Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 02.06.2022, Az.: 1 LB 109/20

Baustraße; Berechnungsmethode; Bestimmtheit; Bezugspunkt; Höhenfestsetzung; Lärmemissionskontingente; Mischgebiet; Schallleistungspegel; Schallleistungspegel, flächenbezogener; Schallleistungspegel, immissionswirksamer flächenbezogener; Treu und Glauben; venire contra factum proprium; Wohnnutzung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
02.06.2022
Aktenzeichen
1 LB 109/20
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2022, 59587
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 23.10.2018 - AZ: 4 A 6453/16

Fundstellen

  • DÖV 2022, 785-786
  • NordÖR 2022, 445
  • NuR 2022, 654-657
  • ZfBR 2023, 73

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Schafft eine Gemeinde für einen ansiedlungswilligen Betrieb durch Aufstellung eines Bebauungsplans Baurecht, kann es dem Betrieb nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verwehrt sein, sich zu einem späteren Zeitpunkt auf die Unwirksamkeit des Bebauungsplans zu berufen, wenn dieser einer Erweiterung entgegensteht. Das kann auch dann gelten, wenn der Betrieb auch auf der Grundlage von § 34 BauGB hätte errichtet werden können (hier bejaht).

2. Bei der Festsetzung "einfacher" flächenbezogener Schallleistungspegel in einem Bebauungsplan bedarf - anders als bei der Festsetzung immissionswirksamer flächenbezogener Schallleistungspegel bzw. von Lärmemissionskontingenten - es keiner Bestimmung einer konkreten Berechnungsmethode.

3. Eine Höhenfestsetzung, die als unteren Bezugspunkt auf die Achse der Baustraße abstellt, kann wirksam sein.

4. Die Gliederung eines Mischgebiets dergestalt, dass in einem Teil des Gebiets aus Gründen des Immissionsschutzes die allgemeine Wohnnutzung ausgeschlossen ist, ist jedenfalls dann wirksam, wenn sich der Ausschluss auf weniger als die Hälfte des Mischgebiets erstreckt.

Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahren. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldnerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Erteilung eines auf die Zulässigkeit nach städtebaulichem Planungsrecht bezogenen Bauvorbescheids zur Erweiterung eines bestehenden A... -Marktes von 799 qm auf 1.200 qm Verkaufsfläche.

Die Klägerin, eine Immobiliengesellschaft der Firma A..., betreibt auf dem Grundstück A...-B...-Str. 2 einen Discountmarkt mit einer Verkaufsfläche von 799 qm und einer Geschossfläche von 1.497 qm. Das am westlichen Rand des Ortsteils südlich der Weetzener Landstraße gelegene Grundstück liegt in unmittelbarer Nachbarschaft eines K...-Marktes (ehemals r...) mit einer Verkaufsfläche von rund 7.000 qm, eines Gartencenters („Stanze“) mit einer Verkaufsfläche von rund 12.000 qm sowie weiterer gewerblicher Nutzungen. Der Bebauungsplan Devese 15 „Misch- und Gewerbegebiet südlich Weetzener Landstraße“ der Beigeladenen in der für das Grundstück maßgeblichen Fassung der 1. und 3. Änderung setzt ein Gewerbegebiet fest.

Die Planungshistorie für das Baugrundstück gestaltet sich wie folgt:

Der im November 1996 rechtswirksam gewordene Ursprungsplan setzte die bis dahin landwirtschaftlich genutzten, in das Eigentum der Beigeladenen übergegangenen Flächen südlich der Weetzener Landstraße, darunter das Baugrundstück, als Gewerbe- und Mischgebiet fest. Planungsziel war die Bereitstellung von gewerblich nutzbaren Flächen für einen breiten Branchenmix. Einzelhandel war grundsätzlich ausgeschlossen; dieser sollte auf einer weiter östlich an der Göttinger Landstraße gelegenen Fläche („Fläche 60“) angesiedelt werden. Für das Gewerbegebiet sah der Plan Emissionsbeschränkungen in Gestalt flächenbezogener Schallleistungspegel vor; die Pegel konnten um das Abschirmmaß schallabschirmender Hindernisse erhöht werden. In der Planbegründung wurde ausgeführt, dass die Pegel nach DIN 18005, Teil 1, Mai 1987, bestimmt worden seien.

Noch vor Ansiedlung erster Betriebe in dem Gebiet zeigte sich, dass die planerische Konzeption der Beigeladenen, Einzelhandel in Gestalt eines „Schwerpunktes für die überwiegend automobile Versorgung“ auf der Fläche 60 anzusiedeln, aufgrund mangelnder Verfügbarkeit dieser Fläche nicht zu realisieren war. Die Beigeladene nahm dies zum Anlass, das Gebiet mit einer 1. Änderung des Plans zu überplanen, ein gänzlich neues Nutzungs- und Erschließungssystem festzusetzen und den bestehenden Bebauungsplan - so explizit die Planbegründung - zu „ersetzen“. Die im Oktober 2000 rechtsverbindlich gewordene und im Amtsblatt für die Region Hannover vom 29. April 2021, nunmehr unter Hinweis auf die DIN 18005, Teil 1, Mai 1987 und die Einsichtnahmemöglichkeit in diese, mit Rückwirkung erneut bekannt gemachte 1. Änderung sieht bei grundlegend veränderten Flächenzuschnitten und Erschließungsanlagen weiterhin die Festsetzung von Gewerbe- und Mischgebieten vor. Einzelhandel ist grundsätzlich ausgeschlossen; auch die Festsetzungen zur Emissionsbegrenzung wurden im Wesentlichen übernommen. Die Planbegründung (S. 9-10) weist darauf hin, dass die Emissionsbegrenzung aufgrund der geplanten Wohnbebauung östlich des Schmalen Bruchfeldes erforderlich sei. Das Mischgebiet ist in der Weise gegliedert, dass Wohngebäude - ausgenommen Betriebswohnungen - in dem Bereich, der an das Gewerbegebiet angrenzt, ausgeschlossen sind. Im Gewerbegebiet ist die Zahl der Betriebswohnungen auf eine Wohnung pro Betrieb beschränkt. Begrenzt wird schließlich die Höhe baulicher Anlagen; Bezugshöhe ist die „Achse der Baustraße in dem Abschnitt, der das Grundstück erschließt, plus 0,20 m“. Aus dem Plangebiet ausgeklammert ist eine große, rund ein Viertel des Ursprungsplangebiets ausmachende Fläche im Nordosten, die mit dem vorhabenbezogenen Bebauungsplan „Einkaufszentrum Weetzener Landstraße“ überplant wurde und den ehemaligen real-Markt beherbergt (Grundstück A...-B...-Str.1).

