Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 10.06.2022, Az.: 5 ME 4/22
Anzeigepflicht; Befangenheit; Berufungskommission
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 10.06.2022
- Aktenzeichen
- 5 ME 4/22
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2022, 59893
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 20.12.2021 - AZ: 7 B 339/21
Rechtsgrundlagen
- § 21 Abs 1 S 1 VwVfG
- Art 33 Abs 2 GG
Fundstellen
- DÖV 2022, 876
- ZBR 2023, 123-126
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Für die Frage, ob in einem Verstoß der Berufungskommission gegen hochschulinterne Richtlinien betreffend den Umgang mit möglichen Befangenheiten ihrer Mitglieder im Rahmen eines Berufungsverfahrens ein die Rechtswidrigkeit der Berufungsentscheidung herbeiführender Verfahrensfehler liegt, kommt es darauf an, ob eine begründete Besorgnis der Befangenheit in Bezug auf das betreffende Mitglied tatsächlich besteht.
Tenor:
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 7. Kammer - vom 20. Dezember 2021 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen im Beschwerdeverfahren sind nicht erstattungsfähig.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 40.346,58 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Mit der Beschwerde verfolgt die Antragsgegnerin ihr Ziel weiter, die W3-Professur „Philosophie mit dem Schwerpunkt Ästhetik und Theorie der Künste“ mit der Beigeladenen zu besetzen.
Die Antragsgegnerin setzte im November 2018 eine Berufungskommission ein, zu deren Vorsitzender Frau Prof. Dr. F., Inhaberin der Professur für Mittlere und Neuere Kunstgeschichte am Institut für Kunstwissenschaft der Antragsgegnerin, gewählt wurde.
Im Juli 2019 schrieb die Antragsgegnerin die streitgegenständliche Stelle öffentlich aus. Es bewarben sich neben dem Antragsteller und der Beigeladenen 49 weitere Bewerber.
Der Antragsteller ist habilitierter Philosoph. In der Zeit vom 1. Oktober 2012 bis zum 30. September 2020 war er beauftragter Verwalter der Professur „Philosophie/Ästhetik mit dem Schwerpunkt Theorie der zeitgenössischen Künste“ (Besoldungsgruppe W 3) am Institut für Kunstwissenschaft der Antragsgegnerin.
Die Beigeladene ist promovierte Philosophin und seit 2010 Professorin für Designtheorie (Besoldungsgruppe W 2) an der Universität der Künste A-Stadt.
In der zweiten Sitzung der Berufungskommission am 7. November 2019 fand zunächst eine Befangenheitsüberprüfung der Berufungskommissionsmitglieder statt. Hierzu gaben die Kommissionsmitglieder nacheinander anhand der Bewerberliste an, ob gegenüber einzelnen Personen unter Berücksichtigung der „Handreichung des Präsidiums [der Antragsgegnerin] zum Umgang mit Befangenheiten in Berufungsverfahren gemäß Beschluss des Präsidiums vom 28.08.2019“ (im Folgenden: „Präsidiumshandreichung Befangenheiten“) die Besorgnis der Befangenheit bestehe. Eine Äußerung der Vorsitzenden der Berufungskommission, Frau Professorin Dr. F., zu einer möglichen Befangenheit ihrer Person im Verhältnis zum Antragsteller enthält das Protokoll der Kommissionssitzung nicht.
Im Anschluss an die Befangenheitsüberprüfung stellte die Berufungskommission in Bezug auf die streitgegenständliche Professur fest, dass neun Bewerber - darunter der Antragsteller und die Beigeladene - alle zwingenden gesetzlichen Voraussetzungen und alle in der Stellenausschreibung genannten erforderlichen Kriterien erfüllten. Die neun Bewerber wurden zur Vorlage von „entsprechenden Schriften“ aufgefordert.
Am 12. Dezember 2019 wählte die Berufungskommission in ihrer dritten Sitzung diejenigen Bewerber aus, die aufgrund der von ihnen vorgelegten Schriften zu einer hochschulöffentlichen Anhörung eingeladen werden sollten. Hierbei handelte es sich um den Antragsteller, die Beigeladene sowie drei weitere Bewerberinnen.
