Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 22.06.2022, Az.: 14 ME 258/22

Impfpflicht; Nachweispflicht; Verwaltungszwang; Zwangsgeld; Zwangsmittel

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
22.06.2022
Aktenzeichen
14 ME 258/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 59594
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 10.05.2022 - AZ: 15 B 1609/22

Fundstellen

  • DÖV 2022, 784
  • NordÖR 2022, 427-429
  • PflR 2022, 654-658

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

§ 20a Abs. 5 Satz 1 IfSG ermächtigt die Behörde nicht dazu, einen Verwaltungsakt zu erlassen, der den Adressaten zur Vornahme einer Impfung verpflichtet; erst recht ergibt sich aus dieser Norm keine Befugnis, eine solche Verpflichtung mittels eines Zwangsgeldes im Wege der Verwaltungsvollstreckung durchzusetzen.

Tenor:

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover - 15. Kammer - vom 10. Mai 2022 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen die Aufforderung zur Vorlage eines Immunitätsnachweises gegen das Corona-Virus SARS-CoV-2 gemäß § 20a Abs. 5 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG).

Mit Schreiben vom 31. März 2022 wandte sich der Antragsgegner wie folgt an die Antragstellerin:

„1. Ich ordne gem. § 20a Abs. 5 S. 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) an, einen Impfnachweis im Sinne des § 2 Nummer 3 der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung in der jeweils geltenden Fassung über eine Erstimpfung innerhalb einer Frist von 14 Tagen sowie einen Impfnachweis über eine Zweitimpfung innerhalb einer Frist von weiteren 42 Tagen beim Gesundheitsamt A-Stadt einzureichen. Die Frist für die Zweitimpfung beginnt ab dem Tag der verabreichten Erstimpfung zu laufen.

2. Die sofortige Vollziehung von Nr. 1 wird gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO angeordnet.

3. Ich drohe Ihnen ein Zwangsgeld in Höhe von 1500,00 € an, sofern Sie der Anordnung nach Nr. 1 nicht in der angegebenen Frist nachkommen.“

Zur Begründung führte der Antragsgegner aus, die Antragstellerin arbeite in einem Seniorenhaus und damit in einer Einrichtung im Sinne des § 20a Abs. 1 IfSG. Der Arbeitgeber der Antragstellerin habe ihm mitgeteilt, dass sie bisher noch nicht gegen das Corona-Virus SARS-CoV-2 geimpft sei.

Hiergegen hat die Antragstellerin Klage erhoben und zugleich sinngemäß beantragt, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen Nr. 1 des Bescheides vom 31. März 2022 wiederherzustellen sowie hinsichtlich Nr. 3 anzuordnen. Zur Begründung hat sie vorgetragen, § 20a Abs. 5 Satz 1 IfSG stelle keine Ermächtigungsgrundlage für die angefochtene Verfügung dar. In der Regelung sei vielmehr eine eingriffsneutrale Amtsermittlung normiert, die keine durchsetzbare Pflicht zur Vorlage eines Nachweises begründe. Ihr sei es subjektiv unmöglich, einen Nachweis im Sinne des § 22a IfSG beizubringen. Diesen Umstand hätte sie dem Antragsgegner innerhalb einer von dort bestimmten Frist selbstverständlich kundgetan. Ihr sei durchaus bewusst, dass der Antragsgegner daraufhin ein Verfahren im Sinne des § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG hätte eröffnen können.

Auf einen rechtlichen Hinweis des Verwaltungsgerichts hat der Antragsgegner den angefochtenen Bescheid um eine Regelung in Nr. 4 ergänzt. Danach sind neben dem Impfnachweis im Sinne von Nr. 1 des Bescheides auch ein Genesenennachweis, ein ärztliches Zeugnis darüber, dass die Antragstellerin sich im ersten Schwangerschaftsdrittel befinde oder ein ärztliches Zeugnis darüber, dass sie aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen das Corona-Virus SARS-CoV-2 geimpft werden könne, als Nachweise zulässig.

