Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 22.06.2022, Az.: 1 MN 28/22
Antragsbefugnis; Fernwirkung; Lärm; Lärmzunahme; Logistikzentrum; Verkehr; Verkehrsbelastung; Verkehrszunahme
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 22.06.2022
- Aktenzeichen
- 1 MN 28/22
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2022, 59592
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 1 Abs 7 BauGB
- § 47 Abs 2 S 1 VwGO
Tenor:
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird auf 50.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen den vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 02/17, der die Errichtung eines regionalen Logistikzentrums der Beigeladenen ermöglicht; sie rügt insbesondere eine Zunahme des Verkehrslärms im Bereich ihrer in der Nähe gelegenen Gewerbeimmobilien.
Die Antragstellerin ist (Mit)Eigentümerin bzw. Nutzungsberechtigte der in einem Gewerbegebiet liegenden Grundstücke G. H. und I. im Stadtgebiet der Antragsgegnerin. Beide Grundstücke sind mit großzügigen Gewerbeimmobilien bebaut, die ein Tagungshotel, ein Restaurant sowie verschiedene Büronutzungen beherbergen. Sie liegen südlich der im Bereich der Anschlussstelle C-Stadt mit sechs Fahrspuren zuzüglich Nebenfahrbahnen sowie Lärmschutzwänden ausgestatteten Autobahn 2 und einer autobahnparallel geführten Verbindungsstraße, die die Abfahrtrampe aus Richtung F-Stadt sowie die Westtangente mit der Bundesstraße 443 - diese quert das Stadtgebiet der Antragsgegnerin in Nord-Süd-Richtung - verbindet. Eine direkte Verbindung der Grundstücke der Antragstellerin zu den vorgenannten Straßen besteht nicht; erschlossen werden diese über die Straße J..
Das von der Beigeladenen geplante, von den Grundstücken der Antragstellerin rund 300 m (Luftlinie) entfernt gelegene Logistikzentrum, das von der Firma Aldi genutzt werden soll, soll nördlich der Autobahn 2 und der ebenfalls nördlich der Autobahn geführten Westtangente entstehen. Der angegriffene vorhabenbezogene Bebauungsplan setzt in seinem Teilgeltungsbereich A auf einer unmittelbar nördlich der Anschlussstelle C-Stadt gelegenen Ackerfläche, die im Nordosten an ein bestehendes Gewerbegebiet anschließt, ein Sondergebiet Logistikzentrum fest. Geplant ist ausweislich des Vorhaben- und Erschließungsplans die Errichtung eines Trocken- und eines Kühllagers sowie großzügiger Stellplatz- und Verkehrsflächen. Im Norden und Nordosten des Sondergebiets bleibt das im Vorhaben- und Erschließungsplan beschriebene Vorhaben hinter den planerischen Festsetzungen zurück; in der Planbegründung heißt es dazu, dass künftige Erweiterungen auf der Basis eines ergänzten oder geänderten Durchführungsvertrages umgesetzt werden können.
Das Logistikzentrum soll einen planerisch festgesetzten und im Vorhaben- und Erschließungsplan im Einzelnen beschriebenen eigenen Anschluss an die Westtangente erhalten, der Fahrbeziehungen in alle Richtungen ermöglicht. Vorgesehen ist ferner eine Veränderung der Führung des aus Richtung F-Stadt von der Autobahn 2 abfahrenden Verkehrs, der Ziele nördlich der Autobahn ansteuert. Während dieser Verkehrs gegenwärtig mangels einer Abbiegemöglichkeit von der Abfahrtrampe auf die nördliche Westtangente geradeaus bis zur Einmündung der autobahnparallelen Verbindungsstraße in die Bundesstraße 443 fahren muss und erst dort nach Passieren der Grundstücke der Antragstellerin nach Norden abbiegt, wird der Verkehr zukünftig direkt auf die Westtangente nördlich der Autobahn 2 abgeleitet. Der Bebauungsplan trifft in seinem Teilgeltungsbereich D die dafür notwendigen, mit der zuständigen Straßenbauverwaltung abgestimmten Festsetzungen.
