Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 11.09.2023, Az.: 17 Ta 125/23

Die Zuweisung von Arbeitssachen zum Urteilsverfahren und zum Beschlussverfahren in den §§ 2 und 2a ArbGG; Zweigliedriger Streitgegenstandsbegriff im Zivil- und Arbeitsgerichtsprozess; Streitgegenstand als maßgebliche Bestimmungsgröße für die zu wählende Verfahrensart; Beschlussverfahren für Streitigkeiten aus dem betriebsverfassungsrechtlichen Verhältnis der Betriebspartner; Urteilsverfahren für Vergütungsansprüche eines freigestellten Betriebsratsmitglieds

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
11.09.2023
Aktenzeichen
17 Ta 125/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 55344
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2023:0911.17Ta125.23.00

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Braunschweig - 23.05.2023 - AZ: 2 BV 3/23

Amtlicher Leitsatz

In den in § 2 ArbGG geregelten Arbeitssachen findet das Urteilsverfahren statt (§ 2 Abs. 5 ArbGG), während über die in § 2a ArbGG genannten Arbeitssachen im Beschlussverfahren zu befinden ist (§ 2a Abs. 2 ArbGG). Maßgebend für die Bestimmung der zutreffenden Verfahrensart ist der Streitgegenstand. Vom Streitgegenstand werden alle materiell-rechtlichen Ansprüche erfasst, die sich im Rahmen des gestellten Antrags aus dem zur Entscheidung unterbreiteten Lebenssachverhalt herleiten lassen.

Redaktioneller Leitsatz

1. Nach dem auch für arbeitsgerichtliche Verfahren geltenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff wird der Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens durch den gestellten Antrag (Klageantrag) und den ihm zugrunde liegenden Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus dem die begehrte Rechtsfolge hergeleitet wird, bestimmt.

2. Bezieht sich das Verfahren auf das betriebsverfassungsrechtliche Verhältnis der Betriebspartner oder stehen die betriebsverfassungsrechtliche Ordnung des Betriebs und die gegenseitigen Rechte und Pflichten der Betriebspartner als Träger dieser Ordnung im Streit, entscheiden darüber die Gerichte für Arbeitssachen im Beschlussverfahren als der dafür geschaffenen und besonders geeigneten Verfahrensart.

3. Die Rechtsgrundlage für Ansprüche eines Betriebsratsmitglieds auf Fortzahlung seines Arbeitsentgelts für die während seiner Betriebsratstätigkeit versäumten Arbeitszeit bzw. während der Freistellung bleibt auch dann der Arbeitsvertrag (§ 611a Abs. 2 BGB), wenn betriebsverfassungsrechtliche Voraussetzungen als Vorfrage dieser Ansprüche zu klären sind. Deshalb ist für diesen Streit das Urteilsverfahren die richtige Verfahrensart.

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 23.05.2023 - 2 BV 3/23 - wird auf Kosten des Beschwerdeführers zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Vorabentscheidungsverfahren über die zutreffende Verfahrensart.

Der Beteiligte zu 1. (im Folgenden: Antragsteller) ist seit dem 04.05.2010 vollfreigestelltes Mitglied in dem bei der Beteiligten zu 2. (im Folgenden: Arbeitgeberin) gebildeten Betriebsrat. Mit Schreiben vom 30.01.2023 teilte der Arbeitgeberin dem Antragsteller mit, man müsse aufgrund eines Urteils des Bundesgerichtshofs vom 10.01.2023 (6 StR 133/22) voraussichtlich die Entgeltgruppe des Antragstellers nach unten korrigieren. Mit Schreiben vom 24.02.2023 erläuterte die Arbeitgeberin, wie das Entgelt zukünftig errechnet werde. Sie machte einen Rückforderungsanspruch für die Monate Oktober 2022 bis Januar 2023 wegen überbezahlter Differenzvergütung geltend.

Der Antragsteller hat folgende Anträge angekündigt:

1.

der Beteiligten zu 2. aufzugeben, es zu unterlassen, den Beteiligten zu 1. dadurch i.S.d.

§ 78 S. 2 BetrVG zu benachteiligen, dass die Beteiligte zu 2.

a)

den Beteiligten zu 1. nach Rückgruppierung seit dem 01.02.2023 nach EG 11 und nicht weiterhin nach EG 14 vergütet,

b)

zur Ermittlung des Lohnausfalls des Beteiligten zu 1. eine Vergleichsgruppe aus Maschinen- und Anlagenüberwachern und nicht Maschinenschlossern (Tätigkeitskennziffer 27300) zu Grunde legt,

c)

dem Beteiligten zu 2. keine Schichtvergütung zahlt, sowie,

d)

die hypothetische Mehrarbeit des Beteiligten zu 2. nicht auf Basis der Vergleichsgruppe des Beteiligten zu 1. sondern pauschal über den Betrieb A-Stadt hinweg ermittelt und vergütet und

e)

hierbei nicht die realen Abwesenheitszeiten (Urlaub und Krankheit) des Beteiligten zu 1. sondern die Abwesenheitszeiten aller Personen der Beschäftigtengruppe Leistungslohn (LL) kumulativ zu Grunde legt.

2.

der Beteiligten zu 2. aufzugeben, es zu unterlassen, den Differenzbetrag zwischen EG 14 und EG 11 in Höhe von 860,50 EUR/Monat rückwirkend für die Monate Oktober 2022 bis Januar 2023 entsprechend der Rückgruppierung nach Ziff. 1 a) mit Vergütungsansprüchen des Beteiligten zu 1. aufzurechnen.

3.

der Beteiligten zu 2. für jeden Monat der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung nach Ziff. 1 sowie für jeden Monat der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung nach Ziff. 2 jeweils ein Ordnungsgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, anzudrohen.