Die Bebauung des Plangebiets vollzog sich in der Folgezeit entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans in der Fassung der 1. Änderung. Der real-Markt wurde im Februar 2001 eröffnet. Im Frühjahr 2002 richtete die Firma A... den Wunsch an die Beigeladene, auf dem im Eigentum der Beigeladenen stehenden Baugrundstück einen A... -Markt mit einer Verkaufsfläche von rund 700 qm zu errichten. Die Beigeladene stand diesem Wunsch positiv gegenüber. Sie veräußerte das Baugrundstück an die Klägerin und veranlasste in Abstimmung mit der Firma A... die 3. Änderung des Bebauungsplans mit dem Ziel, den Einzelhandelsausschluss für das Baugrundstück aufzuheben; dies untersagte die Beklagte im Jahr 2002 mit raumordnungsrechtlicher Verfügung. Nach einem längeren Rechtsstreit, der zugunsten der Beigeladenen entschieden wurde, trat die 3. Änderung im September 2005 in Kraft. Auf dem Baugrundstück sind nunmehr lediglich Einzelhandelsbetriebe im Sinne von § 11 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 BauNVO unzulässig. Der A... -Markt wurde in der heutigen Gestalt errichtet und in Betrieb genommen.

Unter dem 6./19. November 2015 beantragte die Klägerin unter Vorlage eines Verträglichkeitsgutachtens vom 11. August 2015 einen auf die Zulässigkeit nach städtebaulichem Planungsrecht bezogenen Bauvorbescheid zur Erweiterung der Verkaufsfläche des A... -Marktes auf 1.200 qm. Die Erweiterung sei zulässig, weil der Vorhabenstandort einen Versorgungsschwerpunkt im Stadtgebiet der Beigeladenen darstelle. Die Regelvermutung des § 11 Abs. 3 BauNVO sei widerlegt, weil die Grenze zur Großflächigkeit in einem überschaubaren Maß überschritten werde und es nur zu unwesentlichen Umsatzumverteilungen kommen werde. Diesen Antrag, den die Beigeladene befürwortet hatte, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 21. Dezember 2015 und Widerspruchsbescheid vom 22. September 2016 ab.

Die dagegen erhobene, maßgeblich auf eine Unwirksamkeit des einer Verkaufsflächenerweiterung entgegenstehenden Bebauungsplans gestützte Klage hat das Verwaltungsgericht Hannover mit dem angegriffenen Urteil vom 23. Oktober 2018 abgewiesen. Die Bebauungspläne seien wirksam. Soweit Festsetzungen in der 1. Änderung des Bebauungsplans zur zulässigen Höhe baulicher Anlagen sowie zu flächenbezogenen Schallleistungspegeln unbestimmt und daher unwirksam sein sollten, habe dies keinen Auswirkungen auf den Gesamtplan; dieser sei insoweit teilbar, die übrigen Festsetzungen ergäben weiterhin eine sinnvolle städtebauliche Ordnung und wären mit hoher Sicherheit auch dann so beschlossen worden, wenn die Beigeladene die Unwirksamkeit erkannt hätte. Gleiches gelte mit Blick auf die Begrenzung der Zahl zulässiger Betriebswohnungen. Wirksam und auch nicht funktionslos sei die interne Gliederung des Mischgebiets. Auf der Grundlage des Bebauungsplans in der Fassung der 1. und 3. Änderung sei das Vorhaben unzulässig, weil ihm § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO entgegenstehe. Eine atypische Fallgestaltung im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 4 BauNVO liege nicht vor.