Die Antragstellerin erhob bereits im Planaufstellungsverfahren zahlreiche Einwendungen, mit denen sie neben einer Verletzung objektiven Rechts vor allem eine Zunahme der Lärm- und Verkehrsbelastung ihres Grundstücks rügte. Diesen Einwendungen trug die Antragsgegnerin teilweise dadurch Rechnung, dass sie den Teilgeltungsbereich D mit der Abbiegemöglichkeit von der Abfahrtrampe aus Richtung F-Stadt auf die nördliche Westtangente in den Plan aufnahm. Im Übrigen wies der Rat der Antragsgegnerin die Einwendungen zurück und beschloss den Plan am 21. Juli 2021 als Satzung. Die Bekanntmachung erfolgte nach Ausfertigung unter dem 17. Februar 2022 im gemeinsamen Amtsblatt für die Region F-Stadt und die Landeshauptstadt F-Stadt. Am selben Tag erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen die - von der Antragstellerin mit einem Widerspruch angefochtene - Baugenehmigung zur Errichtung des Vorhabens in dem im Vorhaben- und Erschließungsplan sowie im Durchführungsvertrag vorgesehenen Umfang.
Die Antragstellerin hat am 2. März 2022 Normenkontroll- und Normenkontrolleilantrag gestellt. Ihre Antragsbefugnis leitet sie aus zusätzlichen Verkehrsbelastungen ihrer gewerblich genutzten, an der Verbindungsstraße zwischen der Autobahnabfahrt und der Bundesstraße 443 gelegenen Grundstücke her. Die daraus resultierende Lärmbelastung sei höher, als die Antragsgegnerin angenommen habe. Ihr stehe auch ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite, denn die erteilte Baugenehmigung schöpfe den Inhalt des angegriffenen Bebauungsplans nicht völlig aus. Der Bebauungsplan sehe die Möglichkeit der Erweiterung über den im Vorhaben- und Erschließungsplan festgelegten Umfang hinaus vor; hierzu bedürfe es nur einer Änderung des Durchführungsvertrags, nicht aber des Bebauungsplans selbst. Ihr lägen Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beigeladene die Errichtung eines zweiten Bauabschnitts schon heute wenigstens vorbereite. In der Sache sei der Plan verfahrens- und abwägungsfehlerhaft. Die Antragsgegnerin habe insbesondere die Belange des Verkehrs und des Immissionsschutzes, der Entwässerung und der Natur und Landschaft nicht ausreichend ermittelt und fehlerhaft beurteilt.
Die Antragstellerin beantragt,
den vorhabenbezogenen Bebauungsplans Nr. 02/17 „Gewerbegebiet C-Stadt-Nord 3 - Erweiterung“ der Antragsgegnerin, bekannt gemacht am 17. Februar 2022, bis zur Entscheidung in der Hauptsache außer Vollzug zu setzen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zu verwerfen, hilfsweise abzulehnen.
Sie hält den Antrag für unzulässig, weil es der Antragstellerin an der Antragsbefugnis sowie am Rechtsschutzbedürfnis fehle. Ihre von weiterer gewerblicher Nutzung umgebenen Grundstücke lägen jenseits der Autobahn 2 und mit Blick auf den Verkehr nicht mehr im Einwirkungsbereich des Vorhabens; maßgeblich sei insofern die Straßenentfernung, nicht die Luftlinie. Einer vorhabenbedingten Verkehrsmehrbelastung sei die Antragstellerin nicht ausgesetzt. Aufgrund der zu schaffenden Abbiegemöglichkeit von der Abfahrtrampe auf die nördliche Westtangente seien in Höhe ihrer Grundstücke vielmehr günstigere Verkehrsverhältnisse zu erwarten. Zudem fehle das Rechtsschutzinteresse, weil die erteilte Baugenehmigung die Festsetzungen des Bebauungsplans in Verbindung mit dem Vorhaben- und Erschließungsplan im Wesentlichen ausschöpfe. Eine Erweiterung darüber hinaus sehe der Durchführungsvertrag nicht vor; eine Änderung habe die Beigeladene nicht beantragt. Der Antrag sei zudem unbegründet; es fehle ihm an der gebotenen Eilbedürftigkeit. In der Sache sei der Plan frei von Rechtsfehlern.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und sich nicht zur Sache geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen.
