Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 14.06.2022, Az.: 1 MN 83/21

Ausfertigung; Heilung; Normenkontrolleilverfahren

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
14.06.2022
Aktenzeichen
1 MN 83/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 59589
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Tatsache, dass ein zu seiner Unwirksamkeit führender Mangel eines Bebauungsplans (hier: fehlerhafte Ausfertigung) durch ein ergänzendes Verfahren nach § 214 Abs. 4 BauGB geheilt werden kann, steht dessen Außervollzugsetzung im Normenkontrolleilverfahren nicht entgegen. Nach einer solchen Heilung würde die Außervollzugsetzung gegenstandslos, ohne dass es eines gerichtlichen Abänderungsverfahrens analog § 80 Abs. 7 VwGO bedürfte. Anlass, Antragstellern auf die bloße Möglichkeit einer Heilung hin die einstweilige Hinnahme eines sie belastenden rechtswidrigen Bebauungsplans zuzumuten, besteht nicht.

Tenor:

Der vom Rat der Antragsgegnerin am 17. Dezember 2020 und erneut am 24. Juni 2021 als Satzung beschlossene vorhabenbezogene Bebauungsplan Nr. 203 „Am Hang“ wird bis zum rechtskräftigen Abschluss des Normenkontrollverfahrens der Antragsteller (Az.: 1 KN 82/21) außer Vollzug gesetzt.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Normenkontrolleilverfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Normenkontrolleilverfahren wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsteller begehren als Plannachbarn die vorläufige Außervollzugsetzung des Vorhabenbezogenen Bebauungsplans 203 „Am Hang“, zugleich teilweise Aufhebung des Bebauungsplans 76 „Bullwinkels Weide“, der Antragsgegnerin.

Sie sind Eigentümer des durch Bebauungsplan als allgemeines Wohngebiet ausgewiesenen Grundstücks B-Straße. Das etwa 17 m breite und mehr als 50 m tiefe Grundstück grenzt mit seiner östlichen Schmalseite an die Straße B-Straße und mit seiner westlichen Schmalseite an das Gebiet des hier streitgegenständlichen Bebauungsplans an. Das 1.463 m² große Plangebiet liegt mit seiner Westseite an der Straße Am Hang, ist unbebaut und wies zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses einen umfangreichen Baumbestand auf. Mit seiner Ostseite schließt das Plangebiet neben dem Gartenbereich des Antragstellergrundstücks an die gärtnerisch genutzten rückwärtigen Bereiche weiterer, wie das Antragstellergrundstück von Osten erschlossener Wohngrundstücke an. Das Gelände fällt von Nordosten nach Südwesten, d.h. vom Antragstellergrundstück zum Plangebiet hin stark ab.

Für das Plangebiet war durch den Bebauungsplan 76 „Bullwinkels Weide“ aus dem Jahr 1981 ein reines Wohngebiet mit höchstens einem Vollgeschoss, einer Grundflächenzahl von 0,3 und einer Geschossflächenzahl von 0,4 festgesetzt. Die Bauweise war als offen bestimmt, wobei nur Einzelhäuser mit max. zwei Wohneinheiten zulässig seien.

Im Juni 2018 beantragte die Beigeladene nach Erwerb des Plangebiets die Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans für dieses, um dort ein zweigeschossiges Mehrfamilienhaus mit 12 Wohneinheiten und einer Tiefgarage mit 12 Einstellplätzen errichten zu können. Der Verwaltungsausschuss der Antragsgegnerin fasste am 6. September 2018 einen entsprechenden Aufstellungsbeschluss. In der Zeit vom 29. Juli bis 6. September 2019 erfolgte eine erste öffentliche Auslegung. Zeitgleich wurde eine Beteiligung der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange durchgeführt. In dem ausgelegten Entwurf der Planbegründung hieß es zu dem Gehölzbestand im Planbereich, dass seine Entfernung bereits nach den geltenden Festsetzungen zulässig sei; planbedingte erhebliche Beeinträchtigungen ergäben sich daher nicht. Mit Schreiben vom 7. August 2019 wies die Anstalt Niedersächsische Landesforsten, Forstamt Rotenburg, darauf hin, dass es sich bei dem Plangebiet um eine Waldfläche im Sinne des NWaldLG handele und ggf. eine Ersatzaufforstung erfolgen müsse. Die Stellungnahme sei mit dem Forstamt Nordheide/Heidmark der Landwirtschaftskammer Niedersachsen abgestimmt.

