Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 29.09.2015, Az.: 10 LB 25/14

Auslagen; öffentlich rechtlicher Erstattungsanspruch; Ratsmitglied; unmittelbarer Mandatsbezug

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
29.09.2015
Aktenzeichen
10 LB 25/14
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2015, 45107
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 21.08.2012 - AZ: 1 A 70/12

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Der Anspruch eines Ratsmitglieds auf Ersatz der Auslagen nach § 39 Abs. 5 Satz 1 NGO umfasst keine Rechtsanwaltskosten, die dem Ratsmitglied als Privatperson wegen der Geltendmachung eines Gegendarstellungsanspruchs gegenüber der Presse entstanden sind.

2. Es spricht vieles dafür, dass die Geltendmachung von Auslagenersatzansprüchen zwingend eine Regelung und ggfs. die Begrenzung auf Höchstbeträge durch eine Satzung erfordert.

3. Der Begriff der Auslagen ist im Ansatz weit zu verstehen, wird allerdings durch das engere Erfordernis eines unmittelbaren Mandatsbezugs begrenzt.

4. Ein unmittelbarer Mandatsbezug ist über die typischen, durch eine Satzung erfassten Fälle von Auslagenersatz für eine Kinderbetreuung oder Verdienstausfall bzw. von Sitzungsgeldern als pauschale Aufwandsentschädigungen oder Fahrtkostenentschädigung (nur) gegeben, wenn die kostenverursachende Handlung des Ratsmitgliedes nicht nur kausal auf seine Mandatstätigkeit zurückzuführen ist, sondern sich darin gerade ein spezifisches Risiko der Mandatstätigkeit verwirklicht hat und deshalb der Mandatsträger als solcher in der Wahrnehmung seiner Rechte und Pflichten betroffen ist. Dies setzt bezogen auf den Ersatz von Kosten für die Verfolgung eines presserechtlichen Gegendarstellungsanspruchs voraus, dass der Gegendarstellungsanspruch ein Verhalten zum Gegenstand hat, das in einem engen zeitlichen, räumlichen und funktionalem Zusammenhang mit der Tätigkeit als Ratsmitglied steht (hier abgelehnt für den Anspruch auf Gegendarstellung wegen einer gegen die Person des Ratsmitgliedes gerichteten negativen Berichterstattung).

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Erstattung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.643,15 €.

Der Kläger ist seit längerer Zeit Ratsmitglied, Mitglied der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und Angehöriger des Bauausschusses der Beklagten. Am 20. September 2011 tagte der Bauausschuss der Beklagten u.a. zum Tagesordnungspunkt Bebauungsplan Nr. 101 „Sondergebiet an der A. Straße“; an dieser Sitzung nahm auch der Kläger teil. Die Neue Osnabrücker Zeitung veröffentlichte im Anschluss an diese Sitzung noch am selben Tag in ihrer Online-Ausgabe den folgenden Artikel:

Bersenbrück: Deutscher Gruß im Bauausschuss?

Bersenbrück. Jetzt interessiert sich sogar ein Fernsehsender für den Streit um das geplante Bersenbrücker Einkaufszentrum. Vor laufender Kamera beschloss der Bauausschuss am Dienstagabend, dem Stadtrat zu empfehlen, den Baugebietsplänen zuzustimmen. Die Sitzung verlief reichlich turbulent. Ihr Höhepunkt: Aus Verärgerung über Sitzungsleitung und Stadtverwaltung sprang B. C. (Die Grünen) auf und reckte den rechten Arm zum Gruß. Da hatte D. E. seine Kamera aber gerade ausgemacht. […]

Da war es aber schon zu spät, weil sich der Ausschuss bereits in der Ab-stimmung befand. „Wir sind doch nicht bei den Hottentotten,“ rief der Grüne und machte jene Geste, die ob ihrer nationalsozialistischen Herkunft nun auch die Vorgesetzten des Lehrers beschäftigen dürfte.“

Am 22. September 2011 erschien in der Papierausgabe des Bersenbrücker Kreisblattes unter der Überschrift „Einkaufszentrum: Streit eskaliert“ ein Artikel, der die soeben zitierten Passagen wortgleich wiedergab.