Das Verwaltungsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich Nr. 1 des Bescheides wiederhergestellt und hinsichtlich Nr. 3 des Bescheides angeordnet. Zur Begründung hat es ausgeführt: In der Hauptsache sei eine Anfechtungsklage die statthafte Klageart, da es sich bei dem angefochtenen Bescheid jedenfalls der äußeren Form nach um einen Verwaltungsakt handle. Der angegriffene Bescheid erweise sich voraussichtlich als rechtswidrig. Nach der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Prüfung bestünden bereits Zweifel daran, dass der Antragsgegner aufgrund von § 20a Abs. 5 Satz 1 IfSG befugt gewesen sei, einen Verwaltungsakt zu erlassen. Die Norm sei voraussichtlich keine taugliche Ermächtigungsgrundlage für den Erlass eines Verwaltungsaktes, da es der Aufforderung zur Vorlage eines Immunitätsnachweises an einem eigenständigen Regelungsgehalt fehle. Die Verpflichtung der betreffenden Personen, dem Gesundheitsamt auf Anforderung einen entsprechenden Nachweis vorzulegen, korrespondiere mit der Vorlagepflicht gegenüber der Einrichtungsleitung sowie deren Meldepflicht gegenüber dem Gesundheitsamt aus § 20a Abs. 2 Satz 1 und 2 IfSG. Dem Gesundheitsamt werde es damit ermöglicht, die entsprechenden Nachweise selbst einzusehen sowie Kontrollen vorzunehmen. Für den Fall, dass auf die Anforderung der Vorlagepflicht nicht nachgekommen werde, sehe § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG die Möglichkeit vor, Betretens- oder Tätigkeitsverbote in Bezug auf dort benannten Einrichtungen zu erlassen. Dass es sich dabei um Verwaltungsakte handle, belege § 20a Abs. 5 Satz 4 IfSG, der für derartige Betretens- oder Tätigkeitsverbote den gesetzlich angeordneten Sofortvollzug vorsehe. Für die Anforderung nach § 20a Abs. 5 Satz 1 IfSG sei dies gerade nicht vorgesehen. Insofern spreche schon die Systematik der Norm dafür, dass allein das Betretens- und Tätigkeitsverbot Maßnahmen mit eigenem Regelungsgehalt darstellten, während die Anforderung eines Nachweises nach § 20a Abs. 5 Satz 1 IfSG vielmehr dazu diene, dem Gesundheitsamt die notwendigen Informationen zur Kontrolle und Durchsetzung der Nachweispflicht zu beschaffen und insofern vorbereitenden Charakter habe.

Soweit in Nr. 1 des Bescheides die Einreichung eines Impfnachweises gefordert und in Nr. 3 im Falle der Nichtvorlage desselben ein Zwangsgeld angedroht werde, sei dies nicht von § 20a Abs. 5 Satz 1 IfSG gedeckt. Eine derartige behördliche Vorgabe führe dazu, dass der Adressat des Schreibens, der noch nicht gegen das Corona-Virus geimpft sei, sich entweder - unter Umständen gegen seinen Willen - impfen lassen müsse oder die Festsetzung eines Zwangsgeldes als Beugemittel riskiere. Nicht einmal ein Wechsel des Arbeitsplatzes könnte ihn von der zwangsgeldbewehrten Verpflichtung zur Einreichung eines Impfnachweises befreien. Ein derartiger Mechanismus dürfte jedoch der vom Gesetzgeber sowie vom Bundesverfassungsgericht hervorgehobenen Freiwilligkeit der Impfentscheidung entgegenstehen. Die Zwangsgeldandrohung erweise sich darüber hinaus - die Entscheidung insoweit selbstständig tragend - auch deshalb als voraussichtlich rechtswidrig, weil der Antragsgegner keine hinreichend bestimmte Frist für die Erfüllung der verfügten Vorlagepflicht gesetzt habe. Schließlich bestünden auch Bedenken, ob sich die Zwangsgeldandrohung nach der erfolgten Ergänzung des streitgegenständlichen Bescheides um die Regelung in Nr. 4 noch als hinreichend bestimmt darstelle.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners.

II.