Daraufhin führte die Antragsgegnerin eine zweite öffentliche Auslegung und Beteiligung der Träger öffentlicher Belange vom 29. Juni bis 2. September 2020 durch. Im geänderten Begründungsentwurf wurde unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des Forstamtes Harsefeld (gemeint wohl: Rotenburg) die Aufforstung einer 2.100 m² großen Fläche mit einheimischen und standortgerechten Bäumen auf dem mehr als 9.000 m² großen Flurstück 147/2 der Flur 2, Gemarkung H. vorgesehen. Im Beteiligungsverfahren machte der Landkreis Osterholz aus denkmal- und naturschutzrechtlicher Sicht Bedenken gegen die geplante Ersatzaufforstung geltend. Im Hinblick darauf bat die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 1. Oktober 2020 den Landkreis um erneute Prüfung, ob das Plangebiet nicht - entsprechend der ersten Einschätzung ihres Planungsbüros - auch als Siedlungsgehölz angesehen werden könne; freiwillige Ersatzpflanzungen in Gestalt von Wallheckenergänzungen auf dem o.g. Flurstück 147/2 würden gleichwohl erfolgen. Mit Schreiben vom 16. November 2020 erwiderte der Landkreis Osterholz, dass auch seines Erachtens der Gehölzbestand im Plangebiet als Siedlungsgehölz angesehen werden könne. Die geplante Wallheckenergänzung werde aus naturschutzfachlicher Sicht begrüßt. Somit bestünden aufgrund der geänderten Planung keine Bedenken hinsichtlich der Belange der unteren Waldbehörde sowie hinsichtlich der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege. Es werde jedoch vorsorglich darauf hingewiesen, dass diese Beurteilung nicht die Abwägung der Antragsgegnerin bezüglich etwaiger Bedenken der Forstämter ersetzen könne.

In seiner Sitzung vom 17. Dezember 2020 beschloss der Rat der Antragsgegnerin die Abwägungsvorschläge zu den insgesamt im Planaufstellungsverfahren eingegangenen Stellungnahmen und den Vorhabenbezogenen Bebauungsplan 203 sowie seine - mit Ergänzungen versehene - Begründung als Satzung. In der Beschlussvorlage war ausgeführt, dass sich die Verwaltung durch das Schreiben des Landkreises Osterholz vom 16. November 2020 in ihrer ersten Beurteilung des Gehölzbestandes im Plangebiet als Siedlungsgehölz bestätigt sehe. Dadurch sei keine Ersatzaufforstung mehr notwendig. Vielmehr könnte der Gehölzbestand aufgrund des geltenden Planungsrechts nun ohne weitere Ersatzmaßnahmen entfernt werden. Am 1./.3. Dezember schlossen der Bürgermeister der Antragsgegnerin und die Beigeladene den Durchführungsvertrag. Der Satzungsbeschluss wurde am 23. Dezember 2020 ortsüblich bekanntgemacht.

Am 12. Februar 2021 erhielt die Beigeladene eine Teilbaugenehmigung für Erd- und Verbauarbeiten. Nachdem bei den Arbeiten der Hang teilweise abgerutscht war, verhängte der Landkreis Osterholz am 9. März 2021 einen Baustopp.