Mit ihrer mit Beschluss des Senats vom 23. Juli 2020 zugelassenen Berufung trägt die Klägerin vor, die 1. Änderung des Bebauungsplans - und mit ihr die auf dieser Änderung aufbauende, dem Vorhaben entgegenstehende 3. Änderung - sei unwirksam. Die Höhenfestsetzung sei unbestimmt, weil die Baustraßen zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses nicht fertiggestellt gewesen seien und viele Baugrundstücke über mehr als eine Erschließung verfügten. Ebenso unbestimmt sei die Festsetzung von Schallleistungspegeln, weil es an Angaben dazu fehle, wie diese berechnet worden seien. Ob es sich um einfache oder immissionswirksame flächenbezogene Schallleistungspegel handele, sei unklar. In beiden Fällen sei eine Angabe erforderlich, nach welcher Methode die voraussichtliche Schallausbreitung berechnet werden solle. Für die Festsetzung der Zahl der zulässigen Betriebswohnungen sowie den Ausschluss von Wohnnutzungen im Randbereich zum Gewerbegebiet und damit auf rund 42 Prozent der Mischgebietsflächen fehle eine Ermächtigungsgrundlage. Jeder Fehler führe für sich genommen zur Gesamtunwirksamkeit der 1. Änderung des Bebauungsplans, weil das tragende Plankonzept betroffen sei und kein Anhaltspunkt dafür bestehe, dass die Beigeladene den Plan auch ohne die unwirksamen Festsetzungen so beschlossen hätte. Die Klägerin sei auch nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gehindert, sich auf die Unwirksamkeit der 1. und 3. Änderung des Bebauungsplans zu berufen. Zwar habe sie die 3. Änderung des Plans initiiert und deren Aufstellung begleitet. Das hindere sie aber nicht daran, ihren Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung gerichtlich prüfen zu lassen. Hinzu komme, dass sie originär die 1. und nicht die 3. Planänderung angreife. Auf der Grundlage von § 34 BauGB sei ihr Vorhaben zulässig, weil es in der näheren Umgebung bereits großflächigen Einzelhandel gebe und nachgewiesen sei, dass § 34 Abs. 3 BauGB nicht entgegenstehe.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des klageabweisenden Urteils vom 23. Oktober 2018 zu verpflichten, ihr auf ihren Antrag vom 19. November 2015 hin - unter Aufhebung des ablehnenden Bescheides vom 21. Dezember 2015 und des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2016 - einen positiven Bauvorbescheid für die Erweiterung des A... -Marktes auf dem Grundstück 30...H..., A...-B...-Str.2 (Gemarkung Devese, Flur 2, Flurstück 131/135) zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass der Bebauungsplan mit seinen dem Vorhaben entgegenstehenden Festsetzungen wirksam sei. Bei den schalltechnischen Beschränkungen handele es sich um einfache flächenbezogene Schallleistungspegel. Immissionswirksame flächenbezogene Schallleistungspegel hätten nicht festgesetzt werden können, weil auf lediglich perspektivisch zu errichtende Wohnbebauung habe Rücksicht genommen werden sollen. Demzufolge hätten bestimmte Immissionsorte nicht benannt werden können; darin liege aber ein Merkmal eines immissionswirksamen flächenbezogenen Schallleistungspegels, an den die Forderung nach einem definierten Berechnungsverfahren anknüpfe. Die Höhenfestsetzung sei hinreichend bestimmt, weil sie mit der Baustraße an eine klar ablesbare Referenz anknüpfe. Ohne Baustraße, die die Erschließung herstelle, habe eine Baugenehmigung nicht erteilt werden können. Auch aktuell sei die Höhenfestsetzung klar ablesbar, da die Differenz zwischen Baustraßen und fertigen Straßen ein technisch ziemlich eindeutiges Maß darstelle. Selbst wenn insofern einzelne Festsetzungen unwirksam seien, führe das nicht zur Gesamtunwirksamkeit des Plans; zudem hätte dies lediglich zur Folge, dass die Ursprungsfassung des Plans Anwendung finde, die dem Vorhaben ebenfalls entgegenstehe. Die Angriffe auf den Plan verstießen schließlich gegen Treu und Glauben, da die Klägerin die 3. Änderung des Bebauungsplans in Frage stelle, an der sie mitgewirkt und die erstmals Baurecht für den A... -Markt begründet habe. Auf der Grundlage von § 34 BauGB sei das Vorhaben ebenfalls unzulässig, weil es insbesondere schädliche Auswirkungen auf den zentralen Versorgungsbereich von Hemmingen-Westerfeld im Bereich Rathausplatz/Göttinger Landstraße habe. Der fast ausschließlich auf automobile Kundschaft ausgerichtete Standort am Ortsrand, wo auch der A... -Markt angesiedelt sei, lasse eine Weiterentwicklung des zentralen Versorgungsbereichs schon heute kaum zu. Eine weitere Steigerung der Attraktivität durch eine Erweiterung des A... -Marktes perpetuiere einen bereits heute bestehenden städtebaulichen Missstand.

Die Beigeladene trägt ohne Stellung eines Antrags vor, die 1. Änderung des Bebauungsplans sei wirksam. Die Höhenfestsetzung sei hinreichend bestimmt, weil die Baustraße im maßgeblichen Zeitpunkt der Planausnutzung fertiggestellt sein müsse und damit für jeden Betrachter die optischen Bezugspunkte erkennbar seien. Bei den flächenbezogenen Schallleistungspegeln handele es sich um solche einfacher und nicht immissionswirksamer Art. Diese hätten mangels vorhandener schutzwürdiger Bebauung und Bestimmbarkeit der Immissionsorte ihren Zweck, den Verbrauch der Emissionsmöglichkeiten durch ein einziges Vorhaben zu verhindern, erfüllt. Auch die Gliederung des Mischgebiets sei wirksam. Im Übrigen träfen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur bloßen Teilnichtigkeit zu und schließe sie sich den Ausführungen der Beklagten an.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung eines Bauvorbescheids gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 und 2 NBauO zur planungsrechtlichen Zulässigkeit einer Erweiterung der Verkaufsfläche ihres A... -Marktes von 799 qm auf 1.200 qm. Das nach § 30 Abs. 1 BauGB zu beurteilende Vorhaben ist mit den Festsetzungen des Bebauungsplans Devese 15 „Misch- und Gewerbegebiet südlich Weetzener Landstraße“ der Beigeladenen in der maßgeblichen Fassung der 1. und 3. Änderung unvereinbar (dazu unter I.). Die Klägerin ist nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gehindert, sich auf eine Unwirksamkeit des Bebauungsplans zu berufen (dazu unter II.); zudem ist der Bebauungsplan mit seinen dem Vorhaben entgegenstehenden Festsetzungen wirksam (dazu unter III.).