Daraufhin beauftragte der Kläger seinen Prozessbevollmächtigten mit der Geltendmachung eines Gegendarstellungsanspruchs nach dem Niedersächsischen Pressegesetz. Der Kläger und die berichterstattenden Verlage einigten sich vergleichsweise darauf, dass an Stelle einer förmlichen Gegendarstellung eine Klarstellung in der Wochenendausgabe auf der Lokalseite erfolgen sollte. Für die anwaltliche Tätigkeit stellte der Prozessbevollmächtigte des Kläger Kosten in Höhe von 1.643,15 € in Rechnung.

Die Niedersächsische Landesschulbehörde teilte dem Kläger mit Schreiben vom 18. November 2011 mit, dass sich der Verdacht eines Dienstvergehens wegen eines besonderen Vorkommnisses in der Sitzung des Bauausschusses der Stadt Bersenbrück am 20. September 2011 nicht bestätigt habe. Staatsanwaltliche Ermittlungen wegen des Verdachts einer Straftat sind gegen den Kläger in diesem Zusammenhang nicht eingeleitet worden.

Der Kläger stellte bei der Beklagten einen Antrag auf Übernahme der Rechtsanwaltskosten, den diese mit Bescheid vom 23. März 2012 ablehnte. Zur Begründung führte sie aus, dass die Voraussetzungen für eine Erstattung von Auslagen nach § 39 Abs. 5 und 6 der Niedersächsischen Gemeindeordnung (NGO) nicht vorlägen. Dem Kläger seien die Rechtsanwaltskosten nicht aus der Mandatswahrnehmung selbst, sondern nur anlässlich derselben entstanden. Ihm ginge es bei der Beauftragung des Rechtsanwalts nicht darum, die Rechtmäßigkeit einer Beschränkung seiner Rechte als Ratsherr zu überprüfen, sondern „um eine emotionale persönliche Verhaltensweise“. Diese stünde jedoch nicht spezifisch mit der Mandatswahrnehmung in Verbindung, sondern entspreche der Reaktion einer beliebigen Person, unabhängig vom Amt eines Ratsherrn. Dieses eigenveranlasste Verhalten beträfe den Kläger nur als Privatperson in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und sei demnach nicht erstattungsfähig.

Dagegen hat der Kläger am 23. April 2012 Klage erhoben. Er hat zur Begründung im Wesentlichen geltend gemacht, ihm stehe gemäß §§ 55 Abs. 1, 44 NKomVG ein Anspruch auf Ersatz seiner Auslagen und Kosten zu, die ihm aus Anlass des Mandats entstanden seien. Die Beauftragung eines Rechtsanwalts mit der Geltendmachung eines Gegendarstellungsanspruchs sei nicht mutwillig oder aus sachfremden Gründen erfolgt. Bei dem presserechtlichen Gegendarstellungsanspruch handele es sich um eine Spezialmaterie, die auch von zahlreichen formalen Anforderungen geprägt sei. In diese habe sich der Kläger nicht in Person einarbeiten können, zumal dieser Anspruch innerhalb von zwei Wochen geltend zu machen sei. Die Kosten seien auch aus Anlass der Mandatsausübung entstanden, weil auf das Verhalten des Klägers als Ratsmitglied während einer Sitzung des Bauausschusses abgestellt und dieses wertend beschrieben worden sei. Ohne dessen Ratsmitgliedschaft und der daraus resultierenden Bekanntheit seiner Person seien die Darstellungen auch für die berichtenden Presseorgane nicht von Interesse gewesen. Das ihm unterstellte Verhalten betreffe ihn in seiner Eigenschaft als Ratsmitglied und schädige zudem das Ansehen der Funktion und des Amtes eines kommunalen Abgeordneten. Es könne sogar das Ansehen des Rates oder des Ausschusses insgesamt gefährden, so dass der Kläger nicht allein eigene private Interessen verfolgt habe.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 23. März 2012 zu verpflichten, an ihn 1.643,15 € zu zahlen,

 hilfsweise,
ihn von der Zahlungsverpflichtung aus dem Mandatsverhältnis freizustellen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält zwar auch die außergerichtliche Tätigkeit eines Anwalts zur Vermeidung eines Rechtsstreits grundsätzlich für erstattungsfähig, meint aber, die Erstattungspflicht der Gemeinde könne nur für die Kosten in Betracht kommen, die unmittelbar durch die Mandatswahrnehmung entstanden und notwendig seien. Vorliegend habe der Kläger die umstrittene Geste nicht aus Anlass, sondern lediglich bei Gelegenheit der Mandatsausübung gemacht, damit fehle der erforderliche unmittelbare Zusammenhang mit der Mandatsausübung. Der Kläger sei vielmehr in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht betroffen.