Am 15. Mai 2021 haben die Antragsteller einen Normenkontrollantrag und den vorliegenden Normenkontrolleilantrag gestellt. Ihre Antragsbefugnis leiten sie aus der Besorgnis her, das quer zum Hang errichtete Vorhaben mit Tiefgarage werde den Wasserabfluss u.a. von ihrem Grundstück blockieren oder aber - im Fall einer Drainage - übermäßig beschleunigen. Dass dies nicht hinreichend untersucht worden sei, führe auch zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans. Unwirksam sei dieser ferner, weil der Durchführungsvertrag nicht vor dem Satzungsbeschluss geschlossen worden sei, der Rat dem Durchführungsvertrag nicht zugestimmt habe, der Durchführungsvertrag nicht - wie ihrer Ansicht nach in Fällen der Anwendung von § 12 Abs. 3a BauGB erforderlich - öffentlich ausgelegt worden sei und seine Inhalte nicht Gegenstand der Abwägung gewesen seien. Die Schlussbekanntmachung werde den Besonderheiten eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nicht gerecht. Die Aufhebung der bisherigen Zweiwohnungsklausel und die Maßfestsetzungen seien nicht hinreichend abgewogen worden. Zu Unrecht sei keine Ersatzaufforstung vorgesehen, da das Plangebiet Wald im Sinne des NWaldLG sei. Der naturschutzrechtliche Ausgleich sei misslungen.

Die Antragsgegnerin hat darauf in einem ergänzenden Verfahren die Zustimmung des Rates zum Durchführungsvertrag eingeholt und den Plan - inhaltlich unverändert - erneut durch den Rat am 24. Juni 2021 beschlossen. Der Satzungsbeschluss wurde am 3. Juli 2021 ortsüblich bekannt gemacht und am 5. Juli 2021 vom Bürgermeister ausgefertigt.

Die Antragsteller verfolgen ihr Rechtsschutzbegehren weiter und beantragen,

den vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 203 „Am Hang“ in der Gestalt des Ratsbeschlusses vom 24. Juni 2021 vorläufig außer Vollzug zu setzen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie zieht die Antragsbefugnis der Antragsteller in Zweifel, hält den Antrag aber jedenfalls für unbegründet; den Rügen der Antragsteller tritt sie im Einzelnen entgegen. Hinsichtlich der waldrechtlichen Bedenken der Antragsteller hat sie insbesondere Stellungnahmen des Planungsbüros I. vom 2. September 2021 und des Gutachterbüros BIOS aus dem Februar 2022 vorgelegt, die mit Blick auf die für Wald verhältnismäßig geringe Größe der Fläche, ihre Breite von nur ca. 30 m, deren Bewuchs und ihre Lage im Siedlungsbereich eine Waldeigenschaft ablehnen und die Fläche als „Gehölz des Siedlungsbereichs“ nach dem naturschutzrechtlichen Kartierschlüssel von Drachenfels einstufen.

II.

Der Normenkontrolleilantrag hat Erfolg.

1.

Er ist zulässig, insbesondere sind die Antragsteller antragsbefugt. Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist im Normenkontrollverfahren und ebenso im Normenkontrolleilverfahren eine Person nur antragsbefugt, wenn sie geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Ist ein Antragsteller Eigentümer oder Nutzer von Grundstücken außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs eines Bebauungsplans, kann die Antragsbefugnis insbesondere aus dem subjektiven Recht auf gerechte Abwägung der eigenen Belange aus § 1 Abs. 7 BauGB folgen. Das dort normierte bauplanungsrechtliche Abwägungsgebot gewährt ein subjektives Recht. Der Betroffene kann verlangen, dass seine eigenen Belange in der Abwägung entsprechend ihrem Gewicht „abgearbeitet“ werden. Ein Antragsteller kann sich daher im Normenkontrollverfahren darauf berufen, dass seine abwägungserheblichen privaten Belange möglicherweise fehlerhaft abgewogen wurden. In diesem Fall obliegt es ihm, einen eigenen Belang als verletzt zu bezeichnen, der für die Abwägung beachtlich war (vgl. zusammenfassend BVerwG, Beschl. v. 28.10.2020 - 4 BN 44.20 -, juris Rn. 7 m.w.N.).

