. v. 2.12.2013 - 4 LA 260/13 - u. v. 15.8.2012 - 4 LA 185/12 - m.w.N.).
Ein solcher Fall liegt hier vor. Denn den Ausführungen des Klägers zur Begründung seines Zulassungsantrags lässt sich nicht entnehmen, welcher der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO geltend gemacht wird. Der Kläger hat keine der Fallgruppen des § 124 Abs. 2 VwGO nach Nummer oder Wortlaut benannt. Sein Vorbringen zur Begründung seines Zulassungsantrags lässt sich auch der Sache nach nicht eindeutig einem bestimmten Zulassungsgrund zuordnen, da mehrere Zulassungsgründe, nämlich die des § 124 Abs. 2 Nr. 1, 3 und 5 VwGO, in Betracht kommen könnten. Damit genügt der Zulassungsantrag dem Darlegungserfordernis des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht.
Der Berufungszulassungsantrag des Klägers hätte aber auch dann keinen Erfolg, wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, sein Zulassungsantrag sei auf den Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützt worden. Denn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils ergeben sich aus seinem Vorbringen nicht. Der Senat teilt die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Heranziehung des Klägers zum Rundfunkbeitrag für ein im Eigentum seiner Ehefrau stehendes Hausgrundstück, wo er mit einem Zweitwohnsitz gemeldet ist, rechtens ist.
Gemäß § 2 Abs. 1 RBStV ist im privaten Bereich für jede Wohnung von deren Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag zu entrichten. Inhaber einer Wohnung ist nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RBStV jede volljährige Person, die die Wohnung selbst bewohnt. Als Inhaber wird jede Person vermutet, die (1.) dort nach dem Melderecht gemeldet ist oder (2.) im Mietvertrag für die Wohnung als Mieter genannt ist (§ 2 Abs. 2 Satz 2 RBStV). Mehrere Beitragsschuldner haften nach § 2 Abs. 3 Satz 1 RBStV als Gesamtschuldner entsprechend § 44 AO.
Nach diesen Regelungen besteht die Rundfunkbeitragspflicht nicht nur für die Hauptwohnung des Beitragsschuldners, sondern auch für eine Nebenwohnung. Die Beitragspflicht knüpft lediglich daran an, dass der Inhaber die Wohnung selbst bewohnt, was unter den genannten Voraussetzungen vermutet wird, ohne dabei zwischen Erst- und Zweitwohnung zu unterscheiden. Dies wird auch durch die amtliche Begründung des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags bestätigt, wonach es irrelevant ist, ob die Wohnung als Haupt- oder als Nebenwohnung geführt wird (vgl. Nds. Landtag, Drs. 16/3437, S. 25). Der Rundfunkbeitrag fällt somit nebeneinander sowohl für die Erst- als auch für die Zweitwohnung an, soweit der Beitragsschuldner beide Wohnungen selbst bewohnt.
Dieser Rechtszustand ist auch verfassungsgemäß. Schon nach dem früheren Rundfunkgebührenstaatsvertrag waren Empfangsgeräte in Zweitwohnungen einer Rundfunkgebührenpflicht unterworfen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.9.2010 - 6 B 22.10 -, Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 57). Nunmehr knüpft die Beitragspflicht nach den Regelungen in § 2 Abs. 1 bis 3 Satz 1 RBStV generalisierend und typisierend an die Möglichkeit der Rundfunknutzung durch die einer Wohnung zugeordneten Personen ohne Rücksicht auf die Anzahl der Bewohner und die Art oder Dauer des Wohnens an. Daher ist es folgerichtig, auf eine Unterscheidung zwischen Erst- und Zweitwohnung zu verzichten. Denn unabhängig von dieser Zuordnung bildet jede Wohnung einen privaten Raum, in dem Rundfunknutzung in der Lebenswirklichkeit gewöhnlich stattfindet oder jedenfalls stattfinden kann. Dass aufgrund dieser Typisierung eine alleinstehende Person, die mehrere Wohnungen innehat, entsprechend viele Rundfunkbeiträge zu entrichten hat, obwohl sie das Programmangebot selbst nur einmal in Anspruch nehmen kann, ist als unvermeidliche Folge hinzunehmen. Solche auf Einzelfälle beschränkte Härten sind nicht zuletzt durch die vom Gesetzgeber in legitimer Weise verfolgten Ziele gerechtfertigt, Ermittlungen in der Privatsphäre möglichst zu vermeiden und den Verwaltungsvollzug in einem Massenverfahren zu erleichtern sowie gegen Umgehungsmöglichkeiten oder Missbrauch abzusichern. (vgl. Bay. VerfGH, Entscheidung v. 15.5.2014 - Vf. 8-VII-12, Vf. 24-VII-12 -, NJW 2014, 3215 = DVBl. 2014, 848; OVG NW, Urt. v. 12.3.2015 - 2 A 2423/14 -, DVBl. 2015, 705; VG Hamburg, Urt. v. 17.7.2014 - 3 K 5371/13 -; VG Freiburg, Urt. v. 24.6.2015 - 2 K 588/14 -).