Die Anhörungen vom 21. Januar 2020 bestanden jeweils aus einem Vortrag, einem seminarähnlichen Gespräch mit Studierenden über ein sich aus dem Vortrag ergebendes Thema (dessen Gestaltung dem Bewerber überlassen war), einer Diskussion und einem Bewerbungsgespräch. Anschließend beschloss die Berufungskommission folgende Berufungsliste:
1. Rang: E.
2. Rang: G.
3. Rang: H..
In Bezug auf den Antragsteller entschied die Berufungskommission einstimmig, dass dieser nicht listenfähig sei.
Mit E-Mail vom 20. Mai 2020 unterrichtete die Antragsgegnerin den Antragsteller
darüber, dass hinsichtlich der streitgegenständlichen Professur ein Berufungsvorschlag verabschiedet worden sei, der nun dem Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur zur Entscheidung vorliege. Die Antragsgegnerin habe den Antragsteller nicht zur Berufung vorgeschlagen.
Der Antragsteller erhob Widerspruch, der durch Widerspruchsbescheid vom 26. August 2020 als unstatthaft zurückgewiesen wurde. Über die am 28. August 2020 beim Verwaltungsgericht Braunschweig erhobene Klage (7 A 333/20) ist bislang noch nicht entschieden worden. Ein erster Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (7 B 304/20 bzw. 5 ME 13/21) blieb mangels Vorliegen eines Anordnungsgrundes ohne Erfolg.
Am 8. März 2021 trat die Berufungskommission zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen, um die Prüfung der Befangenheit mehrerer Institutsmitglieder, u. a. der Berufungskommissionsvorsitzenden Frau Prof. Dr. F. wegen ihrer Zugehörigkeit zu dem Institut der Antragsgegnerin, an welchem auch der Antragsteller tätig war, nachzuholen und damit einen etwaigen Verfahrensfehler zu heilen (Bl. 305 ff./BA 005). Im Ergebnis stimmte die Berufungskommission jeweils gegen einen Ausschluss wegen Befangenheit.
Mit Schreiben vom 29. September 2021 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur der Beigeladenen den Ruf für die streitgegenständliche Professur erteilt habe. Diese habe den Ruf angenommen und werde voraussichtlich zum 1. April 2022 berufen.
Der Antragsteller hat am 8. Oktober 2021 beim Verwaltungsgericht Braunschweig erneut um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Das Verwaltungsgericht hat der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 20. Dezember 2021 im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, die W3-Professur „Philosophie/Ästhetik mit dem Schwerpunkt Theorie und Ästhetik der Künste“ endgültig zu besetzen, bis über die Bewerbung des Antragstellers erneut bestandskräftig entschieden wurde.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde.
Der Antragsteller tritt der Beschwerde entgegen.
Die Beigeladene hat im erstinstanzlichen Verfahren und im Beschwerdeverfahren weder einen Antrag gestellt noch Stellung genommen.
II.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin bleibt ohne Erfolg. Die mit der Beschwerde dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) beschränkt ist, rechtfertigen eine Abänderung der
vorinstanzlichen Entscheidung nicht.
1. Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes - GG - gewährt jedem Deutschen ein grundrechtsgleiches Recht auf Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Das hierin zum Ausdruck kommende Leistungsprinzip, welches auch bei der mit der Ernennung zum Professor verbundenen Besetzung von Lehrstühlen an Universitäten gilt (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 1.8.2006 - 2 BvR 2364/03 -, juris Rn. 17), eröffnet dem Einzelnen keinen Anspruch auf Beförderung bzw. auf Übertragung des begehrten Amtes, sondern gibt ihm lediglich Anspruch darauf, dass über seine Bewerbung ermessens- und beurteilungsfehlerfrei nach Maßgabe dieser Kriterien entschieden wird (sog. Bewerbungsverfahrensanspruch). Nach Art. 33 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG kann der unterlegene Bewerber in einem gerichtlichen Verfahren überprüfen lassen, ob er durch die Auswahlentscheidung in seinem subjektiv-öffentlichen Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG verletzt worden ist (BVerfG, Kammerbeschluss vom 28.11.2011 - 2 BvR 1181/11 -, juris Rn. 20). Die konkrete Stellenausschreibung und das daran anschließende Auswahlverfahren dienen der verfahrensmäßigen Absicherung des Bewerbungsverfahrensanspruchs der Bewerber (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28.2.2007 - 2 BvR 2494/06 -, juris Rn. 7). Um eine Durchsetzung der in Art. 33 Abs. 2 GG gewährleisteten Rechte sicherstellen zu können, erfordert der Bewerbungsverfahrensanspruch eine angemessene Gestaltung des Auswahlverfahrens (BVerfG, Kammerbeschluss vom 28.11.2011 - 2 BvR 1181/11 -, juris Rn. 21; Nds. OVG, Beschluss vom 19.1.2012 - 5 ME 464/11 -; Beschluss vom 27.5.2014 - 5 ME 60/14 -; Beschluss vom 28.6.2021 - 5 ME 50/21 -, juris Rn. 21).