Die Beschwerde ist unbegründet.

Die von dem Antragsgegner im Beschwerdeverfahren angeführten und vom Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfenden Gründe stellen nicht durchgreifend in Frage, dass das Verwaltungsgericht dem Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO zu Recht stattgegeben hat.

Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob der Antragsgegner zutreffend einwendet, die Frist der Zwangsgeldandrohung sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht unbestimmt, weil sie sich durch Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont ermitteln lasse. Gleiches gilt für das Vorbringen des Antragsgegners, die Zwangsgeldandrohung sei auch angesichts der Ergänzung des Bescheides um die Regelung in Nr. 4 noch hinreichend bestimmt. Denn der Antragsgegner stellt mit seinem Beschwerdevorbringen jedenfalls die die Entscheidung selbständig tragende Annahme des Verwaltungsgerichts nicht durchgreifend in Frage, dass sowohl die Anordnung unter Nr. 1 des Bescheides, einen Impfnachweis über eine Erstimpfung innerhalb einer Frist von 14 Tagen sowie einen Impfnachweis über eine Zweitimpfung innerhalb einer Frist von weiteren 42 Tagen einzureichen, als auch die Zwangsgeldandrohung unter Nr. 3 des Bescheides nicht von der Ermächtigungsgrundlage des § 20a Abs. 5 Satz 1 IfSG gedeckt sind.

Das Verwaltungsgericht hat nach der im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen summarischen Prüfung voraussichtlich zu Recht angenommen, dass § 20a Abs. 5 Satz 1 IfSG nicht dazu berechtigt, einen Verwaltungsakt zu erlassen, der den Adressaten zur Vornahme einer Impfung verpflichtet; erst recht ergibt sich daraus voraussichtlich keine Befugnis, eine solche Verpflichtung mittels eines Zwangsgeldes im Wege der Verwaltungsvollstreckung durchzusetzen.

Mit dem angefochtenen - und vom Verwaltungsgericht zu Recht sowohl in formeller als auch in inhaltlicher Hinsicht als solchen eingestuften - Verwaltungsakt begehrt der Antragsgegner der Sache nach nicht - wie in § 20a Abs. 5 Satz 1 IfSG vorgesehen - die Vorlage eines Nachweises nach Absatz 2 Satz 1. Die Antragstellerin soll vielmehr (mittelbar) dazu verpflichtet werden, in der vorgegebenen Frist die Impfungen gegen das Corona-Virus SARS-CoV-2 Frist durchzuführen. Diese Intention ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Nr. 1 des Bescheides. Der verpflichtende Ausspruch zielt allein darauf ab, dass die - nach den Erkenntnissen des Antragsgegners ungeimpfte - Antragstellerin die Impfung vornehmen lassen und dies anschließend nachweisen soll. Nur so lässt sich die in Nr. 1 vorgesehene zeitliche Differenzierung zwischen einer Erstimpfung und einer Zweitimpfung verstehen; weiter heißt es ausdrücklich: „Die Frist für die Zweitimpfung beginnt ab dem Tag der verabreichten Erstimpfung zu laufen“. Auch aus den Gründen des Bescheides geht unmissverständlich hervor, dass es dem Antragsgegner allein darum geht, eine bislang ungeimpfte Person zur Durchführung der Impfung zu veranlassen. Denn dort heißt es: „Durch Meldung Ihres Arbeitgebers liegt mir der Nachweis vor, dass Sie bisher noch nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft sind.“ An diesem Verständnis ändert die nachträgliche Ergänzung des Bescheides im gerichtlichen Verfahren durch die Maßgabe nach Nr. 4 nichts. Das Gegenteil ist der Fall. Dass der Antragsgegner diese Maßgabe erst auf gerichtlichen Hinweis eingefügt hat, verdeutlicht gerade das eigentliche Anliegen (Durchsetzung der „Impfpflicht“), das er mit dem Bescheid verfolgt.

