Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 30.05.2007, Az.: L 2 KN 12/07

Teilrückforderung einer gewährten Witwenrente bei selbstständiger Tätigkeit; Anrechnung des Arbeitseinkommens auf Witwenrente; Anrechnung von Ansparrücklagen auf Witwenrente; Anwendbarkeit § 141 Abs. 1 S. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) auf die Anrechnungsvorschrift § 97 SGB VI

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
30.05.2007
Aktenzeichen
L 2 KN 12/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 33482
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2007:0530.L2KN12.07.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Oldenburg - 20.03.2007 - AZ: S 5 RA 288/04

Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Teilrückforderung der ihr gewährten Witwenrente.

2

Die Klägerin ist selbständig tätig. Seit dem 11. Februar 2000 bezieht sie von der Beklagten eine Witwenrente, nachdem sie hinsichtlich der im Jahr 1997 aus dem Gewerbetrieb erzielten Einkünfte einen entsprechende Einkünfte in Höhe von jährlich 1.719,00 DM ausweisenden Einkommensteuerbescheid vorgelegt hatte.

3

Auf Nachfrage der Beklagten legte die Klägerin im Juli 2002 aufforderungsgemäß durch ihren Steuerberater Einnahmen-Überschuss-Rechnungen für die Jahre 2000 und 2001 vor, ausweislich derer sie im Jahr 2000 unter Einbeziehung einer Ansparabschreibung in Höhe von 20.000,00 DM einen Verlust von 8.876,50 DM und im Jahr 2001 einen Gewinn von 12.077,30 DM erzielt hatte. Daraufhin entschied die Beklagte mit Bescheid vom 10. Juli 2002, dass die Witwenrente in den Jahren 2001 und 2002 ohne Anrechnung eines Hinzuverdienstes in voller Höhe zu gewähren sei.

4

Im Mai 2004 reichte die Klägerin den Einkommensteuerbescheid vom 9. Mai 2003 für das Jahr 2001 ein, ausweislich dessen sie aus dem Gewerbebetrieb einen Gewinn von 54.278,00 DM erzielt hatte. In dieser Summe enthalten war ein Betrag von 40.000,00 DM für die Auflösung von in den Jahren 1999 und 2000 gebildeten Ansparrücklagen in Höhe von jeweils 20.000,00 DM (zuzüglich eines Zuschlages von 3.600,00 DM nach § 7g Abs. 5 EStG).

5

Mit Bescheiden vom 18. Mai und 21. Juni 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2004 setzte die Beklagte gestützt auf § 45 SGB X die Höhe der der Klägerin im Zeitraum von Juli 2002 bis Juni 2003 gewährten Witwenrente unter Berücksichtigung der im Jahr 2001 erzielten Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 54.278,00 DM neu fest und setzte einen Rückforderungsanspruch in Höhe von 2.508,60 EUR fest.

6

Zur Begründung der am 13. Oktober 2004 erhobenen Klage hat sich die Klägerin auf ein Urteil des Senates vom 4. Juni 2003 (L 2 RJ 350/99) berufen. Auf die Witwenrente habe die Beklagte nur solche Einkünfte anrechnen dürfen, die mit persönlichem Einsatz des Rentenbewerbers verbunden gewesen seien. Die Auflösung der Ansparrücklagen im Jahre 2001 beinhalte nur einen steuerlichen Korrekturvorgang; es handele sich nicht um die Erzielung von Einkommen im Rahmen eines persönlichen Einsatzes.

7

Mit Urteil vom 20. März 2007 hat das Sozialgericht (SG) Oldenburg die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es darauf hingewiesen, dass das auf die Witwenrente anzurechnende Arbeitseinkommen aus selbständiger Tätigkeit sich nach § 15 SGB IV nach dem nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften ermittelten Gewinn aus selbständiger Tätigkeit bemesse. Diese Vorschriften hätten für das Jahr 2001 eine gewinnerhöhende Auflösung der in den Vorjahren gebildeten Ansparabschreibungen geboten. Die Klägerin habe in den Jahren 1999 und 2000 ihren Gewinn durch die Bildung Ansparabschreibungen reduzieren können; ihrer Auflösung im Jahr 2001 liege daher der persönliche Einsatz der Klägerin in ihrer selbständigen Tätigkeit in den Jahren 1999 - 2000 zugrunde.