Diese für beamtenrechtliche Konkurrentenstreitverfahren entwickelten Grundsätze beanspruchen auch bei der Besetzung einer Professorenstelle Geltung. Allerdings steht der Hochschule eine besondere, durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verfassungsrechtlich geschützte Beurteilungskompetenz über die Qualifikation eines Bewerbers für eine Hochschullehrerstelle zu. Aus diesem Grund kann die Auswahlentscheidung gerichtlich nur (eingeschränkt) daraufhin überprüft werden, ob sie verfahrensfehlerfrei zustande gekommen und ob der Beurteilungsspielraum überschritten worden ist, etwa weil die Entscheidung ersichtlich auf der Verkennung von Tatsachen oder auf sachfremden Erwägungen beruht (BVerwG, Urteil vom 20.10.2016 - BVerwG 2 C 30.15 -, juris Rn. 20). Dies gilt vor allem und in erster Linie für die Feststellung und Beurteilung der wissenschaftlichen Eignung und der notwendigen Lehrbefähigung der Bewerber (OVG Rh.-Pf., Beschluss vom 6.8.2018 - 2 B 10742/18 -, juris Rn. 5; Nds. OVG, Beschluss vom 2.5.2019 - 5 ME 68/19 -, juris Rn. 28). Im Hinblick auf Art. 33 Abs. 2 GG begegnet es keinen Bedenken, wenn eine Hochschule die maßgebliche Entscheidung über die Vergabe des Statusamts eines Professors durch Gremien vorbereiten lässt, sofern diese vorbereitenden Schritte - wie etwa die Bestimmung der zu einem Probevortrag einzuladenden Bewerber oder die Bewertung dieser Probevorträge - ihrerseits den verfahrensrechtlichen Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG genügen (BVerwG, Urteil vom 20.10.2016 - BVerwG 2 C 30.15 -, juris Rn. 21).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist das Beschwerdevorbringen der Antragsgegnerin nicht dazu geeignet, die Richtigkeit der vorinstanzlichen Entscheidung infrage zu stellen.
a) Die Antragsgegnerin dringt mit ihrem Einwand, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht einen relevanten Verfahrensfehler angenommen (Beschwerdebegründung - BB - vom 20.1.2022, S. 2 u. 5 ff. [Bl. 115 u. 118 ff./GA]), nicht durch. Das Verwaltungsgericht ist im Ergebnis zutreffend von einem die Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Auswahlentscheidung herbeiführenden Verfahrensfehler ausgegangen. Die Vorsitzende der Berufungskommission, Frau Prof. Dr. F., hätte wegen Besorgnis der Befangenheit nicht an der Berufungsentscheidung mitwirken dürfen.
Die Frage, ob Mitglieder der Berufungskommission einer Hochschule an der Mitwirkung in diesem Gremium gehindert sind, richtet sich gemäß § 1 Abs. 1 des Niedersächsischen Verwaltungsverfahrensgesetzes nach den Regelungen der §§ 20, 21 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) sowie nach den Regeln, welche sich die Antragsgegnerin in ihrer „Handreichung des Präsidiums zum Umgang mit Befangenheiten in Berufungsverfahren gemäß Beschluss des Präsidiums vom 28.8.2019“ (im Folgenden: „Präsidiumshandreichung Befangenheiten“) selbst auferlegt hat und an welche die Berufungskommission gebunden ist (Nds. OVG, Beschluss vom 28.6.2021 - 5 ME 50/21 -, juris Rn. 30).
