Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 14.09.2015, Az.: 2 ME 228/15

Exmatrikulation; Prüfungsanspruch; Sofortvollzug; Zwischenprüfung; Rechtsbehelf

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
14.09.2015
Aktenzeichen
2 ME 228/15
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2015, 45070
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 16.07.2015 - AZ: 3 B 13/15

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Solange über einen Rechtsbehelf gegen einen die (Nicht-)Verlängerung einer Zwischenprüfungfrist betreffenden, für sofort vollziehbar erklärten Bescheid nicht bestandskräftig entschieden ist, ist nicht von einer weiteren Zwischenprüfungsmöglichkeit auszugehen. Insbesondere kann aus dem (vorläufigen) Fortbestehen der Immatrikulation kein Prüfungsanspruch abgeleitet werden.

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Osnabrück - 3. Kammer - vom 16. Juli 2015 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antragsteller studiert seit dem Wintersemester 2011/2012 bei der Beklagten Rechtswissenschaften. Sein Begehren, die bereits um ein Semester verlängerte Frist für die in der Regel bis zum Ende des 4. Semesters abzulegende Zwischenprüfung erneut, nunmehr um weitere zwei Semester bis zum 31. März 2015 zu verlängern, lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 10. März 2014 ab. Die dagegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 23. April 2015 (3 A 40/14) ab. Den Antrag auf Zulassung der Berufung hat der Senat mit Beschluss vom heutigen Tage zurückgewiesen (2 LA 194/15).

Nach Erlass des o.a. Urteils des Verwaltungsgerichts hat die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 19. Mai 2015 unter Anordnung des Sofortvollzugs das Nichtbestehen der für das juristische Studium geforderten Zwischenprüfung festgestellt und mit weiterem Bescheid vom 26. Mai 2015 den Antragsteller „mit sofortiger Wirkung zum 26. Mai 2015 exmatrikuliert“. Die gegen diese beiden Bescheide gerichteten Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, mit der er weiterhin begehrt,

1. unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Osnabrück vom 16. Juli 2015 die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 18. Juni 2015 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 19. Mai 2015 widerherzustellen und

2. unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Osnabrück vom 16. Juli 2015 festzustellen, dass die Klage des Antragstellers vom 18. Juni 2015 gegen den Exmatrikulationsbescheid der Antragsgegnerin vom 26. Mai 2015 gemäß § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung hat.

hilfsweise,

3. unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Osnabrück vom 16. Juli 2015 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 29. Juni 2015 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 19. Mai 2015 wiederherzustellen und

4. unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Osnabrück vom 16. Juli 2015 die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 18. Juni 2015 gegen den Exmatrikulationsbescheid der Antragsgegnerin vom 26. Mai 2015 wiederherzustellen.

Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg. Der Senat macht sich die zutreffenden Gründe der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung zu Eigen und verweist auf sie.

Ergänzend sei noch ausgeführt:

1. Der Antrag zu 1. ist dem Grunde nach zulässig, aber unbegründet. Soweit mit Bescheid vom 19. Mai 2015 das Nichtbestehen der Zwischenprüfung festgestellt worden ist (vgl. § 1a Abs. 2 NJAG iVm. § 1 Abs. 3 der „Ordnung für die Durchführung einer studienbegleitenden Zwischenprüfung im rechtswissenschaftlichen Studium mit dem Abschluss Erste Prüfung am Fachbereich Rechtswissenschaften der C.“ v. 12.12.2001 idF. v. 3.11.2011, Amtsbl. d. C. Nr. 06/2011 v. 17.11.2011, S. 1319, im Folg.: ZwPrO), ist dagegen ein Widerspruch nicht zulässig, sondern sogleich Klage beim Verwaltungsgericht zu erheben. Die dem Bescheid beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung ist daher zutreffend. Etwas anderes ergibt sich nicht aus § 80 Abs. 3 Nr. 1 NJG (früher § 8a Abs. 3 nr.1 Nds. AGVwGO). Die in § 80 Abs. 3 Nr. 1 NJG enthaltene Vorgabe (Durchführung eines Widerspruchsverfahrens in Verfahren, denen eine Bewertung einer Leistung im Rahmen einer berufsbezogenen Prüfung zugrunde liegt) trifft auf den vorliegenden Fall schon deswegen nicht zu, weil es nicht um die eigentliche Bewertung einer erbrachten Leistung im Rahmen der Zwischenprüfung geht - hier ist es wegen des Beurteilungsspielraums der Prüfer geboten, sie im Rahmen des Widerspruchsverfahrens unter Berücksichtigung des Vortrags des Prüflings ihre Bewertung nochmals überdenken zu lassen -, sondern um die Frage, bis zu welchem Zeitpunkt Leistungen zu erbringen gewesen wären.

b. Bedenken an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 19. Mai 2015 bestehen nicht.