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils ergeben sich auch nicht aus dem Vorbringen des Klägers, dass die auf der Anmeldung als Nebenwohnung beruhende Vermutung, dass er das Hausgrundstück im Veranlagungszeitraum selbst bewohnt habe, in seinem Fall widerlegt sei. Allerdings entspricht es dem Willen des Normgebers, dass die in § 2 Abs. 2 Satz 2 RBStV geregelten Vermutungstatbestände widerlegt werden können (vgl. Nds. Landtag, a.a.O.). Das Vorbringen des Klägers im Berufungszulassungsverfahren erlaubt jedoch nicht die Annahme, dass die auf den melderechtlichen Verhältnissen beruhende Vermutung, dass er die Zweitwohnung zu Wohnzwecken genutzt hat, widerlegt ist. Die Behauptung des Klägers, dass er sich dort nur in den Sommermonaten aufhalte, genügt hierfür nicht. Sie bestätigt vielmehr, dass er die Wohnung selbst bewohnt. Es liegt in der Natur einer Zweitwohnung als der nicht vorwiegend benutzten Wohnung (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 1 und 2 NMG), dass die dort gemeldeten Personen die Nebenwohnung nicht ganzjährig und nicht einmal für den überwiegenden Zeitraum des Jahres nutzen. Dies allein rechtfertigt nicht eine Veranlagung lediglich für die Zeiträume, in denen die Zweitwohnung tatsächlich genutzt wird. Denn das Rundfunkbeitragsrecht knüpft, wie bereits ausgeführt, generalisierend und typisierend an die Möglichkeit der Rundfunknutzung ohne Rücksicht auf die Art und Dauer des Wohnens an.
Eine Widerlegung der Vermutung, dass der Kläger den von ihm angemeldeten Zweitwohnsitz im hier streitigen Veranlagungszeitraum vom 1. Januar bis 31. März 2013 selbst als Wohnung genutzt hat, ergibt sich auch nicht aus seinem Vorbringen, dass das Haus „nicht winterfest“ sei, denn tatsächliche Gesichtspunkte, die dafür sprechen, dass diese Behauptung zutrifft, hat er im Berufungszulassungsverfahren im Einzelnen nicht dargelegt. Soweit er anstelle dessen pauschal auf seinen erstinstanzlichen Schriftsatz vom 24. Februar 2014 Bezug nimmt, genügt dies den in § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO geregelten Darlegungsanforderungen nicht. Der Senat vermag dem benannten erstinstanzlichen Schriftsatz im Übrigen auch nur zu entnehmen, dass eine Wohnnutzung des Hauses im Winter mit Unbequemlichkeiten verbunden ist. Es kann daher offen bleiben, ob nach § 2 Abs. 1 und 2 RBStV der Rundfunkbeitrag für eine Nebenwohnung auch dann ganzjährig geschuldet wird, wenn diese nach ihrer Beschaffenheit objektiv nicht das ganze Jahr über zu Wohnzwecken genutzt werden kann.