Ausschussmitglieder können in Anwendung des § 21 Abs. 1, Abs. 2, § 20 Abs. 4 VwVfG (Besorgnis der Befangenheit) durch eine gesonderte Entscheidung von der Mitwirkung ausgeschlossen werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsführung zu rechtfertigen. Eine Besorgnis der Befangenheit liegt vor, wenn aufgrund objektiv feststellbarer Tatsachen nach den Gesamtumständen aus der Sicht eines vernünftigen Beteiligten des Verfahrens die Besorgnis nicht auszuschließen ist, ein bestimmter Amtsträger werde in der Sache nicht unparteiisch, unvoreingenommen oder unbefangen entscheiden (OVG M.-V., Beschluss vom 21.4.2010 - 2 M 14/10 -, juris Rn. 25; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 22. Auflage 2021, § 21 Rn. 13, 16).
Die „Präsidiumshandreichung Befangenheiten“ führt in Ziffer 2. verschiedene potentielle Ausschlussgründe in Form eines nicht abschließenden Fragenkatalogs auf. Danach bedarf es einer Einzelfallentscheidung über den Ausschluss ohne Mitwirkung des betroffenen Mitglieds, wenn Berufungskommissionsmitglieder oder Gutachter insbesondere mindestens eine der dort aufgelisteten Fragen bejahen. Unter der Nr. 12 findet sich die Frage:
„Gehören Sie zum selben Institut innerhalb der HBK oder zur selben wissenschaftlichen oder künstlerischen Einrichtung wie Bewerber*innen oder tritt dieser Fall durch einen bevorstehenden Wechsel ein?“
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Vorsitzende der Berufungskommission, Frau Prof. Dr. F., während des Berufungsverfahrens ebenso wie der Antragsteller (bis 30. September 2020) dem Institut für Kunstwissenschaft der Antragsgegnerin angehörte und sie dieses Institut zwischenzeitlich auch als Direktorin leitete. Dementsprechend wäre sie spätestens in der Sitzung der Berufungskommission vom 7. November 2019 dazu verpflichtet gewesen, die o. g. Frage mit „ja“ zu beantworten und diesen Umstand anzuzeigen. Anschließend hätte die Berufungskommission eine Einzelfallentscheidung über die Frage ihres Ausschlusses treffen müssen. Dass dies in der Sitzung vom 7. November 2019 oder zu einem späteren Zeitpunkt vor Abschluss des hochschulinternen Teils des Berufungsverfahrens geschehen wäre, lässt sich nicht feststellen. Es lag insofern, wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, ein Verstoß gegen die Vorgaben der „Präsidiumshandreichung Befangenheiten“ vor.
Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts - insoweit ist dem Beschwerdevorbringen zuzustimmen - folgt die Rechtswidrigkeit der Auswahlentscheidung jedoch nicht bereits allein aus dem Verstoß gegen die „Präsidiumshandreichung Befangenheiten“, denn nicht jede Verletzung der Offenbarungspflicht stellt ohne Weiteres zugleich einen selbstständigen weiteren Befangenheitsgrund dar (vgl. OVG Bremen, Beschluss vom 12.5.2015 – 2 B 40/15 -, juris Rn. 12).
