Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 01.06.2023, Az.: 14 KN 36/22

Einzelhandel; allgemeiner Gleichheitsgrundsatz; Infektionsschutz; Mischsortiment; Pandemiebedingte Betriebsschließungen des Einzelhandels vom 13. Februar 2021 bis einschließlich zum 7. März 2021 rechtmäßig

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
01.06.2023
Aktenzeichen
14 KN 36/22
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 21415
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2023:0601.14KN36.22.00

Amtlicher Leitsatz

  1. 1)

    Die angegriffenen Betriebsschließungen des Einzelhandels vom 13. Februar 2021 bis einschließlich zum 7. März 2021 stellen sich angesichts der damaligen Corona-Lage als notwendige Schutzmaßnahme im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG a.F. dar.

  2. 2)

    Bei der Beurteilung der Erforderlichkeit von Maßnahmen zum Schutz vor COVID-19 hatte der Verordnungsgeber einen tatsächlichen Einschätzungsspielraum, der sich darauf bezog, die Wirkung der von ihm gewählten Maßnahmen im Vergleich zu anderen, weniger belastenden Maßnahmen zu prognostizieren. Maßgeblich ist die Erkenntnislage bei Erlass der Verordnung (ex-ante-Sicht).

  3. 3)

    Bei der Regelung eines dynamischen Infektionsgeschehens sind die sich aus dem Gleichheitssatz ergebenden Grenzen für die Infektionsschutzbehörde grundsätzlich weniger streng. Ein gewichtiger, wiederholter und länger andauernder Eingriff in ein Freiheitsrecht erhöht jedoch die Anforderungen an die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung.

  4. 4)

    Für die gleichheitsbezogene Abwägungsrelation hat der Gesetzgeber durch die Schaffung des § 28a Abs. 6 Satz 3 IfSG a.F. verdeutlicht, dass die Exekutive abstrakte Priorisierungsentscheidungen treffen darf.

  5. 5)

    Verkaufsstellen mit einem Mischsortiment, das im Schwerpunkt privilegierte Waren umfasste, durften von den Betriebsschließungen ausgenommen werden, da ihre Einbeziehung zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit nicht zwingend erforderlich i.S.d. § 28a Abs. 6 Satz 3 IfSG a.F. gewesen ist und durch die Regelung auch im Übrigen die widerstreitenden Interessen in einen angemessenen Ausgleich gebracht worden sind.

    1. a)

      Die Annahme des Verordnungsgebers, dass es durch die Öffnung der Verkaufsstellen mit einem schwerpunktmäßig privilegierten Sortiment nicht zu einem nennenswerten Anstieg der Infektionsgefahr kommen wird, begegnet jedenfalls keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

    2. b)

      Der Antragsgegner durfte überdies davon ausgehen, dass das gezielte Aufsuchen einer Verkaufsstelle, die ein gemischtes Sortiment anbietet, allein zum Einkaufen nicht privilegierter Ware einen Ausnahmefall bilden und folglich nicht zu einer erheblichen Wettbewerbsverzerrung führen wird, und dass nicht privilegierte Waren innerhalb solcher Verkaufsstellen in der Regel Randsortimente bilden und diejenigen Waren, die der Grundversorgung der Bevölkerung dienen, einen deutlichen Schwerpunkt darstellen werden.

Tenor:

Soweit die Anträge zu 2) bis 4) zurückgenommen worden sind und der Antrag zu 5) übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, wird das Verfahren eingestellt.

Im Übrigen wird der Normenkontrollantrag abgelehnt.

Die Kosten des Normenkontrollverfahrens trägt die Antragstellerin.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Antragsgegner zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Antragstellerin - eine GmbH, die in F. einen Elektronikfachmarkt betreibt - begehrt die Feststellung, dass eine bereits außer Kraft getretene Regelung der Niedersächsischen Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus SARS-CoV-2 (im Folgenden: Niedersächsische Corona-Verordnung), die den Betrieb von Verkaufsstellen des Einzelhandels untersagt bzw. beschränkt hat, unwirksam gewesen ist.

Am 30. Oktober 2020 erließ das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung - handelnd durch die damalige Ministerin - die Niedersächsische Corona-Verordnung und verkündete diese im Niedersächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt (Nds. GVBl. S. 368).

§ 10 Abs. 1b, der Betriebsverbote sowie Betriebs- und Dienstleistungsbeschränkungen für Verkaufsstellen des Einzelhandels regelt, wurde durch die Änderungsverordnung vom 15. Dezember 2020 (Nds. GVBl. S. 488) in die Niedersächsische Corona-Verordnung eingefügt. Infolgedessen schloss die Antragstellerin ab dem 16. Dezember 2020 den von ihr betriebenen Elektronikfachmarkt, ohne gegen die Regelung vorzugehen, die zunächst bis zum 10. Januar 2021 befristet worden war.

Nachdem die Geltungsdauer der Betriebsverbote sowie Betriebs- und Dienstleistungsbeschränkungen verlängert worden war, hat die Antragstellerin am 25. Februar 2021 einen Normenkontrollantrag sowie einen Normenkontrolleilantrag bezogen auf § 10 Abs. 1b der Niedersächsischen Corona-Verordnung - in der Fassung der Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 12. Februar 2021 (Nds. GVBl. S. 55) - gestellt.

§ 10 Abs. 1b der Niedersächsischen Corona-Verordnung lautet in der streitbefangenen Fassung:

"§ 10

Betriebsverbote sowie Betriebs- und Dienstleistungsbeschränkungen

[...]

(1b) 1Für den Kundenverkehr und Besuche sind alle Verkaufsstellen des Einzelhandels, einschließlich der Outlet-Center und der Verkaufsstellen in Einkaufscentern, geschlossen, ausgenommen die Verkaufsstellen für die Versorgung mit Lebensmitteln oder mit Gütern oder Dienstleistungen des täglichen Bedarfs in den Betrieben und Einrichtungen

1. des Lebensmittelhandels,

2. der Wochenmärkte in Bezug auf den Handel mit Lebensmitteln und mit Schnittblumen, Topfblumen und Topfpflanzen sowie Blumengestecken und Grabschmuck,

3. des landwirtschaftlichen Direktverkaufs und der Hofläden in Bezug auf den Handel mit Lebensmitteln und mit Schnittblumen, Topfblumen und Topfpflanzen sowie Blumengestecken und Grabschmuck,

4. des Getränkehandels,

5. der Abhol- und Lieferdienste,

6. der Reformhäuser,

7. der Babyfachgeschäfte,

8. der Apotheken, Sanitätshäuser und Drogerien,

9. der Optikerinnen, Optiker, Hörgeräteakustikerinnen und Hörgeräteakustiker,

10. der Tankstellen und Autowaschanlagen,

10 a. des Kraftfahrzeughandels und des Zweiradhandels, allerdings jeweils beschränkt auf die Durchführung von Probefahrten,

11. der Kraftfahrzeug- oder Fahrrad-Werkstätten und der Reparaturwerkstätten für Elektronikgeräte,

12. der Banken und Sparkassen,

13. der Poststellen,

14. der Reinigungen,

15. der Waschsalons,

16. der Zeitungsverkaufsstellen,

17. des Tierbedarfshandels,

18. des Futtermittelhandels,

19. der Verkaufsstellen für Schnittblumen, Topfblumen und Topfpflanzen sowie für Blumengestecke und Grabschmuck sowie des gärtnerischen Facheinzelhandels wie Gärtnereien, Gartencenter und Gartenmärkte,

20. des Großhandels und der Baumärkte, jeweils nur für gewerbliche Kundinnen und Kunden,

21. des Brenn- und Heizstoffhandels,

22. des Brief- und Versandhandels,

23. der Verkaufsstellen von Fahrkarten für den Personenverkehr.

2Zulässig sind auch Verkaufsstellen mit gemischtem Sortiment, das auch regelmäßig Waren umfasst, die dem Sortiment einer der in Satz 1 Nrn. 1 bis 9 und 16 bis 19 genannten Verkaufsstellen entsprechen, wenn die Waren den Schwerpunkt des Sortiments bilden; bilden die betreffenden Waren nicht den Schwerpunkt des Sortiments, so ist der Verkauf nur dieser Waren zulässig. 3Zulässig ist auch die Auslieferung jeglicher Waren auf Bestellung sowie deren Verkauf im Fernabsatz zur Abholung bei kontaktloser Übergabe außerhalb der Geschäftsräume unter Wahrung des Abstandsgebots nach § 2 Abs. 2 Satz 1. 4Die Ausweitung der regelmäßigen Randsortimente durch die Betriebe und Einrichtungen nach Satz 1 Nrn. 1 bis 23 ist unzulässig.

[...]

§ 20

Inkrafttreten, Außerkrafttreten

(1) Diese Verordnung tritt am 2. November 2020 in Kraft und mit Ablauf des 7. März 2021 außer Kraft. [...]"

Mit Beschluss vom 4. März 2021 hat der zum damaligen Zeitpunkt zuständige 13. Senat des erkennenden Gerichts den Normenkontrolleilantrag abgelehnt (Az.: 13 MN 81/21).

Mit Schriftsatz vom 17. August 2021 hat die Antragstellerin ihren Antrag gegen drei weitere Fassungen der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 30. Oktober 2020 (Anträge zu 2 bis 4) - im Einzelnen gegen die Fassung vom 7. März 2021 (Nds. GVBl. S. 110), vom 8. Mai 2021 (Nds. GVBl. S. 253) sowie vom 21. Mai 2021 (Nds. GVBl. S. 288) - und gegen die Niedersächsische Corona-Verordnung vom 30. Mai 2021 (Nds. GVBl. S. 297) gerichtet (Antrag zu 5), soweit diese jeweils Betriebsverbote sowie Betriebs- und Dienstleistungsbeschränkungen für Verkaufsstellen des Einzelhandels geregelt haben.

Die Anträge zu 2) bis 4) hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 17. Mai 2023 zurückgenommen; das Verfahren ist im Hinblick auf den Antrag zu 5) mit Schriftsätzen vom 17. Mai 2023 (Antragstellerin) sowie vom 24. Mai 2023 (Antragsgegner) übereinstimmend für erledigt erklärt worden. Zudem hat die Antragstellerin auf § 10 Abs. 1b Satz 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung in der Fassung der Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 12. Februar 2021 bezogene Hilfsanträge mit Schriftsatz vom 17. August 2021 zurückgenommen.

Die Niedersächsische Corona-Verordnung vom 30. Oktober 2020 ist mit Ablauf des 30. Mai 2021 außer Kraft getreten (Nds. GVBl. S. 253).

Zur Begründung ihres Antrages trägt die Antragstellerin unter ausführlicher Darlegung im Wesentlichen vor:

Der Normenkontrollantrag sei weiterhin zulässig, obwohl die angefochtene Regelung mittlerweile außer Kraft getreten sei. Ihr stehe ein schutzwürdiges Interesse an der begehrten Feststellung zu, da sie einen Entschädigungsprozess vorbereite, eine Wiederholung der einschränkenden Maßnahmen drohe und ihre Grundrechte aus Art. 19 Abs. 3 i.V.m. Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 und 3 Abs. 1 GG zudem in tiefgreifender Weise verletzt worden seien. Deutschlandweit seien der Unternehmensgruppe, zu der die Antragstellerin gehöre, allein im Januar Umsatzeinbußen in Millionenhöhe entstanden; die Umsatzeinbußen seit dem 16. Dezember 2020 beliefen sich bisher insgesamt auf über G. Euro - und dies bereits unter Einbeziehung des "click and collect"-Systems sowie des Online-Handels.

Der Antrag sei begründet, da die Schließung des Betriebes sowohl gegen Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG als auch Art. 3 Abs. 1 GG verstoße.

Der Eingriff in die Freiheitsrechte - Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG - sei nicht gerechtfertigt. Betriebsschließungen stellten eine undifferenzierte und flächendeckende Maßnahme dar, die vor dem Hintergrund der damaligen Corona-Situation bereits nicht geeignet gewesen sei. Anhand der Lageberichte des Robert Koch-Instituts könne nachvollzogen werden, dass der Einzelhandel - wenn überhaupt - nur einen sehr geringen Beitrag zum Infektionsgeschehen geleistet habe (unter Verweis auf Robert Koch-Institut, ControlCOVID, Toolbox zum Stufenkonzept und weitere Studien, Bl. 31 ff. Rn. 86 ff. des Schriftsatzes vom 17.5.2023). Der bundesweite Anstieg sei vielmehr durch zumeist diffuse Geschehen - etwa private Feiern im Familien- und Freundeskreis, Gruppenveranstaltungen sowie Zusammentreffen in Gemeinschaftseinrichtungen, Alten- und Pflegeheimen oder im beruflichen Setting bzw. durch religiöse Veranstaltungen - verursacht worden. Es hätten keinerlei Erkenntnisse dahingehend vorgelegen, dass Betriebsschließungen die weitere Ausbreitung des Coronavirus verhinderten. Solange der Verordnungsgeber ein erhöhtes Infektionsrisiko durch das Offenhalten der Geschäfte nicht habe nachweisen können, sei es ihm jedoch nicht gestattet gewesen, derart weitreichende Verbote auszusprechen (unter Bezugnahme auf Exner, Hygienisch-medizinische Stellungnahme zum Beitrag des Einzelhandels zur Prävention und Kontrolle der COVID-19-Pandemie, Anlage 3 zur Antragsschrift vom 25.2.2021). Erschwerend komme hinzu, dass vollkommen offen und unvorhersehbar gewesen sei, wann und unter welchen Voraussetzungen die Exekutive von der Schließung des Einzelhandels abrücken werde, nachdem diese mehrfach verlängert worden sei. Überdies sei mit fortschreitender Durchimpfung der besonders schutzwürdigen Bevölkerungsteile die Rechtfertigung für flächendeckende Schutzmaßnahmen immer weiter geschwunden. Die in einem Elektrofachmarkt typischerweise geführten Beratungsgespräche hätten stets mit Schutzmaske stattgefunden und im Durchschnitt deutlich weniger als 15 Minuten in Anspruch genommen; nach den Kriterien des Robert Koch-Instituts habe es sich somit nicht um Kontakte mit erhöhtem Ansteckungsrisiko gehandelt. Aber auch für eine mittelbare Risikosteigerung - etwa unter dem Gesichtspunkt eines erhöhten Fahrgastaufkommens im öffentlichen Nahverkehr oder aber des Aufenthalts rund um die Einzelhandelsgeschäfte - habe es an einer kausal belegbaren Verknüpfung gefehlt. Dass die Betriebsschließungen ungeeignet seien, belege schließlich auch die Regelung zu Mischsortimenten: Wenn die Prämisse des Verordnungsgebers gelautet habe, dass die Kontaktreduzierungen im Bereich des Einzelhandels dadurch erreicht werden könnten, dass den Kundinnen und Kunden die Möglichkeit genommen werde, Verkaufsstellen mit nicht der Grundversorgung dienendem Sortiment aufzusuchen, sei es sinnwidrig gewesen, dass in anderen Verkaufsstellen des Einzelhandels bis zu 49,9 Prozent des Sortiments aus eben solchen Waren bestehen dürften; Kundenströme seien so lediglich umgeleitet worden.

Die Betriebsschließungen seien zum Zeitpunkt des Erlasses der Änderungsverordnung vom 12. Februar 2021 auch nicht mehr erforderlich gewesen, da mit einer Öffnung des Einzelhandels unter strengen Hygieneauflagen - etwa dem Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung bzw. FFP2-Maske, der Vermeidung von Warteschlangen, der Begrenzung der Anzahl der Kundinnen und Kunden oder dem Einhalten eines Abstands von mindestens 1,5 Metern - ein milderes, aber ebenso geeignetes Mittel zur Verfügung gestanden habe. Es wären zudem eine Vielzahl flankierender Maßnahmen denkbar gewesen, die - hätte man sie frühzeitig und konsequent wie in anderen Ländern umgesetzt - dazu beigetragen hätten, die Betriebsschließungen zu vermeiden. Dies gelte etwa für die Entscheidung, den flächendeckenden Einsatz des Surveillance Outbreak Response Management and Analysis-Systems ("SORMAS") sowie des Deutschen Elektronischen Melde- und Informationssystems für den Infektionsschutz ("DEMIS") vorzusehen. Die kostenlose Abgabe von FFP2-Masken an besonders gefährdete Teile der Bevölkerung habe erst im Dezember 2020 und damit zehn Monate nach Ausbruch der Pandemie begonnen. Auch der Ausbau der Personalkapazitäten in den Krankenhäusern - insbesondere im intensivmedizinischen Bereich - sei zu langsam betrieben worden. Dies gelte auch für die Ausweitung privater Testungen. Das Vorgehen des Antragsgegners sei nicht plausibel: Der Einschätzungsspielraum des Antragsgegners sei verengt angesichts des Umstands, dass seit dem Beginn der COVID-19-Pandemie in Deutschland zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Regelungen über ein Jahr vergangen sei und genügend Gelegenheit bestanden habe, die einzelnen Beschränkungen durch den Staat vielfältig zu erproben. Er habe für seine Entscheidungen auf einen erheblichen Erfahrungsschatz zurückgreifen und sich infolgedessen nicht mehr darauf berufen können, von einer plötzlichen Entwicklung überrollt worden zu sein. Insofern müsse sein Verhalten einem strengeren Maßstab unterliegen als noch im Frühjahr und Sommer des vergangenen Jahres. Dies gelte auch vor dem Hintergrund der Dauer und Intensität der Einschränkungen. Insbesondere sei der Antragsgegner seiner Pflicht, die andauernde Belastung zu beobachten und ständig zu überprüfen, nicht gerecht geworden. Er habe vielmehr zu schematisch gehandelt.

Die Regelung sei zudem nicht angemessen. Das gelte bereits für die Betriebsschließung als solche, erst recht aber in Verbindung mit der gleichzeitigen Zulassung des Verkaufs von Elektronikartikeln durch andere stationäre Einzelhändler mit einem gemischten Sortiment. Die Antragstellerin sei insoweit durch die Regelungen in doppelter Hinsicht betroffen: Nicht nur sei ihr durch die Schließung ihres Marktes die Ausübung des stationären Handels nahezu vollständig untersagt worden. Sie habe darüber hinaus mit ansehen müssen, wie benachbarte Einzelhändler mit gemischtem Sortiment auf zum Teil mehreren hundert Quadratmetern Verkaufsfläche genau diejenigen Elektronikwaren verkauft hätten, die sie selbst in ihrem Markt nicht habe anbieten dürfen. Dies habe zu einer Wettbewerbsverzerrung geführt. Durch diese Wettbewerbsverzerrung sei der Eingriff in ihre Freiheitsgrundrechte deutlich intensiviert worden. Überdies habe das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in anderen Entscheidungen bereits darauf hingewiesen, dass etwaige staatliche Kompensationsleistungen insbesondere aufgrund der allgemein bekannten Schwierigkeiten bei der Antragstellung und mit Blick auf ihren tatsächlichen Erhalt nicht geeignet seien, die Eingriffswirkung vollständig zu beseitigen oder auf ein dauerhaft hinzunehmendes Maß zu reduzieren. Die H. habe die Überbrückungshilfe III wegen der Höhe ihres Gesamtumsatzes nicht erhalten, so dass die Umsatzeinbußen nicht kompensiert worden seien. Selbst wenn dahingehend eine Überarbeitung der Förderbedingungen erfolgt sei, wäre die Höhe der Förderung so gering, dass sie die enormen wirtschaftlichen Einbußen nicht abfangen könne. Das Kurzarbeitergeld decke lediglich einen Teil der Personalkosten ab, sei aber nicht ausreichend gewesen, um die übrigen Verluste aufzufangen. Auch die Möglichkeit, dass Kundinnen und Kunden vorbestellte Waren hätten abholen können, stellte keine ausreichende Kompensation dar. Die damalige Lage bei den Infektionszahlen habe sich verbessert; zudem habe die Anzahl der intensivmedizinisch behandelten COVID-19-Fälle abgenommen. Selbst wenn die Gesundheitsämter ab einer 7-Tage-Inzidenz von 50 nicht mehr in der Lage gewesen sein sollten, die Kontakte nachzuverfolgen und Infektionsketten abzubilden, hätte dies nicht dazu führen dürfen, dass der Staat mit derart weitreichenden Eingriffen auf eine Lage reagiere, die er durch eigene Untätigkeit selbst verursacht habe. Es müsse vielmehr die Je-desto-Formel gelten: Je weniger der Staat bereit und im Stande sei, selbst ein Jahr nach Ausbruch der Pandemie das Infektionsgeschehen räumlich wie inhaltlich zu identifizieren, desto weniger einschneidend dürften Grundrechtseingriffe gegenüber Nichtstörern - wie ihr - sein.

Die Regelung über die Betriebsschließung verstoße auch gegen Art. 3 Abs. 1 GG, soweit Geschäfte mit einem Mischsortiment, die im Schwerpunkt Waren der Grundversorgung anböten, auch nicht privilegierte Waren - darunter auch Elektronikartikel - verkaufen dürften (§ 10 Abs. 1 Satz 2 Hs. 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung). Die Ungleichbehandlung werde durch den gleichzeitigen Eingriff in die Berufs- sowie Eigentumsfreiheit sowie die Dauer der Maßnahme verstärkt und müsse infolgedessen anhand eines strengen Maßstabes überprüft werden. Die Regelung bevorteile ohne Sachgrund zum einen solche Mischbetriebe, die im Schwerpunkt privilegierte Waren anböten, gegenüber solchen, bei denen der Schwerpunkt nicht auf dem privilegierten Sortimentsteil liege. Es erschließe sich außerdem nicht, warum ihr Elektronikfachmarkt über Monate hinweg habe schließen müssen, während Mischbetriebe mit einem beachtlichen Sortiment an Non-food-Artikeln aller Art geöffnet gewesen seien. Die Bevorzugung von Mischbetrieben sei nicht zuletzt dem eigentlichen infektionsschutzrechtlichen Ziel der Betriebsuntersagungen zuwidergelaufen, da die geöffneten Geschäfte auf diese Weise zusätzliche Kaufanreize geschaffen sowie ein erhöhtes Kundenaufkommen bzw. eine Sogwirkung und eine Ballung von Kundinnen und Kunden in den geöffneten Verkaufsstellen generiert hätten. Beispielsweise habe der I. in F., der sich nur etwa ... Meter von ihrem Markt entfernt befinde, einen leerstehenden Teil des Ladengeschäfts genutzt, um dort Waschmaschinen, Geschirrspüler, Kühlschränke und weitere Elektrogeräte zu platzieren (Bl. 33 des Schriftsatzes vom 17. Mai 2023). Je länger die Betriebsschließungen angedauert hätten, desto mehr sei das begrenzte Angebot der Mischbetriebe wahrgenommen worden. Der Einkauf elektronischer Geräte in diesen Verkaufsstellen sei nicht "bei Gelegenheit" erfolgt; die Geschäfte mit einem gemischten Sortiment seien vielmehr gezielt zum Kauf dieser Waren aufgesucht worden. Eine derartige Typisierung durch den Antragsgegner sei bereits deshalb unzulässig gewesen, da die geschilderte Ungleichbehandlung leicht zu vermeiden gewesen wäre. Selbst wenn eine Verbesserung des Infektionsschutzes durch die Betriebsschließungen u.a. der Fachmärkte bei gleichzeitiger Öffnung der Mischsortimenter angenommen werden könnte, stünde dieser allenfalls geringe Effekt deutlich außer Verhältnis zu den Folgen der Ungleichbehandlung für Unternehmen wie dasjenige der Antragstellerin.