Für eine solche Verpflichtung einer ungeimpften Person und (erst recht) für die zwangsweise Durchsetzung dieser Verpflichtung bietet § 20a Abs. 5 Satz 1 IfSG, wie das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen hat, allerdings aller Voraussicht nach keine Grundlage. Das ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der sogenannten einrichtungs- und unternehmensbezogenen Nachweispflicht (vgl. zu dieser Bezeichnung BVerfG, Beschl. v. 27.4.2022 -1 BvR 2649/21 -, juris Rn. 1) im Allgemeinen und des § 20a Abs. 5 IfSG im Besonderen.

Nach § 20a Abs. 5 IfSG haben die in Absatz 1 Satz 1 des § 20a IfSG genannten Personen dem Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die jeweilige Einrichtung oder das jeweilige Unternehmen befindet, auf Anforderung einen Nachweis nach Absatz 2 Satz 1 vorzulegen. Bestehen Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises, so kann das Gesundheitsamt eine ärztliche Untersuchung dazu anordnen, ob die betroffene Person auf Grund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft werden kann. Das Gesundheitsamt kann einer Person, die trotz der Anforderung nach Satz 1 keinen Nachweis innerhalb einer angemessenen Frist vorlegt oder der Anordnung einer ärztlichen Untersuchung nach Satz 2 nicht Folge leistet, untersagen, dass sie die dem Betrieb einer in Absatz 1 Satz 1 genannten Einrichtung oder eines in Absatz 1 Satz 1 genannten Unternehmens dienenden Räume betritt oder in einer solchen Einrichtung oder einem solchen Unternehmen tätig wird. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen eine vom Gesundheitsamt nach Satz 2 erlassene Anordnung oder ein von ihm nach Satz 3 erteiltes Verbot haben keine aufschiebende Wirkung. § 20a Abs. 5 Satz 1 IfSG berechtigt die Behörde danach, bei dem Betroffenen den Nachweis nach Absatz 2 Satz 1 anzufordern. Die Behörde darf den Betroffenen aber (lediglich) dazu auffordern, ihr einen Nachweis nach Absatz 2 Satz 1 vorzulegen, um anknüpfend daran weitere Überprüfungen - etwa im Sinne des Satzes 2 - anzustellen oder ggf. Maßnahmen gemäß § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG anzuordnen. Die Vorlageverpflichtung ist dagegen kein Selbstzweck, und sie dient auch nicht der mittelbaren Durchsetzung einer „Impfpflicht“.

Die verkürzt auch als „einrichtungsbezogene Impfpflicht“ bezeichnete einrichtungs- und unternehmensbezogene Nachweispflicht begründet nämlich gerade keine - ggf. hoheitlich durchsetzbare - Verpflichtung der betroffenen Personen, sich gegen das Corona-Virus SARS-CoV-2 impfen zu lassen. Es besteht kein Impfzwang, die Impfentscheidung obliegt schlussendlich weiterhin den Betroffenen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 27.4.2022 - 1 BvR 2649/21 -, juris Rn. 112, 114, 209). Faktisch stellt die Regelung die Betroffenen vor die Wahl, entweder ihre bisherige Tätigkeit aufzugeben oder aber in die Beeinträchtigung ihrer körperlichen Integrität einzuwilligen. Das Bundesverfassungsgericht hebt in der vorgenannten Entscheidung (juris, Rn. 91) ausdrücklich hervor, dass „keine mit Zwangsmitteln durchsetzbare Impfpflicht besteht“. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass diese Einschränkung nur gelten soll, soweit es um die Ausübung unmittelbaren Zwangs geht.