Ohne Erfolg macht der Kläger ferner geltend, dass die Beitragspflicht allein an den Bestand der Ehe zwischen ihm und der Hauseigentümerin anknüpfe und hierin ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG liege. Denn entgegen seinem Vorbringen beruht die Beitragspflicht nicht auf der Ehe zwischen ihm und der Hauseigentümerin, sondern auf dem Umstand, dass er die Wohnung, für die er zum Rundfunkbeitrag herangezogen worden ist, bewohnt, was er durch sein Vorbringen, wonach er sich dort zumindest in den Sommermonaten aufhält, selbst bestätigt hat.
Auch der Rechtsmeinung des Klägers, ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) liege darin, dass gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 5 RBStV eine Ferienwohnung nicht als der Beitragspflicht unterliegende Wohnung gelte, wenn sie - ebenso wie Hotel- und Gästezimmer sowie Unterkünfte in Seminar- und Schulungszentren - als Beherbergungsstätte diene, nicht aber auch dann, wenn sie vom Inhaber ausschließlich eigengenutzt werde, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Denn wie sich bereits aus dem Wortlaut von § 3 Abs. 2 Nr. 5 RBStV ergibt, dienen als Beherbergungsstätten für Gäste vorgehaltene Ferienwohnungen lediglich der vorübergehenden Unterbringung (von wechselnden Feriengästen) und daher anders als selbstgenutzte Nebenwohnungen nicht dem auf eine gewisse Dauer und Regelmäßigkeit angelegten Wohnen im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 RBStV. Beide Sachverhalte sind daher nicht vergleichbar und müssen vom Normgeber entsprechend auch nicht gleichbehandelt werden. Im Übrigen kann der Kläger auch nicht verlangen, dass die Regelung in § 3 Abs. 1 Satz 2 RBStV, wonach Bauten nach § 3 des Bundeskleingartengesetzes nicht als Wohnung gelten, analog auf die von ihm genutzte Zweitwohnung angewendet wird. Denn auch mit den von dieser Regelung erfassten Bauten, bei denen es sich gemäß § 3 Abs. 2 BKleinG um Lauben in einfacher Ausführung mit höchstens 24 m² Grundfläche einschließlich überdachtem Freisitz handelt, die nach ihrer Beschaffenheit, insbesondere nach ihrer Ausstattung und Einrichtung, nicht zum dauernden Wohnen geeignet sein dürfen, ist die Nebenwohnung des Klägers nicht vergleichbar.
Schließlich ergeben sich ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils auch nicht aus dem Vorbringen des Klägers, dass „die Beitragslast die Kostendeckung bei weitem übersteigt“. Einen strikten Rechtssatz, wonach das Abgabenaufkommen des Rundfunkbeitrags die durch die Erfüllung der in §§ 12 Abs. 1 und 40 RBStV geregelten Aufgaben bedingten Kosten nicht übersteigen darf, regelt das Rundfunkfinanzierungsrecht nicht. Er ergibt sich auch nicht aus dem Grundgesetz oder niedersächsischem Landesverfassungsrecht, denn das Kostendeckungsprinzip hat keinen Verfassungsrang (vgl. BVerfG, Beschl. v. 6.2.1979 - 2 BvL 5/76 -, BVerfGE 50, 217; Beschl. v. 10.3.1998 - 1 BvR 178/97 -, BVerfGE 97, 332; Senatsbeschl. v. 6.8.2015 - 4 LA 101/15 -). Der allgemeine Gleichheitssatz und das Äquivalenzprinzip als auf den Beitrag bezogener Ausdruck des allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit setzen dem Normgeber bei der Erhebung und Bemessung von Beiträgen nur sehr weite Grenzen. Danach darf der Beitrag nicht in einem Missverhältnis zu dem von der Verwaltung erbrachten Vorteil stehen, und nur bei einer gröblichen Störung des Ausgleichsverhältnisses zwischen Beitrag und dem vermittelten Vorteil ist das Äquivalenzprinzip verletzt (vgl. nur Nds. OVG, Beschl. v. 17.3.2015 - 9 LA 318/13 -, GewArch 2015, 271 m.w.N.). Gesichtspunkte, die im Fall der Rundfunkbeitragserhebung für eine gröbliche Störung des Ausgleichsverhältnisses sprechen, hat der Kläger nicht aufgezeigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 3 Satz 1 und 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).