I. Der Bebauungsplan Devese 15 „Misch- und Gewerbegebiet südlich Weetzener Landstraße“, 3. Änderung, setzt für das Baugrundstück ein Gewerbegebiet gemäß § 8 BauNVO 1990 fest und bestimmt ergänzend, dass Einzelhandelsbetriebe im Sinne von § 11 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 BauNVO unzulässig sind. Der Plan lässt damit in Übereinstimmung mit § 8 Abs. 2 Nr. 1, § 11 Abs. 3 Satz 1 und 3 BauNVO grundsätzlich nur Einzelhandelsbetriebe unterhalb der Schwelle der Großflächigkeit zu. Diese Schwelle würde das Vorhaben mit rund 2.000 qm Geschossfläche und 1.200 qm Verkaufsfläche erheblich überschreiten.

Ein im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 4 BauNVO atypischer Fall, auf den sich die Klägerin in erster Instanz berufen hat, liegt - wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat und zwischen den Beteiligten im Berufungsverfahren auch nicht mehr ernstlich streitig ist - nicht vor. Gemäß § 11 Abs. 3 Satz 4 BauNVO gilt die Vermutung nicht nur unwesentlicher Auswirkungen auf die Verwirklichung der Ziele der Raumordnung und Landesplanung oder auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung für großflächige Einzelhandelsbetriebe nicht, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass solche Auswirkungen nicht vorliegen; dabei sind insbesondere die Gliederung und Größe der Gemeinde und ihrer Ortsteile, die Sicherung der verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung und das Warenangebot des Betriebs zu berücksichtigen.

Die in § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO enthaltene Vermutung kann daher nur dann widerlegt werden, wenn Abweichungen von der typischen Fallgestaltung bestehen. Diese können nach der vom Senat geteilten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auf der betrieblichen Seite darin bestehen, dass der Betrieb beschränkt ist auf ein eingeschränktes Warensortiment (z.B. nur Gartenbedarf), auf Artikel, die üblicherweise in Verbindung mit handwerklichen Dienstleistungen (z.B. Kraftfahrzeughandel mit Werkstatt) angeboten werden, auf solche, die in einer gewissen Beziehung zu gewerblichen Nutzungen stehen (Baustoffhandel, Büromöbelhandel) oder aus sonstigen Gründen einen großen Flächenbedarf aufweisen. Auf der städtebaulichen Seite können Abweichungen von der dem § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO zugrundeliegenden typischen Situation z.B. darin gesehen werden, dass der Einzugsbereich des Betriebs im Warenangebot bisher unterversorgt ist, dass zentrale Versorgungsbereiche an anderem Standort des Einzugsgebiets nicht geplant sind, oder dass der Betrieb in zentraler und für die Wohnbevölkerung allgemein gut erreichbarer Lage errichtet werden soll (BVerwG, Beschl. v. 3.5.2021 - 4 B 44.20 -, ZfBR 2021, 762 = juris Rn. 6).

Auf dieser Grundlage kommt die Annahme eines atypischen Falls nicht in Betracht. Dass betriebliche Besonderheiten nicht bestehen, hat bereits das von der Klägerin selbst vorgelegte Verträglichkeitsgutachten vom 11. August 2015 eingeräumt. Diese Einschätzung ist mit Blick darauf, dass ein in jeder Hinsicht typischer großflächiger Discountmarkt im Lebensmitteleinzelhandel entstehen soll, zutreffend. Das Vorhaben überschreitet hinsichtlich seiner Verkaufsfläche die Schwelle zur Großflächigkeit um die Hälfte und damit in gravierendem Umfang. Städtebauliche Besonderheiten liegen ebenfalls nicht vor. Der Vorhabenstandort liegt in einem am Ortsrand gelegenen Gewerbegebiet und ist weit überwiegend auf eine automobile Kundschaft ausgerichtet. Wohnbebauung, die den Standort für die eigene Nahversorgung nutzen könnte, ist im fußläufigen Umkreis von 700 bis 1.000 m nur untergeordnet, nämlich südlich und in geringem Umfang östlich des Plangebiets vorhanden. Die übrige Wohnbebauung liegt weiter entfernt und ist zudem nur über außerordentlich unattraktiv bzw. umwegig gestaltete Fußwegverbindungen an den Marktstandort angebunden. Demzufolge wird sich das Vorhaben ganz überwiegend über den Nahbereich hinaus und auf die übrigen Versorgungsstandorte, die ihrerseits schutzwürdig sind, auswirken. Die Beigeladene verfügt insbesondere über einen seit dem Jahr 2016 auch planerisch festgelegten zentralen Versorgungsbereich im Bereich des Rathausplatzes/Göttinger Landstraße. Selbst wenn dieser aufgrund fehlender größerer Märkte in seiner Versorgungsfunktion beeinträchtigt ist, kommt ihm auf Grund vielfältiger Einzelhandelsnutzungen, die durch ein ausgesprochen breites Dienstleistungsangebot und zahlreiche gastronomische Angebote ergänzt werden, eine Versorgungsfunktion über den unmittelbaren Nahbereich hinaus zu. Vor diesem Hintergrund greift die gesetzliche Regelvermutung, ein großflächiger Markt abseits eines Kern- bzw. Sondergebietes werde nicht nur unwesentliche Auswirkungen auf die lokale Versorgung haben, auch in diesem Fall ein.