Auch die Neuregelung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 der Niedersächsischen Corona-Verordnung, die den Friseurgeschäften gestattet habe, ab dem 1. März 2021 wieder zu öffnen, habe zu einer weiteren sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung geführt. Die Antragstellerin habe dabei die für Friseurbetriebe aufgestellten Hygienemaßnahmen aufgrund des größeren körperlichen Abstands sogar deutlich besser umsetzen können, so dass von einer mindestens vergleichbaren Ausgangskonstellation hätte ausgegangen werden müssen. Es sei vor diesem Hintergrund auch nicht nachvollziehbar, warum Verkaufsstellen für Schnittblumen zum damaligen Zeitpunkt wieder öffnen durften.

Die Antragstellerin beantragt nunmehr,

festzustellen, dass § 10 Abs. 1b Satz 1 der Niedersächsischen Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus SARS-CoV-2 vom 30. Oktober 2020 in der ab dem 13. Februar 2021 bis zum Ablauf des 7. März 2021 gültigen Fassung unwirksam war.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er trägt vor, der Antrag sei bereits unzulässig, da die Antragstellerin kein Interesse an der Fortführung des Verfahrens habe darlegen können. Im Übrigen sei die Ermächtigungsgrundlage verfassungskonform, insbesondere seien die heranzuziehenden Normen des Infektionsschutzgesetzes hinreichend bestimmt und genügten dem Wesentlichkeitsgrundsatz. Die Verordnung sei zudem formell rechtmäßig ergangen und die angegriffene Bestimmung auch materiell rechtmäßig gewesen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Erlass der Maßnahmen, auch der streitgegenständlichen Schließung des Einzelhandels, hätten bis zu ihrem Auslaufen vorgelegen. Die Entwicklung der Pandemie ab Oktober 2020 habe die Erfahrungen aus dem Frühjahr 2020 noch einmal übertroffen. Die Zahl der Infektionen und der Todesfälle habe sich bis weit in den Dezember hinein immer weiter deutlich erhöht. Mit den strengen Maßnahmen sei es zwar gelungen, die Dynamik zu brechen. Ein dauerhafter, deutlicher Rückgang der Infektionszahlen habe mit diesen Maßnahmen jedoch zunächst noch nicht erreicht werden können. Sie hätten daher noch weiter aufrechterhalten werden müssen. Zudem habe sich die neue "britische" Variante (B.1.1.7) des Coronavirus zunehmend verbreitet. Die rasante pandemische Entwicklung in Deutschland habe außerdem ein bundesweit abgestimmtes Vorgehen erforderlich gemacht. Jedenfalls seit Anfang Oktober 2020 habe es sich nicht mehr um einzelne lokalisierbare Ausbruchsgeschehen gehandelt, sondern um ein flächendeckendes Geschehen. Die Gesundheitsämter hätten die Kontrolle über die Ausbreitung des Virus verloren. Eine Nachverfolgung der Ansteckungswege sei nicht mehr möglich gewesen. Lediglich lokale Maßnahmen seien daher nicht mehr ausreichend gewesen. Die Maßnahmen, auch die Schließung des Einzelhandels, hätten zudem dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügt. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass in erheblichem Umfang staatliche Hilfen - im maßgeblichen Zeitraum insbesondere Kurzarbeitergeld und Überbrückungshilfe III - zum Ausgleich der Umsatzeinbußen gewährt worden seien. Auch ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz habe nicht vorgelegen.

Im Hinblick auf die privilegierten Betriebe und die Regelung zu den Mischbetrieben macht der Antragsgegner geltend: Einzelne soziale, gesellschaftliche oder wirtschaftliche Bereiche, die für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung seien, hätten gemäß § 28a Abs. 6 Satz 3 IfSG in der damaligen Fassung von den Schutzmaßnahmen ausgenommen werden können, soweit ihre Einbeziehung zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) nicht zwingend erforderlich sei. Für die in § 10 Abs. 1b Satz 1 Hs. 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung genannten privilegierten Betriebe sei er davon ausgegangen, dass diese Bereiche besonders wichtig für die Deckung des Grundbedarfs der Bevölkerung mit Waren, Gütern oder Dienstleistungen gewesen seien sowie der Bedarfsdeckung von Gewerbetreibenden dienten. Er habe auch im Hinblick auf die Regelung zu den Mischbetrieben die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit, bestimmte Bereiche zu privilegieren, berücksichtigt. Denn mit der Beschränkung des zulässigen Verkaufs auf diejenigen Stellen, die überwiegend privilegierte Warensortimente angeboten hätten, habe sich auch der Kundenstrom und damit die Gefahr einer Übertragung des Virus auf diejenigen Verkaufsstellen beschränkt, die zur Deckung des täglichen Bedarfs, etwa mit Lebensmitteln, ohnehin aufgesucht worden seien. Es sei also nicht zu einer Erhöhung des Ansteckungsrisikos gekommen, dem der Verordnungsgeber gesondert hätte Rechnung tragen müssen. Die nicht privilegierten Waren, Güter und Dienstleistungen hätten insofern nur ein Randsortiment dargestellt. Wegen dieses Randsortiments seien die Geschäfte aber nicht explizit aufgesucht worden; es habe sich bei dem Kauf von Waren aus diesem Randsortiment um Gelegenheitskäufe gehandelt, für die auch eine Beratung nicht in Anspruch genommen worden sei. Darüber hinaus sei ein weiterer Schutz vor Ungleichbehandlung in § 10 Abs. 1b Satz 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung normiert, indem die Ausweitung des Sortiments von Mischbetrieben untersagt worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte in diesem sowie in dem Verfahren 13 MN 81/21 verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

I. Soweit sich der Normenkontrollantrag gegen § 10 Abs. 1b Satz 3 i.V.m. Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 30. Oktober 2020 in der ab dem 8. März 2021 bis zum Ablauf des 9. Mai 2021 gültigen Fassung (Antrag zu 2), § 10 Abs. 3 Satz 2 und Satz 6 der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 30. Oktober 2020 in der vom 10. Mai bis zum Ablauf des 24. Mai 2021 gültigen Fassung (Antrag zu 3), sowie § 9a Abs. 1 Satz 2 und Satz 6 sowie Abs. 2 Satz 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 30. Oktober 2020 in der vom 25. Mai 2021 bis zum Ablauf des 30. Mai 2021 gültigen Fassung (Antrag zu 4) gerichtet hat, hat die Antragstellerin diesen unter dem 17. Mai 2023 zurückgenommen, so dass das Verfahren insoweit eingestellt wird (§ 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO). Gleiches gilt hinsichtlich des mit Schriftsätzen vom 17. sowie vom 24. Mai 2023 übereinstimmend für erledigt erklärten fünften Hauptantrages, der sich auf den mit Ablauf des 24. August 2021 außer Kraft getretenen § 9a Abs. 1 Sätze 2 und 6 sowie Abs. 2 Satz 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 30. Mai 2021 (Nds. GVBl. S. 297) bezogen hat (§ 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO analog).

II. Der danach nur noch gegen die bereits außer Kraft getretenen Regelungen in § 10 Abs. 1b Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 30. Oktober 2020 in der Fassung vom 12. Februar 2021 gerichtete Antrag ist zulässig (1.), aber unbegründet (2.).

1. Der Normenkontrollantrag ist zulässig.

a) Der Antrag ist nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO und § 75 NJG statthaft. Die von der Antragstellerin angegriffene Verordnungsregelung ist eine im Range unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 75 NJG (vgl. zu den insoweit bestehenden Anforderungen: NdsOVG, Beschl. v. 31.1.2019 - 13 KN 510/18 -, juris Rn. 16 ff.).

b) Die Antragstellerin ist antragsbefugt im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, da sie als Betreiberin eines Elektronikfachmarktes in F. jedenfalls geltend machen kann, durch die angefochtene Vorschrift in ihrem Recht aus Art. 3 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG verletzt zu sein.

Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann den Antrag eine natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. An die Geltendmachung einer Rechtsverletzung im Sinne dieser Bestimmung sind die gleichen Maßstäbe anzulegen wie bei der Klagebefugnis im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.8.2005 - BVerwG 6 BN 1.05 -, juris Rn. 3 ff., insbes. 7; Urt. v. 26.2.1999 - BVerwG 4 CN 6.98 -, juris Rn. 9). Ausreichend, aber auch erforderlich ist es daher, dass die Antragstellerin hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass sie durch den zur Prüfung gestellten Rechtssatz in ihren subjektiven Rechten verletzt wird. Die Antragsbefugnis fehlt, wenn offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise subjektive Rechte der Antragstellerin verletzt sein können (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.1.2001 - BVerwG 6 CN 4.00 -, juris Rn. 10; grundlegend: Urt. v. 24.9.1998 - BVerwG 4 CN 2.98 -, juris Rn. 8; NdsOVG, Beschl. v. 22.5.2020 - 13 MN 158/20 -, juris Rn. 8; NdsOVG, Urt. v. 20.12.2017 - 13 KN 67/14 -, juris Rn. 65).

Unter Anwendung dieses Maßstabs ist die Antragstellerin antragsbefugt. Die unmittelbar an sie adressierte Regelung des § 10 Abs. 1b Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung untersagte ihr den stationären Handel und damit die Ausübung wesentlicher Teile ihrer beruflichen Tätigkeit. Dies lässt eine Verletzung ihres Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG möglich erscheinen. Dies gilt auch im Hinblick auf die von der Antragstellerin vorgetragene Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG von Verkaufsstellen des Einzelhandels, die ein gemischtes Sortiment vorhalten, § 10 Abs. 1b Satz 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung.

Eine Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als einer nach Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Rechtsposition liegt hingegen nicht vor (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 17.4.2020 - 13 MN 84/20 -, juris Rn. 23; Senatsurt. v. 16.2.2023 - 14 KN 30/22 -, juris Rn. 47). Denn dieser Schutz erfasst nur den konkreten Bestand an Rechten und Gütern; die hier fraglos betroffenen bloßen Umsatz- und Gewinnchancen sowie Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen wirtschaftlichen Handelns werden hingegen auch unter dem Gesichtspunkt des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs nicht von der Eigentumsgarantie erfasst (vgl. BVerfG, Urt. v. 6.12.2016 - 1 BvR 2821/11 -, BVerfGE 143, 246, 331 f. - juris Rn. 240; Beschl. v. 26.6.2002 - 1 BvR 558/91 -, BVerfGE 105, 252, 278 - juris Rn. 79 m.w.N.; Senatsurt. v. 16.2.2023 - 14 KN 30/22 -, juris Rn. 47).

Der Zulässigkeit des Normenkontrollantrags steht nicht entgegen, dass die streitgegenständliche Regelung mittlerweile außer Kraft getreten ist. Zwar ist ein Normenkontrollantrag nur gegen eine erlassene Rechtsvorschrift zulässig (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 24.3.2021 - 13 MN 145/21 -, juris Rn. 108) und dies grundsätzlich nur solange, wie die mit ihm angegriffene Rechtsvorschrift gültig ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.7.2022 - 3 BN 8.21 -, juris Rn. 6; Urt. v. 19.2.2004 - 7 CN 1.03 -, juris Rn. 13; Urt. v. 29.6.2001 - 6 CN 1.01 -, juris Rn. 10; Beschl. v. 2.9.1983 - 4 N 1.83 -, juris Rn. 8; Beschl. v. 14.7.1978 - 7 N 1.78 -, juris Rn. 11). Von diesem Grundsatz werden aber in der Rechtsprechung des Eufach0000000005s Ausnahmen gemacht, bei denen die Aufhebung oder das Außerkrafttreten nach Ablauf der Geltungsdauer einer Rechtsvorschrift die Zulässigkeit eines Normenkontrollantrags nicht beeinflusst (vgl. hierzu den Überblick von Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 47 Rn. 71 ff. m.w.N.). Ein gestellter Normenkontrollantrag kann u.a. trotz Aufhebung oder Außerkrafttretens nach Ablauf der Geltungsdauer der angegriffenen Rechtsvorschrift zulässig bleiben, wenn die Vorschrift während der Anhängigkeit eines zulässigerweise gestellten Normenkontrollantrags aufgehoben wird oder außer Kraft tritt. Die Aufhebung oder das Außerkrafttreten der Norm allein lässt den zulässig gestellten Normenkontrollantrag nicht ohne Weiteres zu einem unzulässigen Antrag werden, wenn die Voraussetzung der Zulässigkeit nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO fortbesteht, mithin der Antragsteller weiterhin geltend machen kann, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in seinen Rechten verletzt (worden) zu sein. Dies folgt unmittelbar aus § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Einer entsprechenden Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO bedarf es nicht. Erforderlich ist in diesen Fallgestaltungen aber, dass ein berechtigtes individuelles Interesse an der begehrten Feststellung, die bereits außer Kraft getretene Rechtsvorschrift sei unwirksam gewesen, besteht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.7.2022 - 3 BN 8.21 -, juris Rn. 6; Urt. v. 19.2.2004 - 7 CN 1.03 -, juris Rn. 13; Beschl. v. 2.9.1983 - 4 N 1.83 -, juris Rn. 9 ff.). Ein berechtigtes individuelles Interesse an der Fortführung des Normenkontrollverfahrens kann sich u.a. ergeben zur Rechtsklärung bei schwerwiegenden Beeinträchtigungen grundrechtlich geschützter Freiheiten eines Antragstellers durch die angegriffene Rechtsvorschrift, insbesondere dann, wenn die Rechtsvorschrift typischerweise auf kurze Geltung angelegt ist mit der Folge, dass sie regelmäßig außer Kraft tritt, bevor ihre Rechtmäßigkeit in einem Normenkontrollverfahren abschließend gerichtlich geklärt werden kann (vgl. BVerfG, Beschl. v. 15.7.2020 - 1 BvR 1630/20 -, juris Rn. 9; Beschl. v. 3.6.2020 - 1 BvR 990/20 -, juris Rn. 8; BVerwG, Urt. v. 29.6.2001 - 6 CN 1.01 -, juris Rn. 10; Beschl. v. 2.9.1983 - 4 N 1.83 -, juris Rn. 9; vgl. hierzu auch Schübel-Pfister, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 113 Rn. 111 und 122 f.). Auch eine Wiederholungsgefahr kann grundsätzlich ein solches Feststellungsinteresse begründen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 2.8.2018 - 3 BN 1.18 -, juris Rn. 4). Schließlich kann sich ein berechtigtes individuelles Interesse an der Fortführung des Normenkontrollverfahrens aus der präjudiziellen Wirkung einer Entscheidung im Normenkontrollverfahren für die Frage der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit eines auf die angegriffene Rechtsvorschrift gestützten behördlichen Verhaltens und daran anknüpfende Entschädigungs- oder Schadensersatzansprüche, deren Durchsetzung der Antragsteller ernsthaft beabsichtigt, ergeben (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.2.2004 - BVerwG 7 CN 1.03 -, juris Rn. 14; Beschl. v. 2.9.1983 - BVerwG 4 N 1.83 -, BVerwGE 68, 12, 15 -, juris Rn. 11 f.; Senatsurt. v. 16.2.2023 - 14 KN 30/22 -, juris Rn. 48 ff.).

Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung - wie schon zuvor der 13. Senat des erkennenden Gerichts (vgl. Beschl. v. 9.6.2021 -13 KN 127/20 -, juris Rn. 60 ff.) - aus eigener Überzeugung an (vgl. bereits Senatsurt. v. 16.2.2023 - 14 KN 30/22 -, juris Rn. 49). Auch das Bundesverfassungsgericht hat auf die in der Rechtsprechung des Eufach0000000005s entwickelten Ausnahmefälle verwiesen, wonach "ein Normenkontrollantrag auch gegen eine bereits aufgehobene Rechtsnorm zulässig sein kann, wenn während des Normenkontrollverfahrens eine auf kurzfristige Geltung angelegte Norm etwa wegen Zeitablaufs außer Kraft getreten ist", und lediglich klargestellt, dass eine solche Überprüfung auch bei den infektionsschutzrechtlichen Verordnungen während der Corona-Pandemie angesichts deren kurzer Geltungsdauer und häufig schwerwiegender Grundrechtsbeeinträchtigungen naheliege (vgl. BVerfG, Beschl. v. 15.7.2020 - 1 BvR 1630/20 -, juris Rn. 9; Beschl. v. 3.6.2020 - 1 BvR 990/20 -, juris Rn. 8; Senatsurt. v. 16.2.2023 - 14 KN 30/22 -, juris Rn. 49).

Daran gemessen ist die Antragstellerin trotz des zwischenzeitlichen Außerkrafttretens der angegriffenen Norm antragsbefugt. Die Niedersächsischen Corona-Verordnungen sind sämtlich auf eine höchstens mehrwöchige Geltungsdauer angelegt, weshalb ihre Rechtmäßigkeit vor ihrem Außerkrafttreten regelmäßig nicht in einem Hauptsacheverfahren abschließend gerichtlich geklärt werden kann. Der angegriffenen Regelung kam auch ein ausreichendes Gewicht der Beeinträchtigung grundrechtlich geschützter Freiheiten zu, um ein Interesse an der nachträglichen Klärung der Wirksamkeit der Norm zu begründen. Die Antragstellerin war aufgrund der streitgegenständlichen Vorschrift gezwungen, den Betrieb ihres Elektronikfachmarktes für mehrere Wochen vollständig einzustellen. Diese Auswirkungen sind in ihrer grundrechtlichen Bedeutung nicht von einem so geringen Gewicht, dass systematische Rechtsschutzlücken durch die regelhaft kurzfristige Überholung der Verordnungsregelungen zumutbar erscheinen.

Auf eine solche Rechtsverletzung kann sich die Antragstellerin - eine GmbH - berufen. Für die Feststellung eines tiefgreifenden Grundrechtseingriffs bedarf es nach der Auffassung des Senats nicht eines besonderen "Persönlichkeitsbezugs". Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der Rechtsprechung des Eufach0000000005s ergibt sich nicht, dass ein nachträgliches Interesse an der Überprüfung erledigter tiefgreifender Grundrechtseingriffe ausschließlich auf Eingriffe in den "Kernbereich der Persönlichkeit" beschränkt wäre. Dogmatischer Anknüpfungspunkt für ein nachträgliches Feststellungsinteresse ist die Rechtsschutzgarantie aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, die nach Art. 19 Abs. 3 GG auch für die Antragstellerin gilt (vgl. BVerfG, Urt. v. 17.12.2013 - 1 BvR 3139/08 u.a. -, juris Rn. 158; Senatsurt. v. 16.2.2023 - 14 KN 30/22 -, juris Rn. 50) und der eine Beschränkung auf den Schutz nur bestimmter subjektiver (Grund)Rechte wesensfremd ist (vgl. BayVGH, Urt. v. 6.10.2022 - 20 N 20.783 -, juris Rn. 22; vgl. auch OVG NRW, Urt. v. 22.9.2022 - 13 D 38/20.NE -, juris Rn. 85; Senatsurt. v. 16.2.2023 - 14 KN 30/22 -, juris Rn. 50; a.A. wohl OVG Saarl., Urt. v. 15.9.2022 - 2 C 140/20 -, juris Rn. 28). Die Prüfung, ob ein tiefgreifender Grundrechtseingriff im Sinne der zuvor zitierten Rechtsprechung bei einer juristischen Person vorliegt, ist mithin von vorneherein nur darauf gerichtet, ob ein solcher Eingriff bezogen auf das Grundrecht gegeben ist, soweit es in Anwendung des Art. 19 Abs. 3 GG für sie Geltung entfaltet. Das ist hier aber angesichts der sehr weitgehenden Verbote des § 10 Abs. 1b der Niedersächsischen Corona-Verordnung der Fall. Ob die Antragstellerin ihr besonderes Interesse an der nachträglichen Feststellung der Unwirksamkeit der Norm darüber hinaus auch mit Erfolg auf die präjudizielle Wirkung für die beabsichtigte Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs oder eine zu erwartende Wiederholungsgefahr stützen kann, kann an dieser Stelle offenbleiben (vgl. bereits Senatsurt. v. 16.2.2023 - 14 KN 30/22 -, juris Rn. 50).

c) Der Antrag ist zutreffend gegen das Land Niedersachsen als normerlassende Körperschaft im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 2 VwGO gerichtet. Das Land Niedersachsen wird durch das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung vertreten (vgl. Nr. II. des Gemeinsamen Runderlasses der Staatskanzlei und sämtlicher Ministerien, Vertretung des Landes Niedersachsen v. 12.7.2012 (Nds MBl. S. 578), zuletzt geändert am 3.6.2021 (Nds. MBl. S. 1020), in Verbindung mit Nr. 4.22 des Beschlusses der Landesregierung, Geschäftsverteilung der Niedersächsischen Landesregierung, v. 17.7.2012 (Nds. MBl. S. 610), zuletzt geändert am 31.5.2022, Nds. MBl. S. 828).

d) Die Antragsfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, wonach der Normenkontrollantrag innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift zu stellen ist, ist gewahrt.

2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.

Die Antragstellerin kann die begehrte Feststellung, dass die Regelungen des § 10 Abs. 1b Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 30. Oktober 2020 in der Fassung vom 12. Februar 2021 unwirksam gewesen sind, nicht beanspruchen.