8

Gegen dieses ihr am 20. April 2007 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 25. April 2007.

9

Sie beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 20. März 2007 und die Bescheide der Beklagten vom 18. Mai und 21. Juni 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2004 aufzuheben.

10

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Die angefochtenen auf § 45 SGB X gestützten Bescheide sind rechtmäßig ergangen und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Aufgrund des im Jahr 2001 erzielten Arbeitseinkommens aus selbständiger Tätigkeit stand der Klägerin im Zeitraum von Juli 2002 bis Juni 2003 Witwenrente nur in gekürzter Höhe zu, die Beklagte durfte die überzahlten Betrag auch gestützt auf §§ 48, 50 Abs. 1 SGB X zurückfordern.

13

a)

Nach Maßgabe des § 97 SGB VI ist auf einen Witwenrentenanspruch das Einkommen der Berechtigten im Sinne der §§ 18a bis 18e SGB IV anzurechnen, das mit der Witwenrente zusammentrifft. Zu diesem Einkommen zählt nach § 18a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 S. 1 SGB IV insbesondere Arbeits¬einkommen, d.h. der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit (§ 15 Abs. 1 SGB IV).

14

Mit dem Verweis auf den "nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelten Gewinn" hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass auch die Höhe des insbesondere als Hinzuverdienst im Sozialrecht zu berücksichtigen Gewinns aus einer selbständigen Tätigkeit sich nach den steuerrechtlichen Vorgaben bemisst. Er hat insbesondere durch die Streichung des früheren Satzes 2 ("Bei der Ermittlung des Gewinns sind steuerliche Vergünstigungen unberücksichtigt zu lassen und Veräußerungsgewinne abzuziehen") in § 15 SGB IV durch Art. 3 Nr. 2 des Agrarsozialreformgesetzes 1995 (ASRG 1995) vom 29. Juli 1994 (BGBl. I 1890) deutlich gemacht, dass das Einkommensteuerrecht prinzipiell auch für die sozialversicherungsrechtliche Behandlung des Arbeitseinkommens im Sinne einer Parallelität zwischen Einkommensteuerrecht und Sozialrecht maßgeblich sein soll (BSG, Urteil vom 5. September 2006 - B 7a AL 38/05 R ).

15

Dies gilt auch für die Bildung und folgerichtig für die Auflösung von Ansparabschreibungen nach § 7g EStG.

16

Ansparrücklagen sollen dem Selbstständigen ermöglichen, eine Rücklage für künftige Investitionen zu bilden (vgl. dazu und zum Folgenden: BSG, a.a.O.). Dies wird dadurch erreicht, dass die Ansparrücklage durch ihre Bildung verhindert, dass in bestimmter Höhe erzielte Gewinne besteuert werden. Nach § 7g Abs. 3 EStG (idF des EStG 1997 vom 16. April 1997 - BGBl. I 821 - geändert durch Art. 1 Nr. 12 des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 - BGBl. I 402 - mWv 1. Januar 1999) können Steuerpflichtige für die künftige Anschaffung oder für die Herstellung eines Wirtschaftsguts im Sinne des § 7g Abs. 1 EStG eine den Gewinn mindernde Rücklage bilden (Ansparabschreibung). Wird die Investition durchgeführt, so muss die Ansparrücklage gemäß § 7g Abs. 4 Satz 1 EStG gewinnerhöhend aufgelöst werden.