II. Stehen dem Vorhaben die Festsetzungen des Bebauungsplans in der Fassung der 3. Änderung entgegen, ist es der Klägerin nach den Grundsätzen von Treu und Glauben, hier dem Verbot widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium), verwehrt, sich auf dessen Unwirksamkeit zu berufen (vgl. dazu BVerwG, Beschl. v. 19.12.2018 - 4 B 6.18 -, ZfBR 2019, 275 = juris Rn. 11; v. 11.2.2019 - 4 B 28.18 -, juris Rn. 6; beide m.w.N.). Ein widersprüchliches, gegenüber der Beigeladenen treuwidriges Verhalten folgt hier daraus, dass die Klägerin im Jahr 2002 die 3. Änderung des Bebauungsplans, die erstmals die Zulässigkeit von Lebensmitteleinzelhandel im Plangebiet begründet hat, selbst initiiert und begleitet hat. Grundlage der damaligen Abrede zwischen Klägerin und Beigeladener, zu deren Verwirklichung die Beigeladene das Baugrundstück zur Verfügung gestellt hat, war eine Begrenzung der Verkaufsfläche auf rund 700 qm, die im Gewerbegebiet realisierbar war. Diese Begrenzung war auch maßgeblich dafür, dass die in einer Untersagungsverfügung vom 28. November 2002 manifestierten raumordnungsrechtlichen Bedenken der Beklagten gerichtlich überwunden werden konnten (vgl. VG Hannover, Urt. v. 31.8.2004 - 4 A 2441/03 -, n.v.; Senatsbeschl. v. 7.9.2005 - 1 LA 310/04 -, n.v.), der Plan in Kraft gesetzt und die Baugenehmigung für den bestehenden Markt erteilt werden konnte. Mit ihrem Verhalten hat die Klägerin nach alledem einen Vertrauenstatbestand gesetzt, der sie heute hindert, sich gegenüber der Beigeladenen - und in der Folge auch gegenüber der Beklagten als Bauaufsichtsbehörde - auf eine Unwirksamkeit der ihrem Vorhaben entgegenstehenden 3. Planänderung zu berufen und auf diesem Weg eine Erweiterung des Marktes über die Schwelle der Großflächigkeit hinaus anzustreben.

Zu keiner anderen Betrachtung führt es, dass die Klägerin ihre Einwände gegen die Unwirksamkeit der 3. Änderung aus einer (vermeintlichen) Unwirksamkeit der 1. Änderung herleitet und sich die Unwirksamkeit der - unselbständigen - 3. Änderung lediglich als Folge ergeben soll. Richtig ist zwar, dass die Klägerin bei Unwirksamkeit der 1. Änderung zur Errichtung des A... -Marktes in bauplanungsrechtlicher Hinsicht nicht auf das Wohlverhalten der Beigeladenen angewiesen gewesen wäre. Sie hätte in diesem Fall schon damals mit einiger Aussicht auf Erfolg eine Baugenehmigung auf der Grundlage von § 34 BauGB beantragen und sich in diesem Zusammenhang auf die Vorbildwirkung des seit dem Jahr 2002 bestehenden real-Marktes berufen können. Selbst wenn die Klägerin aber auch ohne die 3. Änderung Baurecht hätte erlangen können, ist ihr Verhalten heute aus mehreren Gründen - jeweils selbstständig tragend und auch in der Gesamtschau - als treuwidrig anzusehen.

Erstens lässt die Klägerin bei ihrer Argumentation unberücksichtigt, dass sie jedenfalls deshalb auf die Kooperation der Beigeladenen angewiesen war, weil diese im Rahmen der Absprache das Baugrundstück zur Verfügung gestellt hat. Da das Plangebiet zunächst vollständig im Eigentum der Beigeladenen stand, hätte sie ohne die Absprache kein ausreichend großes Grundstück erlangen können. Die Überlassung des Grundstücks war mithin Teil der Absprache, die auch die Begrenzung der Verkaufsfläche auf rund 700 qm und die entsprechende planungsrechtliche Beschränkung umfasst hat. Aus dieser Absprache kann sich die Klägerin nach Treu und Glauben heute nicht einseitig lösen.

Zweitens hat sich die Klägerin bei Errichtung des A... -Marktes entschieden, mit der Beigeladenen kooperativ zusammenzuwirken und auf einen Angriff auf die 1. Änderung zu verzichten. Angesichts dessen stand die Beigeladene in den Auseinandersetzungen mit der Beklagten auf Seite der Klägerin; von ihren Abwehrmöglichkeiten - Umplanung, Veränderungssperre, Zurückstellung - hat sie keinen Gebrauch gemacht. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin dazu erläutert, sie bevorzuge stets ein kompromissorientiertes Vorgehen in Absprache mit der örtlichen Kommunalpolitik. Für den Senat ist nachvollziehbar, dass ein solches Vorgehen Vorteile bringt. Angesichts dessen durfte sich die Beigeladene hinsichtlich der Wirksamkeit ihrer Planungen aber auch darauf verlassen, dass diese bei unveränderter Sachlage auch in Zukunft nicht in Frage gestellt werden würde.

Die zwischenzeitlich verstrichene Zeit von rund 10 Jahren zwischen Inkrafttreten der 3. Planänderung und dem Bauantrag bzw. 17 Jahren bis zum heutigen Tag gestattet keine andere Bewertung des Verhaltens der Klägerin. Mit Blick darauf, dass ein realisierter und gelebter Bebauungsplan die bauliche Entwicklung des Plangebiets auf unbestimmte Zeit steuern will, kommt einer zeitlichen Betrachtung für sich genommen keine relevante Bedeutung zu. In diesem Fall kommt hinzu, dass eine Zeitspanne von maximal 17 Jahren deutlich unterhalb der Zeitspanne von mehreren Jahrzehnten liegt, auf die die Bauleitplanung typischerweise ausgerichtet ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.8.2000 - 4 CN 6.99 -, BVerwGE 112, 41 = BRS 63, Nr. 1 = juris Rn. 25).