Die streitgegenständliche Norm beruht in ihrem Geltungszeitraum auf einer tragfähigen Rechtsgrundlage (a)), sie ist formell rechtmäßig (b)), inhaltlich hinreichend bestimmt (c)) und schließlich materiell (d)) rechtmäßig.

a) Die in § 10 Abs. 1b Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 30. Oktober 2020, zuletzt geändert durch Änderungsverordnung vom 12. Februar 2021, geregelte Schließung des Einzelhandels beruhte auf § 32 Sätze 1 und 2 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 und § 28a Abs. 1 Nr. 14 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG -) vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045) in der hier maßgeblichen, zuletzt durch Art. 4a des Gesetzes über eine einmalige Sonderzahlung aus Anlass der COVID-19-Pandemie an Besoldungs- und Wehrsoldempfänger vom 21. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3136) geänderten Fassung (im Folgenden: IfSG a.F.).

Nach § 32 Sätze 1 und 2 IfSG a.F. durften die Landesregierungen unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28 bis 31 IfSG a.F. maßgebend waren, durch Rechtsverordnungen entsprechende Ge- und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten erlassen. Die Landesregierungen konnten die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf andere Stellen übertragen.

§ 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG a.F. bestimmte zu diesen Voraussetzungen: Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt oder ergibt sich, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in § 28a Abs. 1 und in den §§ 29 bis 31 IfSG genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist; sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten.

Gemäß § 28a Abs. 1 Nr. 14 IfSG a.F. konnten notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne des § 28 Absatz 1 Satz 1 und 2 IfSG a.F. zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 für die Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG u.a. die hier streitbefangene Schließung oder Beschränkung von Betrieben, Gewerben, Einzel- oder Großhandel sein.

Gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser gesetzlichen Grundlagen bestehen entgegen der Auffassung der Antragstellerin keine durchgreifenden Bedenken. Die Verordnungsermächtigung verstößt insbesondere weder gegen das Bestimmtheitsgebot aus Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG noch gegen den Parlamentsvorbehalt.

aa) Der bis zum 31. Dezember 2021 für das Infektionsschutzrecht zuständige 13. Senat hat sich u.a. in seinem Urteil vom 25. November 2021 (- 13 KN 389/20 -, juris Rn. 31 ff.) ausführlich mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit der §§ 32 Sätze 1 und 2, 28 Abs. 1 Sätze 1 und 2 IfSG a.F. befasst (vgl. in diesem Sinne auch die Pressemitteilung des Eufach0000000005s zu den Urteilen vom 16. Mai 2023 - 3 CN 5.22 sowie 3 CN 4.22 -; die Gründe sind bislang noch nicht veröffentlicht). Der Senat schließt sich dieser Einschätzung des 13. Senats für die hier einschlägigen Fassungen der Regelungen auf der Grundlage einer eigenen Überprüfung und in eigener Überzeugung an und verweist zur Begründung auf diese (zur Zulässigkeit einer solchen Bezugnahme vgl. BVerwG, Beschl. v. 3.4.1990 - 9 CB 5.90 -, juris Rn. 6, v. 22.11.1994 - 5 PKH 64.94 -, juris Rn. 4, u. v. 3.12.2008 - 4 BN 25.08 -, juris Rn. 9).

bb) Mit der Schaffung des § 28a Abs. 1 IfSG haben sich zudem mögliche Bedenken in Hinblick auf die Bestimmtheit der Ermächtigungsgrundlage des § 28 Abs. 1 IfSG und die Wahrung des Parlamentsvorbehalts nach Ablauf einer Übergangsfrist erledigt (vgl. BremOVG, Urt. v. 19.4.2022 - 1 D 126/21 -, juris Rn. 61; LVerfG LSA, Urt. v. 26.3.2021 - LVG 25/20 -, juris Rn. 65; SaarlOVG, Beschl. v. 10.11.2020 - 2 B 308/20 -, juris Rn. 12; BayVGH, Beschl. v. 29.10.2020 - 20 NE 20.2360 -, juris Rn. 35). In § 28a Abs. 1 IfSG a.F. hat der Gesetzgeber einen Katalog möglicher notwendiger Schutzmaßnahmen in Sinne des § 28 Abs. 1 IfSG a.F. zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 aufgestellt und in § 28a Abs. 3, 5 und 6 IfSG a.F. weitere Vorgaben für den Erlass von Schutzmaßnahmen getroffen. Er hat damit Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmt sowie die wesentlichen Entscheidungen getroffen und nicht der Exekutive überlassen (vgl. BremOVG, Urt. v. 19.4.2022 - 1 D 126/21 -, juris Rn. 61 m.w.N.; VerfGH Sachsen-Anhalt, Urt. v. 26.3.2021 - LVG 4/21 -, juris Rn. 92 ff.; ThürVerfGH, Beschl. v. 14.12.2021 - 117/20 -, juris Rn. 212 ff.).

cc) Der im Rechtsstaatsprinzip und im Demokratiegebot wurzelnde Parlamentsvorbehalt gebietet es zwar, dass in grundlegenden normativen Bereichen, insbesondere im Bereich der Grundrechtsausübung, alle wesentlichen Entscheidungen vom Gesetzgeber getroffen werden (vgl. ThürOVG, Urt. v. 14.12.2022 - 3 N 233/21 -, juris Rn. 66). Dabei betrifft die Normierungspflicht nicht nur den Umstand, dass ein bestimmter Gegenstand gesetzlich geregelt wird, sondern auch, dass alle wesentlichen Fragen vom Gesetzgeber selbst entschieden und nicht anderen Normgebern überlassen werden. Inwieweit der Gesetzgeber die für den jeweils geschützten Lebensbereich wesentlichen Leitlinien selbst bestimmen muss, hängt dabei jedoch vom jeweiligen Sachbereich und der Eigenart des Regelungsgegenstandes ab (vgl. ThürOVG, Urt. v. 14.12.2022 - 3 N 233/21 -, juris Rn. 66 m.w.N.; BVerfG, Beschl. v. 7.3.2017 - 1 BvR 1314/12 -, juris Rn. 182; Urt. v. 24.9.2003 - 2 BvR 1436/02 -, juris Rn. 67 f.). Insbesondere in neuartigen und komplexen Entscheidungssituationen, wie es bei der Corona-Pandemie der Fall ist, kann der Gesetzgeber dem Verordnungsgeber einen weiten Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum übertragen und ihn zu tiefgreifenden Grundrechtseingriffen ermächtigen (vgl. ThürOVG, Urt. v. 14.12.2022 - 3 N 233/21 -, juris Rn. 66 m.w.N.). Ebenso ist es mit Blick auf die gesetzlichen Anforderungen an die Bestimmung von Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber zum damaligen Zeitpunkt von einer detaillierten Regelung abgesehen und die nähere Ausgestaltung des zu regelnden Sachbereichs dem Verordnungsgeber überlassen hat, der die Regelungen rascher und einfacher auf dem neuesten Stand zu halten vermochte als der Gesetzgeber (ThürOVG, Urt. v. 14.12.2022 - 3 N 233/21 -, juris Rn. 66 m.w.N.; BVerfG, Beschl. v. 11.3.2020 - 2 BvL 5/17 -, juris Rn. 103).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die in § 28a IfSG a.F. geregelte Möglichkeit zur Schließung von Betrieben nicht zu beanstanden. Mit der Aufnahme in Nummer 14 des Katalogs möglicher notwendiger Schutzmaßnahmen im Sinne des § 28 Abs. 1 IfSG a.F. zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 und der Bestimmung weiterer Vorgaben für den Erlass von Schutzmaßnahmen in § 28a Abs. 3, 5 und 6 IfSG a.F. hat der Bundestag alle wesentlichen Entscheidungen im Zusammenhang mit der Schließung von Betrieben hinreichend bestimmt getroffen und es im Übrigen in zulässiger Weise dem Verordnungsgeber überlassen, einzelne soziale, gesellschaftliche oder wirtschaftliche Bereiche, die für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung sind, von Schutzmaßnahmen auszunehmen (ThürOVG, Urt. v. 14.12.2022 - 3 N 233/21 -, juris Rn. 67).

dd) Es ist schließlich auch nicht zu beanstanden, dass sich die Maßnahmen i.S.d. § 28a Abs. 1 IfSG a.F. gemäß § 28a Abs. 3 Satz 4 IfSG a.F. insbesondere an der Anzahl der regionalen Neuinfektionen mit dem Coronavirus je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen zu orientieren hatten (sog. 7-Tage-Inzidenz) und bei Überschreitung einer 7-Tage-Inzidenz von 50 umfassende Schutzmaßnahmen zu ergreifen waren, die eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens erwarten ließen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.11.2021 - 1 BvR 781/21 u.a. -, juris Rn. 198 ff.; BremOVG, Urt. v. 19.4.2022 - 1 D 126/21 -, juris Rn. 63 ff.; im Eilverfahren ebenso SächsOVG, Beschl. v. 20.05.2021 - 3 B 141/21 -, juris Rn. 31 ff.; BayVGH, Beschl. v. 21.4.2021 - 20 NE 21.1068 -, juris Rn. 33).

Das Bundesverfassungsgericht führte unter Bezugnahme auf Stellungnahmen sachkundiger Dritter in seiner Entscheidung zur Bundesnotbremse I im Hinblick auf die Geeignetheit der 7-Tage-Inzidenz von 100 in § 28b Abs. 1 IfSG a.F. aus, dass nahezu sämtliche sachkundige Dritte diesen Maßstab als sensibles Frühwarnzeichen bewertet hätten, das zu einem frühen Zeitpunkt Reaktionen ermögliche (BVerfG, Beschl. v. 19.11.2021 - 1 BvR 781/21 u.a. -, juris Rn. 199). Dabei würden sowohl der Wert an sich als auch seine Steigerungsrate wertvolle Schlüsse über das zu erwartende Infektionsgeschehen gestatten (BVerfG, Beschl. v. 19.11.2021 - 1 BvR 781/21 u.a. -, juris Rn. 199; BremOVG, Urt. v. 19.4.2022 - 1 D 126/21 -, juris Rn. 64). Zudem ist zu berücksichtigen, dass nach § 28a Abs. 3 Satz 4 IfSG a.F. Maßstab für die zu ergreifenden Schutzmaßnahmen lediglich "insbesondere" die 7-Tage-Inzidenz war. Der Verordnungsgeber war damit grundsätzlich nicht gehindert, auch weitere Indikatoren heranzuziehen oder auch umfangreiche, aber zu lokalisierende und klar eingrenzbare Infektionsvorkommen bei seiner Entscheidung über Schutzmaßnahmen zu berücksichtigen (BremOVG, Urt. v. 19.4.2022 - 1 D 126/21 -, juris Rn. 64).

Die Festsetzung des Schwellenwertes von 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen mit der Begründung, unterhalb dieses Schwellenwertes sei eine individuelle Kontaktverfolgung "regelmäßig noch leistbar" (BT-Drs. 19/23944, S. 34), deckte sich mit der Einschätzung des zuständigen Robert Koch-Instituts (vgl. das Intensitäts-Stufenkonzept des Robert Koch-Instituts, ControlCOVID Strategie und Handreichung zur Entwicklung von Stufenkonzepten bis Frühjahr 2021, Stand 18.2.2021, dort Bl. 7; BremOVG, Urt. v. 19.4.2022 - 1 D 126/21 -, juris Rn. 65), zu dessen Aufgaben es nach § 4 Abs. 1 IfSG gehört, die Erkenntnisse zu solchen Krankheiten durch Auswertung und Veröffentlichung der Daten zum Infektionsgeschehen in Deutschland und durch die Auswertung verfügbarer Studien aus aller Welt fortlaufend zu aktualisieren und für die Bundesregierung und die Öffentlichkeit aufzubereiten (vgl. ausdrücklich BVerfG, Beschl. v. 19.11.2021 - 1 BvR 781/21 u.a. -, juris Rn. 178; BremOVG, Urt. v. 19.4.2022 - 1 D 126/21 -, juris Rn. 65).

Die Einschätzung des Gesetzgebers, dass die Kontaktnachverfolgung als solche geeignet ist, zum Schutz des Lebens und der Gesundheit sowie der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems durch eine Eindämmung der Verbreitung des Coronavirus beizutragen, ist ebenfalls nicht zu beanstanden; auch sie stand im Einklang mit der Einschätzung des Robert Koch-Instituts (BremOVG, Urt. v. 19.4.2022 - 1 D 126/21 -, juris Rn. 65 u.a. unter Verweis auf Bl. 22 der Ergänzung zum Nationalen Pandemieplan - COVID-19, Die Pandemie in Deutschland in den nächsten Monaten, Strategie-Ergänzung, Stand 23.10.2020). Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung zur Bundesnotbremse I die grundsätzliche Eignung eines Inzidenzwertes, der an Erwägungen zur Kontaktnachverfolgung anknüpft, ebenfalls bestätigt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.11.2021 - 1 BvR 781/21 u.a. -, juris Rn. 200; BremOVG, Urt. v. 19.4.2022 - 1 D 126/21 -, juris Rn. 65).

b) Die streitgegenständliche Verordnungsregelung war formell rechtmäßig.

aa) Anstelle der nach § 32 Satz 1 IfSG a.F. ermächtigten Landesregierung war aufgrund der nach § 32 Satz 2 IfSG a.F. gestatteten und durch § 3 Nr. 1 der Verordnung zur Übertragung von Ermächtigungen aufgrund bundesgesetzlicher Vorschriften (Subdelegationsverordnung) vom 9. Dezember 2011 (Nds. GVBl. S. 487) in der hier maßgeblichen, zuletzt durch Verordnung vom 2. Februar 2021 (Nds. GVBl. S. 32) geänderten Fassung betätigten Subdelegation das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung (damals noch Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung) für den Erlass der Verordnung zuständig.

bb) Gemäß Art. 45 Abs. 1 Satz 2 NV sind die Niedersächsische Verordnung über infektionspräventive Schutzmaßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus SARS-CoV-2 und dessen Varianten (Nds. GVBl. S. 368) und die Änderungsverordnung vom 12. Februar 2021 (Nds. GVBl. S. 55) von der das Ministerium vertretenden Ministerin ausgefertigt und im Niedersächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt verkündet worden.

cc) § 20 Abs. 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung bestimmte, wie von Art. 45 Abs. 3 Satz 1 NV gefordert, den Tag des Inkrafttretens.

c) § 10 Abs. 1b Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung genügt dem im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verankerten verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot. Rechtsverordnungen müssen sich - ebenso wie Gesetze - so bestimmt ausdrücken, dass ihr Inhalt und ihre Tragweite klar erkennbar sind und aus ihnen zu ersehen ist, welche Handlungen geboten oder verboten sind. Der Rechtsunterworfene muss die Möglichkeit haben, ohne größere Schwierigkeiten und demgemäß aus der Veröffentlichung selbst oder aus ihr in Verbindung mit anderen Veröffentlichungen zu erkennen, welche Vorschriften gelten sollen, damit er sein Verhalten entsprechend einrichten kann (vgl. BayVGH, Urt. v. 13.2.2019 - 19 N 15.420 -, juris Rn. 125 m.w.N.). Die Anforderungen an die Bestimmtheit erhöhen sich mit der Intensität, mit der auf der Grundlage der betreffenden Regelung in grundrechtlich geschützte Bereiche eingegriffen werden kann. Dies hat jedoch nicht zur Folge, dass die Norm überhaupt keine Auslegungsprobleme aufwerfen darf. Angesichts der Vielgestaltigkeit und Kompliziertheit der zu erfassenden Vorgänge gelingt es nicht immer, einen Tatbestand mit genau erfassbaren Maßstäben zu umschreiben. Es ist dann Sache der Verwaltungsbehörden und der Verwaltungsgerichte, die verbleibenden Zweifelsfragen mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln zu beantworten. Dem Bestimmtheitserfordernis ist genügt, wenn die Auslegung mit herkömmlichen juristischen Methoden bewältigt werden kann (vgl. BVerfG, Beschl. v. 27.11.1990 - 1 BvR 402/87 -, BVerfGE 83, 130-155, juris Rn. 45; BVerwG, Urt. v. 12.7.2006 - 10 C 9/05 -, BVerwGE 126, 222-233, juris Rn. 29; Senatsurt. v. 16.2.2023 - 14 KN 30/22 -, juris Rn. 65).

Die angegriffene Regelung hat hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass und welche Verkaufsstellen des Einzelhandels für den Publikumsverkehr und Besuche geschlossen bleiben mussten. Insbesondere hat der Verordnungsgeber diejenigen Verkaufsstellen, die die Bevölkerung mit "Lebensmitteln, Gütern oder Dienstleistungen des täglichen Bedarfs" versorgen, durch die sog. Positivliste in § 10 Abs. 1b Satz 1 Halbsatz 2 Nrn. 1 bis 23 der Niedersächsischen Corona-Verordnung abschließend definiert (Nds. GVBl. 2020, 493). Auch genügte die in Satz 2 geregelte zulässige Öffnung von Verkaufsstellen mit einem gemischten Sortiment, dessen Schwerpunkt Waren bilden, die dem regelmäßigen Sortiment einer der in § 10 Abs. 1b Satz 1 Hs. 2 Nrn. 1 bis 9 sowie 16 bis 19 der Niedersächsischen Corona-Verordnung genannten Verkaufsstellen entsprechen, den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen. Die Bedeutung des Begriffs des Schwerpunkts kann mit Hilfe der üblichen Auslegungsmethoden - insbesondere anhand des Wortlautes und des Zweckes der Vorschrift - zuverlässig ermittelt werden. Für die Adressatinnen und Adressaten der Regelung ist bereits aufgrund des Wortlautes ausreichend deutlich, dass, wenn zwei verschiedene Warengruppen ins Verhältnis gesetzt werden - nämlich privilegierte und nicht privilegierte Waren - der Schwerpunkt des Warensortiments regelmäßig nur dann bei den privilegierten Waren liegt, wenn diese mehr als 50 Prozent des Sortiments ausmachen (so bereits OVG NRW, Urt. v. 22.9.2022 - 13 D 38.20.NE -, juris Rn. 150). Hierfür spricht auch der erkennbare Sinn und Zweck dieser als Ausnahmetatbestand konzipierten Regelung, die Grundversorgung der Bevölkerung mit privilegierten Waren zwar zu sichern, gleichzeitig aber infektionsträchtige Kontakte im Einzelhandel möglichst gering zu halten (vgl. OVG NRW, Urt. v. 22.9.2022 - 13 D 38.20.NE -, juris Rn. 151).

d) Die in § 10 Abs. 1b Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung in der Fassung vom 12. Februar 2021 angeordneten Betriebsverbote sind schließlich auch im Übrigen materiell rechtmäßig. Es bestehen im Hinblick auf das "Ob" des staatlichen Handelns (aa)) keine rechtlichen Bedenken; die Infektionsschutzmaßnahmen stellen sich vor dem Hintergrund der damaligen Lage im Hinblick auf das Coronavirus überdies als notwendige Schutzmaßnahme im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28a Abs. 1 Nr. 14 IfSG a.F. dar (bb)).

aa) Nach § 32 Satz 1 IfSG a.F. durften unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28 bis 31 IfSG a.F. maßgebend waren, auch durch Rechtsverordnung entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten erlassen werden. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Rechtsgrundlage des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG a.F. für den Erlass infektionsschutzrechtlicher Maßnahmen waren im Geltungszeitraum der hier zu beurteilenden Verordnungsregelung erfüllt (zu den Zeitpunkten des Erlasses der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 30. Oktober 2020 sowie der Änderungsverordnung vom 15. Dezember 2020 vgl. im Einzelnen bereits Senatsurt. v. 16.2.2023 - 14 KN 30/22 -, juris Rn. 85 ff.).

(1) Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt oder ergibt sich, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so trifft die zuständige Behörde nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG a.F. die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in § 28a, §§ 29 bis 31 IfSG a.F. genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist.

Zum Zeitpunkt des Erlasses der Änderungsverordnung vom 12. Februar 2021 wurden zahlreiche Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider (vgl. die Begriffsbestimmungen in § 2 IfSG a.F.) im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG a.F. festgestellt und COVID-19 stellte sich im hier zu beurteilenden Zeitraum als eine übertragbare Krankheit im Sinne des § 2 Nr. 3 IfSG a.F. dar. Die weltweite Ausbreitung von COVID-19, die offizielle Bezeichnung der durch das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 (anfangs 2019-nCoV) als Krankheitserreger ausgelösten Erkrankung, wurde am 11. März 2020 von der WHO zu einer Pandemie erklärt (vgl. WHO, Coronavirus disease (COVID-19) Pandemic, veröffentlicht unter: www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/interactive-timeline#! [letztmals abgerufen am 1.6.2023]).

Am 12. Februar 2021, dem Tag, an dem die Schließung des Einzelhandels noch einmal für etwa drei Wochen fortgeschrieben wurde, lag die 7-Tage-Inzidenz bundesweit bei 62 und in Niedersachsen noch bei 60 (vgl. Robert Koch-Institut, Situationsbericht vom 12.2.2021). Darüber hinaus stellte sich die damalige Lage im Hinblick auf das Coronavirus im Februar 2021 wie folgt dar (im Folgenden auszugsweise zitiert aus dem Lagebericht des Robert Koch-Instituts zur Coronavirus-Krankheit-2019 vom 12.2.2021):

"Nach wie vor ist eine hohe Anzahl an Übertragungen in der Bevölkerung in Deutschland zu beobachten. Das RKI schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland insgesamt als sehr hoch ein. Gestern wurden 9.860 neue Fälle und 556 neue Todesfälle übermittelt. Die Inzidenz der letzten 7 Tage liegt deutschlandweit bei 62 Fällen pro 100.000 Einwohner (EW). In Brandenburg, Saarland, Sachsen-Anhalt und Thüringen liegt sie deutlich über der Gesamtinzidenz. Aktuell weisen 269/412 Kreise eine hohe 7-Tage-Inzidenz von >50 auf. Die 7-Tage-Inzidenz liegt in 44 Kreisen bei >100 Fällen/100.000 EW, davon in 1 Kreis bei >250-500 Fällen/100.000 EW. Die 7-Tage-Inzidenz bei Personen 60-79 Jahre liegt aktuell bei 48 und bei Personen ? 80 Jahre bei 100 Fällen/100.000 EW. Die hohen bundesweiten Fallzahlen werden durch zumeist diffuse Geschehen mit zahlreichen Häufungen insbesondere in Haushalten, im beruflichen Umfeld und in Alten- und Pflegeheimen verursacht.

Am 12.02.2021 (12:15) befanden sich 3.552 COVID-19-Fälle in intensivmedizinischer Behandlung (-123 zum Vortag). Seit dem Vortag erfolgten +291 Neuaufnahmen von COVID-19-Fällen auf eine Intensivstation. +414 haben ihre Behandlung abgeschlossen, davon sind 31% verstorben.