17

Ist die Investition spätestens am Ende des zweiten auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahres noch nicht abgeschlossen, so muss sie ebenfalls gewinnerhöhend aufgelöst werden (§ 7g Abs. 4 Satz 2 EStG), wobei wegen des nicht erfüllten Investitionsversprechens ein Gewinnzuschlag nach § 7 Abs. 5 EStG die in Anspruch genommenen Steuervorteile wieder ausgleichen soll. Die Wirkung der Rücklagenbildung hat zur Folge, dass sie im Jahr der Bildung zu einem buchmäßigen Aufwand führt, unabhängig davon, ob dabei ein Verlust entsteht oder ein bestehender Verlust sich erhöht (§ 7g Abs. 3 Satz 4 EStG). Durch die Bildung einer Rücklage erhält der Steuerpflichtige mithin einen Steuervorteil unter der Bedingung, dass er spätestens zwei Jahre nach der (eigenkapitalschonenden) Rücklagenbildung investiert.

18

Die Nichtbesteuerung der erzielten Gewinne in Höhe der Ansparrücklage führt somit dazu, dass beim Steuerpflichtigen im Jahr der Bildung der Ansparrücklage eine erhöhte Liquidität vorliegt. Den entsprechenden Gewinn in Höhe der Ansparrücklage hat der Steuerpflichtige tatsächlich im Jahr der Bildung der Ansparrücklage insbesondere durch Verwertung und Einsatz der Arbeitskraft erarbeitet, steuerlich berücksichtigt wird dieser Gewinn jedoch erst später, und zwar im Jahr der gewinnerhöhenden Auflösung der Ansparrücklage (BSG, a.a.O.). Im Fall der fehlenden Investition muss eine gewinnerhöhende Auflösung der Ansparrücklage spätestens am Ende des zweiten auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahres erfolgen.

19

Dementsprechend überzeugt nicht der Einwand der Klägerin, dass sie den Betrag, der durch die Auflösung der Ansparabschreibungen im Jahr 2001 gewinnerhöhend berücksichtigt worden ist, nicht "erarbeitet" habe. Sie hat letztlich diesen Betrag (einschließlich des den zwischenzeitlichen Zinsvorteil repräsentierenden Erhöhungsbetrag nach § 7g Abs. 5 EStG) im gleichen Sinne wie ihre sonstigen Erwerbseinkünfte "erarbeitet".

20

Die Bildung von Ansparabschreibungen und ihre insbesondere bei ausbleibenden Investitionen erforderliche Auflösung führt nicht dazu, dass sonstiges Vermögen oder nicht der selbständigen Tätigkeit zuzuordnende Einkünfte als Gewinn aus selbständiger Tätigkeit berücksichtigt werden. Sie hat lediglich eine zeitliche Verschiebung der Erfassung der Einkünfte zur Folge. Durch die Bildung und spätere Auflösung von Ansparabschreibungen kann der Steuerpflichtige im Ergebnis erreichen, dass Einkünfte aus seiner selbständigen Tätigkeit erst ein bzw. zwei Jahre später steuerrechtlich als sonst vorgegeben berücksichtigt werden.

21

Auch diese zeitliche Verzögerung der Einkommenserfassung führt nicht dazu, dass abweichend von den gesetzlichen Vorgaben des § 15 Abs. 1 SGB IV die steuerrechtliche Gewinnermittlung für die Ermittlung des nach § 97 SGB VI zu berücksichtigenden Einkommens nicht oder nur eingeschränkt heranzuziehen ist. Vielmehr ist auch in den Fällen, in denen der Steuerpflichtige - nach eigener freier Entscheidung - von dem steuerrechtlichen Instrument der Bildung einer Ansparabschreibung Gebrauch macht, der gesetzlich angeordneten Parallelität zwischen Einkommensteuerrecht und Sozialrecht uneingeschränkt Rechnung zu tragen.

22

In den Jahren, in denen die Ansparrücklage gebildet wird, ist auch im Rahmen von § 97 SGB VI nur das durch die Ansparrücklage geminderte Einkommen zu berücksichtigen, entsprechend ist aber auch im Jahr der Auflösung einer solchen Ansparabschreibung das dadurch erhöhte Einkommen maßgebend.