Das Verwaltungsgericht Osnabrück hat die Klage mit Urteil vom 21. August 2012 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Die Erstattung setze zunächst voraus, dass die anwaltliche Vertretung durch einen vernünftigen Anlass gerechtfertigt sei, also nicht mutwillig aus sachfremden Gründen erfolge. Darüber hinaus müsse es sich um eine Vermögensdisposition im Zusammenhang mit der Ausübung des Mandats handeln. Für einen mit Dritten geführten Rechtsstreit sei ein Erstattungsanspruch gegeben, wenn er sich hinreichend mandatsbezogen darstelle. Nur so sei gewährleistet, dass ein Mandatsträger sich wirksam dagegen zur Wehr setzen könne, dass ein Dritter effektiv auf die Mandatsausübung oder die damit verbundenen Rechte einwirke. Eine solche Einwirkung könne in einer Berichterstattung über das Verhalten eines Mandatsträgers liegen. Eine derartige Berichterstattung sei aber grundsätzlich innerhalb der Grenzen des absoluten Persönlichkeitsrechts hinzunehmen. „Erst wenn eine Grenze überschritten wird, die die Mandatsausübung, insbesondere das Abstimmverhalten des Mandatsträgers in einer solche Weise beeinflusst, dass diese faktisch nur noch geleitet von der bisherigen oder erwarteten Berichterstattung darüber motiviert ist, überschreitet sie eine Grenze, die der Abwehr zur Sicherung der freien Mandatsausübung bedarf.“ Erst dann betreffe die Berichterstattung einen Mandatsträger nicht in einer aus seinem Ehranspruch als Person abgeleiteten Position, sondern in der auch durch den Auslagenerstattungsanspruch gesicherten Mandatsfunktion. Die Berichterstattung über den Kläger, die diesen mit nationalsozialistischem Gedankengut in Verbindung bringe, sei ein schwerer Eingriff, aber nicht in das Mandat, sondern in seine Persönlichkeitsrechte. Eine Erstattung der Rechtsanwaltskosten scheide daher aus.

Der Senat hat die Berufung auf Antrag des Klägers mit Beschluss vom 13. Februar 2014 - 10 LA 126/12 - wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen und hat zur Begründung ausgeführt:

Der Senat habe zwar schon entschieden, dass einem Ratsmitglied die Kosten eines gerichtlichen Verfahrens zu ersetzen sind, wenn sie unmittelbar im Zusammenhang mit der Amtstätigkeit als Ratsmitglied entstanden sind, sofern das gerichtliche Verfahren nicht mutwillig, d.h. nicht aus sachfremden Gründen in Gang gesetzt worden ist, und die entstandenen Kosten zur Führung des Verfahrens notwendig gewesen sind. In der Rechtsprechung und Literatur sei bislang jedoch nicht geklärt worden, unter welchen Voraussetzungen ein niedersächsisches Ratsmitglied die Erstattung von Rechtsanwaltskosten verlangen kann, die ihm aus der Abwehr einer negativen/falschen Berichterstattung durch die Presse über sein Verhalten während einer öffentlichen Rats- oder Ausschusssitzung entstanden sind. Diese Frage unterscheide sich durch den presserechtlichen Bezug deutlich von den bisher entschiedenen Verfahren. Insbesondere die vom Verwaltungsgericht aufgestellte These, eine Mandatsbezogenheit liege erst dann vor, wenn eine Grenze überschritten werde, welche die Mandatsausübung, insbesondere das Abstimmverhalten des Mandatsträgers, in einer solchen Weise beeinflusse, dass diese faktisch nur noch geleitet von der bisherigen oder erwarteten Berichterstattung darüber motiviert sei, sei bislang in der Rechtsprechung und Literatur noch nicht vertreten worden. Der Senat werde im Berufungsverfahren die Gelegenheit haben, zu der Frage Stellung zu nehmen, ob eine solche oder möglicherweise auch eine andere Grenze zur Begrenzung des Erstattungsanspruchs sachgerecht und erforderlich sei. Dabei sei auch zu klären, inwieweit das einzelne Ratsmitglied auf die Möglichkeit des Erlasses einer klarstellenden Presseerklärung durch den Rats- oder Ausschussvorsitzenden oder auf die Inanspruchnahme interner Rechtsberatung verwiesen werden kann.