Seit dem 26.12.20 wurden insgesamt 2.556.697 Personen mindestens einmal (Impfquote 3,1%) und 1.253.306 zwei Mal (Impfquote 1,5%) gegen COVID-19 geimpft. [...]

Nach einem starken Anstieg der Fallzahlen Anfang Dezember, einem Rückgang während der Feiertage und einem erneuten Anstieg in der ersten Januarwoche sinken die Fallzahlen seit Mitte Januar. Der 7-Tage-R-Wert liegt seit der zweiten Januarwoche konstant unter 1. Trotz aktuell sinkender Fallzahlen besteht durch das Auftreten verschiedener Virusvarianten (s.u.) ein erhöhtes Risiko einer erneuten Zunahme der Fallzahlen. Bundesweit gibt es in verschiedenen Kreisen Ausbrüche, die nach den an das RKI übermittelten Daten aktuell vor allem in Zusammenhang mit Alten- und Pflegeheimen, privaten Haushalten und dem beruflichen Umfeld stehen. Zusätzlich findet in zahlreichen Kreisen eine diffuse Ausbreitung von SARS CoV-2-Infektionen in der Bevölkerung statt, ohne dass Infektionsketten eindeutig nachvollziehbar sind. Das genaue Infektionsumfeld lässt sich häufig nicht ermitteln. Ältere Personen sind nach wie vor sehr häufig von COVID-19 betroffen. Da sie auch häufiger schwere Erkrankungsverläufe erleiden, bewegt sich die Anzahl schwerer Fälle und Todesfälle weiterhin auf hohem Niveau. [...]

Weltweit wurden verschiedene Virusvarianten nachgewiesen. Seit Mitte Dezember wird aus dem Vereinigten Königreich über die zunehmende Verbreitung der Virusvariante (B.1.1.7) berichtet, für die es klinisch-diagnostische und epidemiologische Hinweise auf eine erhöhte Übertragbarkeit und schwerere Krankheitsverläufe gibt. Ebenfalls wurde vom vermehrten Auftreten einer SARS-CoV-2 Variante in Südafrika (B.1.351) berichtet, die andere Varianten verdrängt hat, sodass eine erhöhte Übertragbarkeit denkbar ist. Erste Laboruntersuchungen deuten darauf hin, dass die Wirksamkeit der zugelassenen mRNA-Impfstoffe durch die Varianten B.1.1.7 und B.1.351 offenbar nicht wesentlich beeinträchtigt wird. Weiterhin zirkuliert im brasilianischen Staat Amazonas eine SARS-CoV-2 Variante, die von der Linie B.1.1.28 abstammt. Nicht notwendige Reisen sollten weiterhin, insbesondere aufgrund der zunehmenden Verbreitung der neuen Virusmutationen, vermieden werden. Alle drei Varianten wurden bereits in Deutschland nachgewiesen. Mit verstärkter Probensequenzierung und Datenerfassung im Deutschen elektronischen Sequenzdaten-Hub [...] wird das Infektionsgeschehen im Rahmen der Integrierten Molekularen Surveillance (IMS) intensiv beobachtet. [...]

Mit Stand 12.02.2021 (12:15 Uhr) beteiligen sich 1.282 Klinikstandorte an der Datenerhebung. Insgesamt wurden 26.980 Intensivbetten registriert, wovon 22.353 (83%) belegt sind; 4.627 (17%) Betten sind aktuell frei. [...]

Das Robert Koch-Institut schätzt aufgrund der anhaltend hohen Fallzahlen die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland insgesamt als sehr hoch ein. Die anhaltende Viruszirkulation in der Bevölkerung (Community Transmission) mit zahlreichen Ausbrüchen vor allem in Alten- und Pflegeheimen, Krankenhäusern aber auch in privaten Haushalten, dem beruflichen Umfeld und anderen Lebensbereichen erfordert die konsequente Umsetzung kontaktreduzierender Maßnahmen und Schutzmaßnahmen sowie massive Anstrengungen zur Eindämmung von Ausbrüchen und Infektionsketten. Dies ist vor dem Hintergrund des vermehrten Auftretens leichter übertragbarer besorgniserregender Varianten (VOC) von entscheidender Bedeutung, um die Zahl der neu Infizierten deutlich zu senken, damit auch Risikogruppen zuverlässig geschützt werden können [...]."

(2) Auch die speziellen Voraussetzungen des § 28a Abs. 1 IfSG a.F. lagen vor. Gemäß § 28a Abs. 1 Nr. 14 IfSG a.F. konnten notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne des § 28 Abs. 1 Sätze 1 und 2 IfSG a.F. zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) für die Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG a.F. insbesondere die Schließung oder Beschränkung von Betrieben, Gewerben, Einzel- oder Großhandel sein. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung hatte der Deutsche Bundestag eine epidemische Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG a.F. festgestellt, sodass der Anwendungsbereich des Maßnahmenkatalogs des § 28 Abs. 1 IfSG a.F. eröffnet war (Senatsurt. v. 16.2.2023 - 14 KN 30/22 -, juris Rn. 95).

Gemäß § 28a Abs. 3 IfSG a.F. sollten sich Schutzmaßnahmen nach § 28a Abs. 1, § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG a.F. und den §§ 29 bis 31 IfSG a.F. insbesondere an dem Schutz von Leben und Gesundheit und der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems ausrichten. Maßstab für die zu ergreifenden Schutzmaßnahmen war insbesondere die Anzahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 je 100.000 Einwohnern innerhalb von sieben Tagen. Bei einer bundesweiten Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen waren bundesweit abgestimmte umfassende, auf eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens abzielende Schutzmaßnahmen anzustreben. Bei einer landesweiten Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen waren landesweit abgestimmte umfassende, auf eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens abzielende Schutzmaßnahmen anzustreben.

Gegen die angefochtene Regelung bestehen auch unter diesen Gesichtspunkten keine Bedenken. Zum Zeitpunkt des Erlasses der streitbefangenen Fassung der Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 12. Februar 2021 lag die Anzahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 je 100 000 Einwohnern innerhalb von sieben Tagen bundesweit bei 62, im Land Niedersachsen bei 60 Fällen (vgl. bereits zuvor), sodass landesweit abgestimmte umfassende, auf eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens abzielende Schutzmaßnahmen anzustreben waren.

bb) Die angegriffene Norm betreffend Betriebsschließungen vom 12. Februar 2021 bis einschließlich zum 7. März 2021 stellt sich angesichts der damaligen Corona-Lage überdies als notwendige Schutzmaßnahme im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28a Abs. 1 Nr. 14 IfSG a.F. dar.

(1) Der Verordnungsgeber verfolgte mit den in Rede stehenden Betriebsschließungen die legitimen Ziele, im Interesse des Schutzes von Leben und Gesundheit eines und einer jeden die Bevölkerung vor der Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus zu schützen, die Verbreitung der Krankheit COVID-19 zu verhindern und eine Überlastung des Gesundheitssystems infolge eines ungebremsten Anstiegs der Zahl von Ansteckungen, Krankheits- und Todesfällen zu vermeiden (vgl. auch § 28a Abs. 3 Satz 1 IfSG a.F.). Zur Vorbeugung einer akuten nationalen Gesundheitsnotlage sollten die Kontakte in der Bevölkerung drastisch reduziert werden, um das Infektionsgeschehen insgesamt zu verlangsamen und die Zahl der Neuinfektionen wieder in durch den öffentlichen Gesundheitsdienst nachverfolgbare Größenordnungen zu senken (vgl. hierzu BVerfG, Beschl. v. 19.11.2021 - 1 BvR 781/21 u.a. -, juris Rn. 174; NdsOVG, Beschl. v. 4.3.2021 - 13 MN 81/21 -, V.n.b. sowie die Angaben in der Begründung der Niedersächsischen Corona-Verordnung und ihrer Änderungsverordnungen, Nds. GVBl. 2020, 411 ff., 457, 491 f. und 2021, 6 ff., 28 f. und 58). Diese Zielrichtung wahrt die besonderen Anforderungen des § 28a Abs. 3 Satz 1 IfSG a.F. (so bereits NdsOVG, Beschl. v. 4.3.2021 - 13 MN 81/21 -, V.n.b. m.w.N.). Belastbare Erkenntnisse, wonach nur geringe oder keine Gefahren für Leben und Gesundheit durch eine Infektion oder nur geringe oder keine Gefahren auch durch Überlastung des Gesundheitssystems vorlägen, waren nicht vorhanden (so ausdrücklich BVerfG, Beschl. v. 19.11.2021 - 1 BvR 781/21 u.a. -, juris Rn. 182).

(2) Die Schließung der betroffenen Verkaufsstellen war - eingebettet in das in der Verordnung geregelte Gesamtkonzept aus Betriebsschließungen sowie -beschränkungen und Kontaktbeschränkungen - zur Erreichung des Ziels geeignet.

Für die Eignung reicht es bereits aus, dass die Verordnungsregelungen den verfolgten Zweck fördern können. Bereits die Möglichkeit der Zweckerreichung genügt (vgl. zuletzt BVerwG, Urt. v. 22.11.2022 - 3 CN 1/21 -, juris Rn. 59; BVerfG, Beschl. v. 19.11.2021 - 1 BvR 781/21 u.a. -, juris Rn. 185). Eine Regelung ist erst dann nicht mehr geeignet, wenn sie die Erreichung des Gesetzeszwecks in keiner Weise fördern kann oder sich sogar gegenläufig auswirkt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 27.4.2022 - 1 BvR 2649/21 -, juris Rn. 166).

Dem Antragsgegner stand bei der Beurteilung der Eignung der in Betracht kommenden Maßnahmen ein Spielraum zu, der sich auf die Einschätzung und Bewertung der tatsächlichen Verhältnisse, auf die erforderliche Prognose und auf die Wahl der Mittel zur Erreichung der Ziele bezog (Senatsurt. v. 30.3.2023 - 14 LC 32/22 -, juris Rn. 68).

Der Beurteilung von Prognoseentscheidungen durch den Gesetzgeber legt das Bundesverfassungsgericht je nach Zusammenhang differenzierte Maßstäbe zugrunde, die von einer bloßen Evidenz- über eine Vertretbarkeitskontrolle bis hin zu einer intensivierten inhaltlichen Kontrolle reichen. Im Einzelnen maßgebend sind Faktoren wie die Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, die Möglichkeiten, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden, und die Bedeutung der betroffenen Rechtsgüter. Bei schwerwiegenden Grundrechtseingriffen dürfen tatsächliche Unsicherheiten grundsätzlich nicht ohne Weiteres zulasten der Grundrechtsträger gehen. Erfolgt der Eingriff jedoch zum Schutz gewichtiger verfassungsrechtlicher Güter und ist es dem Gesetzgeber angesichts der tatsächlichen Unsicherheiten nur begrenzt möglich, sich ein hinreichend sicheres Bild zu machen, ist die verfassungsgerichtliche Prüfung auf die Vertretbarkeit der Eignungsprognose beschränkt (BVerfG, Beschl. v. 19.11.2021 - 1 BvR 781/21 u.a. -, juris Rn. 185; Senatsurt. v. 30.3.2023 - 14 LC 32/22 -, juris Rn. 69).

Liegen der gesetzlichen Regelung prognostische Entscheidungen zugrunde, kann die Eignung nicht nach der tatsächlichen späteren Entwicklung, sondern lediglich danach beurteilt werden, ob der Gesetzgeber aus seiner Sicht davon ausgehen durfte, dass die Maßnahme zur Erreichung des gesetzten Ziels geeignet, ob seine Prognose also sachgerecht und vertretbar war. Die Eignung setzt folglich nicht voraus, dass es zweifelsfreie empirische Nachweise der Wirksamkeit der Maßnahmen gibt (BVerfG, Beschl. v. 19.11.2021 - 1 BvR 781/21 u.a. -, juris Rn. 186; Senatsurt. v. 30.3.2023 - 14 LC 32/22 -, juris Rn. 70). Allerdings kann eine zunächst verfassungskonforme Regelung später mit Wirkung für die Zukunft verfassungswidrig werden, wenn ursprüngliche Annahmen des Gesetzgebers nicht mehr tragen (BVerfG, Beschl. v. 19.11.2021 - 1 BvR 781/21 u.a. -, juris Rn. 186; Senatsurt. v. 30.3.2023 - 14 LC 32/22 -, juris Rn. 70). Diese Maßstäbe, die das Bundesverfassungsgericht zunächst mit Blick auf den gesetzgeberischen Entscheidungsspielraum aufgestellt hat, werden in der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung auch auf die Exekutive angewandt (BVerwG, Urt. v. 22.11.2022 - 3 CN 1/21 -, juris Rn. 59; OVG NRW, Urt. v. 22.9.2022 - 13 D 38.20.NE -, juris Rn. 185 ff.; OVG Bremen, Urt. v. 19.4.2022 - 1 D 126/21 -, juris Rn. 94 m.w.N.; OVG NRW, Beschl. v. 2.3.2022 - 13 B 195/22.NE -, juris Rn. 42; SächsOVG, Urt. v. 16.12.2021 - 3 C 20/20 - juris Rn. 26 m.w.N.; ThürOVG, Beschl. v. 13.01.2022 - 3 EN 764/21 -, juris Rn. 67; Senatsurt. v. 30.3.2023 - 14 LC 32/22 -, juris Rn. 70). Ein exekutives Handeln auf infektionsschutzrechtlicher Grundlage in einer akuten Krisensituation bedeutet zwangsläufig oftmals ein Handeln im Ungewissen, das auf gewisse Spielräume für unterschiedliche Handlungsoptionen und Gewichtungen im Einzelfall angewiesen ist (Senatsurt. v. 30.3.2023 - 14 LC 32/22 -, juris Rn. 70; Greve, in: Sangs/Eibenstein, IfSG, 1. Aufl. 2022, Einführung B Rn. 48). Denn nur so kann die Exekutive die auch ihr vom Gesetzgeber zugewiesene Aufgabe, Gefahren für hoch- und höchstrangige Rechtsgüter durch den Ausbruch einer übertragbaren Krankheit abzuwenden oder jedenfalls einzudämmen, nachkommen (Senatsurt. v. 30.3.2023 - 14 LC 32/22 -, juris Rn. 70). Wenn eine neuartige übertragbare Krankheit auftritt, ist typisch, dass Entscheidungen jedenfalls zunächst häufig auf einer unsicheren Erkenntnislage getroffen werden müssen und es an empirischen Nachweisen für die Wirksamkeit von Infektionsschutzmaßnahmen fehlen kann. Wenn die Exekutive nicht allein deswegen verpflichtet sein soll, das Infektionsgeschehen mit den damit einhergehenden Gefahren für Leben und Gesundheit der Bevölkerung unreguliert "laufen zu lassen", ist sie darauf angewiesen, Entscheidungen über Infektionsschutzmaßnahmen auf Prognosen zu stützen. Korrespondierend mit der zunehmenden Aufklärung der Gefahrenlage durch gewonnene Erkenntnisse und wissenschaftliche Gewissheiten verengen sich dann auch die Einschätzungsspielräume (vgl. Greve, in: Sangs/Eibenstein, IfSG, 1. Aufl. 2022, Einführung B Rn. 50 m.w.N.; Senatsurt. v. 30.3.2023 - 14 LC 32/22 -, juris Rn. 70). Vor diesem Hintergrund ist es sachgerecht, die gerichtliche Überprüfung der der streitgegenständlichen Verordnung zugrundeliegenden Prognosen nur auf ihre Vertretbarkeit zu überprüfen, weil jedenfalls auch im Februar 2021 die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu dem Virus, seinen Übertragungswegen und seinen Auswirkungen noch weitgehend am Anfang standen.

Von einer hinreichenden Aufklärung der Gefahrenlage konnte zu jenem Zeitpunkt noch keine Rede sein. Nachdem bei erstmaligem Auftreten der Pandemie zunächst die rein reaktive Bekämpfung der akuten Infektionen und deren Folgen im Vordergrund gestanden hatte, lag in der darauffolgenden Zeit ein Schwerpunkt auf der näheren Erforschung des Virus einerseits und der Entwicklung eines Impfstoffs sowie Impfkonzepts andererseits. Zugleich wurden nach und nach strategische Konzepte für die Bekämpfung des Coronavirus in anzunehmenden weiteren Wellen entwickelt. Der Antragsgegner hat zur Eindämmung der Infektionsgefahr unter anderem eine Vielzahl von Impfzentren eingerichtet. Außerdem konnten kostenlose Schnelltests in Praxen und Apotheken, bei Privaten sowie den Gesundheitsämtern in Anspruch genommen werden. Zudem hat er fortlaufend den öffentlichen Gesundheitsdienst - etwa durch die Abordnung von Landesbediensteten und die Erhöhung der finanziellen Mittel - gestärkt. Bereits am 29. September 2020 haben der Bund und die Länder überdies den sog. Pakt für den öffentlichen Gesundheitsdienst geschlossen. Kernpunkt dieser Vereinbarung ist eine Förderung des öffentlichen Gesundheitsdienstes durch den Bund mit einem Betrag von vier Milliarden Euro bis 2026. Mit diesem Betrag sollten bei den Ländern insgesamt bis zu 5.000 neue Stellen geschaffen und die Digitalisierung in den Gesundheitsämtern vorangetrieben werden (vgl. https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/o/oeffentlicher-gesundheitsheitsdienst-pakt.html, letztmalig abgerufen am 1.6.2023; vgl. auch Nds. GVBl. 2021, S. 194).

Das Bundesverfassungsgericht hat angesichts dessen in den Entscheidungen zur Bundesnotbremse I und II - mithin Regelungen betreffend, die sogar noch zeitlich nach der hier streitgegenständlichen in Kraft getreten sind - erklärt, dass die Tragfähigkeit der Einschätzung des Gesetz- und damit auch des Verordnungsgebers nicht deshalb in Frage gestellt werde, weil er es versäumt habe, für eine Verbesserung der Erkenntnislage zu sorgen. Mit der Aufgabenzuweisung an das Robert Koch-Institut nach § 4 Abs. 1 IfSG sei vielmehr im Grundsatz institutionell dafür Sorge getragen worden, dass die zur Beurteilung von Maßnahmen der Bekämpfung übertragbarer Krankheiten benötigten Informationen erhoben und evaluiert würden. Anhaltspunkte für eine insoweit unzureichende Aufgabenerfüllung, die Anlass für eine Begrenzung des Beurteilungs- und Einschätzungsspielraums sein könnten, seien schon angesichts des dynamischen Pandemieverlaufs mit dem Auftreten mehrerer Virusvarianten nicht ersichtlich (vgl. dazu auch BVerfG, Beschl. v. 19.11.2021 - 1 BvR 971/21 u.a. -, Rn. 180 ff. sowie - 1 BvR 781/21 u.a. -, juris Rn. 189 ff.; vgl. ferner zur Bedeutung der Einschätzung des Robert Koch-Instituts BVerfG, Beschl. v. 27.4.2022 - 1 BvR 2649/21 -, juris Rn. 160).

Dass die dargestellte Entwicklung im Februar 2021 noch nicht abgeschlossen war, steht aus Sicht des Senats fest; er sieht dies auch keineswegs als Versäumnis des Antragsgegners an, der auf Landesebene - wie dargelegt - zahlreiche Maßnahmen initiiert hatte, und der zudem in der außergewöhnlichen Situation der Pandemie auf die Zusammenarbeit mit den anderen Bundesländern und der Bundesregierung vertrauen durfte und nicht gehalten war, insoweit völlig unabhängige Ansätze zu verfolgen.

Es ist daher für die Eignung der angegriffenen Maßnahme lediglich zu prüfen, ob die Prognose des Antragsgegners aus einer sachgerechten und vertretbaren Beurteilung des erreichbaren Materials herrührt und ob sich der Antragsgegner Kenntnis von der zur Zeit des Erlasses der Norm bestehenden tatsächlichen Ausgangslage in korrekter und ausreichender Weise verschafft hat (Senatsurt. v. 30.3.2023 - 14 LC 32/22 -, juris Rn. 71). Ferner ist er verpflichtet, auch nach dem Erlass einer Regelung die weitere Entwicklung zu beobachten, erlassene Anordnungen zu überprüfen und gegebenenfalls zu revidieren, falls sich herausstellt, dass die ursprünglichen Annahmen nicht mehr tragen (vgl. BremOVG, Urt. v. 19.4.2022 - 1 D 126/21 -, juris Rn. 93; SächsOVG, Urt. v. 16.12.2021 - 3 C 20/20 - juris Rn. 26 m.w.N.; ThürOVG, Beschl. v. 13.01.2022 - 3 EN 764/21 -, juris Rn. 67; Senatsurt. v. 30.3.2023 - 14 LC 32/22 -, juris Rn. 71).

Hieran gemessen ist die Prognoseentscheidung des Antragsgegners nicht zu beanstanden. Denn angesichts der hohen Infektiosität und der Übertragungswege steht für den Senat außer Zweifel, dass Beschränkungen von Zusammenkünften und Ansammlungen mehrerer Personen - vor allem in geschlossenen Räumen - geeignet sind, die Verbreitung von SARS-CoV-2 zu verhindern; dies gilt auch für die Verkaufsstellen des Einzelhandels (NdsOVG, Beschl. v. 4.3.2021 - 13 MN 81/21 -, V.n.b. m.w.N.).

Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ergibt sich eine fehlende Eignung nicht daraus, dass von den Verkaufsstellen des Einzelhandels nur ein äußerst geringes Infektionsrisiko ausgehe. Denn nachgewiesen war dies nicht. Es fehlte vielmehr zum Zeitpunkt des Erlasses der Änderungsverordnung vom 12. Februar 2021 an belastbaren Erkenntnissen zu einer mangelnden infektiologischen Relevanz des Geschehens in derartigen Verkaufsstellen. Ausweislich des Berichts zum "Infektionsumfeld von COVID-19-Ausbrüchen in Deutschland" konnte das Robert Koch-Institut in einer Quellensuche (Datenstand: 11.8.2020) von insgesamt 202.225 übermittelten Fällen nur 55.141 Fälle bestimmten Ausbruchsgeschehen zuordnen und feststellen, in welchen von 30 unterschiedlichen, verschiedenste Lebensbereiche erfassenden Infektionsumfeldern sich diese ereignet haben (vgl. Robert Koch-Institut, Infektionsumfeld von COVID-19-Ausbrüchen in Deutschland, in: Epidemiologisches Bulletin v. 17.9.2020, S. 3 ff., vgl. Tabelle auf S. 5).