23

Dem steht nicht entgegen, dass nach Auffassung des BSG eine Anrechnung von Nebeneinkommen auf einen Arbeitslosengeldanspruch nach § 141 SGB III zwingend voraussetzen soll, dass das Arbeitseinkommen während des Leistungsbezuges erarbeitet wurde. Nach § 141 Abs. 3 SGB III anzurechnen sei nur das Einkommen, das aus einer Nebenbeschäftigung resultiere, die dem Leistungszeitraum zuordnenbar sei, sodass es nicht darauf ankomme, zu welchem Zeitpunkt die Nebeneinkünfte dem Arbeitslosen zuflössen. Eine Anrechnung von Nebeneinkommen gemäß § 141 Abs. 3 SGB III komme mithin nur dann in Betracht, wenn das monatliche Arbeitsentgelt bzw. Arbeitseinkommen tatsächlich einem Arbeitslosengeld-Leistungsmonat zuordnenbar sei (BSG, Urteil vom 5. September 2006 - B 7a AL 38/05 R -).

24

Diese Rechtsprechung ist auf Fallgestaltungen der vorliegenden Art nicht zu übertragen. Dies folgt bereits dadurch, dass das BSG zur Begründung der erläuterten zu § 141 Abs. 1 SGB III entwickelten Rechtsauffassung entscheidend darauf abstellt, dass bei der Ermittlung des Arbeitsentgelts nach § 141 Abs. 1 S. 1 SGB III Steuern, Sozialversicherungsbeiträge und Werbungs¬kosten (§ 9 EStG) und bei der Ermittlung des Arbeitseinkommens nach § 141 Abs. 1 S. 2 SGB III (seit 1. Januar 2005) pauschal 30% der Betriebseinnahmen als Betriebsausgaben abzuziehen seien (sofern nicht der Arbeitslose höhere Betriebsausgaben nachweise). Diese Sonderregelungen des § 141 Abs. 1 S. 1 und insbesondere S. 2 SGB III finden in der für den vorliegenden Fall maßgeblichen Anrechnungsvorschrift des § 97 SGB VI keine Parallele.

25

Soweit das BSG (a.a.O.) im Rahmen von § 141 SGB III darauf abstellt, dass in seinem Anwendungsbereich unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck dieser Norm dem Begriff der selbstständigen Tätigkeit i.S. von § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB IV zusätzlich das im Steuerrecht unbekannte Merkmal des persönlichen Einsatzes hinzuzufügen sei, kann dies bei der Anwendung des § 97 SGB VI schon deshalb nicht ausschlaggebend sein, weil auf die Witwenrente nach § 97 Abs. 1 SGB VI i.V.m. § 18a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB IV auch Vermögenseinkommen (in dem durch § 97 Abs. 2 SGB VI gesteckten Rahmen) anzurechnen sind. Dementsprechend ist nur ergänzend darauf hinzuweisen, dass Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit typischerweise nicht nur aus einem persönlichen Einsatz in Form des Einbringens der Arbeitskraft, sondern aus einem Zusammenwirken eines solchen persönlichen Einsatzes in Verbindung mit einem Kapitaleinsatz resultieren.

26

Zudem erstreckt sich der Bezug einer Witwenrente typischerweise über einen deutlich längeren Zeitraum als der Bezug von Arbeitslosengeld. Mit zunehmender Bezugsdauer verlieren aber der vom BSG im Zusammenhang mit § 141 SGB III problematisierte Anknüpfungspunkt der sog. "zeitlichen Kongruenz" zwischen Sozialleistungsbezug und Nebeneinkünften an Gewicht, da etwaige Ungenauigkeiten bei der richtigen zeitlichen Zuordnung von Nebeneinkünften typischerweise in den nachfolgenden Bezugszeiträumen ausgeglichen werden.