Mit der Berufung vertieft und ergänzt der Kläger sein Vorbringen:

Der Kostenerstattungsanspruch gemäß § 39 Abs. 5 Satz 1 NGO setze voraus, dass die Kosten durch das Mandat sachgerecht und nicht mutwillig veranlasst worden seien. Weitere Voraussetzungen könnten der Vorschrift nicht entnommen werden. Insbesondere sei es für den Erstattungsanspruch nicht erforderlich, dass die Kosten und die Mandatswahrnehmung in einem „unmittelbaren“ Zusammenhang stünden. Dies wäre mit dem Gebot der Rechtssicherheit auch nicht vereinbar. Der Kläger habe die Kosten nicht mutwillig verursacht. Der presserechtliche Gegendarstellungsanspruch müsse unverzüglich und unter Einhaltung bestimmter Formalien geltend zu machen. Diesen Anforderungen habe der Kläger ohne anwaltlichen Beistand nicht gerecht werden können. Mutwilligkeit liege ferner nicht im Hinblick auf die Möglichkeit des Erlasses einer klarstellenden Presseerklärung durch den Rats- oder Ausschussvorsitzenden vor. Diese Form der Klarstellung habe keine mit der Gegendarstellung vergleichbare Wirkung. Zudem bestehe auf die Veröffentlichung einer klarstellenden Pressemitteilung anders als auf die Veröffentlichung einer formgerechten Gegendarstellung kein Anspruch. Darüber hinaus könne der Kläger auf diese Möglichkeit von vornherein nicht verwiesen werden. Die Leiterin der Bauausschusssitzung sei ebenso wie andere Mitglieder der Mehrheitsfraktion der Auffassung gewesen, der Kläger habe sich in jeglicher Hinsicht falsch verhalten. Sie habe dem Kläger selbst vorgeworfen, seine Gestik sei als „Hitlergruß“ zu verstehen. Er habe daher nicht davon ausgehen können, sie werde eine klarstellende Pressemitteilung in seinem Sinne veranlassen. Ferner habe für den Kläger nicht die Möglichkeit bestanden, sich durch die Beklagte intern rechtlich beraten zu lassen. Sie verfüge über kein Rechtsamt, das dem Kläger bei der Beantwortung von presserechtlichen Fragestellungen hätte behilflich sein können. Er habe weder vor noch nach der Abstimmung einen „Hitlergruß“ gezeigt. Dieser Vorwurf sei ihm erst im Rahmen der Berichterstattung gemacht worden. Während der Bauausschusssitzung sei dies nicht Thema gewesen. Der erstinstanzlich geltend gemachte Hilfsantrag habe sich erledigt, weil er die Rechtsanwaltskosten zwischenzeitlich beglichen habe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück vom 17. September 2012 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23. März 2012 zu verpflichten, an den Kläger 1.643,15 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz ab dem Datum des ablehnenden Bescheides zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger habe die Kosten mutwillig veranlasst, indem er nach der Abstimmung in der Bauausschusssitzung aufgesprungen sei, den Arm zu einer „eindeutigen Geste im Sinne eines Hitler-Grußes“ gestreckt sowie den Protokollanten, Herrn F., und das Publikum darauf hingewiesen habe, dass „es schon einmal Zeiten gegeben hat, in denen man die Hand oben hatte“. Dieses Geschehen könnten mehrere Zeugen bekunden und es erschließe sich aus dem Vermerk des Protokollanten vom 6. November 2012. Da der Kläger diese Geste zu einem Zeitpunkt vorgenommen habe, in welchem keine Handzeichen zu Wortbeiträgen mehr erfolgt seien, und er zugleich die benannte Aussage getätigt habe, sei für jedermann ein eindeutiger Bezug zum Nationalsozialismus hergestellt. Es bestehe daher kein begründeter Anlass, gegen einen wahrheitsgemäßen Presseartikel vorzugehen. Der Kläger habe durch sein Verhalten die Berichterstattung wie ein Zweckveranlasser „provoziert“, so dass die Voraussetzungen für einen Kostenerstattungsanspruch nicht gegeben sein dürften.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Ersatz der ihm im Zusammenhang mit der anwaltlichen Geltendmachung eines presserechtlichen Gegendarstellungsanspruchs entstandenen Kosten in Höhe von 1.643,15 €.

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Dabei kann offen bleiben, ob der Anspruch im Wege der Verpflichtungs- oder Leistungsklage zu verfolgen ist.