Soweit die Antragstellerin zur Begründung ihrer Auffassung unter anderem auf die ControlCOVID-Handreichung des Robert Koch-Institutes verweist (Bl. 29 ff. des Schriftsatzes vom 17.5.2023), verfängt ihr Einwand nicht. Zwar ist zutreffend, dass das Robert Koch-Institut in der Handreichung ControlCOVID (in der maßgeblichen Fassung zum Zeitpunkt des Erlasses der hier betroffenen Änderungsverordnung) das Infektionsrisiko sowie den Anteil am gesamten Transmissionsgeschehen im Hinblick auf den Einzelhandel als "niedrig" eingestuft hat. Es heißt in dieser Handreichung allerdings auch, dass der sog. "Public-Health-Einfluss" des Einzelhandels nicht klar zuzuordnen sei, sondern sich vielmehr als indirekt bzw. diffus darstelle. Krankheitsausbrüche durch den Besuch von Verkaufsstellen des Einzelhandels bzw. die dort stattfindenden Kontaktsituationen hätten einen indirekten Beitrag zum allgemeinen Transmissionsgeschehen (vgl. ControlCOVID, Strategie und Handreichung zur Entwicklung von Stufenkonzepten bis Frühjahr 2021, Stand 18.2.2021, Bl. 6 Spalte 13 "indirekt"). Infolgedessen empfiehlt das Robert Koch-Institut ausweislich des Stufenplanes eine Erwägung der Schließung des Einzelhandels dann, wenn

- ein hohes sowie diffuses Infektionsgeschehen vorliegt und eine hohe Übertragungsrate im privaten Umfeld gegeben ist (7-Tage-Inzidenz über 50),

- eine Nachverfolgung von Kontaktpersonen durch die Gesundheitsämter nicht mehr möglich ist (weniger als 60 Prozent),

- die wöchentliche Inzidenz hospitalisierter Fälle bei Personen, die älter als 60 Jahre sind, größer als sechs ist, und

- eine hohe Hospitalisierung sowie ein hoher Anteil intensivmedizinisch-behandelter COVID-19-Fälle an der Gesamtzahl der betreibbaren Bettenkapazität gegeben ist (mehr als 12 Prozent, vgl. ControlCOVID, Strategie und Handreichung zur Entwicklung von Stufenkonzepten bis Frühjahr 2021, Stand 18.2.2021, Bl. 7).

Angesichts der Situation zum Zeitpunkt der abermaligen Verlängerung der Schließung des Einzelhandels am 12. Februar 2021 - eine bundesweite 7-Tage-Inzidenz von 62, ein diffuses bundesweites Ausbruchsgeschehen, eine hohe wöchentliche Inzidenz hospitalisierter Fälle bei Personen, die älter als 60 Jahre waren, keine eindeutig nachvollziehbaren Infektionsketten und mehr als 12 Prozent der COVID-19-Fälle (= 3.552 Personen) in intensivmedizinischer Behandlung bei insgesamt 26.980 registrierten Intensivbetten (vgl. den zuvor zitierten Lagebericht des Robert Koch-Instituts vom 12.2.2021) - begegnet es keinen Bedenken, dass der Antragsgegner die Schließung des Einzelhandels als geeignete Maßnahme erachtet hat.

Aus den zum damaligen Zeitpunkt fehlenden Informationen über die Verbreitung des Virus und die Rolle des Einzelhandels dabei kann nach alledem nicht - anders als die Antragstellerin meint - darauf geschlossen werden, dass das Geschehen in Verkaufsstellen des Einzelhandels keine infektiologische Relevanz hat. Denn die Schließung führt dazu, dass das Ansteckungsrisiko in diesen Verkaufsstellen auf Null reduziert wird, während anderenfalls ein - wenn auch möglicherweise eher geringes - Ansteckungsrisiko verbliebe (NdsOVG, Beschl. v. 4.3.2021 - 13 MN 81/21 -, V.n.b. m.w.N.; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 19.11.2021 - 1 BvR 781/21 u.a. -, juris Rn. 213). Im Übrigen dienten die Betriebsschließungen im Rahmen des Gesamtkonzepts des Verordnungsgebers maßgeblich auch einer Reduzierung der Mobilität der Bevölkerung und damit der Reduzierung von Kontakten, die im Zusammenhang mit dem Aufsuchen von Einzelhandelsgeschäften stattfinden. Der Vertreter des Antragsgegners hat in der mündlichen Verhandlung anschaulich dargelegt, dass in diesem Stadium der Pandemie nicht Betriebsbeschränkungen (etwa durch Hygienekonzepte), sondern Kontaktbeschränkungen (durch Betriebsschließungen) angezeigt waren. Bei der Beurteilung der Geeignetheit der angegriffenen Regelung ist deshalb gerade nicht ausschließlich das Infektionsgeschehen in Verkaufsstellen des Einzelhandels von Relevanz.

Ohne Rechtsfehler hat der Antragsgegner angenommen, dass durch die Schließung weiter Teile des Einzelhandels bei gleichzeitiger Offenhaltung von Einzelhandelsgeschäften für Lebensmittel und andere vom Verordnungsgeber als notwendig erachtete Güter des täglichen Bedarfs ein pandemietreibender Verdrängungsmechanismus in infektiologisch ungünstigere Ladengeschäfte nicht stattfinden werde, so dass dahingehend die Eignung nicht zu bezweifeln ist. Der Senat stellt nicht in Abrede, dass bestehende, bisher etwa in dem Elektronikfachmarkt der Antragstellerin gedeckte Versorgungsbedarfe ihrer Kundinnen und Kunden auch zur Verlagerung von Kundenströmen in den nichtstationären Handel und - zumindest teilweise - in den von den Betriebsverboten und -beschränkungen des § 10 Abs. 1b der Niedersächsischen Corona-Verordnung nicht betroffenen stationären Handel geführt haben mögen. Einer solchen Verlagerung von Kundenströmen in den - infektiologisch vergleichbaren - stationären Handel waren aber von vorneherein Grenzen gesetzt durch die in § 10 Abs. 1b Satz 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung enthaltene "Schwerpunktsortiment-Regel" und das in § 10 Abs. 1b Satz 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung enthaltene "Sortimentsveränderungsverbot" (vgl. zur Zielsetzung dieser Regelung die Begründung zur Änderungsverordnung vom 15.12.2020, Nds. GVBl. S. 493). Vor dem Hintergrund dieser normativen Begrenzungen konnte der Antragsgegner annehmen, dass der von den Betriebsverboten und -beschränkungen des § 10 Abs. 1b der Niedersächsischen Corona-Verordnung nicht betroffene stationäre Handel nicht in nennenswertem Umfang etwa an die Stelle der Elektronikfachmärkte tritt (vgl. vertiefend die untenstehenden Ausführungen zu Art. 3 Abs. 1 GG).

(3) Die angegriffene Regelung war auch erforderlich. Gegenüber der Schließung von Betrieben in ihrer Eingriffsintensität mildere, zur Zielerreichung in der damaligen Situation aber gleich geeignete Maßnahmen sind nach Auffassung des Senats nicht ersichtlich.

Grundrechtseingriffe dürfen nicht weitergehen, als es der Schutz des Gemeinwohls erfordert. Daran fehlt es, wenn ein gleich wirksames Mittel zur Erreichung des Gemeinwohlziels zur Verfügung steht, das die Grundrechtsträgerinnen und -träger weniger sowie Dritte und die Allgemeinheit nicht stärker belastet. Die sachliche Gleichwertigkeit der alternativen Maßnahmen zur Zweckerreichung muss dafür allerdings in jeder Hinsicht eindeutig feststehen (stRspr, vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.11.2021 - 1 BvR 781/21 u.a.-, juris Rn. 203 ff.; BVerwG, Urt. v. 22.11.2022 - 3 CN 2/21 -, juris Rn. 15).

Bei der Beurteilung der Erforderlichkeit von Maßnahmen zum Schutz vor COVID-19 hatte der Verordnungsgeber angesichts der fehlenden Erfahrungen mit dem SARS-CoV-2-Virus und den Wirkungen von Schutzmaßnahmen einen tatsächlichen Einschätzungsspielraum, der sich darauf bezog, die Wirkung der von ihm gewählten Maßnahmen im Vergleich zu anderen, weniger belastenden Maßnahmen zu prognostizieren (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.11.2021 - 1 BvR 781/21 u.a. -, juris Rn. 204; BVerwG, Urt. v. 22.11.2022 - 3 CN 2/21 -, juris Rn. 17). Ein solcher Spielraum hat jedoch Grenzen. Die Einschätzung des Verordnungsgebers muss auf ausreichend tragfähigen Grundlagen beruhen. Das Ergebnis der Prognose muss einleuchtend begründet und damit plausibel sein. Das unterliegt der gerichtlichen Überprüfung. Maßgebend ist die Erkenntnislage bei Erlass der Verordnung (ex-ante-Sicht). Im gerichtlichen Verfahren obliegt es dem Verordnungsgeber, Tatsachen und Erwägungen vorzutragen, die das Ergebnis seiner Prognose plausibel machen. Das Gericht hat nicht eigene prognostische Erwägungen anzustellen, sondern die Rechtmäßigkeit der Prognose des Verordnungsgebers zu überprüfen. Wird die Annahme, die gewählte Maßnahme erreiche den Zweck der Schutzverordnung wirksamer als eine in Betracht kommende weniger belastende Alternative, im gerichtlichen Verfahren nicht plausibel gemacht, kann das Gericht nicht zur Feststellung gelangen, dass die verordnete Schutzmaßnahme erforderlich und damit verhältnismäßig ist. Das geht zu Lasten des Verordnungsgebers (BVerwG, Urt. v. 22.11.2022 - 3 CN 2/21 -, juris Rn. 17 m.w.N.).

Aus dem Erfordernis, dass die sachliche Gleichwertigkeit der alternativen Maßnahmen zur Zweckerreichung in jeder Hinsicht eindeutig feststehen muss (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.11.2021 - 1 BvR 781/21 u.a. - juris Rn. 203; BVerwG, Urt. v. 22.11.2022 - 3 CN 2.21 -, juris Rn. 18), ergibt sich nichts Anderes. Dass die Gleichwertigkeit der alternativen Maßnahme "in jeder Hinsicht" eindeutig feststehen muss, bedeutet, dass nicht bereits ein einzelner Vorzug einer anderen Lösung gegenüber der gewählten zu deren Verfassungswidrigkeit führt (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.11.2022 - 3 CN 2.21 -, juris Rn. 18 m.w.N.). Der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber muss die mildere Maßnahme nur wählen, wenn deren Gleichwertigkeit "eindeutig feststeht"; danach darf die Erforderlichkeit des gewählten Mittels nicht schon deshalb verneint werden, weil unsicher ist, ob es besser wirkt als das weniger belastende Mittel. Unsicherheiten der Wirkungsprognose gehen nicht ohne Weiteres zu Lasten des Gesetz- und auch nicht des Verordnungsgebers (BVerwG, Urt. v. 22.11.2022 - 3 CN 2.21 -, juris Rn. 18). Bei schwerwiegenden Grundrechtseingriffen dürfen tatsächliche Unsicherheiten aber auch nicht ohne Weiteres zu Lasten des Grundrechtsträgers gehen. Darauf hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich hingewiesen (BVerfG, Beschl. v. 19.11.2021 - 1 BvR 781/21 u. a. -, juris Rn. 204; BVerwG, Urt. v. 22.11.2022 - 3 CN 2.21 -, juris Rn. 18).

Andere - im Gegensatz zur Schließung der Verkaufsstellen mildere - Mittel stellen Hygienemaßnahmen sowie Betriebsbeschränkungen dar, die auch die Antragstellerin anführt (vgl. etwa Bl. 43 ihrer Antragsschrift vom 25.2.2021): das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung, die vorherige Testung der Kundinnen und Kunden vor dem Betreten der Verkaufsstellen, das Erstellen und Anwenden eines verbesserten betrieblichen Hygienekonzeptes, die Installation von technischen Maßnahmen zum Austausch oder zur Reinigung der Raumluft und die Begrenzung der Kundenzahl anhand der Verkaufsfläche der jeweiligen Geschäfte (vgl. auch den Beschluss des hiesigen Gerichts vom 4.3.2021 im Normenkontrolleilverfahren - 13 MN 81/21 -, V.n.b.).

Nach Auffassung des Senats begegnet die Prognose des Verordnungsgebers, dass sich die Betriebsschließungen auch im Vergleich zu anderen - unter Umständen weniger belastenden Maßnahmen, selbst wenn man diese kumulativ anwendete - als die wirkungsvollsten Maßnahmen darstellen, keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Ohne Rechtsfehler hat der Verordnungsgeber angenommen, dass die Gleichwertigkeit der alternativen Maßnahme - auch in ihrer Gesamtheit - in jeder Hinsicht nicht eindeutig feststand. Das Ergebnis der Prognose ist ohne Zweifel einleuchtend und damit plausibel im Sinne der zuvor zitierten Maßgaben des Bundesverfassungs- sowie Eufach0000000005s. Dies gilt auch, obwohl der Einschätzungsspielraum des Verordnungsgebers nach Auffassung des Senats in der hier vorliegenden Konstellation dadurch verengt wird, dass die Schließung der Verkaufsstellen des Einzelhandels, die durch die angegriffene Änderungsverordnung abermals verlängert worden ist, bereits seit dem 16. Dezember 2020 andauerte (die Reichweite des Spielraumes des Verordnungsgebers noch teilweise offenlassend BVerwG, Urt. v. 22.11.2022 - 3 CN 2.21 -, juris Rn. 18 a.E.). In der damaligen Situation waren die Grenzen dieses verengten Spielraumes jedoch unter anderem wegen der besonderen Wertigkeit der zu schützenden Rechtsgüter Leben und Gesundheit, der Bedeutung der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems sowie der Komplexität der zu regelnden Materie vor dem Hintergrund des damaligen Forschungsstandes sowie der besonderen Dynamik der Sachlage nicht überschritten. Bei der Beurteilung der Entscheidung des Verordnungsgebers ist überdies zu berücksichtigen, dass dieser die hier in Rede stehende weitreichende Entscheidung aus einer ex-ante-Perspektive treffen musste. Die in dem Beschluss des hiesigen Gerichts vom 4. März 2021 im vorläufigen Rechtsschutzverfahren (- 13 MN 81/21 -, V.n.b.) aufgeworfenen Bedenken im Hinblick auf alternative Maßnahmen und Konzepte teilt der erkennende Senat angesichts dessen nicht.

Im Einzelnen:

Nach Auffassung des Senats legt § 28a IfSG a.F. bereits die Erforderlichkeit der hier in Rede stehenden Maßnahmen in der damaligen Lage nahe. Nach Absatz 1 Nr. 14 kann die Schließung oder Beschränkung von Betrieben, Gewerben und Einzel- oder Großhandel eine notwendige Schutzmaßnahme darstellen. Maßstab für die zu ergreifenden Schutzmaßnahmen ist nach § 28a Abs. 3 Satz 4 IfSG a.F. insbesondere die Anzahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 je 100?000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen. Bei einer bundesweiten Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen - wie hier (vgl. bereits zuvor) - sind gemäß § 28a Abs. 3 Satz 9 IfSG a.F. bundesweit abgestimmte umfassende, auf eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens abzielende Schutzmaßnahmen anzustreben. Bei einer landesweiten Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen sind nach Satz 10 der Vorschrift landesweit abgestimmte umfassende, auf eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens abzielende Schutzmaßnahmen anzustreben.

Die von der Antragstellerin begehrte Öffnung sämtlicher Einzelhandelsgeschäfte zum 13. Februar 2021 hätte die Mobilität und die Sozialkontakte in Niedersachsen schlagartig in einem Umfang erhöht, der nach den ab November 2020 gesammelten Erfahrungen voraussichtlich zu einer gravierenden Zunahme der Infektionsquellen geführt hätte. In Niedersachsen gibt es über 50.000 Unternehmen im Bereich des Einzelhandels (https://www.mw.niedersachsen.de/startseite/themen/wirtschaft/handel/handel-122120.html [letztmals abgerufen am 1.6.2023]). Selbst wenn ein beachtlicher Teil dieser Unternehmen von den Betriebsschließungen nicht betroffen gewesen wäre - etwa weil es sich um Betriebe der sog. Positivliste des § 10 Abs. 1b Satz 1 Hs. 2 Nr. 1 bis 23 der Niedersächsischen Corona-Verordnung handelte oder weil sie ohne Kundenverkehr operierten -, hätte eine Öffnung des Einzelhandels für den Kundenverkehr zu einem wesentlichen Anstieg der Kontakte - nicht nur innerhalb der Verkaufsstellen, sondern auch auf dem Hin- und Rückweg etwa im öffentlichen Nahverkehr - niedersachsenweit geführt, was wiederum einen erheblichen Anstieg der Corona-Fallzahlen hätte befürchten lassen. Vor dem Hintergrund der zuvor dargestellten Lage - noch immer eine hohe Anzahl schwerer Krankheitsverläufe bzw. Todesfälle, weniger als ein Fünftel verfügbare Betten zur Intensivversorgung, sehr geringe Impfquote, noch immer nicht eindeutig nachvollziehbare Infektionsketten sowie das Auftreten verschiedener neuer Virusvarianten auch in Deutschland - ist nicht zu beanstanden, dass eine Öffnung der Betriebe des Einzelhandels zu diesem Zeitpunkt auch nicht unter Auflagen noch nicht in Betracht kam. Zu dem maßgeblichen Zeitpunkt war nach der Einschätzung des Senats zwar eine rückläufige Tendenz im Hinblick auf das Infektionsgeschehen zu erkennen, gleichwohl hatte sich die Lage zu dem damaligen Zeitpunkt aber nicht so stabilisiert, dass ein derart weitreichender Schritt hätte initiiert werden können. Dies folgt bereits daraus, dass die Virusvariante B.1.1.7 auch in Deutschland aufgetreten war und es klinisch-diagnostische und epidemiologische Hinweise auf eine erhöhte Übertragbarkeit und schwerere Krankheitsverläufe gegeben hat (vgl. den zuvor zitierten Bericht des Robert Koch-Instituts vom 12.2.2021). Es tritt überdies hinzu, dass sich die Anzahl der verfügbaren Betten zur Intensivversorgung trotz der Betriebsschließungen ab dem 16. Dezember 2020 noch nicht nennenswert erhöht hatte: Ausweislich des Lageberichtes des Robert Koch-Instituts vom 12. Februar 2021 waren zu diesem Zeitpunkt 4.627 Betten (17%) frei, am 16. Dezember 2020 waren es 4.546 (ebenfalls 17%, vgl. Lagebericht des Robert Koch-Instituts zur Coronavirus-Krankheit-2019 vom 16.12.2020). Der Anteil intensivmedizinisch-behandelter COVID-19- Fälle an der Gesamtzahl der betreibbaren Bettenkapazität bewegte sich am 12. Februar 2021 überdies nach wie vor auf hohem Niveau (mehr als 12 Prozent: insgesamt 26.980 Intensivbetten, davon 3552 durch COVID-19- Fälle belegt), so dass eine De-Eskalation, für die die ITS-Belegung ein maßgeblicher Leitindikator ist, noch nicht gegeben war (vgl. dazu auch den von der Antragstellerin zitierten Bericht des Robert Koch-Instituts auf dem Stand 18.2.2021, ControlCOVID, Bl. 3 f.).

Soweit die Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 17. Mai 2023 (Bl. 34 ff.) konkret eine "qualifizierte Maskenpflicht im Einzelhandel, die das Tragen einer FFP2- oder KN95-Maske vorgesehen hätte", als milderes, aber gleich geeignetes Mittel anführt, tritt der Senat dem nicht bei. Zur Begründung verweist die Antragstellerin insbesondere auf die Entscheidung des 13. Senats zu der sog. 2-G-Regelung für Betriebe und Einrichtungen des Einzelhandels; sie verkennt dabei jedoch, dass sich bereits die infektiologische Ausgangslage im Februar 2021 ganz maßgeblich von derjenigen im Dezember 2021 unterscheidet. Dies folgt insbesondere daraus, dass im Dezember 2021 - dies betont der 13. Senat in der Entscheidung ausdrücklich - ganz erheblichen Teilen der Bevölkerung mit einer Impfung eine effektive Möglichkeit des Eigenschutzes tatsächlich zur Verfügung stand (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 16.12.2021 - 13 MN 477/21 -, juris Rn. 30). Im Zeitpunkt des Erlasses der hier streitbefangenen Änderungsverordnung am 12. Februar 2021 waren dagegen insgesamt erst 2.556.697 Personen mindestens einmal (Impfquote 3,1%) und 1.253.306 zwei Mal (Impfquote 1,5%) gegen COVID-19 geimpft (vgl. den zuvor zitierten Lagebericht des Robert Koch-Instituts vom 12.2.2021). Dagegen sind zum Zeitpunkt der von der Antragstellerin zitierten Entscheidung des 13. Senats am 16. Dezember 2021 138.226.586 Impfungen verabreicht worden. Insgesamt hatten damals 73,0 Prozent der Bevölkerung mindestens eine Impfung gegen COVID-19 bekommen, 70,0 Prozent wurden bereits vollständig gegen COVID-19 geimpft und 27,6 Prozent hatten eine Auffrischungsimpfung erhalten (vgl. Lagebericht des Robert Koch-Instituts vom 16.12.2021). Zudem wird an anderer Stelle der Entscheidung des 13. Senats deutlich, dass auch FFP2-Masken - die korrekte Anwendung sowie das durchgängige Tragen vorausgesetzt - das virale Material nicht vollständig, sondern allein zu 80 Prozent filtern. So heißt es in Randnummer 40 des Beschlusses (Hervorhebungen durch den Senat):

"Zum anderen könnten die Kunden verpflichtet werden, in Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels eine Atemschutzmaske mindestens des Schutzniveaus FFP2, KN 95 oder eines gleichwertigen Schutzniveaus zu tragen. Eine das Infektionsrisiko drastisch reduzierende Wirkung der Atemschutzmaske mindestens des Schutzniveaus FFP2, KN 95 oder eines gleichwertigen Schutzniveaus ist bereits in den Stellungnahmen dokumentiert, die das Bundesverfassungsgericht in den Verfassungsbeschwerdeverfahren betreffend die sog. ,Bundesnotbremse' eingeholt hat (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.11.2021 - 1 BvR 781/21 -, juris Rn. 210; Nagel/Müller als Teil des MODUS-COVID Teams, Stellungnahme zu den Verfassungsbeschwerdeverfahren 1 BvR 781/21 u.a. v. 14.7.2021, S. 1 ff. = Blatt 18 ff. der Gerichtsakte: ,...; auf der Seite der ansteckbaren Personen filtern FFP2-Masken selbst bei der Verwendung durch Laien ca. 80% des viralen Materials ...; insgesamt führt dies zu einer Reduktion der Infektionen um einen Faktor 10 (50% der verbleibenden 20% = 10%) bei durchgehender FFP2-Maskenpflicht und vollständiger Befolgung'."