27

Darüber hinaus stehen nach Auffassung des Senates grundlegende Schwierigkeiten einer entsprechenden Anwendung der zu § 141 SGB III entwickelten Rechtsprechung des BSG entgegen. Einerseits soll nach dieser Rechtsprechung § 141 SGB III das Ziel verfolgen, die zur Bestreitung des Lebensunterhalts "zur Verfügung stehenden Beträge" zu erfassen, andererseits soll es nicht darauf ankommen, zu welchem Zeitpunkt die Nebeneinkünfte dem Arbeitslosen zufließen (BSG, Urteil vom 5. September 2006 a.a.O.). Damit wird bereits vernachlässigt, dass erst mit dem tatsächlich Zufluss entsprechender Einkünfte dem Leistungsempfänger ein Betrag zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung steht. Die bloße Hoffnung, in künftigen Zeiten ein Entgelt für die aktuelle Arbeitsleistung zu erhalten, vermag gegenwärtig den Lebensunterhalt nicht zu sichern. Einem selbständigen Fotografen, der im Jahr 1995 in monatelanger Arbeit die Aufnahmen für einen 1996 gedruckten Bildband gefertigt und in den Jahren 1997 bis 2005 als Entgelt einen prozentualen Anteil am Verkaufserlös des Buches erhalten hat, mag 1995 die späteren Einkünfte "erarbeitet" haben. 1995 standen sie ihm aber noch nicht zur Verfügung und konnten damals auch zu seinem Lebensunterhalt nichts beitragen.

28

Auch im Übrigen stellt das BSG schon im Rahmen von § 141 SGB III nicht konsequent auf die zur Bestreitung des Lebensunterhalts "zur Verfügung stehenden Beträge" ab. Wollte man dieses Ziel nachhaltig verfolgen, müsste zunächst ein eigenständiger sozialrechtlicher Begriff des Einkommens aus selbständiger Tätigkeit entwickelt werden; das BSG stellt aber auch in dem o.g. Urteil vom 5. September 2006 grundsätzlich auf die steuerrechtlichen Vorgaben in § 4 EStG ab.

29

Der Gesetzgeber hat im Steuerrecht die rechtspolitische Grundsatzentscheidung getroffen, dass Investitionen in (mehr als nur geringwertige) Wirtschaftsgüter nicht in voller Höhe im Jahr der Aufwendungen von den Einnahmen abgesetzt werden dürfen, sondern dass die entsprechenden Kosten im Wege der Abschreibung über mehrere Jahre zu verteilen sind (§ 7 EStG). Dies hat zur Folge, dass das Vorliegen eines Gewinns im steuerrechtlichen Sinne für sich genommen nichts darüber besagt, ob die selbständige Tätigkeit in dem betroffenen Jahr einen Beitrag zu den Lebenshaltungskosten des Selbständigen leisten konnte. Bei hohen Investitionen und relativ geringen Abschreibungsbeträgen kann die selbständige Tätigkeit real mit einem Liquiditätsverlust verbunden gewesen sein, auch wenn steuerrechtlich ein Gewinn auszuweisen ist. Umgekehrt kann in Jahren mit hohen Abschreibungsbeträgen und relativ geringen Investitionen eine selbständige Tätigkeit auch dann einen realen Beitrag zu den Lebenshaltungskosten erbringen, wenn sich steuerrechtlich ein Verlust ergibt. Nur in einer längerfristigen - sich nicht selten über Jahrzehnte erstreckenden - Gesamtbetrachtung korrespondiert typischerweise der steuerrechtlich ermittelte Gewinn mit dem zum Lebensunterhalt zur Verfügung stehenden Einkommen.

30

Darüber hinaus ist eine genaue Festlegung des Zeitraums, in dem ein Einkommen aus selbständiger Tätigkeit "erarbeitet" worden ist, mit durchgreifenden Schwierigkeiten verbunden. Dies gilt in besonderem Maße, wenn steuerrechtlich der Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt wird.

31

Vielfach lässt sich mangels einer zeitnahen Erfassung entsprechender Daten im Nachhinein gar nicht mehr konkret nachvollziehen, in welchen Zeiträumen welche Teile einer Leistung erarbeitet worden sind. Beispielsweise mag ein Rechtsanwalt nach einem Beratungsgespräch Ende 1996 einen Vorschuss in Höhe von 1.000,00 EUR für eine Anfang 1997 zu erhebende Klage erhalten. Das erstinstanzliche Verfahren erstreckt sich über drei Jahre, während derer laufend Schriftsätze zu fertigen, Termine zur Beweisaufnahme wahrzunehmen und Rücksprachen mit dem Mandanten zu halten sind. Nach Instanzende rechnet der Anwalt seinen Honoraranspruch ab und erhält weitere 1.000,00 EUR. Hier fragt sich, wie im Einzelnen diese 2.000,00 EUR (und entsprechend die Einnahmen aus den Hunderten von weiteren bearbeiteten Verfahren) auf die Jahre 1996 bis 2000 nach dem Maßstab eines "Erarbeitungszeitpunkts" zu verteilen sein sollen.