Ein Anspruch auf Ersatz der Rechtsanwaltskosten scheidet gemäß § 39 Abs. 5 Satz 1 NGO aus (dazu unter 1.). Ferner steht dem Kläger kein Erstattungsanspruch nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen zu (dazu unter 2.).

1. Das Verwaltungsgericht hat den Anspruch auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten gemäß § 39 Abs. 5 Satz 1 NGO im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

Grundlage für den geltend gemachten Anspruch des Klägers ist § 39 Abs. 5 Satz 1 der Niedersächsischen Gemeindeordnung in der bis zum 31. Oktober 2011 maßgeblichen Fassung der Neubekanntmachung vom 28. Oktober 2006 – NGO – (Nds. GVBl. S. 473) mit nachfolgenden Änderungen, nicht das erst zum 1. November 2011 in Kraft getretene Kommunalverfassungsgesetz. Danach haben die Ratsfrauen und Ratsherren Anspruch auf Ersatz ihrer Auslagen, einschließlich der Aufwendungen für Kinderbetreuung, und ihres Verdienstausfalls.

Im vorliegenden Fall bestehen bereits erhebliche Zweifel, ob der Geltendmachung des Ersatzanspruchs des Klägers als Auslagenersatz der Satzungsvorbehalt nach Satz 2 dieser Vorschrift entgegensteht. Danach müssen „diese Ansprüche“ durch Satzung auf Höchstbeträge je Stunde und können außerdem auf Höchstbeträge je Tag oder je Monat begrenzt werden. Da der Wortlaut dieser Regelung den Ersatz aller Auslagen der Ratsmitglieder betrifft, d.h. nicht nur der exemplarisch aufgezählten Aufwendungen für Kinderbetreuung und Verdienstausfall, spricht vieles dafür, dass die Geltendmachung von Auslagenersatzansprüchen zwingend eine Regelung und ggfs. die Begrenzung auf Höchstbeträge durch eine Satzung erfordert. Daran fehlt es hier indes. Die Satzung der Beklagten über die Gewährung von Aufwandsentschädigungen, Sitzungsgeldern, Ersatz von Auslagen und Verdienstausfall für Ratsmitglieder und ehrenamtlich tätige Bürger vom 12. März 1992 in der Fassung der zwischenzeitlich ergangenen Satzungsänderungen, hat den Ersatz der vom Kläger geltend gemachten Rechtsanwaltskosten überhaupt nicht geregelt. Zwar bestimmt § 1 Abs. 1 dieser Satzung, dass nach den näheren Bestimmungen dieser Satzung Ersatz für Auslagen, Verdienstausfall oder Aufwandsentschädigung erhält, wer ehrenamtlich für die Stadt oder als Ratsherr tätig ist. Doch wird der Auslagenersatz in den nachfolgenden Bestimmungen dieser Satzung an keiner Stelle erwähnt. Die Regelungen betreffen ausschließlich die Aufwandsentschädigung (§§ 2 bis 4), den Ersatz des Verdienstausfalls (§ 5), sonstige Entschädigungen (§§ 6, 7, 9 und 10) und die Erstattung von Fahrtkosten (§ 8). Dementsprechend besteht in der Satzung auch keine Begrenzung der Auslagenerstattung auf Höchstbeträge.

Letztlich kann es aber dahinstehen, ob es ohne satzungsrechtliche Normierung an einer erforderlichen rechtlichen Grundlage für den Anspruch auf Ersatz der Rechtsanwaltskosten als Auslagen gemäß § 39 Abs. 5 Satz 1 NGO fehlt (so Lüersen-Neuffer, Kommentar zur NGO, § 39 Nr. 8; wohl auch Ipsen, Nds. Kommunalrecht, 3. Auflage 2006, Rn. 271), oder ob der Satzungsvorbehalt „trotz seines missverständlichen Wortlauts“ nicht für den Ersatz aller Auslagen gilt, weil ein stundenweise bemessener und begrenzter Ersatz in Bezug auf Auslagen keinen Sinn ergebe (zu dem wortgleichen § 44 Abs. 1 Satz 3 NKomVG: Wefelmeier in Baum/Baumgarten/Freese u.a., Kommentar zum NKomVG, Stand: Juni 2015, § 55 Rn. 6). Denn jedenfalls ist der Anspruch gemäß § 39 Abs. 5 Satz 1 NGO deshalb nicht gegeben, weil es sich bei den Rechtsanwaltskosten des Klägers nicht um Auslagen im Sinne der Vorschrift handelt.