Soweit der 13. Senat in der Folge auf neuere Erkenntnisse - insbesondere eine Studie des Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen vom 15. Dezember 2021 - abstellt, können diese Daten dem Verordnungsgeber zum Zeitpunkt des Erlasses, der für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit seines Handels maßgeblich ist, bereits nicht vorgelegen haben (zur Maßgeblichkeit der ex-ante-Sicht: BVerwG, Urt. v. 22.11.2022 - 3 CN 2/21 -, juris Rn. 17 m.w.N.).

Der Antragsgegner konnte nach alledem ohne Überschreitung seines Einschätzungsspielraumes davon ausgehen, dass diese Zunahme der Gefahrenquellen durch alternative Schutzmaßnahmen nicht kompensiert werden würde. Die Entscheidung des Antragsgegners für Betriebsschließungen und gegen eine Öffnung der Geschäfte für den Kundenverkehr bei gleichzeitiger Verpflichtung des Einzelhandels zur Vorlage erweiterter Hygienekonzepte, zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung durch Beschäftigte sowie Kundinnen und Kunden, zu Maßnahmen zur Kontaktnachverfolgung sowie zum Einsatz technischer Maßnahmen zum Austausch bzw. zur Reinigung der Raumluft war von seinem Einschätzungsspielraum umfasst. Dies gilt, obwohl die Schließung der Betriebe bereits seit dem 16. Dezember 2020 andauerte.

(4) Die streitgegenständlichen Regelungen waren auch angemessen.

Die Angemessenheit erfordert, dass der mit der Maßnahme verfolgte Zweck und die zu erwartende Zweckerreichung nicht außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs stehen (BVerfG, Beschl. v. 19.11.2021 - 1 BvR 781/21 u.a. -, juris Rn. 216; BremOVG, Urt. v. 23.3.2022 - 1 D 349/20 -, juris Rn. 85; BVerwG, Urt. v. 22.11.2022 - 3 CN 2.21 -, juris Rn. 28; Senatsurt. v. 30.3.2023 - 14 LC 32/22 -, juris Rn. 75). Es ist Aufgabe des Normgebers, in einer Abwägung Reichweite und Gewicht des Eingriffs in Grundrechte einerseits der Bedeutung der Regelung für die Erreichung legitimer Ziele andererseits gegenüberzustellen. Um dem Übermaßverbot zu genügen, müssen hierbei die Interessen des Gemeinwohls umso gewichtiger sein, je empfindlicher die Einzelnen in ihrer Freiheit beeinträchtigt werden (BVerfG, Beschl. v. 19.11.2021 - 1 BvR 781/21 u.a. -, juris Rn. 216; Senatsurt. v. 30.3.2023 - 14 LC 32/22 -, juris Rn. 75). Umgekehrt wird gesetzgeberisches Handeln umso dringlicher, je größer die Nachteile und Gefahren sind, die bei gänzlich freier Grundrechtsausübung erwachsen können. Auch bei der Prüfung der Angemessenheit besteht grundsätzlich ein Einschätzungsspielraum des Normgebers. Die verfassungsrechtliche Prüfung bezieht sich dann darauf, ob dieser seinen Einschätzungsspielraum in vertretbarer Weise gehandhabt hat. Bei der Kontrolle prognostischer Entscheidungen setzt dies wiederum voraus, dass die Prognose des Normgebers auf einer hinreichend gesicherten Grundlage beruht (BVerfG, Beschl. v. 19.11.2021 - 1 BvR 781/21 u.a. -, juris Rn. 216; ThürOVG, Beschl. v. 10.1.2022 - 3 EN 801/21 -, juris Rn. 57; OVG NRW, Beschl. v. 21.2.2022 - 13 B 232/22.NE -, juris Rn. 123 m.w.N.).

Hieran gemessen erweisen sich die angegriffenen Betriebsschließungen in dem streitgegenständlichen Zeitraum als angemessen. Zwar griffen die Regelungen mit erheblichem Gewicht in die Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG der Gewerbetreibenden ein und machten diesen die Berufsausübung in den Verkaufsstellen vorübergehend weitgehend unmöglich. Zudem erfolgte dies nach einer Phase, in der sie - wie die Antragstellerin eindrücklich schilderte - erhebliche Arbeitskraft und finanzielle Mittel in die Erstellung und Umsetzung von Hygienekonzepten investiert hatten. Dem gegenüber stand jedoch der Schutz von überragend wichtigen Gemeinwohlbelange. Die angegriffenen Schließungsanordnungen dienten dem Schutz der Gesundheit und des Lebens jedes Einzelnen wie auch dem Erhalt eines funktionsfähigen Gesundheitswesens sowie insgesamt der Bevölkerungsgesundheit und damit Individual- und Gemeinschaftsgütern von höchstem verfassungsrechtlichem Rang. Der Antragsgegner sah sich mit einer Pandemie konfrontiert, die sich immer wieder in Deutschland und auch in Niedersachsen sehr dynamisch ausbreitete. Er wusste, dass bei einem bestimmten Anteil der Infizierten die Erkrankung schwer verlief, bei manchen auch unter der gebotenen Behandlung tödlich. Er musste also davon ausgehen, dass ein sich stark ausbreitendes Infektionsgeschehen zwangsläufig zu vielen Todesfällen führen würde. Je höher die Infektionszahlen anstiegen, umso mehr Menschen würden an SARS-CoV-2 versterben. Eine zunehmende Viruszirkulation hätte insbesondere deutlich mehr Angehörige vulnerabler Personengruppen der Gefahr einer schweren Erkrankung oder sogar des Todes ausgesetzt, vor der sie sich selbst nicht effektiv hätten schützen können. Dies gilt z.B. für pflegebedürftige Personen, die regelmäßig auf eine Vielzahl von Kontakten zu anderen Personen angewiesen sind. Auch ist die zu diesem Zeitpunkt sehr geringe Impfquote zu berücksichtigen, eine zuverlässige Therapie existierte nicht. Zudem hatte der Antragsgegner die auf der Grundlage der verfügbaren wissenschaftlichen Ausführungen vertretbare Prognose angestellt, dass dem Gesundheitssystem eine Überlastung drohte. Dies hätte zum einen die Gefahr begründet, dass schwer an Corona erkrankte Personen versterben, die bei einer Behandlung auf der Intensivstation hätten gerettet werden können, sowie, dass auch Personen mit anderen akut behandlungsbedürftigen Verletzungen oder Erkrankungen gefährdet waren, weil auch sie keinen Zugang mehr zu einer adäquaten Versorgung gehabt hätten. Mit der Vermeidung einer solchen Situation verfolgte der Antragsgegner den Schutz überragend wichtiger Gemeinschaftsgüter. Er durfte insoweit auch aufgrund der von ihm vertretbar angestellten Prognose davon ausgehen, dass diese Rechtsgüter nicht nur entfernt oder abstrakt, sondern konkret gefährdet waren. Die schwerwiegenden Eingriffe in die Berufsfreiheit waren deswegen vorübergehend hinzunehmen (vgl. Senatsurt. v. 30.3.2023 - 14 LC 32/22 -, juris Rn. 75).

Der Senat verkennt nicht, dass die Antragstellerin bereits im Jahr 2020 im Zuge der "ersten Welle" und sodann ein weiteres Mal seit dem 16. Dezember 2020 von Betriebsschließungen und damit von einem erheblichen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG betroffen war (vgl. zur Verstärkung eines Grundrechtseingriffs durch zeitlich vorausgehende vergleichbare Maßnahmen BVerwG, Urt. v. 22.11.2022 - 3 CN 1.21 -, juris Rn. 79; BVerfG, Beschl. v. 19.11.2021 - 1 BvR 781/21 u.a. -, juris Rn. 223).

Die Antragstellerin nimmt jedoch nicht ausreichend in den Blick, dass ihr - was zur Angemessenheit der angefochtenen Vorschrift beiträgt - der Betrieb ihres Elektrofachmarktes keineswegs vollständig untersagt war. Einzelhändler konnten ihre Waren vielmehr gemäß § 10 Abs. 1b Satz 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung über Abholangebote und Lieferdienste einschließlich solcher des - auch von ihr in erheblichem Umfang betriebenen - Online-Handels anbieten. Auf diese Weise konnte die Unternehmensgruppe, der die Antragstellerin angehört, - legt man die Angaben in den Quartalsmitteilungen vom J. sowie vom K. zugrunde (abrufbar unter: L. sowie L. [letztmals abgerufen am 1.6.2023]) - Umsatzeinbußen in beachtlichem Umfang entgegenwirken.

Aber selbst wenn Gewerbetreibende die Möglichkeit des Onlinehandels nicht genutzt hätten, weil sie diese etwa aufgrund der konkreten räumlichen Gestaltung ihrer Ladengeschäfte für nicht hinreichend praktikabel oder auskömmlich hält, änderte dies nichts daran, dass die Ausnahmeregelungen zur Verhältnismäßigkeit der auf den Präsenzbetrieb der Geschäfte gerichteten Schließungsanordnung beitragen. Der Verordnungsgeber ist nicht dazu verpflichtet, unternehmerische Entscheidungen, bestehende Ausnahmemöglichkeiten aus individuellen Gründen nicht in Anspruch zu nehmen, zum Anlass dazu zu nehmen, trotz der nach wie vor bestehenden großen Gefahren für das Leben und die körperliche Unversehrtheit einer Vielzahl von Personen und, damit zusammenhängend, das Gesundheitssystem in Deutschland, schlagartig sämtliche Einzelhandelsbetriebe zu öffnen, um auf diese Weise sämtlichen individuellen betrieblichen Gestaltungswünschen wieder uneingeschränkt Rechnung zu tragen (VGH BW, Beschl. v. 18.2.2021 - 1 S 398/21 -, juris Rn. 96).

In wirtschaftlicher Hinsicht wurde der bereits seit mehreren Monaten andauernde Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit außerdem für viele Gewerbetreibende dadurch gemildert, dass von Seiten der Bundesregierung in verschiedener Form Hilfsleistungen für von den Schutzmaßnahmen betroffene Unternehmen gewährt wurden (zur Relevanz dieses Gesichtspunktes: BVerfG, Beschl. v. 23.3.2022 - 1 BvR 1295/21 -, juris Rn. 28; Senatsurt. v. 30.3.2023 - 14 LC 32/22 -, juris Rn. 76). So wurden die seit November 2020 geltenden Betriebsbeeinträchtigungen durch die nichtrückzahlbaren Überbrückungshilfe II, Novemberhilfe, Dezemberhilfe und Überbrückungshilfe III gemildert. Im Rahmen dieser Hilfen wurden auch für den hier maßgeblichen Zeitraum Zuschüsse zu den monatlichen betrieblichen Fixkosten geleistet, wobei hierzu insbesondere Pachten, Grundsteuern, Versicherungen, Abonnements und andere feste Ausgaben sowie Mietkosten für Fahrzeuge und Maschinen, Zinsaufwendungen, Abschreibungen auf Wirtschaftsgüter bis zu einer Höhe von 50 Prozent, der Finanzierungskostenanteil von Leasingraten, Ausgaben für Elektrizität, Wasser, Heizung etc. zählten. Personalaufwendungen, die nicht von Kurzarbeitergeld erfasst waren, wurden pauschal mit 20 Prozent der Fixkosten bezuschusst. Schließlich konnten bauliche Maßnahmen zur Umsetzung von Hygienekonzepten gefördert werden sowie Marketing- und Werbekosten (vgl. https://www.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de/Content/Artikel/Ueberbrueckungshilfe-III/uebh-iii-ueberblick.html, letztmals abgerufen am 1.6.2023). Weitere Hilfen wurden etwa durch KfW-Kreditprogramme, durch den Wirtschaftsstabilisierungsfond, durch mittelständische Beteiligungsgesellschaften, Erleichterungen im steuerlichen Bereich, die Ausweitung des Kurzarbeitergeldes und durch die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht gewährt (vgl. BMF- Monatsbericht, Hilfen für Unternehmen und Beschäftigte in der Corona-Pandemie, Februar 2021, abrufbar unter: https://www.bundesfinanzministerium.de/Monatsberichte/2021/02/Inhalte/Kapitel-2b-Schlaglicht/2b-corona-hilfen-fuer-unternehmen- und-beschaeftigte-pdf.pdf?__blob=publicationFile&v=3; Die Bundesregierung, Corona-Wirtschaftshilfen der Bundesregierung, abrufbar unter: https://www.bundesregierung.de/resource/blob/974430/1995230/3838ef36ea352e9af06 a13b4454416ed/2022-01-07-mpk-corona-wirtschafthilfen-data.pdf?download=1; BMF-Monatsbericht, Corona-Unternehmenshilfen - eine vorläufige Bilanz, November 2021, abrufbar unter: https://www.bundesfinanzministerium.de/Monatsberichte/2021/11/Inhalte/Kapitel-3-Analysen/3-1-bilanz-corona-unternehmenshilfen-pdf.pdf?__blob=publicationFile&v=7 [letztmals abgerufen am 1.6.2023]).Im Hinblick auf die Antragstellerin bewirkten jedenfalls die Regelungen zum Kurzarbeitergeld, dass ein beachtlicher Teil der monatlichen Fixkosten staatlich aufgefangen worden ist (vgl. zur Bedeutung des Kurzarbeitergeldes etwa den Bericht der Antragstellerin für das Geschäftsjahr 2020/21, Bl. 47 vgl. M. [letztmals abgerufen am 1.6.2023]; VGH BW, Beschl. v. 18.2.2021 - 1 S 398/21 -, juris Rn. 96).

(5) Schließlich liegt ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG nicht vor.

(a) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfG, Beschl. v. 7.2.2012 - 1 BvL 14/07 -, juris Rn. 40; Beschl. v. 15.7.1998 - 1 BvR 1554/89 u. a. -, juris Rn. 63; BremOVG, Urt. v. 23.3.2022 - 1 D 349/20 -, juris Rn. 90; NdsOVG, Beschl. v. 4.3.2021 - 13 MN 81/21 -, V.n.b. sowie Senatsurt. v. 30.3.2023 - 14 LC 32/22 -, juris Rn. 78). Es sind nicht jegliche Differenzierungen verwehrt, allerdings bedürfen sie der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen reichen die Grenzen für die Normsetzung vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse. Insoweit gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.7.2012 - 1 BvL 16/11 -, juris Rn. 30; Beschl. v. 21.6.2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 65; Beschl. v. 21.7.2010 - 1 BvR 611/07 u. a. -, juris Rn. 79; BremOVG, Urt. v. 23.3.2022 - 1 D 349/20 -, juris Rn. 90; NdsOVG, Beschl. v. 4.3.2021 - 13 MN 81/21 -, V.n.b. sowie Senatsurt. v. 30.3.2023 - 14 LC 32/22 -, juris Rn. 78).

Bei der Regelung eines dynamischen Infektionsgeschehens und der Notwendigkeit, schnelle, effektive Entscheidungen in einer sich ständig verändernden Lage zur Gefahrenabwehr zu treffen, sind die sich aus dem Gleichheitssatz ergebenden Grenzen für die Infektionsschutzbehörde grundsätzlich weniger streng (zum Maßstab NdsOVG, Beschl. v. 14.05.2020 - 13 MN 156/20 -, juris Rn. 35 sowie Senatsurt. v. 30.3.2023 - 14 LC 32/22 -, juris Rn. 79; OVG B-Stadt-Brandenburg, Beschl. v. 17.4.2020 - OVG 11 S 22/20 -, juris Rn. 25). Auch kann die strikte Beachtung des Gebots innerer Folgerichtigkeit nicht eingefordert werden (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 14.05.2020 - 13 MN 156/20 -, juris Rn. 37, Beschl. v. 4.3.2021 - 13 MN 81/21 -, V.n.b., m.w.N. sowie Senatsurt. v. 30.3.2023 - 14 LC 32/22 -, juris Rn. 79; BremOVG, Beschl. v. 4.1.2022 - 1 B 479/21, juris Rn. 54 sowie Urt. v. 23.3.2022 - 1 D 349/20 -, juris Rn. 91; OVG MV, Beschl. v. 24.3.2021 - 2 KM 120/21 -, juris Rn. 59; HambOVG, Beschl. v. 26.3.2020 - 5 Bs 48/20-, juris Rn. 13; OVG LSA, Beschl. v. 22.3.2021 - 3 R 22/21 -, juris Rn. 78). Dem Einschätzungsspielraum hinsichtlich der zu ergreifenden Maßnahmen wohnen notwendigerweise Pauschalierungen, Typisierungen und Generalisierungen inne. In diesem Zusammenhang sind auch Unebenheiten, Friktionen und Mängel sowie gewisse Benachteiligungen in besonders gelagerten Einzelfällen, die sich im Zusammenhang mit Differenzierungen zwangsläufig ergeben, hinzunehmen, solange sich für das insgesamt gefundene Regelungsergebnis ein plausibler, sachlich vertretbarer Grund anführen lässt (vgl. NdsOVG, Senatsurt. v. 30.3.2023 - 14 LC 32/22 -, juris Rn. 79; Greve, in: Sangs/Eibenstein, IfSG, 1. Aufl. 2022, Einführung B Rn. 52). Zudem ist die sachliche Rechtfertigung nicht allein anhand des infektionsschutzrechtlichen Gefahrengrades der betroffenen Tätigkeit zu beurteilen, vielmehr sind auch alle sonstigen relevanten Belange zu berücksichtigen, etwa auch öffentliche Interessen an der uneingeschränkten Aufrechterhaltung bestimmter unternehmerischer Tätigkeiten (so BremOVG, Beschl. v. 4.1.2022 - 1 B 479/21 -, juris Rn. 54; BremOVG, Urt. v. 23.3.2022 - 1 D 349/20 -, juris Rn. 91; NdsOVG, Beschl. v. 4.3.2021 - 13 MN 81/21 -, V.n.b., m.w.N.).

Der aus Art. 3 Abs. 1 GG folgende Gestaltungsspielraum ist für die Exekutive enger als für die Legislative. Für diese besteht ein solcher von vornherein nur in dem von der gesetzlichen Ermächtigungsnorm abgesteckten Rahmen. Die Exekutive darf keine Differenzierungen vornehmen, die über die Grenzen einer formell und materiell verfassungsmäßigen Ermächtigung hinaus eine Korrektur der Entscheidungen des Gesetzgebers bedeuten würden. In diesem Rahmen muss er nach dem Gleichheitssatz im wohlverstandenen Sinn der ihm erteilten Ermächtigung handeln und hat sich von sachfremden Erwägungen freizuhalten (BVerfG, Beschl. v. 26.2.1985 - 2 BvL 17/83 -, juris Rn. 39 m.w.N.; NdsOVG, Senatsurt. v. 30.3.2023 - 14 LC 32/22 -, juris Rn. 80; OVG NRW, Urt. v. 22.9.2022 - 13 D 38/20.NE -, juris Rn. 332). Er muss daher den Zweckerwägungen folgen, die im ermächtigenden Gesetz angelegt sind. Gesetzlich vorgegebene Ziele darf er weder ignorieren noch korrigieren (VGH BW, Urt. v. 2.6.2022 - 1 S 1079/20 -, juris Rn. 270 m.w.N.; NdsOVG, Senatsurt. v. 30.3.2023 - 14 LC 32/22 -, juris Rn. 80).

Für die gleichheitsbezogene Abwägungsrelation im Hinblick auf den Schutz von Leben und Gesundheit sowie die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems einerseits und den einzelnen sozialen, gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Belangen andererseits hat der Gesetzgeber durch die Schaffung des § 28a Abs. 6 IfSG a.F. verdeutlicht, dass die Exekutive auch abstrakte Prioritätsentscheidungen treffen darf: Einzelne soziale, gesellschaftliche oder wirtschaftliche Bereiche, die für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung sind, können von den Schutzmaßnahmen ausgenommen werden, soweit ihre Einbeziehung zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 nicht zwingend erforderlich ist, § 28a Abs. 6 Satz 3 IfSG a.F. Die kohärente Ausgestaltung von konkreten Prioritätsentscheidungen wird weiterhin durch den allgemeinen Gleichheitssatz angeleitet (vgl. Kersten/Rixen, Der Verfassungsstaat in der Corona-Krise, 3. Auflage 2022, S. 173 f.). Die sachliche Rechtfertigung und Differenzierung einzelner Schutzmaßnahmen ist daher nicht allein anhand des infektionsschutzrechtlichen Gefahrengrades der betroffenen Tätigkeit zu beurteilen. Vielmehr sind auch alle sonstigen relevanten Belange zu berücksichtigen, etwa die Auswirkungen der Ge- und Verbote für die betroffenen Unternehmen und Dritte und auch öffentliche Interessen an der uneingeschränkten Aufrechterhaltung bestimmter unternehmerischer Tätigkeiten (BT-Drs 19/24334, S. 74; Shirvani, DVBl. 2022, 329 [333] m.w.N.).