Die relativen Ausschlussgründe des § 21 VwVfG unterscheiden sich von den absoluten Ausschlussgründen des § 20 VwVfG dadurch, dass das Mitwirkungsverbot nicht schon kraft Gesetzes eintritt, sondern es hierfür zunächst einer konstitutiven Entscheidung des Behördenleiters bzw. Ausschusses bedarf. Sobald ein Ausschuss - hier die Berufungskommission - Kenntnis von objektiven Umständen erhält, die potentiell geeignet erscheinen, eine Besorgnis der Befangenheit zu begründen, hat er über die Frage eines Ausschlusses des Betroffenen zu beraten und zu entscheiden. Im Rahmen dessen hat er zu prüfen, ob die Besorgnis der Befangenheit tatsächlich begründet ist (Herrmann/Tietze, Ausschluss und Befangenheit von akademischen Mitarbeitern als Mitglieder einer Berufungskommission, LKV 2015, 337 (342); a. a. O., Rn. 25b). Die Entscheidung ist gerichtlich voll überprüfbar; ein Ermessens- oder Beurteilungsspielraum besteht insoweit nicht (Schuler-Harms, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, 1. EL August 2021, § 21 VwVfG Rn. 36, 45). Die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Verfahrens sowie der getroffenen Endentscheidung hängt somit letztlich nicht von der Anordnung des Behördenleiters bzw. dem Beschluss des Ausschusses ab, sondern davon, ob tatsächlich eine (begründete) Besorgnis der Befangenheit bestand (Steinkühler, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG Kommentar, 2. Aufl. 2019, § 21 Rn. 45, 55; Raumsauer, a. a. O., 25b f.). Eine tatsächliche Befangenheit ist hierfür nicht erforderlich. Es genügt bereits der „böse Schein“ (Ramsauer, a. a. O., Rn. 16).
Die (begründete) Besorgnis der Befangenheit kann sich aus einer besonderen persönlichen Beziehung ergeben; Bekanntschaft, berufliche oder fachliche Zusammenarbeit
oder auch ein kollegiales Verhältnis reichen als solche nicht aus, um die Unparteilichkeit in Zweifel zu ziehen (Ramsauer, a. a. O., Rn. 17). Dementsprechend kann etwa allein die Zugehörigkeit zu ein und derselben Dienststelle die Besorgnis der Befangenheit nicht begründen. Auch gelegentliche private Kontakte sind insoweit unschädlich (OVG M.-V., Beschluss vom 21.4.2010 - 2 M 14/10 -, juris Rn. 26). In diesem Sinne gilt für akademische Berufungsverfahren, dass nicht jede Form von wissenschaftlicher Zusammenarbeit oder jede (frühere) berufliche oder akademische Verbundenheit eines Mitglieds der Berufungskommission mit einem Bewerber gleichsam automatisch die Annahme der Befangenheit begründet, weil ein gewisser wissenschaftlicher oder beruflicher Kontakt im wissenschaftlichen und universitären Bereich üblich ist (vgl. Hamb. OVG, Beschluss vom 8.7.2005 - 1 Bs 89/05 -, juris Rn. 16). Etwas anderes kann aber dann gelten, wenn sich aus dem beruflichen bzw. fachlichen Zusammenwirken eine besondere kollegiale Nähe, ein besonderes kollegiales Näheverhältnis entwickelt hat (OVG M.-V., Beschluss vom 21.4.2010 - 2 M 14/10 -, juris Rn. 26; Nds. OVG, Beschluss vom 28.6.2021 - 5 ME 50/21 -, juris Rn. 32; Ramsauer, a. a. O., Rn. 17). Umgekehrt vermag auch eine persönliche Abneigung oder gar Feindschaft nach den Umständen des Einzelfalls eine Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen, sofern sie sich in nachprüfbaren Tatsachen manifestiert hat (Ramsauer, a. a. O., Rn. 17). Entscheidend sind letztlich immer die Umstände des konkreten Einzelfalls, d. h. es ist danach zu fragen, ob in der Person des betreffenden Kommissionsmitglieds individuelle Gründe vorliegen, die seine Mitwirkung hinsichtlich eines Bewerbers angreifbar machen (Hamb. OVG, Beschluss vom 9.10.1998 - 1 Bs 214/98 -, juris Rn. 3 und Beschluss vom 8.6.2005 - 1 Bs 89/05 -, juris Rn. 16; Nds. OVG, Beschluss vom 28.6.2021 - 5 ME 50/21 -, juris Rn. 32).
Vorliegend führt die vorzunehmende Gesamtbetrachtung zu dem Ergebnis, dass in Bezug auf den Antragsteller die Besorgnis der Befangenheit der Vorsitzenden der Berufungskommission, Frau Prof. Dr. F., gegeben war. Die diesbezüglichen Ausführungen der Antragsgegnerin, wonach mangels besonderer kollegialer Nähe eine Besorgnis der Befangenheit nicht bestanden habe (BB, S. 7 f. [Bl. 120 f./GA]), greifen zu kurz.