Der Auslagenbegriff in § 39 Abs. 5 Satz 1 NGO ist nach der bisherigen Senatsrechtsprechung im Ansatz weit zu verstehen. Er umfasst danach zunächst alle durch die Mandatsausübung veranlassten Aufwendungen, unabhängig davon, ob sie regelmäßig anfallen oder nicht und ob sie satzungsrechtlich erfasst wurden bzw. erfassbar sind. Jedoch wird auch dieser im Ansatz weite Begriff begrenzt, allerdings nicht erst – wie wohl vom Kläger geltend gemacht – durch das Merkmal der Mutwilligkeit, sondern durch das engere Erfordernis eines unmittelbaren Mandatsbezuges (vgl. das Senatsurteil vom 18. Januar 2005 - 10 LB 42/02 -, n.v.). Ein solcher unmittelbarer Mandatsbezug ist über die typischen, durch eine Satzung erfassten Fälle von Auslagenersatz für eine Kinderbetreuung oder Verdienstausfall bzw. von Sitzungsgeldern als pauschale Aufwandsentschädigungen oder Fahrtkostenentschädigung (nur) gegeben, wenn die kostenverursachende Handlung des Ratsmitgliedes nicht nur kausal auf seine Mandatstätigkeit zurückzuführen ist, sondern sich darin gerade ein spezifisches Risiko der Mandatstätigkeit verwirklicht hat und deshalb der Mandatsträger als solcher in der Wahrnehmung seiner Rechte und Pflichten betroffen ist. Letzteres ist etwa der Fall, wenn es um Folgekosten eines Dringlichkeitsantrages geht; denn solche Anträge können nur von Ratsmitgliedern gestellt werden (vgl. das Senatsurteil vom 18. Januar 2005 - 10 LB 42/02 -, n.v.). Hiervon abzugrenzen sind Kosten, die typischerweise im Zusammenhang mit der Ausübung von Rechten des einzelnen Ratsmitgliedes als Privatperson stehen, etwa im Zusammenhang mit dem jedermann zustehenden Recht auf freie Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG oder mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht in Art. 2 Abs. 1 GG. Mit der Ausübung dieser Rechte verwirklicht sich letztlich ein allgemeines Lebensrisiko, welches das Ratsmitglied als Privatperson betrifft (entsprechend zum Tragen von Aufklebern mit politischer Werbung auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19. Mai 1987 - 7 A 90/86 - NVwZ 1987, 1105).

Nach ihrem Sinn und Zweck stellt die Auslagenerstattung das Korrelat für die Teilnahmepflicht an Sitzungen der kommunalen Vertretung bzw. des Kreistages und deren Ausschüsse dar (vgl. Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 17. Juni 2010