Wie das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in der Entscheidung vom 22. September 2022 (- 13 D 38/20.NE -, juris Rn. 350 ff.) zutreffend konstatiert hat, kommt bei der Entscheidung über Lockerungen nach einem sog. Lockdown hinzu, dass es der dem Verordnungsgeber überantwortete Schutz von Leben und Gesundheit und der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems gebietet, den durch den Lockdown erzielten Erfolg bei der Eindämmung der Pandemie nicht dadurch zunichte zu machen, dass sämtliche Infektionsschutzmaßnahmen zum gleichen Zeitpunkt aufgehoben werden und das Infektionsgeschehen mit den damit verbundenen Gefahren für Leben und Gesundheit der Bevölkerung wieder uneingeschränkt Fahrt aufnehmen kann. Es dürfen daher Lockerungen auch schrittweise unter genauer Beobachtung ihrer Auswirkungen auf das Infektionsgeschehen erfolgen. Einer solchen schrittweisen Lockerung ist indes immanent, dass einige Bereiche früher von Lockerungen profitieren als andere, es also zwangsläufig zu Ungleichbehandlungen kommt. Diese Ungleichbehandlungen erfolgen allerdings - jedenfalls wenn die Lockerungen in einen entsprechenden "Lockerungsfahrplan" eingebettet sind - nur für einen zeitlich begrenzten Zeitraum. Vor diesem Hintergrund dürfte es sich im Ergebnis verbieten, die vom Verordnungsgeber vorgenommenen Differenzierungen an einem engen Verhältnismäßigkeitsmaßstab zu messen (vgl. OVG NRW, Urt. v. 22.9.2022 - 13 D 38/20.NE -, juris Rn. 350 f. m.w.N.). Hier bestünde die Gefahr, dass der Verordnungsgeber auf das Infektionsgeschehen nicht in adäquater Weise reagieren kann, weil bestimmte Lockerungen aus Gleichheitsgesichtspunkten zwangsläufig weitere umfassende Lockerungen nach sich zögen, die in ihrer Gesamtheit eine Kontrolle des Infektionsgeschehens unmöglich machten oder jedenfalls wesentlich erschwerten. Umgekehrt heißt dies jedoch nicht, dass der Verordnungsgeber bei der Entscheidung der Reihenfolge der Lockerungen völlig frei ist. Auch bei der Pandemiebekämpfung endet der Spielraum des Normgebers jedenfalls dort, wo die ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist, wo also ein einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung fehlt (vgl. OVG NRW, Urt. v. 22.9.2022 - 13 D 38/20.NE -, juris Rn. 352).

Bei der Überprüfung der Regelung anhand des Gleichheitsgrundsatzes verkennt der Senat nach alledem jedoch nicht, dass die Regelung einen - wenn auch gerechtfertigten - erheblichen Eingriff in ein Freiheitsrecht darstellt und die Antragstellerin ihren Betrieb seit dem 16. Dezember 2020 erneut - nach einer ersten Schließung zu Beginn der Corona-Pandemie - über mehrere Monate schließen musste (vgl. dazu bereits zuvor; BVerfG, Beschl. v. 23.3.2022 - 1 BvR 1295/21 - juris Rn. 24 ff.; vgl. zu aneinander anknüpfenden Eingriffen BVerfG, Beschl. v. 19.11.2021 - 1 BvR 781/21 u.a. -, juris Rn. 223 sowie BVerwG, Urt. v. 22.11.2022 - 3 CN 1.21 -, juris Rn. 79; zum Frage des Prüfungsmaßstabes vgl. auch BayVGH, Urt. v. 6.10.2022 - 20 N 20.794 -, juris Rn. 78). Diese drei Faktoren - gewichtiger, wiederholter und länger andauernder Eingriff in die Rechte der Antragstellerin - erhöhen die Anforderung an die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung, auch wenn diese nicht an solchen Anforderungen zu messen ist, die dann anzuwenden sind, wenn sich das Kriterium zur Differenzierung den Merkmalen des Art. 3 Abs. 3 GG annähert (vgl. zu einer solchen Prüfung BVerfGE 88, 87 [96]; 124, 199 [220]; BVerfG, Beschl. v. 21.6.2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 78).

(b) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe war die Ungleichbehandlung von denjenigen Betrieben, die von der Betriebsschließung in § 10 Abs. 1b Satz 1 Hs. 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung betroffen waren, einerseits und den weiterhin geöffneten Betrieben und Einrichtungen nach der sog. Positivliste in Halbsatz 2 andererseits angesichts bestehender Unterschiede hinsichtlich der jeweiligen epidemiologischen Rahmenbedingungen, der zu berücksichtigenden Bedürfnisse größerer Teile der Bevölkerung sowie der wirtschaftlichen, sozialen und gesellschaftlichen Auswirkungen von Verboten in unterschiedlichen Bereichen sachlich gerechtfertigt (aa) Ohne Rechtsfehler ist der Antragsgegner überdies davon ausgegangen, dass die Differenzierung anhand des Schwerpunkts des Sortiments in § 10 Abs. 1b Satz 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung angesichts des infektionsschutzrechtlichen Gefahrengrades sowie aller weiteren öffentlichen Belange sachlich - noch - gerechtfertigt war (bb).

(aa) Die in § 10 Abs. 1b der Niedersächsischen Corona-Verordnung angeordneten Betriebsverbote beruhen auf der überzeugenden Erwägung, dass ein ganz erheblicher Teil der für das Infektionsgeschehen relevanten sozialen Kontakte von vorneherein verhindert werden muss, und dass dies neben den ganz erheblichen Beschränkungen von Kontakten im privaten Bereich am gemeinwohlverträglichsten durch Verbote und Beschränkungen in den Bereichen Freizeit, Sport, Unterhaltung und körpernaher Dienstleistungen sowie ausgewählter Einzelhandelsbranchen erreicht werden kann (so bereits NdsOVG, Beschl. v. 4.3.2021 - 13 MN 81/21 -, V.n.b.).

Der Verordnungsgeber hat mit der getroffenen Auswahl von zu schließenden Betrieben angesichts der zum damaligen Zeitpunkt bestehenden Unterschiede hinsichtlich der jeweiligen epidemiologischen Rahmenbedingungen, der zu berücksichtigenden Bedürfnisse größerer Teile der Bevölkerung sowie der wirtschaftlichen, sozialen und gesellschaftlichen Auswirkungen von Verboten in unterschiedlichen Bereichen eine auf hinreichenden Sachgründen beruhende und verhältnismäßige Differenzierung tatsächlich erreicht.

Die Differenzierungen, die der Verordnungsgeber vorgenommen hat, sind durch Sachgründe gerechtfertigt, die Ziel und Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind: So hat der Verordnungsgeber entschieden, allein diejenigen Verkaufsstellen offen zu halten, die die Bevölkerung mit "Lebensmitteln, Gütern oder Dienstleistungen des täglichen Bedarfs" versorgen. Den unbestimmten Rechtsbegriff hat er wiederum durch die sog. Positivliste in Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 1 bis 23 abschließend definiert (Nds. GVBl. 2020, 493) und ausgehend von den Bereichen Ernährung von Menschen und Tieren, Energieversorgung sowie Versorgung mit sauberer Kleidung, medizinische bzw. altersgerechte Versorgung, Mobilität, Bankgeschäfte und Informationsfluss bzw. Kommunikation hat er in Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 1 bis 23 diejenigen Stellen benannt, die ins Gewicht fallende Versorgungsaufträge für die Bevölkerung erbringen. Eine ganz ähnliche Privilegierung hat der Gesetzgeber im Übrigen in § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 IfSG (a.F., Bundesnotbremse) vorgenommen.

Im Einzelnen:

Um die tägliche Versorgung in den Bereichen Ernährung von Menschen und Tieren bzw. Energie sowie saubere Kleidung zu sichern, wurden der Lebensmittelhandel (Nr. 1), die Wochenmärkte (Nr. 2), der landwirtschaftliche Direktverkauf und die Hofläden (Nr. 3), der Getränkehandel (Nr. 4), die Abhol- und Lieferdienste (Nr. 5), die Reformhäuser (Nr. 6), die Reparaturwerkstätten für Elektronikgeräte (Nr. 11), der Tierbedarfs- (Nr. 17), der Futtermittel- (Nr. 18) und der Brenn- und Heizstoffhandel (Nr. 21) sowie Reinigungen (Nr. 14) und Waschsalons (Nr. 15) von der Schließung ausgenommen.

Im Bereich der medizinischen bzw. altersgerechten Versorgung hat der Verordnungsgeber die Babyfachgeschäfte (Nr. 7), die Apotheken, Sanitätshäuser und Drogerien (Nr. 8) sowie die Optikerinnen und Optiker bzw. die Hörgeräteakustikerinnen und Hörgeräteakustiker (Nr. 9) privilegiert. Ohne Zweifel bedienen auch die Babyfachmärkte einen solchen Grundbedarf; insbesondere gilt dies für die sog. Erstausstattung für Babys (z.B. Kinderwagen, Babyschale, Bekleidung, Schlafsäcke etc.), die zu einem bestimmten und irgendwann nicht mehr aufschiebbaren Zeitpunkt erfolgt sein muss (OVG NRW, Urt. v. 22.9.2022 - 13 D 38/20.NE -, juris Rn. 372; SächsOVG, Beschl. v. 23.3.2021 - 3 B 67/21 -, juris Rn. 28).

Die Mobilität wurde durch das Offenhalten der Tankstellen und Autowaschanlagen (Nr. 10, vgl. insbesondere zu den Waschanlagen NdsOVG, Urt. v. 25.11.2021 - 13 KN 62/20 -, juris), die Betriebe des Kraftfahrzeug- und des Zweiradhandels, allerdings jeweils beschränkt auf die Durchführung von Probefahrten (Nr. 10 a), der Kraftfahrzeug- oder Fahrrad-Werkstätten (Nr. 11), sowie der Verkaufsstellen von Fahrkarten für den Personenverkehr (Nr. 23) erhalten. Es ist insbesondere nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner den Kraftfahrzeug- sowie den Zweiradhandel der Grundversorgung zurechnet (vgl. OVG NRW, Urt. v. 22.9.2022 - 13 D 38/20.NE -, juris Rn. 373 ff.; HambOVG, Beschl. v. 30.4.2020 - 5 Bs 64/20 -, juris Rn. 56; BremOVG, Urt. v. 19.4.2022 - 1 D 104/20 -, juris Rn. 111; a.A. BayVGH, Beschl. v. 27.4.2020 - 20 NE 20.793 -, juris Rn. 39 zum großflächigen Fahrradhandel). Auf Zweiräder und Kraftfahrzeuge ist ein Großteil der Bevölkerung bereits zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit insbesondere in ländlichen Gebieten des Flächenlandes Niedersachsen angewiesen. Auch dürfte es in der damaligen Situation aus infektionsschutzrechtlicher Sicht nicht sinnvoll gewesen sein, Menschen allein wegen der fehlenden Möglichkeit, ein Kraftfahrzeug oder Fahrrad zu erwerben oder reparieren zu lassen, zur Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs zu veranlassen (OVG NRW, Urt. v. 22.9.2022 - 13 D 38/20.NE -, juris Rn. 375).

Es begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken, dass - um etwa denjenigen Menschen, die das Online-Banking-Verfahren nicht nutzen können, gleichwohl zu ermöglichen, über ihr Vermögen zu verfügen und ihre Rechnungen zu begleichen - die Banken und Sparkassen weiterhin geöffnet blieben (Nr. 12).

Es ist überdies nachvollziehbar und nicht zu beanstanden, dass im Bereich Informationsfluss bzw. Kommunikation die Poststellen (Nr. 13), die Zeitungsverkaufsstellen (Nr. 16) sowie der Brief- und Versandhandel (Nr. 22) privilegiert worden sind.

Um Unternehmen und Gewerbetreibende - unter anderem die verschiedenen privilegierten Verkaufsstellen - mit den für ihre berufliche Tätigkeit erforderlichen Waren zu versorgen bzw. notwendige Reparaturen durchzuführen, begegnet es überdies keinen Bedenken, den Großhandel und die Baumärkte - jeweils nur für gewerbliche Kundinnen und Kunden - offenzuhalten (Nr. 20, vgl. auch OVG NRW, Urt. v. 22.9.2022 - 13 D 38/20.NE -, juris Rn. 370).

Schließlich verstößt es unter Berücksichtigung des Einschätzungsspielraums des Verordnungsgebers auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, dass dieser die Verkaufsstellen für Schnittblumen, Topfblumen und Topfpflanzen, für Blumengestecke und Grabschmuck sowie für den gärtnerischen Facheinzelhandel wie Gärtnereien, Gartencenter und Gartenmärkte mit der angegriffenen Fassung der Niedersächsischen Corona-Verordnung in die Positivliste aufgenommen und diese Stellen damit dem (erweiterten) Grundbedarf zugeordnet hat (vgl. Nrn. 2, 3 und 19). Dies hat er damit begründet, dass es sich um Waren des täglichen Bedarfs handele und die in der Regel kleinteilig aufgestellten Verkaufsstellen voraussichtlich kein gravierend erhöhtes Infektionsrisiko eröffneten (Nds. GVBl. 2021, S. 59). Die Annahme, dass es sich bei diesen Waren um solche des täglichen Bedarfs handelt, korrespondiert mit § 2 Abs. 2 Nr. 3 des Niedersächsischen Gesetzes über Ladenöffnungs- und Verkaufszeiten, denn auch der Gesetzgeber erachtet Schnitt- und Topfblumen, Pflanzengestecke, Kränze und Weihnachtsbäume als Waren des täglichen Kleinbedarfs. Aus infektiologischer Perspektive tritt hinzu, dass die Angebote in Gärtnereien, Gartencentern und Gartenmärkten häufig - jedenfalls auch - unter freiem Himmel und nicht in geschlossenen Räumen erbracht werden. Davon abgesehen ist aber auch die Annahme des Antragsgegners, dass die dort angebotenen - saisonalen - Waren in der beginnenden Frühjahrszeit zu den Angeboten des täglichen Bedarfs gehören, unter Berücksichtigung des ihm zustehenden Einschätzungsspielraums und angesichts der sozialen und gesellschaftlichen Auswirkungen einer derartigen Öffnung nicht zu beanstanden (BremOVG, Beschl. v. 23.3.2021 - 1 B 95/21 -, juris Rn. 57; OVG NRW, Urt. v. 22.9.2022 - 13 D 38/20.NE -, juris Rn. 367). Der begonnenen - schrittweisen - Lockerung ist es immanent, dass einige Bereiche früher von Lockerungen profitieren als andere, es also zwangsläufig zu Ungleichbehandlungen kommt. Es ist nicht gleichheitswidrig, dass der Verordnungsgeber zunächst die Verkaufsstellen für Schnittblumen, Topfblumen und Topfpflanzen, für Blumengestecke und Grabschmuck sowie für den gärtnerischen Facheinzelhandel geöffnet hat. Anders als bei Saatgut und Pflanzen verfügen die meisten Menschen im Hinblick auf elektronische Geräte über eine gewisse Grundausstattung, so dass der Erwerb weiterer Geräte - zumal es sich nicht um Saisonware handelt - im Regelfall (von akuten Bedarfsfällen abgesehen) für wenige Wochen aufgeschoben werden kann (vgl. mit anderem Bezugspunkt OVG NRW, Urt. v. 22.9.2022 - 13 D 38/20.NE -, juris Rn. 384). Letzteres gilt auch, soweit die Antragstellerin die Regelung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 der Verordnung, die den Friseurgeschäften gestatte, ab dem 1. März 2021 wieder zu öffnen, als weitere sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung erachtet. Die Öffnung der Friseurbetriebe begründete der Antragsgegner nachvollziehbar damit, dass der Verzicht auf einen Friseurbesuch bei vielen Menschen ein "deutliches Gefühl des Ungepflegtseins" hervorrufe (vgl. Nds. GVBl. 2021, S. 59). Auch hier hat der Verordnungsgeber sein Lockerungskonzept und - damit die priorisierte Öffnungsmöglichkeit - in nicht zu beanstandender Weise anhand der Bedürfnisse der Bevölkerung ausgerichtet.

(bb) Ohne Rechtsfehler ist der Antragsgegner überdies davon ausgegangen, dass die Differenzierung anhand des Schwerpunkts des Sortiments in § 10 Abs. 1b Satz 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung angesichts des infektionsschutzrechtlichen Gefahrengrades sowie aller weiteren öffentlichen Belange sachlich - noch - gerechtfertigt war. Verkaufsstellen mit einem Schwerpunktsortiment im Sinne des § 10 Abs. 1b Satz 2 Hs. 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung durften von der (teilweisen) Schließung ausgenommen werden, da ihre Einbeziehung zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit nicht zwingend erforderlich i.S.d. § 28a Abs. 6 Satz 3 IfSG a.F. gewesen ist und durch die Regelung auch im Übrigen die widerstreitenden Interessen in einen angemessenen Ausgleich gebracht worden sind.

Es handelt sich nach Auffassung des Senats angesichts des erheblichen - sich bereits wiederholenden und mehrere Monate andauernden - Grundrechtseingriffs zu Lasten der Antragstellerin um einen Grenzfall, der jedoch aufgrund der infektiologischen Besonderheiten, der in § 28a Abs. 6 Satz 3 IfSG a.F. angelegten Differenzierungsmöglichkeit sowie des Umstands, dass der Antragsgegner schnelle und effektive Entscheidungen in einer dynamischen Lage musste, - noch - gerechtfertigt ist.

Bei der nachfolgenden Prüfung hat der Senat die Differenzierung zwischen Verkaufsstellen mit schwerpunktmäßig privilegierten Waren (Satz 2 Halbsatz 1) und denjenigen mit ausschließlich nicht privilegierten Waren (Satz 1 Halbsatz 1) einerseits sowie zwischen Verkaufsstellen mit schwerpunktmäßig privilegierten Waren (Satz 2 Halbsatz 1) und solchen Geschäften, die privilegierte Waren nicht im Schwerpunkt verkaufen (Satz 2 Halbsatz 2), andererseits untersucht.

Den sachlichen Grund für die Differenzierung zwischen Verkaufsstellen mit schwerpunktmäßig privilegierten Waren (Satz 2 Halbsatz 1) und denjenigen mit ausschließlich nicht privilegierten Waren (Satz 1 Halbsatz 1) bzw. solchen Geschäften, die privilegierte Waren nicht im Schwerpunkt verkaufen (Satz 2 Halbsatz 2), hat der Antragsgegner ohne Rechtsfehler darin erblickt, dass die Verkaufsstellen nach § 10 Abs. 1b Satz 2 Hs. 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung im Gegensatz zu den nicht privilegierten Einzelhändlern die Versorgung der Bevölkerung - jedenfalls im Schwerpunkt - mit Waren des täglichen Bedarfs, auf die der oder die Einzelne in der Regel nicht verzichten konnte, sicherstellten. Angesichts dessen ist das hier zu beurteilende Regelungskonzept, das nach der Bedeutung der jeweils angebotenen Waren für die Bevölkerung differenziert - nach Auffassung des Senats anders zu bewerten als dasjenige, über das mit Urteil vom 16. Mai 2023 das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat (BVerwG 3 CN 6.22, bisher ist allein die Pressemitteilung veröffentlicht). Die Entscheidung des Eufach0000000005s betrifft - soweit ersichtlich - zwei aus infektiologischer Sicht gleichwertige Einrichtungen (Einrichtungen des Amateursports sowie Fitnessstudios), für deren Ungleichbehandlung - anders als hier - jedoch kein tragfähiger Grund, der die Ungleichbehandlung hätte rechtfertigen können, ersichtlich gewesen ist (so die Pressemitteilung).

Die hier vorgenommene Ungleichbehandlung war entgegen der Auffassung der Antragstellerin verhältnismäßig. Der Senat geht bei dieser Prüfung allerdings - wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt - nicht davon aus, dass insoweit die strengsten Maßgaben gelten, die etwa anzuwenden sind, wenn sich das Kriterium zur Differenzierung den Merkmalen des Art. 3 Abs. 3 GG annähert.

Die Ziele der Regelung in § 10 Abs. 1b Satz 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung - die Bevölkerung durch den stationären Handel einerseits in einem gewissen Umfang mit Waren zu versorgen und andererseits die Bevölkerung vor der Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus zu schützen, die Verbreitung der Krankheit COVID-19 zu verhindern und eine Überlastung des Gesundheitssystems infolge eines ungebremsten Anstiegs der Zahl von Ansteckungen, Krankheits- und Todesfällen zu vermeiden - sind zweifelsohne legitim (vgl. bereits zuvor).

Die Regelung, die anhand des Schwerpunkts des Sortiments differenzierte, ist zur Erreichung dieser Ziele auch geeignet (zum Maßstab vgl. bereits zuvor). Insbesondere begegnet die der Regelung zugrundeliegende Annahme des Verordnungsgebers, dass es durch die vollständige Öffnung der Verkaufsstellen mit einem schwerpunktmäßig privilegierten Sortiment nicht zu einem nennenswerten Anstieg der Infektionsgefahr kommen wird, jedenfalls keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken (vgl. OVG NRW, Urt. v. 22.9.2022 - 13 D 38/20.NE -, juris Rn. 385 ff. und Beschl. v. 19.3.2021 - 13 B 252/21 -, juris Rn. 106 f.; VGH BW, Urt. v. 2.6.2022 - 1 S 1079/20 -, juris Rn. 276; OVG Berl.-Bbg., Beschl. v. 3.3.2021 - 11 S 22/21 -, juris Rn. 49; a.A. OVG MV., Beschluss vom 24.3.2021 - 2 KM 120/21 -, juris Rn. 63; OVG Saarl., Beschluss vom 9.3.2021 - 2 B 58/21 -, juris Rn. 20; OVG Saarl, Urt. v. 15.9.2022 - 2 C 62/21 -, juris Rn. 50; Shirvani, DVBl. 2022, 329 [335]). Der Antragsgegner ist ohne Rechtsfehler davon ausgehen, dass - nachdem etwa der Lebensmittel- und Getränkehandel zum Zwecke der Grundversorgung ohnehin geöffnet war - der Verkauf von anderen Produkten in diesen und anderen privilegierten Geschäften jedenfalls dann, wenn sie nur einen untergeordneten Umfang annehmen, zu keinem zusätzlichen Anstieg der durch die Öffnung des Einzelhandels ohnehin geschaffenen Infektionsquellen führen wird. Die Antragstellerin bezweifelt zwar, dass diese Grundannahme des Verordnungsgebers zutreffend ist, ihr dahingehender Vortrag ist jedoch nicht geeignet, die Annahme des Antragsgegners zu erschüttern. Es bleibt insbesondere offen, auf welcher Grundlage der Antragsgegner aus einer ex-ante-Perspektive eine andere Auffassung hätte vertreten müssen (vgl. Bl. 20, 30 f. der Antragsschrift vom 25.2.2021 sowie Anlagen, insbesondere 10 und 11; Bl. 32 des Schriftsatzes vom 17.5.2023: "Sogwirkung").