Zwar vermochte der Umstand allein, dass Frau Prof. Dr. F. demselben Institut angehörte wie der Antragsteller und dieses zwischenzeitlich auch als Direktorin leitete, eine (begründete) Besorgnis der Befangenheit nach dem oben Gesagten noch nicht zu rechtfertigen. Auch wenn es sich bei dem Institut für Kunstwissenschaft um ein kleines Institut handelte, bestand eine intensivere dienstliche Zusammenarbeit, ein besonderes kollegiales oder gar privates/freundschaftliches Näheverhältnis zwischen dem Antragsteller und Frau Prof. Dr. F. unstreitig nicht. Der Kontakt beschränkte sich nach dem Vorbringen der Beteiligten offenbar im Wesentlichen auf das, was im Falle einer Zugehörigkeit zum selben Institut erforderlich und üblich ist. Der Antragsteller hat jedoch vorgetragen, die Vorsitzende der Berufungskommission habe im Sommersemester 2015 den Versuch unternommen, ihn wegen vermeintlicher Lehrdefizite aus dem Institut auszuschließen, was nur durch das Einschreiten der Kollegen des Fachbereichs Kunst habe verhindert werden können (Beschwerdeerwiderung vom 25.2.2022, S. 5 [Bl. 146GA] i. V. mit Schriftsatz vom 22.12.2020, S. 3 f. [Bl. 103 f./BA3]). Dieser Vortrag, mit dem der Antragsteller dem Zusammenhang nach hervorheben wollte, dass eine freundschaftliche Beziehung zwischen ihm und der Vorsitzenden der Berufungskommission keineswegs bestand, ist von der Antragsgegnerin nicht bestritten worden und wirft die Frage auf, ob Frau Prof. Dr. F. zu einer unvoreingenommenen Beurteilung jedenfalls der Eignung des Antragstellers für die Lehre im Rahmen des Berufungsverfahrens noch in der Lage war. Ferner hat Frau Prof. Dr. F. die „Präsidiumshandreichung Befangenheiten“ und die darin vorgegebene Verfahrensweise in Bezug auf ihre eigene Person nicht beachtet, so dass ihr Umgang damit aus der maßgeblichen Perspektive eines vernünftigen Beteiligten problematisch ist. Der Berufungsakte ist zu entnehmen, dass die Berufungskommission in ihrer Sitzung am 7. November 2019 unter dem Tagesordnungspunkt 3.2 („Prüfung von Befangenheiten der Berufungskommissionsmitglieder“) nacheinander die Liste der Bewerber durchging und die Kommissionsmitglieder nacheinander angaben, ob gegenüber einzelnen Personen die Besorgnis der Befangenheit bestand (Bl. 251 f./BA 005). Auf die „Präsidiumshandreichung Befangenheiten“ wird im Protokoll zu jener Sitzung explizit Bezug genommen und sodann festgehalten, dass das externe Mitglied I. aus der Berufungskommission ausgeschieden sei, da im Hinblick auf zwei der Bewerber absolute Befangenheitsgründe im Sinne von Nr. 8 und Nr. 9 der „Präsidiumshandreichung Befangenheiten“ vorlägen. Auch für die zeitgleich ausgeschriebene Professur „Kunstwissenschaft mit dem Schwerpunkt Kunst der Gegenwart“ wurde das Vorliegen absoluter und relativer Ausschlussgründe einzelner Kommissionsmitglieder in Bezug auf bestimmte Bewerber in jener Sitzung der Berufungskommission thematisiert. Dass Frau Prof. Dr. F. diese Situation, in der sich dies geradezu aufdrängte, nicht zum Anlass nahm, auch in Bezug auf sich selbst - wie von der „Präsidiumshandreichung Befangenheiten“ vorgeschrieben - eine potentielle Besorgnis der Befangenheit in Bezug auf den Antragsteller anzuzeigen und einen Beschluss der Berufungskommission herbeizuführen, erstaunt und irritiert zugleich. Ihre diesbezügliche Passivität begründet jedenfalls in der Zusammenschau mit der zuvor dargestellten - nicht bestrittenen - Vorgeschichte aus Sicht des vernünftigen Beteiligten einen „bösen Schein“ und lässt es zweifelhaft erscheinen, dass sie die für die Wahrung der Chancengleichheit erforderliche Neutralität und Unvoreingenommenheit gegenüber dem Antragsteller besaß, zumal sie auch im Februar 2020, als die Frage einer möglichen Befangenheit des studentischen Berufungskommissionsmitglieds J. aufkam, eine mögliche eigene Befangenheit wiederum nicht anzeigte.