Der Gesetzgeber hat in der Begründung des Gesetzentwurfs zu § 20a IfSG (BT-Drs. 20/188, S. 42) seine Intention verdeutlicht, dass im Zentrum der Regelung der Schutz der besonders vulnerablen Personen in den betroffenen Einrichtungen und Unternehmen vor den teilweise schwer verlaufenden Infektionen steht. Die Freiwilligkeit der Impfentscheidung soll dagegen ausdrücklich unberührt bleiben. Die Norm dient damit dem Zweck, Personen, die (ohne unter die Ausnahmen des § 20a Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2 und 3 IfSG zu fallen) nicht über eine hinreichende Immunisierung gegen das Corona-Virus verfügen, erforderlichenfalls unverzüglich mit einem Verbot gemäß § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG belegen zu können. Die (zwangsweise) Durchsetzung einer „Impfpflicht“ hat der Gesetzgeber dagegen bewusst nicht vorgesehen, um dieses Ziel (Schutz der vulnerablen Personen) zu erreichen. Ausdrücklich betont er dementsprechend für den Fall der (sofort vollziehbaren) Anordnung der ärztlichen Untersuchung (§ 20a Abs. 5 Satz 2 IfSG), dass wegen der in § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG vorgesehenen Rechtsfolge von einer zwangsweisen Durchsetzung abzusehen ist. Erst recht muss diese Konsequenz aber gelten, wenn die Anforderung der Nachweise nach Satz 1 in Rede steht.

Fordert das Gesundheitsamt mithin bei Konstellationen wie der hier vorliegenden auf der Grundlage des § 20a Abs. 5 Satz 1 IfSG einen Nachweis nach Abs. 2 Satz 1 an, dürfte es sich um eine unselbständige Verfahrenshandlung im Sinne des § 44a VwGO handeln, die allein der Vorbereitung der weiteren Vorgehensweise und ggf. Entscheidung der Behörde nach § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG dient. An die (erwartete) Nichtvorlage des Nachweises knüpft § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG für die Behörde unmittelbar die Möglichkeit des Ausspruchs eines sofort vollziehbaren Betretens- oder Tätigkeitsverbots. Dies entspricht dem Sinn und Zweck der einrichtungs- und unternehmensbezogenen Nachweispflicht, äußerst vulnerable Personengruppen vor einer Infektion mit dem Corona-Virus zeitnah und in besonderem Maße zu schützen. Denn durch eine solche sofort vollziehbare Anordnung lässt sich unverzüglich sicherstellen, dass Personen, die (ohne unter die Ausnahmen des § 20a Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2 und 3 IfSG zu fallen) nicht über eine hinreichende Immunisierung gegen das Corona-Virus verfügen, in den fraglichen Unternehmen und Einrichtungen nicht mehr tätig werden bzw. diese nicht mehr betreten dürfen. Demgegenüber hat der Gesetzgeber (konsequenterweise) hinsichtlich der Anforderung des Nachweises keine entsprechende Regelung über die sofortige Vollziehbarkeit getroffen; nach dem zuvor beschriebenen Verständnis der Norm bedurfte es einer derartigen Regelung auch nicht.