32

Ein konkreter "Erarbeitungszeitpunkt" für das Einkommen aus selbständiger Tätigkeit lässt sich typischerweise auch deshalb nicht exakt festlegen, weil sich viele Betriebsausgaben einer entsprechenden Zuordnung entziehen. Da sich das maßgebliche Einkommen im Anwendungsbereich des § 4 Abs. 3 SGB VI aus der Differenz zwischen Betriebseinnahmen und -ausgaben ermittelt, müssten sich beide Positionen und damit auch die Ausgaben jeweils einem konkreten Zeitraum zuordnen lassen, um eine Feststellung treffen zu können, dass ein Einkommen in einem bestimmten Zeitraum "erarbeitet" worden ist.

33

Bei investiven Ausgaben ist es jedoch weniger eine Frage der Erkenntnis, als vielmehr in erster Linie eine Wertungsfrage, welchen Zeiträumen diese zuzuordnen sind. Ob beispielsweise die Grenze für ein sofort abschreibungsfähiges geringwertiges Wirtschaftsgut bei 410,00 EUR (wie heute in § 6 Abs. 2 S. 1 EStG) oder bei 5.000,00 EUR liegt, ist eine rechtspolitische Entscheidung des Gesetzgebers.

34

Schließlich sprechen auch Erwägungen der Verwaltungspraktikabilität gegen eine Lösung vom steuerrechtlichen Einkommensbegriff. Jede Modifizierung bei einer sozialrechtlich gebotenen Berücksichtigung des Einkommens hätte zur Folge, dass die Versicherungsträger in jedem Einzelfall nachzuprüfen hätten, ob eine Korrektur des steuerrechtlich relevanten Einkommens zu Gunsten oder auch zu Lasten des Versicherten nach sozialrechtlichen Vorgaben vorzunehmen ist.

35

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen sieht der Senat in dem vorliegend maßgeblichen Anwendungsbereich des § 97 SGB VI keinen Anlass, das Arbeitseinkommen abweichend von den klaren Vorgaben des § 15 Abs. 1 SGB IV anders als nach den Vorgaben des Einkommensteuerrechts zu ermitteln.

36

Auch wenn das Einkommen im steuerrechtlichen Sinne durch die Bildung und spätere Auflösung von Ansparabschreibungen modifiziert worden ist, besteht kein Anlass von diesem Grundsatz abzuweichen. Dafür ist um so weniger eine Notwendigkeit zu erkennen, als die Bildung solcher Ansparabschreibungen (mit der Notwendigkeit ihrer späteren Auflösung) auf der freien Entscheidung des Unternehmers beruht. Dieser kann (und sollte) sich vor der (typischerweise erst nach Ablauf des betroffenen Geschäftsjahrs erfolgenden) Bildung solcher Ansparabschreibungen fachkundig über die Auswirkungen in steuerrechtlicher und bei Bedarf auch in sozialrechtlicher Hinsicht beraten lassen.

37

Dies gilt auch dann, wenn der Leistungsempfänger durch den Gebrauch steuerrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten in Form der Bildung und der damit einhergehenden späteren Auflösung von Ansparabschreibungen im Ergebnis seinen Sozialleistungsanspruch mindert. Die erläuterte Parallelität von des steuerrechtlichen und des sozialrechtlichen Einkommensbegriffs hat zwangsläufig zur Folge, dass entsprechende Gestaltungsmöglichkeiten nur einheitlich für das Steuer- und für das Sozialrecht ausgeübt werden können. Dementsprechend kann es für den Leistungsempfänger wirtschaftlich sinnvoll sein, sozialrechtliche Nachteile im Hinblick auf wirtschaftlich bedeutsamere steuerrechtliche Vorteile in Kauf zu nehmen. Unabhängig von der Frage, inwieweit sich entsprechende Vorteile im Ergebnis realisiert haben, muss er sich jedenfalls an der eigenverantwortlich getroffenen Gestaltungsent¬scheidung festhalten lassen.