Eine bedeutsame Änderung des Sachverhalts, die die Treuwidrigkeit der Berufung auf eine Unwirksamkeit der 1. und 3. Änderung relativieren könnte, liegt ebenfalls nicht vor. Die rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen, die im Jahr 2005 zur Zulassung allein eines Marktes unterhalb der Schwelle zur Großflächigkeit geführt haben, bestehen unverändert fort bzw. sprechen mit Blick auf den nunmehr planerisch festgelegten zentralen Versorgungsbereich um den Rathausplatz eher noch deutlicher gegen das Vorhaben der Klägerin, als dies im Jahr 2005 bereits der Fall war. Hinzu kommt, dass die Beklagte den Vorhabenstandort in Einklang mit den Wertungen des Baugesetzbuchs (insbes. § 1 Abs. 6 Nr. 7 und 8 a) BauGB) heute noch deutlicher als in der Vergangenheit als einen städtebaulichen Missstand ansieht.

Dass die Beigeladene dem Vorhaben der Klägerin positiv gegenübersteht und sich nach Beteiligung gemäß § 36 Abs. 1 Satz 3 BauGB, § 69 Abs. 1 NBauO zustimmend geäußert hat, schließt die Treuwidrigkeit nicht aus. Wie ihre Beteiligung am Berufungsverfahren zeigt, ist die Beigeladene zwar durchaus bereit, das Vorhaben im Rahmen des geltenden Baurechts - etwa als atypischen Fall im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 4 BauNVO - hinzunehmen. Eine Realisierung im Widerspruch zu den Festsetzungen des Bebauungsplans in der Fassung der 1. und 3. Änderung lehnt sie hingegen unzweideutig ab.

Soweit die Klägerin schließlich unter Bezugnahme auf ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (v. 10.10.2017 - 8 S 1465/15 -, n.v.) meint, eine Mitwirkung bei der Planaufstellung hindere sie nicht daran, einen nicht offensichtlich ausgeschlossenen Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung gerichtlich prüfen zu lassen, führt das nicht weiter. Die Zulässigkeit der Klage steht nicht in Frage. Nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts steht jedoch fest, dass das Verbot treuwidrigen Verhaltens daran hindern kann, die Unwirksamkeit der Festsetzungen eines Bebauungsplans im Klageverfahren auf Erteilung einer Baugenehmigung geltend zu machen (vgl. zum Sachverhalt, der dem Beschl. des BVerwG v. 11.2.2019 - 4 B 28.18 -, juris, zugrunde lag, VG Stuttgart, Urt. v. 20.5.2015 - 2 K 2227/12 -, juris Rn. 1 ff.).

III. Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen ist die Bebauungsplan in der Fassung der 1. und 3. Änderung mit seinen dem Vorhaben entgegenstehenden Festsetzungen wirksam.

1. Wirksam ist die mit der 1. Änderung in TF § 1 Nr. 1 erfolgte Festsetzung flächenbezogener Schallleistungspegel für die im Südosten des Plangebiets gelegenen gewerblichen Bauflächen. Dabei legt der Senat den Bebauungsplan dahingehend aus, dass eine Festsetzung lediglich „einfacher“ und nicht immissionswirksamer flächenbezogener Schallleistungspegel erfolgt ist.

Flächenbezogene Schallleistungspegel können als Gliederung des Baugebiets nach den besonderen Eigenschaften der Betriebe und Anlagen, nämlich nach ihrem Emissionsverhalten, auf § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO 1990 gestützt werden (vgl. nur BVerwG, Beschl. v. 18.12.1990 - 4 N 6.88 -, NVwZ 1991, 881 = BRS 50 Nr. 25 = juris Rn. 16). Mit der Festsetzung „einfacher“ flächenbezogener Schallleistungspegel als der ersten verbreiteten Methode der Lärmkontingentierung wird ein bestimmter Schallleistungspegel festgesetzt, der pro Flächeneinheit emittiert werden darf. Damit werden die mit Blick auf eine schutzbedürftige Nutzung insgesamt als verträglich angesehenen Emissionen auf Teilflächen einer Gesamtfläche verteilt, um zu verhindern, dass bereits der erste Betrieb das mögliche Gesamtlärmkontingent ganz oder weitgehend ausschöpft (vgl. Storr, Emissionskontingentierung nach DIN 45691 und ihre Anwendung im Genehmigungsverfahren, Lärmbekämpfung 2010, 196 f.). Zuverlässig verhindert wird dadurch ein „Windhundrennen“. Da die Ansiedlung der Schallquellen nicht genau bestimmt wird und Immissionsorte bei der Bestimmung der konkret zulässigen Emissionen keine Rolle spielen, ist dagegen eine Überschreitung von Immissionsrichtwerten im Genehmigungsverfahren nicht per se ausgeschlossen, sodass im Zweifel ein entsprechender Nachweis nach dem im Genehmigungsverfahren geltenden Regelwerk (bei Gewerbelärm der TA Lärm) zu führen ist. Erst in diesem Zusammenhang ist die Schallausbreitung von Relevanz.

Immissionswirksame flächenbezogene Schallleistungspegel berücksichtigen demgegenüber die Lage konkreter Immissionsorte in der Nachbarschaft. Sie stellen sicher, dass bei ihrer Einhaltung unabhängig von der konkreten Lage der Schallquelle eine Überschreitung von Immissionsrichtwerten nicht stattfindet. Aufgrund der Immissionswirksamkeit bedarf es der Festlegung der Berechnungsmethode zur Schallausbreitung, um das konkrete Immissionskontingent plankonform bestimmen zu können (vgl. nur Senatsurt. v. 9.9.2014 - 1 KN 215/12 -, BauR 2015, 61 = BRS 82 Nr. 88 = juris Rn. 32).