Soweit der Antragsteller im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens die Unwirksamkeit verschiedener Regelungen der Zwischenprüfungsordnung rügt, verweist der Senat auf seine Ausführungen in dem (ablehnenden) Zulassungsbeschluss vom heutigen Tage (2 LA 194/15), in dem er sich mit dem entsprechenden Vortrag auseinandergesetzt hat.

Die Antragsgegnerin konnte das endgültige Nichtbestehen der Zwischenprüfung zudem bereits im Mai 2015 deklaratorisch feststellen; denn allein aufgrund eines Rechtsbehelfs gegen einen vorhergehenden, die Verlängerung der Zwischenprüfung betreffenden Bescheid (hier: Bescheid vom 10.3.2014) ist nicht vom Bestehen dieser Zwischenprüfung oder von einer weiteren Prüfungsmöglichkeit auszugehen, solange über den Rechtsbehelf noch nicht entschieden ist (vgl. Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl.,2014, Rnr. 904).

c. Da sich der Bescheid vom 19. Mai 2015 damit als rechtmäßig erweist, bestehen auch an der Anordnung des Sofortvollzugs nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO keine Bedenken (vgl. hierzu Niehuis/Fischer/Jeremias, aaO., Rnr. 905, wonach das öffentliche Interesse umso schwerer wiegt , je größer die Wahrscheinlichkeit ist, dass der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist), zumal keine Umstände vorliegen, die im vorliegenden Fall trotz deutlicher Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 19. Mai 2015 ein öffentliches Sofortvollzugsinteresse ausschließen (vgl. zu diesem Ansatz Finkelnburg/Dombert/ Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 5. Aufl., Rnr. 975 ff.). Der Verweis der Antragsgegnerin im angefochtenen Bescheid auf die gebotene effektive Nutzung ihrer Ressourcen belegt vielmehr ein zusätzliches öffentliches Interesse an dem Sofortvollzug.

2. Der gegen den Exmatrikulationsbescheid vom 26. Mai 2015 gerichtete, dem Grunde nach statthafte Antrag zu 2. auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist unzulässig (geworden). Die Antragsgegnerin hat deutlich gemacht (Schriftsätze v. 15.7. u. 10.9.2015), dass sie entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts im angefochtenen Beschluss den - hinsichtlich der Anordnung des Sofortvollzuges nach seinem Wortlaut nicht eindeutigen - Bescheid vom 26. März 2015 als nicht sofort vollziehbar ansieht und damit der gegen diesen Exmatrikulationsbescheid gerichteten Klage eine aufschiebende Wirkung beizumessen ist. Ein Rechtsschutzbedürfnis für die mit dem Antrag zu 2. begehrte Feststellung der aufschiebenden Wirkung der Klage besteht daher nicht (mehr). Ebenso besteht auch für den Antrag zu 4. (Hilfsantrag) kein Rechtsschutzinteresse. Folgerungen für den die Zwischenprüfung betreffenden Bescheid vom 19. Mai 2015 ergeben sich daraus nicht. Allein aus dem vorläufigen Weiterbestehen der Mitgliedschaftsrechte zu der Beklagten kann kein Prüfungsanspruch hergeleitet werden. Dieser bestimmt sich allein nach der maßgeblichen (Zwischen)-Prüfungsordnung (Niehus/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl., Rnr. 18), nach der im vorliegenden Fall - wie oben dargelegt - das Prüfungsverhältnis aufgrund des angeordneten Sofortvollzugs beendet ist.

3. Auf eine fehlende Anhörung (§ 28 VwVfG) vor Erlass der beiden Bescheide vom Mai 2015 kann der Antragsteller nicht verweisen, weil durch die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze im Laufe des gerichtlichen Verfahrens eine zureichende Anhörung erfolgt ist (vgl. § 45 Abs. 2 VwVfG).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 52 Abs. 2 GKG iVm. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2012/2013, Ziff. 18.1 und 18.3, (abged. bei Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl., Anhang zu § 164). Für beide Streitgegenstände waren je 5.000,-- Euro anzusetzen. Von einer Halbierung des Wertes hat der Senat abgesehen, da mit der Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren faktisch die Hauptsache vorweggenommen wird (vgl. Ziff. 1.5).

Der Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).