- 8 A 1364/09 -). Der unmittelbare Mandatsbezug wäre hier erfüllt, wenn der presserechtlichen Gegendarstellungsanspruch ein Verhalten des Klägers zum Gegenstand gehabt hätte, das den Kläger in einem engen zeitlichen, räumlichen und funktionalem Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Ratsmitglied der Beklagten beträfe. Dies ist hier indes nicht der Fall, weil die Rechtsanwaltskosten für die Verfolgung eines presserechtlichen Gegendarstellungsanspruchs jedenfalls nicht unmittelbar durch die Ausübung der ehrenamtlichen Tätigkeiten als Ratsherr für die Gebietskörperschaft entstanden sind, sondern den Kläger in seinen Rechten als Privatperson betreffen. Der im Raum stehende Vorwurf, „Aus Verärgerung über Sitzungsleitung und Stadtverwaltung sprang B. C. (Die Grünen) auf und reckte den rechten Arm zum Gruß“, steht nicht in einem unmittelbar funktionalen Zusammenhang mit der Mandatsausübung eines Ratsmitglieds, sondern ist lediglich in räumlichem und zeitlichem Zusammenhang mit der Bauausschusssitzung erfolgt. Denn die Art und Weise der Ausübung von Rechten und Pflichten des Klägers als Ratsmitglied in der Bauausschusssitzung war gerade nicht Gegenstand der Pressemitteilung. Der Artikel stellt vielmehr darauf ab, dass die dem Kläger vorgeworfene Geste nach Durchführung der Abstimmung erfolgt sei und das vermeintliche Fehlverhalten des Klägers, der Lehrer sei, nun für den Dienstvorgesetzten von Interesse sein dürfte. Damit wird deutlich, dass der Vorwurf nach der presserechtlichen Darstellung im Schwerpunkt das Verhalten bzw. die Gesinnung des Klägers als Privatperson betrifft und nicht in erster Linie auf seine Tätigkeit als Mandatsträger bzw. Mitglied der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abzielt. Der vom Kläger verfolgte Anspruch auf Gegendarstellung wegen einer gegen seine Person gerichteten negativen Berichterstattung betrifft typischerweise eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Die ihm unterstellte Geste hat der Kläger nach der Darstellung in den streitgegenständlichen Presseartikeln daher nur „im Gewande“ seiner Ratsmitgliedschaft und anlässlich der Bauausschusssitzung abgegeben (vgl. Senatsurteil vom 18. Januar 2005 - 10 LB 42/02 -, UA S. 13). Etwas anderes ergibt sich ferner nicht aus dem unbestrittenen Vortrag des Klägers, er sei bloß im Nachgang zur Abstimmung des Rates aufgestanden und habe gestikuliert, weil er seinen Unmut über die Sitzungsleitung zum Ausdruck bringen wollte. Auch danach hat die Mandatseigenschaft des Klägers bloß den Anlass für die Geste und die kostenpflichtige anwaltliche Austragung einer presserechtlichen Streitigkeit gegeben. Mit der Berichterstattung über die dem Kläger unterstellte Geste hat sich daher ein spezifisches Risiko verwirklicht, das mit jeder Meinungsäußerung verbunden ist. Ein unmittelbarer Bezug zur Ausübung von (Rede- und Antrags-)Rechten und Funktionen als Mitglied der Fraktion bzw. des Rats der Beklagten liegt nicht vor. Folglich handelt es sich bei den Rechtsanwaltskosten nicht um Auslagen im Sinne des § 39 Abs. 5 Satz 1 NGO, die unmittelbar durch die Ausübung der Mandatstätigkeiten des Klägers als Ratsherr für die Beklagte veranlasst worden sind.

2. Dem Kläger steht ferner kein Erstattungsanspruch aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen zu.

Der aus einem allgemeinen Rechtsgrundsatz hergeleitete, mit unterschiedlicher dogmatischer Begründung im Ergebnis allgemein anerkannte öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch findet auf die Erstattung von Rechtsanwaltskosten, die der Kläger als Ratsmitglied anlässlich der anwaltlichen Geltendmachung eines Gegendarstellungsanspruchs gegenüber der Presse verursacht hat, keine Anwendung. Nach der im Ergebnis übereinstimmenden Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte muss einem derartigen Kostenerstattungsanspruch eines Ratsmitglieds zwingend eine (gerichtliche oder außergerichtliche) Organstreitigkeit bzw. ein Kommunalverfassungsstreit zu Grunde liegen (OVG Saarland, Beschluss vom 5. Oktober 1981 - 3 R 87/80 -, NVwZ 1982, 140, und Urteil vom 6. Dezember 1978 - III R 123/78 -; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19. Mai 1987 - 7 A 90/86 -, DÖV 1988, 40; VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 3. November 1981 - 9 S 702/81 -, DÖV 1982, 84, und vom 17. September 1984 - 9 S 1076/84 -, NVwZ 1985, 284, sowie Urteil vom 21. Oktober 1987 - 9 S 2920/85 -; OVG NRW, Urteil vom 12. November 1991 - 15 A 1046/90 -, juris Rn. 62; OVG Bremen, Beschluss vom 31. Mai 1990 - 1 B 18 und 21/90 -, NVwZ 1990, 1197 [VGH Bayern 03.04.1990 - 4 B 90/182]; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 14. August 2006 - 4 B 05.939 -, juris Rn. 27; VG Hannover, Urteil vom 5. April 2000 - 1 A 3570/99).

Da dem Kostenerstattungsanspruch des Klägers unstreitig keine (gerichtliche oder außergerichtliche) Organstreitigkeit bzw. kein Kommunalverfassungsstreit zu Grunde liegt, scheidet ein Erstattungsanspruch aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen demnach hier aus. Es kommt deshalb auch nicht darauf an, ob der Kläger die Kosten für die Einschaltung eines Rechtsanwaltes für die Verfolgung des Gegendarstellungsanspruchs mutwillig veranlasst hat oder ob die Kosten in vollem Umfang notwendig waren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.