II.
Der Normenkontrolleilantrag hat keinen Erfolg. Er ist unzulässig, weil der Antragstellerin jedenfalls die Antragsbefugnis fehlt.
Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist im Normenkontrollverfahren und ebenso im Normenkontrolleilverfahren eine Person nur antragsbefugt, wenn sie geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Ist ein Antragsteller Eigentümer oder Nutzer von Grundstücken außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs eines Bebauungsplans, kann die Antragsbefugnis insbesondere aus dem subjektiven Recht auf gerechte Abwägung der eigenen Belange aus § 1 Abs. 7 BauGB folgen. Das dort normierte bauplanungsrechtliche Abwägungsgebot gewährt ein subjektives Recht. Der Betroffene kann verlangen, dass seine eigenen Belange in der Abwägung entsprechend ihrem Gewicht „abgearbeitet“ werden. Ein Antragsteller kann sich daher im Normenkontrollverfahren darauf berufen, dass seine abwägungserheblichen privaten Belange möglicherweise fehlerhaft abgewogen wurden. In diesem Fall obliegt es ihm, einen eigenen Belang als verletzt zu bezeichnen, der für die Abwägung beachtlich war (vgl. zusammenfassend BVerwG, Beschl. v. 28.10.2020 - 4 BN 44.20 -, juris Rn. 7 m.w.N.).
Das Interesse des Eigentümers eines Grundstücks außerhalb des Plangebiets, von einer Lärmzunahme aufgrund des Zu- und Abfahrtsverkehrs zum Plangebiet verschont zu bleiben, kann nach den Umständen des Einzelfalls einen abwägungserheblichen Belang darstellen, wenn sich der durch die Planung ausgelöste Verkehr innerhalb eines räumlich überschaubaren Bereichs bewegt und vom übrigen Straßenverkehr unterscheidbar ist. In diesem Fall gehört eine planbedingte Zunahme des Verkehrslärms auch unterhalb der Grenzwerte zum Abwägungsmaterial. Ist der Lärmzuwachs allerdings nur geringfügig, geht er mithin über die Bagatellgrenze nicht hinaus oder wirkt er sich nur unwesentlich auf das Nachbargrundstück aus, so muss er nicht in die Abwägung eingestellt werden (vgl. zusammenfassend BVerwG, Beschl. v. 1.7.2020 - 4 BN 49.19 -, BRS 88 Nr. 170 = juris Rn. 8 m.w.N; zu alledem auch Senatsbeschl. v. 21.2.2022 - 1 MN 160/21 -, BauR 2022, 911 = juris Rn. 13 ff.). Nach diesen Maßgaben hat die Antragstellerin einen eigenen abwägungserheblichen Belang nicht geltend gemacht. Weder ist ein etwaiger Mehrverkehr in Höhe ihres Grundstücks dem Vorhaben der Beigeladenen zuzurechnen (dazu unter 1.), noch überschreitet ein eventueller Lärmzuwachs die Bagatellgrenze (dazu unter 2.).
1.