Dass das Angebot an nicht privilegierten Waren - entgegen der infektionsschutzrechtlichen Ziele - nicht ausgeweitet werden durfte, ist durch das sog. Sortimentsveränderungsverbot sichergestellt worden, das die Schwerpunktsortiment-Regel flankiert: Die Ausweitung der regelmäßigen Randsortimente durch die Betriebe und Einrichtungen nach Satz 1 Nummern 1 bis 23 ist unzulässig, § 10 Abs. 1b Satz 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung. Dass Verkaufsstellen unter Umständen gegen das Sortimentsveränderungsverbot verstoßen haben, was der Vortrag der Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 17. Mai 2023 (dort Bl. 33 Rn. 90 sowie die Anlagen) sowie im Termin jedenfalls nahelegt, führt nicht zur Rechtswidrigkeit der in Rede stehenden Vorschrift; vielmehr stellt das Verhalten der von der Antragstellerin bezeichneten Verkaufsstelle möglicherweise einen Verstoß gegen die Verordnung in ihrer damaligen Fassung dar.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine Ungleichbehandlung nur dann erforderlich, wenn kein anderes Mittel zur Verfügung steht, mit dem der Gesetzgeber - bzw. hier der Verordnungsgeber - unter Bewirkung geringerer Ungleichheiten das angestrebte Regelungsziel gleich wirksam erreichen oder fördern kann, ohne dabei Dritte oder die Allgemeinheit stärker zu belasten (vgl. statt vieler BVerfG, Beschl. v. 7.4.2022 - 1 BvL 3/18 -, juris Rn. 310 m.w.N.). Auch bei der Einschätzung der Erforderlichkeit verfügt der Verordnungsgeber über einen Beurteilungs- und Prognosespielraum; dies folgt bereits aus § 28a Abs. 6 Satz 3 IfSG a.F. (vgl. überdies in Bezug auf den Gesetzgeber BVerfG, Beschl. v. 7.4.2022 - 1 BvL 3/18 -, juris Rn. 310 m.w.N.). Bei mehrpoligen Interessenlagen darf die Erforderlichkeit nicht nur im Hinblick auf eines der widerstreitenden Interessen beurteilt werden; die Prüfung muss vielmehr für jedes der kollidierenden Interessen zu einem positiven Ergebnis kommen (so BVerfG, Beschl. v. 7.4.2022 - 1 BvL 3/18 -, juris Rn. 311 m.w.N.).

Keine der von der Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 17. Mai 2023 (dort insbesondere Bl. 50 ff. Rn. 147 ff.) aufgeführten alternativen Maßnahmen ist gleich geeignet bzw. wäre für sämtliche kollidierenden Interessen zu einem positiven Ergebnis gekommen. Im Hinblick auf die von der Antragstellerin bezeichnete Ermöglichung des Verkaufes von nicht privilegierten Waren unter - gegenüber dem Verkauf von Grundversorgungsartikeln - nochmals verschärften Hygienemaßgaben als milderes Mittel verweist der Senat auf die obenstehenden Ausführungen; eine solche Maßnahme stellt sich bereits als nicht gleich geeignet dar. Soweit sie ein vollständiges Verkaufsverbot für Randsortimente oder eine "erhebliche Einschränkung des Verkaufs" als milderes Mittel benennt, so würden diese Maßnahmen allein für sie ein milderes Mittel darstellen. In dem hier gegebenen mehrpoligen Grundrechtsverhältnis hatte der Antragsgegner jedoch nicht allein die Belange der - ausschließlich nicht privilegierte Waren veräußernden - Gewerbetreibenden, sondern auch diejenigen des Infektionsschutzes - und damit des Schutzes von Leib und Leben der Bevölkerung -, der Versorgungssicherheit und aller weiteren Gewerbetreibenden zu berücksichtigen. Ein vollständiges Verkaufsverbot oder eine "erhebliche Einschränkung des Verkaufs" hätte aber diejenigen Personen belastet, die im akuten Bedarfsfalle beispielsweise ein dringend benötigtes defektes Haushaltsgerät ersetzen mussten und den Onlinehandel nicht nutzen konnten (etwa weil ihnen die Fertigkeiten fehlten). Ferner wären diejenigen Gewerbetreibenden, die mit ihren Verkaufsstellen die Grundversorgung der Bevölkerung sicherten, zusätzlich zu den bereits bestehenden Einschränkungen (vgl. nur § 10 Abs. 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung), belastet worden.

Eine Ungleichbehandlung ist nur dann verhältnismäßig im engeren Sinne, wenn das Maß der Ungleichbehandlung in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung des mit der Differenzierung verfolgten Ziels und zum Ausmaß und Grad der durch die Ungleichbehandlung bewirkten Zielerreichung steht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 7.4.2022 - 1 BvL 3/18 -, juris Rn. 314 m.w.N.). Die Regelung berücksichtigt die Belange des Infektionsschutzes - und damit des Schutzes von Leib und Leben der Bevölkerung -, der Versorgungssicherheit und diejenigen aller Gewerbetreibenden - etwa im Hinblick auf eine "Wettbewerbsverzerrung" - (noch) in angemessener Weise.

Der Antragsgegner durfte zuvörderst annehmen, dass das gezielte Aufsuchen einer Verkaufsstelle, die ein gemischtes Sortiment anbietet, allein zum Einkaufen nicht privilegierter Ware - etwa eines elektronischen Gerätes - einen Ausnahmefall bilden und nicht zu einer erheblichen Wettbewerbsverzerrung führen würde: Es mag sein, dass tatsächlich Kundinnen und Kunden, wie die Antragstellerin vorträgt, infolge der Betriebsuntersagungen etwa auf das - allerdings eingeschränkte und untergeordnete - Angebot von nicht privilegierten Artikeln in Supermärkten ausgewichen sind (vgl. etwa Bl. 20, 30 f. der Antragsschrift sowie Anlagen 10 und 11). Es ist aber vertretbar und plausibel, dass der Antragsgegner ex ante prognostizierte, dass dies nicht zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen führen würde. Der Antragstellerin war überdies - wie den anderen Gewerbetreibenden - weiterhin die Auslieferung jeglicher Waren auf Bestellung sowie deren Verkauf im Fernabsatz zur Abholung bei kontaktloser Übergabe außerhalb der Geschäftsräume unter Wahrung des Abstandsgebots erlaubt, § 10 Abs. 1b Satz 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung. Diese Möglichkeiten milderten die Auswirkungen des Eingriffs in die Rechte der betroffenen Gewerbetreibenden und damit auch der Antragstellerin ab; dies gilt auch für die von der Antragstellerin vorgetragene Wettbewerbsverzerrung. So war den von der Regelung betroffenen Unternehmen eine zumindest anteilige Kompensierung von etwaigen Einnahmeausfällen möglich. Jedenfalls der Mutterkonzern der Antragstellerin hat im Bereich des Onlinehandels - legt man den Inhalt der Quartalsmitteilungen vom J. sowie vom K. zugrunde (abrufbar unter: L. sowie L. [letztmals abgerufen am 1.6.2023]) - sogar eine Steigerung des Umsatzes im Vergleich zum Vorjahr erzielt. Im Bericht der Antragstellerin für das Geschäftsjahr 2020/21 heißt es auszugsweise (Bl. 25, 45 vgl. M. [letztmals abgerufen am 1.6.2023]):

"N.."

Im Hinblick auf die von der Antragstellerin vorgetragene Abwanderung von Kundinnen und Kunden, die sie unter anderem unter Bezugnahme auf die Anlagen 10 und 11 zur Antragsschrift vom 25. Februar 2021 erläutert, durfte der Antragsgegner ohne Rechtsfehler annehmen, dass das von Fachmärkten angebotene Warensortiment ganz überwiegend nicht deckungsgleich ist mit demjenigen von Supermärkten und daher auch einen anderen Kundenkreis anspricht. Er durfte davon ausgehen, dass es sich bei dem Einkauf von Elektronikgeräten etwa in Supermärkten - in der Regel ohne besondere fachliche Beratung, individuelle Lieferung und Installation sowie Garantien, wie sie etwa die Antragstellerin anbietet - eher um "Notfall-Käufe" etwa im Falle eines defekten Gerätes bzw. "Einkäufe bei Gelegenheit" handeln wird (vgl. zu dieser Argumentation OVG Saarl., Urt. v. 15.9.2022 - 2 C 121/20 -, juris Rn. 51).

Schließlich ist es auch noch vertretbar, dass der Antragsgegner Verkaufsstellen mit einem schwerpunktmäßig privilegierten Sortiment vor dem Hintergrund von sozialen bzw. gesellschaftlichen Interessen im Sinne von § 28a Abs. 6 Satz 2 IfSG a.F. für zulässig hielt. Denn so war es etwa denjenigen Personen, die den Onlinehandel nicht nutzen konnten oder wollten, im akuten Bedarfsfalle möglich, beispielsweise ein defektes Fernsehgerät zu ersetzen, für das angesichts der Untersagung einer Vielzahl von Freizeitaktivitäten sowie der geltenden Kontaktbeschränkungen ein gesteigertes Bedürfnis bestanden haben dürfte (vgl. bereits zuvor).

Die Differenzierung zwischen Verkaufsstellen mit schwerpunktmäßig privilegierten Waren (Satz 2 Halbsatz 1) und solchen Geschäften, die privilegierte Waren nicht im Schwerpunkt verkaufen (Satz 2 Halbsatz 2), beruht auf Gründen des Infektions- und Konkurrentenschutzes, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung (noch) angemessen sind.

Der Antragsgegner ist - dies geht aus § 10 Abs. b Satz 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung hervor - bei der Schaffung der Mischsortiments-Regelung davon ausgegangen, dass nicht privilegierte Waren innerhalb der von der Positivliste erfassten Verkaufsstellen nach Satz 1 in der Regel "Randsortimente" bilden und dagegen diejenigen Waren, die der Grundversorgung der Bevölkerung dienen, einen deutlichen Schwerpunkt darstellen; dies ist nicht zu beanstanden. Die gleichbleibende Gewichtung der Waren hat er überdies durch das sog. Sortimentsveränderungsverbot in § 10 Abs. 1 b Satz 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung abgesichert, das eine Ausweitung des nicht privilegierten Warenangebotes verhindert, wenn diese Vorgabe von den Gewerbetreibenden beachtet wird (vgl. bereits zuvor).

Darüber hinaus trägt auch die im Termin geäußerte Annahme des Antragsgegners, dass diejenigen Verkaufsstellen mit einem Mischsortiment und einem Schwerpunkt an privilegierten Waren regelmäßig wesentlich weniger als 49 Prozent an nicht privilegierten Waren vorhalten bzw. das untergeordnete Sortiment in der überwiegenden Anzahl der Fälle nicht vollständig aus einer (nicht privilegierten) Warengruppe - etwa aus Elektrogeräten -, sondern in vielen Fällen aus wechselnden Angeboten aus verschiedenen Bereichen besteht.

Gegen die der Regelung ebenfalls zugrundeliegende Auffassung, dass im Unterschied dazu eine Verkaufsstelle, die zwar beispielsweise auch Lebensmittel, aber im Schwerpunkt Elektrogeräte anbietet, einen zusätzlichen Anreiz für die Bevölkerung schaffen würde, um die Innenstädte zu besuchen, den öffentlichen Nahverkehr zu nutzen und sich in den geschlossenen Verkaufsräumen aufzuhalten, ist ebenfalls nichts zu erinnern. Denn diese Verkaufsstellen werden gerade nicht sowieso regelmäßig aufgesucht, um die Grundversorgung sicherzustellen, sondern schaffen - was aus infektiologischer Perspektive unerwünscht war - weitere Kontaktpunkte mittelbar - etwa im öffentlichen Nahverkehr oder beim Besuch der Innenstadt - und unmittelbar zwischen den Personen in den Verkaufsstellen.

Hierbei gilt es überdies zu bedenken, dass das Konzept vieler Fachgeschäfte, die nicht privilegierte Waren verkaufen, darauf beruht, dass die Kundinnen und Kunden im Hinblick auf die verschiedenen Produkte durch das Verkaufspersonal beraten werden bzw. dass die Produkte aus- oder anprobiert werden können. Anders als etwa beim Einkauf von Lebensmitteln wird auf diese Weise - was ebenfalls infektiologisch ungünstig ist - der Zeitraum, den die Kundinnen und Kunden in einem Geschäft verbringen, verlängert, zudem kommt es vielfach zu Beratungs- und Verkaufsgesprächen.

Es tritt hinzu, dass die Unterscheidung zwischen Verkaufsstellen mit schwerpunktmäßig privilegierten Waren (Satz 2 Halbsatz 1) und solchen Geschäften, die privilegierte Waren nicht im Schwerpunkt verkaufen (Satz 2 Halbsatz 2), diejenigen Verkaufsstellen schützte, die ausschließlich nicht privilegierte Waren anboten. Hätte der Verordnungsgeber auch solche Verkaufsstellen offengehalten, die im Schwerpunkt nicht privilegierte Waren verkauften, um eine Gleichbehandlung von sämtlichen Einzelhandelsfilialen mit einem Mischsortiment zu erreichen, hätten diese eine erhebliche Konkurrenz für solche Verkaufsstellen dargestellt, die nach § 10 Abs. 1b Satz 1 Hs. 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung geschlossen waren, weil sie (gar) keine Waren des täglichen Bedarfs verkauften.

Soweit die Antragstellerin ferner eine "Ballung" von Personen innerhalb der Verkaufsstellen mit einem Mischsortiment befürchtet, ist dies bereits angesichts von § 10 Abs. 3 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung unwahrscheinlich: In Betrieben des Einzelhandels ist neben der Durchführung von Maßnahmen nach dem erforderlichen Hygienekonzept sicherzustellen, dass sich in einem Betrieb mit einer Verkaufsfläche von nicht mehr als 800 Quadratmetern nur eine Kundin oder ein Kunde je zehn Quadratmeter Verkaufsfläche und in einem Betrieb mit einer Verkaufsfläche von mehr als 800 Quadratmetern in Bezug auf die Verkaufsfläche bis 800 Quadratmeter nur eine Kundin oder ein Kunde je zehn Quadratmeter Verkaufsfläche und in Bezug auf die 800 Quadratmeter übersteigende Verkaufsfläche nur eine Kundin oder ein Kunde je 20 Quadratmeter Verkaufsfläche aufhält. Für Einkaufszentren und die Betriebe des Einzelhandels in diesen Einkaufszentren sind im Rahmen des Hygienekonzepts überdies abgestimmte Maßnahmen zu treffen, die der Vermeidung von Warteschlangen dienen, Satz 2.

Die von der Antragstellerin zitierte Rechtsprechung des Eufach0000000005s zur sog. Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers (Urt. v. 28.6.2022 - 8 CN 1/21 -, juris Rn. 35) ist zur Rechtfertigung der hier betroffenen Ausnahmeklausel nicht maßgeblich. Die vom Bundesverwaltungsgericht angewendeten Maßgaben hat das Bundesverfassungsgericht zur Ordnung von Massenerscheinungen durch den Gesetzgeber entwickelt: Dieser ist berechtigt, generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu schaffen - etwa: Alle Inhaberinnen und Inhaber einer Wohnung sind rundfunkbeitragspflichtig -, ohne allein wegen der damit verbundenen Härten - nicht jede bzw. jeder verfügt über einen Fernseher - gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (vgl. zum Ganzen BVerfG, Urteil vom 21. Juli 1998 - 1 BvL 22, 34/95 - juris Rn. 130; zum Rundfunkbeitragsrecht: BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2018 - 1 BvR 1675/16 -, juris Rn. 87 ff.). Eine solche generalisierende und typisierende Regelung ist zulässig, wenn sich der Gesetzgeber bei der Schaffung einer Regelung realitätsgerecht an dem typischen Fall orientiert, die mit ihr verbundenen Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären und lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und wenn der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist (BVerwG, Urt. v. 28.6.2022 - 8 CN 1/21 -, juris Rn. 35). Diese Befugnis zur Typisierung begünstigt im Ergebnis den Gesetzgeber und modifiziert die Anforderungen an die Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen. Allerdings stellt nicht jede abstrakt-generelle Regelung eine Typisierung dar. Vielmehr muss jede gesetzliche Regelung generalisieren (so ausdrücklich BVerfG, Beschl. v. 27.1.1998 - 1 BvL 15/87 -, Rn. 48), dies gilt freilich auch für die Regelungen in Rechtsverordnungen. Um die Frage der Typisierungsbefugnis des Antragsgegners geht es hier entgegen der Auffassung der Antragstellerin aber nicht. Bei der Ausnahme in § 10 Abs. 1b Satz 2 Hs. 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung für Verkaufsstellen mit einem Mischsortiment, das einen Schwerpunkt an privilegierten Waren aufweist, handelt es sich nicht um eine Abweichung von einer typisierenden Regelung (§ 10 Abs. 1b Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung). Es handelt sich vielmehr um eine Abweichung von einer abstrakt-generellen Regelung, wonach die Verkaufsstellen des Einzelhandels grundsätzlich geschlossen sind (vgl. BayVGH, Urt. v. 6.10.2022 - 20 N 20.794 -, juris Rn. 89). Maßgeblich für die Rechtmäßigkeit des § 10 Abs. 1b Satz 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung sind - wie zuvor dargestellt - die vergleichsweise strengen Anforderungen an die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung, die hier jedoch erfüllt sind.

(6) Das gefundene Ergebnis überzeugt nach alledem auch angesichts des Gesamtkonzeptes der Niedersächsischen Corona-Verordnung in der damaligen Fassung. Diese enthielt weitreichende Einschränkungen für sämtliche Bereiche des Lebens: Nach § 1 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung hatte jede Person Kontakte zu anderen Personen, die nicht dem eigenen Hausstand angehörten, auf ein absolut nötiges Minimum zu reduzieren und darüber hinaus - soweit möglich - Abstand zu jeder anderen Person einzuhalten. Private Reisen sowie private Besuche sollten vermieden werden, Satz 4. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 durfte sich eine Person in der Öffentlichkeit außerhalb der eigenen Wohnung grundsätzlich nur allein oder mit Personen, die dem eigenen Hausstand angehörten, und höchstens einer weiteren Person aufhalten. Gastronomiebetriebe waren für den Publikumsverkehr geschlossen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2); viele Veranstaltungen waren verboten, § 9 Abs. 4. Der Betrieb von Kindertageseinrichtungen und Kinderhorten war in weiten Teilen untersagt, § 12 Abs. 1 Satz 1. Dies galt weitgehend auch im Hinblick auf den Schulbesuch in Präsenz (vgl. den Grundsatz in § 13 Abs. 1 Satz 1) oder die außerschulische Bildung, § 14a Abs. 1 Satz 1. Hätte man in einer solchen Situation - wie von der Antragstellerin begehrt - sämtliche Verkaufsstellen des Einzelhandels wieder geöffnet, hätte dies zu kaum zu rechtfertigenden Ungleichbehandlungen mit anderen Bereichen des öffentlichen bzw. gesellschaftlichen Lebens geführt, die ebenfalls von weitreichenden Einschränkungen betroffen waren (vgl. etwa zu den hohen Anforderungen an Schulschließungen BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 19. November 2021 - 1 BvR 971/21 -, juris).

III. Die einheitliche Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO - soweit die Antragstellerin mit ihrem Antrag unterliegt -, aus § 155 Abs. 2 VwGO - soweit sie ihren Antrag zurückgenommen hat - und im Übrigen aus § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Nach der letztgenannten Vorschrift ist, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache in Bezug auf den fünften Hauptantrag übereinstimmend für erledigt erklärt haben, über die Kosten des Verfahrens unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden.

Billigem Ermessen entspricht es, dass die Antragstellerin auch insoweit die Kosten trägt. Die Antragsänderung wäre voraussichtlich mangels Einwilligung des Antragsgegners und mangels Sachdienlichkeit unzulässig gewesen. Sie hätte sich wohl insbesondere als nicht sachdienlich erwiesen, weil ein solcher Antrag jedenfalls zur endgültigen Beilegung des sachlichen Streits zwischen den Beteiligten im laufenden Verfahren nicht hätte beitragen können. Denn die Antragsänderung betraf einen wesentlich veränderten Prozessstoff. Sowohl die rechtlichen als auch die tatsächlichen Aspekte hätten sich erheblich von denjenigen unterschieden, die maßgeblich für den ersten Hauptantrag sind, der sich gegen § 10 Abs. 1b der Niedersächsischen Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus SARS-CoV-2 vom 30. Oktober 2020 in der Fassung vom 12. Februar 2021 richtet. Dies folgt bereits daraus, dass sich die Rechtsgrundlage zum Erlass der Niedersächsischen Corona-Verordnung durch das am 23. April 2021 in Kraft getretene Vierte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 22. April 2021 (BGBl I S. 802) wesentlich verändert hat. So stellte § 28b IfSG ab dem 23. April 2021 modifizierte Anforderungen an den Erlass bundesweit einheitlicher Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 bei besonderem Infektionsgeschehen (vgl. dazu umfassend BVerfG, Beschl. v. 19.11.2021 - 1 BvR 781/21 u.a. -, juris). Überschritt in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt an drei aufeinander folgenden Tagen die Anzahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen (7-Tage-Inzidenz) den Schwellenwert von 100, so galten dort ab dem übernächsten Tag die in § 28b Abs. 1 Satz 1 IfSG normierten Beschränkungen etwa für private Kontakte, die Bewegungsfreiheit und den Einzelhandel (vgl. Nr. 4); sofern das Landesrecht strenger war, galten die landesrechtlichen Vorschriften fort (Absatz 5). Sank in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt die 7-Tage-Inzidenz unter den Wert von 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner an fünf aufeinander folgenden Werktagen, so trat die "Notbremse" dort ab dem übernächsten Tag außer Kraft (§ 28b Abs. 2 IfSG). Zudem wurde die Bundesregierung ermächtigt, zur einheitlichen Festsetzung von Corona-Maßnahmen Rechtsverordnungen mit Zustimmung des Bundesrats zu erlassen (§ 28b Abs. 6 IfSG). In den Blick zu nehmen wäre überdies - neben den dargestellten veränderten rechtlichen Rahmenbedingungen - das dynamische Infektionsgeschehen in F. und im Bundesgebiet einerseits sowie die Entwicklung der Corona-Lage im maßgeblichen Zeitraum und die von der Stadt F. dahingehend erlassenen Allgemeinverfügungen andererseits (vgl. § 28b Abs. 1 Sätze 2 und 3 IfSG, § 1 a Abs. 2 Satz 4 der Corona-Verordnung vom 30. Mai 2021 in der Fassung der Verordnung vom 27. Juli 2021, Nds. GVBl. S. 559).

IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO (in analoger Anwendung, vgl. Senatsurt. v. 14 KN 41/22 -, juris Rn. 135 m.w.N.), § 711 ZPO.

V. Die Revision ist im Hinblick auf die Entscheidung über den Antrag zu 1) gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (vgl. OVG NRW, Urt. v. 22.9.2022 - 13 D 38/20.NE -, juris Rn. 393; OVG Saarl, Urt. v. 15.9.2022 - 2 C 62/21 -, juris Rn. 55).