Mit Blick darauf versteht der Senat die Festsetzung im Bebauungsplan, 1. Änderung, so, dass entsprechend dem Wortlaut lediglich „einfache“ flächenbezogene Schallleistungspegel festgesetzt worden sind. Neben dem Wortlaut sprechen dafür die Systematik und der aus den planerischen Bedürfnissen bei Planaufstellung abzuleitende Regelungszweck. In systematischer Hinsicht ist zu berücksichtigen, dass TF § 1 Nr. 1 ausdrücklich die Möglichkeit einräumt, den Schallleistungspegel um das Schalldämmmaß einer Abschirmung zu erhöhen. Bei einem immissionswirksamen flächenbezogenen Schallleistungspegel wäre dies selbstverständlich und deshalb als Regelung überflüssig. Hinsichtlich des Sinns und Zwecks ist maßgeblich, dass - wie die Beklagte und die Beigeladene überzeugend vorgetragen haben - zum Zeitpunkt der Planaufstellung in der Nachbarschaft des Gewerbegebiets schutzwürdige Nutzungen lediglich im Flächennutzungsplan vorbereitet, aber noch nicht vorhanden waren. Demzufolge musste es der Beigeladenen vorrangig darum gehen, die Gesamtemission der gewerblichen Bauflächen im Südosten zu deckeln und ein „Windhundrennen“ um die insgesamt verträglichen Emissionen zu vermeiden. Der Schutz konkreter Immissionsorte war demgegenüber nicht erforderlich.

„Einfache“ flächenbezogene Schallleistungspegel unterliegen gegenüber immissionswirksamen flächenbezogenen Schallleistungspegeln geringeren Anforderungen. Da es nicht auf die Immissionswirksamkeit ankommt, bedarf es zur Ermittlung der im Ausgangspunkt zulässigen Ausnutzung der Bauflächen keiner Berücksichtigung konkreter Immissionsorte und demzufolge auch keiner Ausbreitungsberechnung. Infolgedessen muss nicht auf eine Berechnungsmethode hingewiesen werden, sondern maßgeblich ist allein die festgesetzte Schallemission pro Flächeneinheit. Soweit aufgrund der beschriebenen nur eingeschränkten Wirkung flächenbezogener Schallleistungspegel die Nachbarverträglichkeit eines Vorhabens gleichwohl in Frage steht, bedarf es im Genehmigungsverfahren zwar zusätzlich einer Einzelfallprüfung. Diese richtet sich indes nach dem anwendbaren Fachrecht und bedarf deshalb keiner ergänzenden Regelungen im Bebauungsplan. Vor diesem Hintergrund bedurfte es auch der erneuten Bekanntmachung nicht, zumal die DIN 18005, Teil 1, Mai 1987, auch kein Rechenwerk zur Bestimmung der Schallemissionen von Industrie und Gewerbe bereithält, sondern hinsichtlich der Emissionsseite auf die Möglichkeit von Messungen sowie sonstige technische Regelwerke verweist (vgl. Anhang 2, Nr. 4.5).

2. Wirksam ist die Höhenfestsetzung in TF § 3, die als unteren Bezugspunkt gemäß § 18 Abs. 1 BauNVO die Achse der Baustraße in dem Abschnitt, der das Grundstück erschließt, plus 0,20 m festsetzt.

Die Regelung begegnet keinen Bestimmtheitszweifeln. Insofern verlangt der aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Bestimmtheitsgrundsatz, Rechtsnormen - auch Festsetzungen eines Bebauungsplans - so präzise zu formulieren, dass Adressaten ihren Regelungsgehalt aus ihnen ableiten und mithin ihr Verhalten an ihnen ausrichten können; eine willkürfreie Handhabung durch Behörden und Gerichte muss möglich sein. Das erfordert allerdings nicht in jedem Fall, dass etwa die Berechnungsparameter einer Höhenbegrenzung bereits im Wortlaut der Norm vollständig ausformuliert sind. Ausreichend ist, wenn sich mit den üblichen Auslegungsmitteln der Bedeutungsgehalt der Festsetzung erschließen lässt. In diesem Rahmen fehlt es an der notwendigen Bestimmtheit nicht bereits dann, wenn mehrere Auslegungsergebnisse jeweils vertretbar wären. Erforderlich ist lediglich, dass eines davon in der Gesamtschau vorzugswürdig ist (vgl. Senatsurt. v. 10.11.2021 - 1 LB 78/19 -, BauR 2022, 443 = juris Rn. 43).

Gemessen daran ist die Inbezugnahme der Höhe der Baustraße plus 0,20 m keinen Bedenken ausgesetzt. Mit dieser Höhe wird auf einen Punkt in der Örtlichkeit Bezug genommen, der sich beim Beginn von Baumaßnahmen, die eine Fertigstellung der Baustraße voraussetzen, - wie der Vertreter der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung noch einmal anschaulich dargestellt hat - eindeutig bestimmen lässt (vgl. auch Senatsurt. v. 27.11.2019 - 1 KN 33/18 -, BauR 2020, 589 = juris Rn. 43). Soweit nicht auf einen bestimmten Punkt der Baustraße - etwa in der Gebäudemitte - Bezug genommen wird, ist die Festsetzung mit Blick auf die planerische Zielsetzung so auszulegen, dass es auf den jeweils nächstgelegenen Punkt der Achse der Baustraße ankommt; dies hat eine abgestufte maximale Höhe zur Folge (vgl. Senatsurt. v. 12.5.2015 - 1 KN 238/13 -, BauR 2015, 1300 = BRS 83 Nr. 44 = juris Rn. 25). Soll das Gebäude in einheitlicher Höhe errichtet werden, ist demzufolge der niedrigste Punkt der Achse der Baustraße im Bereich des Gebäudes maßgeblich. Unbedenklich ist auch, dass keine gesonderte Regelung für Eckgrundstücke vorliegt. Der Senat hat wiederholt entschieden, dass bei Mehrfacherschließungen die Höhenbegrenzung im Zweifel mit Blick auf beide Erschließungsstraßen einzuhalten ist (vgl. nur Senatsbeschl. v. 2.6.2020 - 1 MN 116/19 -, BauR 2020, 1269 = BRS 88 Nr. 17 = juris Rn. 22 m.w.N.). Bedenken mit Blick auf die Abwägungsgerechtigkeit wirft eine solche Auslegung angesichts des nahezu ebenen Geländes nicht auf.