Das ist den Antragstellern mit Benennung ihres Interesses, vor planbedingten nachteiligen Veränderungen des Wasserabflusses von ihrem Grundstück verschont zu bleiben, gelungen. Die Antragsteller haben substantiiert die Möglichkeit aufgezeigt, dass der Bebauungsplan die Verwirklichung eines Vorhabens erwarten lässt, das infolge seines „riegelähnlichen“ Charakters den aufgrund der Geländetopographie zu erwartenden Wasserabfluss von ihrem Grundstück her in einer Weise zu bremsen vermag, wie dies die vom Vorgängerplan intendierte kleinteiligere Bebauung nicht getan hätte. Die Klärung, in welchem Umfang die damit verbundenen Probleme tatsächlich zu befürchten sind und ob die Antragsgegnerin diese in zulässiger Weise in das Baugenehmigungsverfahren verlagern durfte, würde den Rahmen der Zulässigkeitsprüfung überschreiten.

2.

Der Normenkontrolleilantrag ist auch begründet.

Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind, jedenfalls bei Bebauungsplänen, zunächst die Erfolgsaussichten des in der Sache anhängigen Normenkontrollantrages, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ergibt diese Prüfung, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag nach § 47 Abs. 1 VwGO zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug des Bebauungsplans bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn dessen (weiterer) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden: Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Antrag nach § 47 Abs. 1 VwGO aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung - trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache - dringend geboten ist (vgl. Senatsbeschl. v. 28.2.2020 - 1 MN 153/19 -, BauR 2020, 978 = juris Leitsätze 1 und 2 sowie Rn. 15 unter Anschluss an die stRspr des 4. Senats des BVerwG, Beschl. v. 25.2.2015 - 4 VR 5.14 -, ZfBR 2015, 381 = BauR 2015, 968 = juris Rn. 12; v. 16.9.2015 - 4 VR 2.15 -, BRS 83 Nr. 58 = juris Rn. 4; v. 30.4.2019 - 4 VR 3.19 -, BauR 2019, 1442 = juris Rn. 4).

a)

Der Normenkontrollantrag hätte nach gegenwärtigem Stand der Dinge bereits deshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit Erfolg, weil der Bebauungsplan in der maßgeblichen Fassung des ergänzenden Satzungsbeschlusses vom 24. Juni 2021 vor seiner Bekanntmachung nicht ausgefertigt wurde. Der gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 BauGB erforderlichen ortsüblichen Bekanntmachung muss eine wirksame Ausfertigung vorausgehen (stRspr., vgl. m.w.N. BVerwG, Beschl. v. 9.5.1996 - 4 B 60.96 -, NVwZ-RR 1996, 630 = BRS 58 Nr. 41 = juris Rn. 3; Senatsurt. v. 30.6.2021 - 1 KN 54/19 -, juris Rn. 30). Vorliegend hat der Bürgermeister der Antragsgegnerin sowohl die Präambel als auch den Verfahrensvermerk zum Satzungsbeschluss auf der Planurkunde - allein diese beiden Vermerke erfüllen die Anforderungen an eine Ausfertigung - erst am 5. Juli 2021 und damit zeitlich nach der Bekanntmachung am 3. Juli 2021 unterzeichnet.