a) Der Senat lässt offen, ob eine Zurechnung eines Mehrverkehrs in Höhe des Grundstücks der Antragstellerin schon daran scheitert, dass dieser sich nicht mehr in den Grenzen des räumlich überschaubaren Bereichs bewegt. Zur Bestimmung des in der Bauleitplanung zu betrachtenden räumlich überschaubaren Bereichs orientiert sich der Senat im Ausgangspunkt an Nr. 7.4 Abs. 2 TA-Lärm (vgl. BVerwG, Beschl. v. 13.12.2007 - 4 BN 41.07 -, NVwZ 2008, 426 = BRS 71 Nr. 6 = juris Rn. 6). Danach sind Geräusche des An- und Abfahrtsverkehrs auf öffentlichen Verkehrsflächen in einem Abstand von bis zu 500 m von dem Betriebsgrundstück in bestimmten Gebieten durch Maßnahmen organisatorischer Art soweit wie möglich zu vermindern. Dieser Abstand, mit dem die TA-Lärm den möglichen verkehrlichen Einwirkungsbereich einer Anlage bemisst, markiert bei typisierender Betrachtung die Schwelle, oberhalb derer Verkehr einer Anlage nicht mehr zugerechnet werden kann (vgl. Senatsbeschl. v. 21.2.2022 - 1 MN 160/21 -, BauR 2022, 911 = juris Rn. 15). Vor diesem Hintergrund trifft es zwar zu, dass die Grundstücke der Antragstellerin von der südlichen Grenze des Teilgeltungsbereichs A des Bebauungsplans nur rund 300 m entfernt liegen. Diese Entfernung entspricht indes der Luftlinie, nicht der Entfernung, die auf öffentlichen Straßen zurückzulegen ist, um von dem Vorhabenstandort zu den Grundstücken der Antragstellerin zu gelangen. Diese Straßenentfernung dürfte indes - die Antragsgegnerin wendet dies voraussichtlich zu Recht ein - mit Blick auf den Sinn und Zweck der Überlegungen maßgeblich sein und liegt selbst bei der für die Antragstellerin günstigsten Betrachtung von der Einmündung der Vorhabenerschließung in die Westtangente bis zum südwestlichen Kreuzungsbereich der Verbindungsstraße mit der Bundesstraße 443 wohl schon bei gut 500 m und damit - wenn auch knapp - oberhalb der 500-m-Schwelle. Die weiteren Umstände des Einzelfalls sprechen klar dagegen, die Grundstücke der Antragstellerin noch dem räumlich überschaubaren Umfeld des Vorhabens zuzuordnen. Die trennende Wirkung der Autobahn, die den ganz überwiegenden Teil des vorhabenbedingten Mehrverkehrs ohne wahrnehmbare Auswirkungen auf die Antragstellerin aufnimmt, ist gravierend; sie wirkt in physischer wie auch in schallimmissionstechnischer Hinsicht als Barriere zwischen dem Vorhaben und den Antragstellergrundstücken.
b) Ungeachtet dessen kommt eine Zurechnung eines Mehrverkehrs in Höhe der Grundstücke der Antragstellerin jedenfalls deshalb nicht in Betracht, weil dieser vom übrigen Straßenverkehr nicht mehr unterscheidbar ist. In die Betrachtung einzubeziehen sind dabei vorrangig die Verbindungsstraße südlich der Autobahn 2 in Grundstückshöhe sowie die Bundesstraße 443 südlich der Einmündung der Verbindungsstraße, also westlich des Grundstücks der Antragstellerin. Für beide Straßen ergibt sich aus den von der Beigeladenen eingeholten Verkehrsuntersuchungen, namentlich der Machbarkeitsstudie aus Juni 2020, dass der vorhabeninduzierte Verkehr keinen bzw. nur einen geringfügigen Teil der Verkehrsmenge ausmacht.
Zu dem Verkehr auf der südlichen Verbindungsstraße in Höhe der Grundstücke der Antragstellerin wird das nördlich der Autobahn gelegene Vorhaben voraussichtlich nicht beitragen. Aufgrund der neu zu schaffenden Abbiegemöglichkeit von der Abfahrtrampe auf die nördliche Westtangente wird der Verkehr, der das Plangebiet aus Richtung F-Stadt erreichen möchte, diese direkte Route wählen. Vorhabenbedingter Verkehr wird die südliche Verbindungsstraße lediglich nutzen, um auf die Autobahn 2 in Fahrtrichtung Berlin zu gelangen. Der Abstand zwischen der westlichsten Gewerbeimmobilie der Antragstellerin und der Zufahrt beträgt jedoch rund 130 m, sodass zweifelhaft ist, ob die Antragstellerin diesen Verkehr angesichts der alles überlagernden Belastung durch die Autobahn 2 überhaupt wahrnimmt. Jedenfalls ist an dieser Stelle bereits eine Vermischung mit dem allgemeinen Verkehr eingetreten. Auf der Verbindungsstraße nimmt die Gesamtverkehrsbelastung aufgrund der Abbiegemöglichkeit von der Abfahrtrampe auf die nördliche Westtangente von 8.700 Fahrzeugen/Werktag im Planungsnullfall (2030) auf 8.250 Fahrzeuge/Werktag im Planfall (2030) ab. Davon sind nur 200 Fahrzeuge vorhabenbedingt. Dieser geringe Anteil von weniger als 2,5 Prozent ist vom allgemeinen Verkehr nicht zu unterscheiden; er geht darin auf.
