Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 13.05.2024, Az.: 14 OA 60/24

Streitwertbeschwerde eines Rechtsanwalts; Anhaltspunkte für die Bemessung des Streitwertes

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
13.05.2024
Aktenzeichen
14 OA 60/24
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 14870
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2024:0513.14OA60.24.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Lüneburg - 02.10.2023 - AZ: 6 A 20/22

Tenor:

Auf die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Klägerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Lüneburg - Vorsitzender der 6. Kammer - vom 2. Oktober 2023 hinsichtlich der Festsetzung des Streitwertes geändert.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Klageverfahren auf 49.000,00 Euro festgesetzt.

Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Gründe

Über die Beschwerde entscheidet gemäß § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 2 GKG die Berichterstatterin des Senats als Einzelrichterin, da die Streitwertfestsetzung von dem Vorsitzenden der 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Lüneburg gemäß § 87a Abs. 1 Nr. 4 VwGO allein getroffen worden ist. "Einzelrichter" i.S.d § 66 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 2 GKG ist nicht nur der Richter der Vorinstanz, dem der Rechtsstreit gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 VwGO übertragen wurde, sondern auch der Vorsitzende oder Berichterstatter im Sinn von § 87a VwGO (vgl. HambOVG, Beschl. v. 9.4.2020 - 1 So 42/20 -, juris Rn. 2; VGH BW, Beschl. v. 11.4.2014 - 1 S 400/14 -, juris Rn. 2 ff., jeweils m.w.N.; Fertig in: BeckOK VwGO, 68. Ed. 1.10.2023, § 87a Rn. 12).

Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen die Streitwertfestsetzung in dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Lüneburg - Vorsitzender der 6. Kammer - vom 2. Oktober 2023 hat Erfolg.

I. Die nach § 68 Abs. 1 GKG statthafte Beschwerde ist zulässig. Insbesondere ist der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beschwerdebefugt (1.) und beschwert (2.).

1. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ist beschwerdebefugt. Bei einer - wie hier durch den Prozessbevollmächtigten im eigenen Namen geltend gemachten - zu niedrigen Streitwertfestsetzung kann der Prozessbevollmächtigte des Verfahrensbeteiligten beschwert sein. Diesem steht daher gemäß § 32 Abs. 2 RVG eine Beschwerdebefugnis aus eigenem Recht zu (BremOVG, Beschl. v. 14.2.2024 - 1 S 17/24 -, juris Rn. 7; NdsOVG, Beschl. v. 04.11.2014 - 7 OA 82/14 -, juris Rn. 4; SächsOVG, Beschl. v. 03.09.2010 - 3 E 32/10 -, juris Rn. 2).

2. Eine Beschwer des Prozessbevollmächtigten der Klägerin liegt vor. Wie jedes Rechtsmittel setzt auch die Streitwertbeschwerde eine Beschwer des Rechtsmittelführers voraus. Dabei ist nicht darauf abzustellen, inwieweit die Entscheidung des Gerichts von dem Begehren des Beschwerdeführers abgewichen ist ("formelle Beschwer"); entscheidend ist vielmehr die materielle Beschwer, mithin ob die Streitwertfestsetzung die Rechtsposition des Beschwerdeführers beeinträchtigt oder sonst für ihn belastend wirkt (Laube in: BeckOK KostR, 45. Ed. 1.4.2024, GKG § 68 Rn. 45 m.w.N.). Das ist bei einem Rechtsanwalt der Fall, der gemäß § 32 Abs. 1 S. 1 RVG aus eigenem Recht eine Beschwerde gegen den Streitwertbeschluss einlegt, wenn er geltend macht, dass die Streitwertfestsetzung zu gering sei und er deswegen - wie hier aufgrund der Kostentragungslast des Beklagten - nur geringere Gebühren abrechnen könne (vgl. OVG Saarl., Beschl. v. 12.5.2022 - 2 E 28/22 -, juris Rn. 7; NdsOVG, Beschl. v. 22.9.2014 - 13 OA 147/14 -, juris Rn. 3 u. Beschl. v. 24.5.2011 - 10 OA 32/11 -, juris Rn. 7; OLG Saarl., Beschl. v. 28.6.2011 - 5 W 142/11 -, juris, Rn. 16; Laube in: BeckOK KostR, GKG, 45. Ed. 1.4.2024, § 68 Rn. 49; Schneider in: NK-GK, GKG, 3. Aufl. 2021, § 68 Rn. 35).

II. Die Beschwerde ist auch begründet.

Grundsätzlich ist nach § 52 Abs. 1 GKG in Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Nur in dem Fall, in dem der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte bietet, ist gemäß § 52 Abs. 2 GKG ein Streitwert von 5.000 Euro anzunehmen.

Dies zugrunde gelegt ist die vom Verwaltungsgericht nicht weiter begründete Festsetzung des Streitwertes von 5.000 Euro nicht ohne Weiteres nachzuvollziehen, zumal die Klägerin mit Abgabe der Erledigungserklärung im Schriftsatz vom 14. September 2023 zur Höhe des aus ihrer Sicht festzusetzenden Streitwertes vorgetragen hat und Gründe für die Nichtberücksichtigung ihres Vortrages in dem Beschluss des Verwaltungsgerichts nicht angeführt werden (zur Anwendung des § 52 Abs. 2 GKG bei fehlenden Angaben in lebensmittelrechtlichen Verfahren: VGH BW, Beschl. v. 30.8.2017 - 9 S 1861/17 -, juris Rn. 46).

Der im Beschwerdeverfahren konkretisierte Vortrag der Klägerin bietet jedoch genügend Anhaltspunkte für die Bemessung des Streitwertes nach § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Nr. 25.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR, 2014, 11).

Nach Nr. 25.1 des Streitwertkatalogs wird der Streitwert für Verkaufsverbote und ähnliche Maßnahmen im Lebens- und Arzneimittelrecht anhand des Verkaufswerts der betroffenen Waren beziehungsweise der erwarteten wirtschaftlichen Auswirkungen (Jahresbetrag der erwarteten wirtschaftlichen Auswirkungen/Gewinnerwartung) bestimmt. Die Gewinnerwartung für die Produkte der Klägerin, deren Inverkehrbringen ihr u.a. durch den angefochtenen Bescheid des Beklagten vom 25. Januar 2022 untersagt worden ist, liegt nach Prüfung und Auswertung der Unterlagen aus dem SAP-Warenwirtschaftssystem für den Zeitraum von 12 Monaten (1.11.2020 bis 31.10.2021) ausweislich des Schreibens des Steuerberaters der Klägerin vom 15. April 2024 bei ca. 49.000 Euro. Diesen Angaben ist der Beklagte nicht entgegengetreten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 68 Abs. 3 GKG.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).