Für die hier zu entscheidende Konstellation lässt sich, anders als der Antragsgegner meint, aus einem Vergleich mit den Regelungen zur sogen. Masernimpfpflicht nichts Abweichendes herleiten. Allerdings mag es zutreffen, dass die Behörde auf der Grundlage des § 20a Abs. 5 Satz 1 IfSG im Einzelfall auch zum Erlass eines Verwaltungsakts und zur Anwendung des Verwaltungszwangs ermächtigt sein kann. Der Antragsgegner verweist in diesem Zusammenhang richtigerweise auf die Parallelität zu § 20 Abs. 12 IfSG, an dessen Systematik sich der Gesetzgeber bei der Einführung des § 20a Abs. 5 IfSG ausdrücklich orientiert hat (vgl. BT-Drs. 20/188, S. 37). Es spricht Einiges dafür, dass die Auslegung des § 20 Abs. 12 IfSG und des § 20a Abs. 5 IfSG im Wesentlichen gleichläuft, wenngleich der Gesetzgeber durch die Einführung der sogen. Masernimpfpflicht - anders als bei der einrichtungs- und unternehmensbezogenen Nachweispflicht - das Ziel verfolgt haben dürfte, perspektivisch eine Durchimpfung der Bevölkerung zu erreichen (vgl. die auch vom Verwaltungsgericht genannte Regelung in § 20 Abs. 8 IfSG). Denn auch bei der sogen. Masernimpfpflicht handelt es sich letztlich nur um eine mittelbare Impfverpflichtung, die nicht zwangsweise durchgesetzt werden kann (vgl. BT-Drs. 19/13452, S. 3 u. 27; Gebhard, in: Kießling, Infektionsschutzgesetz, 2. Aufl. 2021, § 20 Rn. 38; Aligbe, in: BeckOK Infektionsschutzrecht, 11. Edition, Stand: 1. April 2022, § 20 Rn. 106 u.174 f. sowie § 20a Rn. 9; Bockholdt, in: Schlegel/Meßling/Bockholdt, COVID-19-Corona-Gesetzgebung-Gesundheit und Soziales, 2. Aufl. 2022, § 14 Rn. 102). Dem Antragsgegner ist des Weiteren zuzugeben, dass in der Literatur und in der Rechtsprechung zu § 20 Abs. 12 Satz 1 IfSG - wohl im Anschluss an die Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 19/13452, S. 30) - ausdrücklich die Auffassung vertreten wird, dass es sich bei der Anforderung nach § 20 Abs. 12 Satz 1 IfSG um einen Verwaltungsakt handelt und die Vorlagepflicht insbesondere mit Zwangsgeld durchgesetzt werden kann (vgl. BayVGH, Beschl. v. 7.7.2021 - 25 CS 21.1651 -, juris Rn. 9; Gerhardt, Infektionsschutzgesetz, 5. Aufl. 2021, § 20 Rn. 124; Gebhard, in: Kießling, Infektionsschutzgesetz, 2. Aufl. 2021, § 20 Rn. 61; differenzierend: BayVGH Beschl. v. 29.12.2021 - 20 CE 21.2778 -, juris Rn. 5). Dies mag für bestimmte Fälle, in denen es um die Durchsetzung von Mitwirkungshandlungen im Zusammenhang mit der Vorlage von Nachweisen geht, auch ohne Weiteres zutreffen. Denn die Regelung des § 20 Abs. 12 Satz 1 IfSG hat - ebenso wie § 20a Abs. 5 Satz 1 IfSG - nicht lediglich die Fälle im Blick, in denen dem Gesundheitsamt „Impfverweigerer“ gemeldet werden. Ebenso fallen Konstellationen in den Anwendungsbereich der Norm, in denen das Gesundheitsamt von einer Einrichtung oder einem Unternehmen geprüfte (und ggf. sogar akzeptierte) Nachweise selbst überprüfen will (vgl. § 20 Abs. 9 Satz 2 Var. 2 bzw. § 20a Abs. 2 Satz 2 Var. 2 IfSG) oder es von Amts wegen die Einhaltung der Vorschrift des § 20 bzw. 20a IfSG durch bestimmte Einrichtungen und Unternehmen kontrolliert (vgl. hierzu BT-Drs. 19/13452, S. 30: „stichprobenartige Kontrollen in solchen Einrichtungen“; Gerhardt, Infektionsschutzgesetz, 5. Aufl. 2021, § 20 Rn. 112). Es erscheint nicht fernliegend, dass die Behörde befugt ist, in diesen Fällen die Vorlagepflicht durch Verwaltungsakt anzuordnen und diese auch durch Zwangsmittel durchzusetzen. Um einen solchen Fall geht es hier aber - wie oben dargelegt - nicht.

Dass die Nichtvorlage eines Impfnachweises nach § 73 Abs. 1a Nr. 7h IfSG bußgeldbewehrt ist, rechtfertigt entgegen der Auffassung des Antragsgegners keine andere Beurteilung. Denn jedenfalls bedarf es für die rechtssichere Bestimmung, unter welchen Voraussetzungen ein Nachweis „nicht rechtzeitig" vorgelegt wird, nicht des Erlasses eines Verwaltungsakts, sondern lediglich einer konkreten Aufforderung durch das Gesundheitsamt unter angemessener Fristsetzung (vgl. hierzu auch BVerfG, Beschl. v. 27.4.2022 - 1 BvR 2649/21 -, juris Rn. 276).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertentscheidung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nrn. 1.5 und 1.7.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Beilage 2/2013 zu NVwZ-Heft 23/2013, S. 57 ff.).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).