Auf der Bundesstraße 443 in Höhe der Grundstücke der Antragstellerin nimmt der Verkehr von 16.650 Fahrzeugen/Werktag im Planungsnullfall auf 17.050 Fahrzeuge/Werktag im Planfall zu. Der vorhabeninduzierte Verkehr von 400 Fahrzeugen beträgt damit ebenfalls nicht einmal 2,5 Prozent des Gesamtverkehrs. Insofern gelten die vorstehenden Ausführungen auch hier.
Eine der Antragstellerin günstige Betrachtung ergäbe sich auch dann nicht, wenn man trotz fehlender Darlegung im gerichtlichen Verfahren - ihrem Vorbringen im Planaufstellungsverfahren entsprechend - davon ausginge, dass das Vorhaben der Beigeladenen nicht die planerisch angenommenen 1.500 Fahrten/Werktag, sondern knapp 3.000 Fahrten/Werktag auslösen würde. Dies hätte im ungünstigsten Fall eine Verdopplung der Verkehrszunahme auf der südlichen Verbindungsstraße bis zur Auffahrtrampe in Richtung Berlin sowie auf der Bundesstraße 443 zur Folge, sodass der Mehrverkehr 400 bzw. 800 Fahrzeuge/Werktag betrüge. Auch damit machte der Mehrverkehr jedoch in beiden Fällen weniger als 5 Prozent des Gesamtverkehrs aus; die erforderliche Unterscheidbarkeit wäre auch in diesem Fall nicht gegeben.
2.
a) Die Antragsbefugnis ist zudem zu verneinen, weil die vorhabenbedingte Zunahme des Verkehrslärms auf den Grundstücken der Antragstellerin die Bagatellschwelle nicht überschreitet. Die im Planaufstellungsverfahren mit außergewöhnlich hohem Aufwand erstellte grundstücksbezogene gutachterliche Ermittlung vom 21. Juni 2021 weist für die Grundstücke marginale Veränderungen aus, die für die einzelnen Aufpunkte zwischen -0,18 und +0,28 dB(A) liegen. Diese Veränderungen liegen weit unterhalb der Wahrnehmungsschwelle und stellen auch dort, wo eine Lärmzunahme errechnet wurde, keine tatsächlich spürbaren Beeinträchtigungen dar.
An diesem Ergebnis ändern auch die eigenen gutachterlichen Ermittlungen der Antragstellerin, insbesondere die gutachterliche Stellungnahme vom 8. April 2022, nichts. Soweit die Stellungnahme ausführt, dass die Ermittlungen der Beigeladenen die Vorbelastung insbesondere auf der Autobahn 2 für das Prognosejahr 2030 aufgrund zu geringer Verkehrsstärken und eines zu geringen Schwerverkehrsanteils zu gering bemessen habe, ist das in Bezug auf die für die Antragsbefugnis entscheidende Frage der vorhabenbedingten Veränderungen an dieser Stelle ohne Belang.
b) Abwägungsrelevant ist die geringfügige Veränderung der Lärmbelastung der Grundstücke der Antragstellerin auch nicht deshalb, weil die Gesundheitsgefährdungsschwelle erstmals oder weitergehend überschritten wäre (vgl. dazu Senatsurt. v. 24.6.2015 - 1 KN 138/13 -, BauR 2015, 1624 = BRS 83 Nr. 45 = juris Rn. 29). Die Gesamtbelastung durch Straßenverkehrslärm liegt mit und ohne das Vorhaben bei maximal 66 dB(A) tags und 59 dB(A) nachts und entspricht damit den Immissionsgrenzwerten des § 2 Abs. 1 Nr. 4 der 16. BImSchV.