Nach alledem hätte die Berufungskommission ihre Vorsitzende, Frau Prof. Dr. F., wegen der Besorgnis der Befangenheit im Beschlusswege von der weiteren Mitwirkung ausschließen müssen. Da dies nicht geschehen ist, war die Berufungskommission jedenfalls ab der dritten Sitzung am 12. Dezember 2019 fehlerhaft besetzt.
b) Dieser Verfahrensfehler hatte auch die Fehlerhaftigkeit der Auswahlentscheidung zur Folge.
Gegenteiliges kann auch § 46 VwVfG nicht entnommen werden. Nach dieser Vorschrift kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Eine Beeinflussung der Auswahlentscheidung kann hier - auch wenn die Entscheidung, dass der Antragsteller nicht listenfähig sei, laut Protokoll einstimmig getroffen worden sein soll - indes nicht ausgeschlossen werden. Denn bei einer kollegial zu treffenden Entscheidung kann eine von der Mitwirkung ausgeschlossene Person schon durch ihre Teilnahme an der Beratung Einfluss auf die anderen Organmitglieder ausüben und diese zu einem bestimmten Abstimmungsverhalten veranlassen (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26.5.2014 - 19 B 203/14 -, juris Rn. 31 [zur Beachtlichkeit eines Besetzungsfehlers in einer Ordnungskonferenz in Bezug auf das Ergebnis der dortigen Entscheidung]; BVerwG, Urteil vom 28.6.2018 - BVerwG 2 C 14.17 -, juris Rn. 32 [zur Beachtlichkeit der fehlerhaften Teilnahme eines Mitglieds an einer Sitzung eines Hochschulsenats in Bezug auf das dortige Abstimmungsergebnis]). Dies gilt umso mehr, wenn es sich bei dem auszuschließenden Mitglied - wie hier - um die Vorsitzende des Kollegialorgans handelt (so bereits Nds. OVG, – Beschluss vom 28.5.2021 - 5 ME 50/21 -, juris Rn. 54).
c) Der Antragsteller kann nach alledem beanspruchen, dass über seine Bewerbung erneut rechtsfehlerfrei entschieden wird. Dem entsprechenden Anordnungsanspruch steht keine fehlende Erfolgsaussicht, bei einer erneuten Auswahlentscheidung zum Zuge zu kommen, entgegen. Der Auffassung der Antragsgegnerin, dass die Bewerbung des Antragstellers auch bei einer erneuten Auswahlentscheidung keine Aussicht auf Erfolg habe, weil die Berufungskommission ihn eindeutig und einstimmig für nicht listenfähig gehalten und mindestens drei Mitbewerberinnen für besser geeignet angesehen habe (BB, S. 9 f. [Bl. 122 f./GA]), ist nicht zu folgen. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, dürfen die diesbezüglichen Anforderungen nicht überspannt werden, sodass es bereits genügt, wenn die Auswahl unterlegenen Bewerbers nicht vollkommen ausgeschlossen erscheint. So ist es hier. Denn abgesehen davon, dass der Antragsteller bereits zum Kreis der besten fünf Bewerber, die zu einer Anhörung eingeladen wurde, gehörte, ist es nicht auszuschließen, dass eine Berufungskommission, in der kein wegen Besorgnis der Befangenheit ausgeschlossenes Mitglied mitwirkt, zu einer abweichenden Beurteilung der Bewerber kommen wird.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die außergerichtlichen
Kosten der Beigeladenen im Beschwerdeverfahren waren nicht gemäß § 162 Abs. 3 VwGO aus Billigkeitsgründen der Antragsgegnerin aufzuerlegen, weil die Beigeladene in diesem Verfahren keinen Antrag gestellt und sich deshalb auch keinem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 40, 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 6 Satz 4 i. V. m. Satz 1 Nr. 1 GKG und folgt der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).