38

b)

Ausgehend von den danach auch im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen steuerrechtlichen Vorgaben ist das Arbeitseinkommen der Klägerin im Jahr 2001 im Einkommensteuerbescheid - entsprechend der von der Klägerin selbst vorgelegten Einnahmen-Überschuss-Rechnung - auf 54.278,00 DM festgesetzt worden.

39

c)

Auf dieser Grundlage hat die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden zutreffend ausgeführt, dass eine Teilanrechnung dieses Einkommens auf die Witwenrentenbezüge im Zeitraum Juli 2002 bis Juni 2003 nach Maßgabe der § 97 Abs. 2 SGB VI, § 18b Abs. 2 S. 1 und Abs. 5 S. 1 Nr. 2 SGB IV unter Berücksichtigung der Bestimmung des § 18d Abs. 1 S. 1 SGB IV zu erfolgen hat. Die Höhe des überzahlten Betrages hat die Beklagte in den Anlagen 1 und 8 des Bescheides vom 18. Mai 2004 zutreffend mit 2.508,60 EUR ermittelt. Bedenken werden in dieser Hinsicht auch von der Klägerin nicht aufgezeigt.

40

d)

Die Beklagte war unter Berücksichtigung des von der Klägerin im Jahr 2001 erzielten Arbeitseinkommens auch zur rückwirkenden Kürzung der mit Bescheid vom 10. Juli 2002 in ungekürzter Höhe festgesetzten Witwenrente für den betroffenen Anrechnungszeitraum von Juli 2002 bis Juni 2003 und zur Rückforderung des überzahlten Betrages in Höhe von 2.508,60 EUR berechtigt.

41

aa)

Die Berechtigung zur entsprechenden rückwirkenden Aufhebung des Rentenbewilligungsbescheides folgt bereits § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X. Die Klägerin hat im Rechtssinne erst nach Erlass des Bescheides vom 10. Juli 2002 Einkommen in Form des Arbeitseinkommens aus selbständiger Tätigkeit erzielt, das aus den erläuterten Gründen zur Minderung des Witwenrentenanspruchs geführt hat.

42

Ausgehend von der vorstehend erläuterten in § 15 Abs. 1 SGB IV normierten Parallelität zwischen Steuer- und Sozialrecht, hängt die Frage, ob und in welcher Höhe der Versicherte in einem Kalenderjahr ein Arbeitseinkommen aus selbständiger Tätigkeit erzielt hat, nicht nur von den tatsächlich erzielten Einnahmen und den tatsächlich erfolgten Ausgaben, sondern entscheidend auch davon ab, ob und ggfs in welchem Umfang er von den durch das Steuerrecht eröffneten Gestaltungsspielräumen Gebrauch macht. Diese Gestaltungsmöglichkeiten übt der steuerpflichtige Selbständige erst mit der Abgabe der (mit einer entsprechenden Gewinnberechnung zu versehenden) Einkommensteuererklärung aus. Beispielsweise hätte sich die Klägerin jedenfalls noch im Herbst 2002 dazu entschließen können, im Jahre 2003 größere Investitionen vorzunehmen und dafür für die Jahre 2001 und 2002 erneut Ansparabschreibungen steuerrechtlich geltend zu machen. Die entsprechenden Beträge hätten steuerrechtlich nach Maßgabe des § 7g Abs. 3 EStG ihr im Jahr 2001 erzieltes Einkommen gemindert.