In Bezug auf das gegenteilige Vorbringen der Antragstellerin lässt der Senat offen, ob die auf gesunde Wohnverhältnisse abzielende Schwelle der Gesundheitsgefährdung überhaupt auf gewerbliche Nutzungen, deren Schutz die Antragstellerin geltend macht, übertragen werden kann (vgl. zur Zielrichtung BVerwG, Beschl. v. 29.10.2002 - 4 B 60.02 -, juris Rn. 5). Eine Überschreitung der Gesundheitsgefährdungsschwelle, die der Senat in Gebieten, die - auch - dem Wohnen dienen, weiterhin bei 70 dB(A) tags und 60 dB(A) nachts ansetzt (vgl. Senatsurt. v. 7.10.2021 - 1 KN 3/20 -, BauR 2022, 197 = juris Rn. 42, v. 10.2.2022 - 1 KN 171/20 -, juris Rn. 65 m.w.N.), ist auch unter Zugrundelegung der Annahmen der Antragstellerin nicht zu erwarten.
Soweit sie meint, es sei von einer höheren Vorbelastung der Autobahn 2 auszugehen, zugrundezulegen seien die Angaben im Projektinformationssystem zum Bundesverkehrswegeplan, kann dahinstehen, ob das zutrifft. Selbst bei Annahme der daraus resultierenden höheren Vorbelastung liegt die Lärmbelastung im Planfall an den ungünstigsten Aufpunkten auf den Grundstücken der Antragstellerin ihren eigenen Berechnungen zufolge nachts unterhalb von 60 dB(A). Eine Überschreitung des Tagwertes von 70 dB(A) droht ebenfalls nicht.
Zu einer Überschreitung der Gesundheitsgefährdungsschwelle gelangte man mit den Berechnungen der Antragstellerin lediglich dann, wenn man - abweichend von allen sonstigen Ermittlungen - auf der Autobahn 2 einen Lkw-Nachtanteil von rund 70 Prozent zugrunde legen würde (vgl. Stellungnahme vom 8. April 2022, S. 12 ff.). In diesem Fall wären an einzelnen Aufpunkten Nachtwerte von gut 60 dB(A) erreicht. Ein derart hoher Schwerverkehrsanteil für die Autobahn 2 zur Nachtzeit ergibt sich indes aus keinem Zahlenwerk; der Schwerverkehrsanteil liegt selbst nach der insofern ungünstigsten Prognose bei 45 Prozent. Der Gutachter der Antragstellerin leitet den Wert von rund 70 Prozent lediglich aus einer - in der Sache nicht nachvollziehbaren - Hochrechnung des derzeitigen Verhältnisses „von Lkw-Tag- zu Nachtanteil“ auf das Prognosejahr 2030 ab. Ein derart hoher Nachtanteil wäre indes nur zu erreichen, wenn die Zahl der Pkw drastisch sinken und/oder die Zahl der Lkw nachts dramatisch, bei gleichbleibender Pkw-Zahl um mehr als den Faktor 5, ansteigen würde. Das liegt gänzlich und offenkundig fern; ein solcher von üblichen Standards und üblicher Methodik derart weit entfernter „freihändiger“ Ansatz ist auch unter Berücksichtigung des Gebots, Fragen des Sachverhalts grundsätzlich im Rahmen der Begründetheitsprüfung zu klären, nicht geeignet, die Zulässigkeit eines Normenkontroll(eil)antrags zu begründen.
3.
Ob dem Antrag angesichts der erteilten Baugenehmigung zudem das Rechtsschutzbedürfnis bzw. der Anordnungsgrund fehlt, wofür - die Antragsgegnerin hat die maßgeblichen Gesichtspunkte benannt - vieles spricht, kann vor diesem Hintergrund offen bleiben.
4.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG. Der Senat veranschlagt den Hauptsachestreitwert angesichts der geltend gemachten Beeinträchtigung der großzügigen Gewerbeimmobilien auf 100.000 EUR und halbiert diesen im Eilverfahren (vgl. Nr. 8 c), 7 e), 17 b) der Streitwertannahmen des Senats, NdsVBl. 2021, 247).