Die hohen Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags rechtfertigen die Außervollzugsetzung des Plans, da ein öffentliches Interesse am weiteren Vollzug eines offenkundig unwirksamen Plans nicht besteht, während die Antragsteller ein aus den im Rahmen der Ausführungen zur Antragsbefugnis aufgezeigten Gründen nicht von vornherein von der Hand zu weisendes Interesse daran haben, weitere Baumaßnahmen zur Umsetzung des Plans zu verhindern. Die Tatsache, dass die Antragsgegnerin den bezeichneten Ausfertigungs- bzw. Bekanntmachungsmangel verhältnismäßig leicht durch ein ergänzendes Verfahren nach § 214 Abs. 4 BauGB heilen kann, steht dieser Gewichtung nicht entgegen. Nach einer solchen Heilung würde die Außervollzugsetzung gegenstandslos, ohne dass es eines gerichtlichen Abänderungsverfahrens analog § 80 Abs. 7 VwGO bedürfte (Senatsbeschl. v. 24.6.2015 - 1 MN 39/15 -, BauR 2015, 1648 = NVwZ-RR 2015, 805 = juris). Anlass, den Antragstellern auf die bloße Möglichkeit einer Heilung hin die einstweilige Hinnahme eines sie belastenden rechtswidrigen Bebauungsplans zuzumuten, besteht nicht.

b)

Nur vorsorglich weist der Senat ergänzend darauf hin, dass jedenfalls hinsichtlich der Frage, ob der Bebauungsplan den Vorgaben des § 8 Abs. 2 Satz 3 NWaldLG gerecht wird, die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags zumindest offen sind. Weder die Stellungnahme des Planungsbüros I. vom 2. September 2021 noch diejenige des Gutachterbüros J. vom Februar 2022 vermögen die nach Ortsbegehung gewonnene Einschätzung des Forstamtes Rotenburg, die baumbestandene Fläche im Plangebiet sei Wald i.S.d. NWaldLG, voraussichtlich zu entkräften. Ob der Landkreis Osterholz-Scharmbeck als untere Waldbehörde die Einschätzung der Antragsgegnerin, die Fläche könne auch als Siedlungsgehölz angesehen werden, teilt, ist nicht entscheidend, solange nicht feststeht, auf welcher Grundlage dessen Sinneswandel erfolgt ist, namentlich, inwieweit ihm das orts- und fachkundige Beratungsforstamt zustimmen würde. Die Flächengröße lässt die Annahme von Wald i.S.d. NWaldLG durchaus zu; dass für Zwecke der naturschutzrechtlichen Biotoptypenkartierung im Regelfall eher größere Flächen als Wald eingestuft werden, ist für die waldrechtliche Beurteilung nur eingeschränkt aussagekräftig. Dies gilt umso mehr, als hier in unmittelbarer Nachbarschaft der in Rede stehenden Fläche weiterer Baumbestand vorhanden zu sein scheint, der zwar aufgrund seiner Verortung in Privatgärten selbst gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 NWaldLG rechtlich kein Teil eines Waldes sein, gleichwohl auf der Nachbarfläche faktisch zum waldkonstituierenden Naturhaushalt mit eigenem Binnenklima beitragen kann. Soweit die genannten Stellungnahmen auf das geringe Alter des vorgefundenen Baumbestandes und möglicherweise damit zusammenhängende Besonderheiten des Unterwuchses abstellen, ist anzumerken, dass nach § 2 Abs. 3 Satz 2 NWaldLG nach einer Erstaufforstung oder dann, wenn sich aus natürlicher Ansamung mindestens kniehohe Waldbäume entwickelt haben, Wald bereits dann vorliegt, wenn die Fläche den Zustand nach Satz 1 (Naturhaushalt mit eigenem Binnenklima) wahrscheinlich erreichen wird. Sollte daher - wofür nach Aktenlage einiges spricht - zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses von einem Waldbestand im Plangebiet auszugehen gewesen sein, wäre der Plan auch deshalb unwirksam, weil den Anforderungen an eine rechtmäßige Waldumwandlung nicht genügt wurde.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Angesetzt wurde die Hälfte des im Normenkontrollhauptsacheverfahren 1 KN 82/21 mit Beschluss vom 17. Mai 2021 vorläufig festgesetzten Streitwerts von 20.000,00 EUR (vgl. Nrn. 18 b), 9 b) der Streitwertannahmen des Senats für vor dem 1. Juni 2021 eingegangene Verfahren).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).