Keine rechtlichen Bedenken folgen schließlich daraus, dass mit der Höhe der Baustraße auf einen temporären Zustand abgestellt wird, der nach dem Endausbau der Straßen in der Örtlichkeit nicht mehr (ohne weiteres) festzustellen ist. Die Vollzugsfähigkeit - und damit die Erforderlichkeit bzw. Abwägungsgerechtigkeit - der Norm steht deshalb nicht in Frage. Die Beigeladene hat dazu in der mündlichen Verhandlung überzeugend ausgeführt und beispielhaft belegt, dass sie die exakte Höhe der Baustraße und damit des unteren Bezugspunktes jederzeit mitteilen könne. Diese Höhe lasse sich aus dem Erschließungsplan ermitteln, der die Höhe der Straßen im Endausbau bezeichne. Von dieser Höhe seien 8 cm - das entspreche der obersten Asphaltschicht - abzuziehen, um die Höhe der Baustraße zu erhalten. Im Normvollzug ist damit zwar eine Nachfrage bei der Beigeladenen erforderlich. Das stellt jedoch mit Blick darauf, dass die Beigeladene ausschließlich eine vorrätig gehaltene Information übermittelt und ihr keine Wertungsspielräume verbleiben, die Vollzugsfähigkeit der Festsetzung nicht in Frage.

Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung die Frage aufgeworfen hat, ob tatsächlich in allen Fällen ein Auftrag von 8 cm auf die Baustraße erfolgt ist, folgen daraus ebenfalls keine Bedenken. Die Beigeladene hat dazu zwar ausgeführt, dass der Auftrag höher ausgefallen sein kann, wenn die oberste Schicht der Baustraße vor dem Endausbau wegen etwaiger Schäden abgefräst werden musste. TF § 3 stellt indes auf die Baustraße in einem unbeschädigten Zustand ab; auf diesen unbeschädigten Zustand wurden nach dem Ergebnis der Erörterung in der mündlichen Verhandlung stets 8 cm aufgetragen.

3. Rechtswirksam ist die Gliederung des Mischgebietes in TF § 2 Nr. 1 dergestalt, dass auf den in der Nachbarschaft des Gewerbegebiets gelegenen Mischgebietsflächen zur Schaffung einer „Pufferzone“ die allgemeine Wohnnutzung ausgeschlossen ist. Ermächtigungsgrundlage für diese Gliederung nach der Art der zulässigen Nutzung ist § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauNVO. Da Wohnnutzung in mehr als der Hälfte des Mischgebiets weiterhin möglich bleibt, stellt die Gliederung den Charakter des Mischgebiets als solches nicht in Frage (vgl. BayVGH, Urt. v. 3.8.2000 - 1 B 98.3122 -, BauR 2001, 208 = BRS 63 Nr. 75 = juris Rn. 20).

4. Ob die Begrenzung der maximalen Anzahl zulässiger Betriebswohnungen auf eine pro Betrieb wirksam ist (vgl. verneinend OVG NRW, Beschl. v. 28.6.2007 - 7 D 59/06.NE -, NuR 2008, 811 = juris Rn. 187 ff.), kann der Senat dahinstehen lassen. Die Unwirksamkeit dieser nur einen Randaspekt betreffenden und in der Planbegründung nicht erwähnten Regelung hätte - insofern ist dem Verwaltungsgericht beizupflichten - jedenfalls nicht die Gesamtnichtigkeit des Plans zur Folge. Im Gegenteil betont der Plan gerade das Ziel, dass die Betriebsinhaber im Gewerbegebiet gut sollen wohnen können (Planbegründung S. 4); das zeigt, dass betriebliche Wohnnutzungen eher erwünscht als unerwünscht waren. Ihre Begrenzung hatte demzufolge für den Rat der Beigeladenen kein Gewicht, das ihn - wäre ihm die Unwirksamkeit bekannt gewesen - zu einer Umplanung oder gar einem Planverzicht veranlasst hätte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 i.V. mit § 162 Abs. 3 VwGO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V. mit § 708 Nr. 10, § 709 Satz 2, § 711 Satz 1 und 2 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Verfahren in beiden Instanzen auf jeweils 180.000,- EUR festgesetzt; der Streitwertbeschluss des Verwaltungsgerichts vom 23. Oktober 2018 wird dementsprechend geändert.

Gründe

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1 GKG in Orientierung an Nr. 3 b) der Streitwertannahmen des Senats für bis zum 31. Mai 2021 eingegangene Verfahren (NdsVBl. 2002, 192). Da Gegenstand der gerichtlichen Beurteilung allerdings das Gesamtvorhaben mit einer Verkaufsfläche von 1.200 qm ist, ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts diese Gesamtfläche und nicht bloß die Fläche der Erweiterung der Streitwertbemessung zugrunde zu legen. Der Senat macht daher von seiner Befugnis Gebrauch, die Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG von Amts wegen zu ändern.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).