43

Unter Berücksichtigung dieser steuerrechtlichen Vorgaben kann ein konkretes Einkommen als selbständiger Tätigkeit erst dann im Sinne von § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X als "erzielt" angesehen werden, wenn mit Abgabe der Steuererklärung die steuerrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten ausgeübt wird und aufgrund ihrer erstmals die Einkommenshöhe berechnet werden kann. Die Einkommensteuererklärung für das Jahr 2001 hat die Klägerin aber erst nach Erlass des Bescheides vom 11. Juli 2002 abgegeben.

44

bb)

Sollte entgegen der vorstehend erläuterten Rechtsauffassung das Einkommen aus selbständiger Tätigkeit bereits mit Ablauf des betroffenen Kalenderjahres im Sinne von § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X als "erzielt" anzusehen sein, könnte sich die Beklagte jedenfalls auf § 45 Abs. 1 und Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X berufen. Der Bescheid vom 10. Juli 2002 beruhte auf Angaben der Klägerin, die diese jedenfalls grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig gemacht hat.

45

Grundlage für diesen Bescheid war eine von der Klägerin zuvor vorgelegte Einnahmen-Überschuss-Rechnung, derzufolge sie im Jahr 2001 lediglich einen steuerrechtlichen Gewinn von 12.077,30 DM erzielt haben wollte. Tatsächlich hat sie jedoch in diesem Jahr - ausweislich einer von ihr selbst später erstellten berichtigten Einnahmen-Überschuss-Rechnung - einen steuerrechtlichen Gewinn in Höhe von 54.278,00 DM erzielt.

46

Hiervon ausgehend wies die Angabe der Klägerin ein solches Maß an Fehlerhaftigkeit auf, dass sie auch bei wohlwollender Betrachtung nicht mehr als Ausdruck eines redlichen Schätzungsbemühens interpretiert werden kann. Die Klägerin ist in dem von ihr am 5. Juli 2002 unterzeichneten Fragebogen ausdrücklich nach dem Gewinn im steuerrechtlichen Sinne gefragt worden. Auch von ihrer Seite ist nicht näher erläutert worden, wie es ungeachtet der ihr bekannten in den Vorjahren gebildeten Ansparabschreibungen zu einer so gravierenden Fehleinschätzung des steuerrechtlich maßgeblichen Gewinns kommen konnte. Da die Gewinnberechnung und insbesondere die erläuterten grundlegenden Änderungen in den verschiedenen für das Jahr 2001 erstellten Einnahmen-Überschuss-Rechnungen der Sphäre der Klägerin zuzurechnen sind, hätte es ihr oblegen, ggfs. detailliert und substantiiert darzulegen, dass und ggfs. aufgrund welcher außergewöhnlichen Umstände die Erstangabe eines Gewinns von 12.077,30 DM aus Ausdruck eines redlichen Ermittlungsbemühens zu bewerten sollte, obwohl die tatsächliche Gewinnhöhe rund das 4,5fache betragen hat. Ein entsprechender prüffähiger Vortrag der Klägerin fehlt jedoch.

47

Dementsprechend bleibt nur der Schluss, dass die Klägerin sehenden Auges die tatsächlich nach Steuerrecht maßgebliche Einkommenshöhe verbergen wollte. Damit ist zumindest von grober Fahrlässigkeit auszugehen.

48

Dabei handelte es sich auch um eine wesentliche Unrichtigkeit, da bei richtiger Angabe des im steuerrechtlichen Sinne erzielten Gewinns die Beklagte davon Abstand genommen hätte, die Rente in voller Höhe zu bewilligen. Die Beklagte hat auch die Fristvorgaben des § 45 Abs. 3 S. 3 und S. 4 SGB X gewahrt.

49

Unter Berücksichtigung des grob fahrlässigen Fehlverhaltens der Klägerin und mangels besonderer schutzwürdiger Interessen auf ihrer Seite war das grundsätzlich der Beklagten durch § 45 SGB X eingeräumte Ermessen im Sinne der ausgesprochenen Teilrücknahme des Rentenbescheides reduziert. Jedenfalls hat die Beklagte ein etwa eröffnetes Ermessen in den angefochtenen Bescheiden ordnungsgemäß ausgeübt.

50

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.