4.

die Beteiligte zu 2. zum Ersatz des Schadens aus der Verletzung des § 78 S. 2 BetrVG zu verpflichten, an den Beteiligten zu 1. 860,50 EUR brutto zu zahlen.

5.

der Beteiligten zu 2 aufzugeben, dem Beteiligten zu 1. monatlich Auskunft über die Berechnung seiner hypothetischen Mehrarbeit und seiner Schichtvergütung unter Mitteilung des konkreten Rechenwegs zu erteilen.

6.

der Beteiligten zu 2. zum Ersatz des Schadens aus der Verletzung des § 78 S. 2 BetrVG aufzugeben, die Vergütung des Beteiligten zu 1. für die Monate Dezember 2022 bis Februar 2022 benachteiligungsfrei zu ermitteln, Abrechnungen in Textform hierüber zu erteilen und die sich hieraus ergebende Vergütung - unter Abzug der bereits abgerechneten und bezahlten Vergütung - zu zahlen.

7.

wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Sprungrechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht zuzulassen.

Das Arbeitsgericht hat von Amts wegen die gewählte Verfahrensart des Beschlussverfahrens mit Beschluss vom 23.05.2023 für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit in das Urteilsverfahren verwiesen. Hiergegen hat der Antragsteller am 01.06.2023 sofortige Beschwerde eingelegt. Er begehrt die Zurückverweisung in das Beschlussverfahren als zulässige Verfahrensart.

Der Antragsteller trägt vor, er begehre die Unterlassung von Benachteiligungen im Sinne des § 78 Satz 2 BetrVG sowie Schadenersatz (Naturalrestitution) wegen Verletzung des Benachteiligungsverbots und regelmäßige Auskunft zur Prüfung, ob weiterhin ihm gegenüber gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen werde.

Die Arbeitgeberin benachteilige ihn als vollständig freigestelltes Betriebsratsmitglied dadurch, dass sie nicht die vor der Amtsausübung tatsächlich ausgeübte Tätigkeit zur Bildung einer Vergleichsgruppe zugrunde lege, keine entsprechende betriebsübliche Entwicklung nachzeichne und die Dauermehrarbeitsstunden und Mehrarbeitsstunden, die er hypothetisch ohne Betriebsratstätigkeit leisten würde, nicht vollständig kompensiere. Die Benachteiligungen seien zu unterlassen und der Schaden zu ersetzen. Damit werde entgegen den Ausführungen des Arbeitsgerichts nicht primär Vergütungszahlung begehrt. Das Arbeitsgericht könne sich nicht über den Wortlaut der gestellten Anträge nebst Begründung hinwegsetzen und selbst den Streitgegenstand bestimmen. Vielmehr werde durch die vom Antragsteller gestellten Anträge nebst Begründung durch § 78 Satz 2 BetrVG der Streitgegenstand bestimmt. Es sei für die Verfahrensart unschädlich, dass auch andere Anspruchsgrundlagen zur Begründung in Betracht kämen. Der Begriff der "Behinderung" sei weit zu verstehen. Er umfasse jede unzulässige Erschwerung, Störung oder Behinderung der Betriebsratstätigkeit, gegebenenfalls auch durch Unterlassen. Sofern sich ein vollständig freigestelltes Betriebsratsmitglied nicht mehr betriebsüblich entwickeln könne oder es gegenüber Arbeitnehmern ohne Amt keine Entwicklungsgespräche führen dürfe, über Stellenbesetzungen nicht berücksichtigt werde, keine transparenten Auskünfte zu Vergleichspersonen und zur Vergütungsentwicklung dieser Personen erhalte, auf Pauschalbeträge bezüglich hypothetischer Schicht- und Mehrarbeitsvergütung ohne Information zur Berechnungsgrundlage verwiesen werde und Betriebsvereinbarungen zur Vergütung ihm gegenüber nicht eingehalten würden, könne durchaus von einer Störung der Betriebsratstätigkeit ausgegangen werden. Dies führe im Extremfall dazu, dass Ämter niedergelegt würden, der Umfang der Vollfreistellungen wegen der vorgenannten Nachweisprobleme nicht mehr gelebt werden könne und so die Quantitätät und Qualität der Betriebsratstätigkeit beeinflusst werde.

Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 27.06.2023 nicht abgeholfen und diese dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Beschlüsse sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG, § 80 Abs. 3, § 48 Abs. 1 ArbGG, §§ 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat den Rechtsstreit zu Recht in das Urteilsverfahren verwiesen.

1.

Bedenken gegen die Zulässigkeit der Beschwerde bestehen nicht. Der erstinstanzliche Beschluss vom 23.05.2023 ist der Antragstellervertreterin am 30.05.2023 übersandt worden. Da diese den Beschluss mit der sofortigen Beschwerde vom 01.06.2023 vorgelegt hat, ist von einem zuvor erfolgten Zugang auszugehen, unbeschadet des Umstands, dass das Empfangsbekenntnis erst unter dem Datum des 05.06.2023 abgegeben wurde.

2.

Die Verfahrensart, in der ein Rechtsstreit vor den Gerichten für Arbeitssachen zu entscheiden ist, bestimmt sich nach § 2 und § 2a ArbGG. In den in § 2 ArbGG geregelten Arbeitssachen findet das Urteilsverfahren statt (§ 2 Abs. 5 ArbGG), während über die in § 2a ArbGG genannten Arbeitssachen im Beschlussverfahren zu befinden ist. Dem arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren sind ua. bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a ArbGG) ausschließlich zugewiesen. Im Beschlussverfahren sind dagegen ua. Streitigkeiten zu entscheiden, die eine Angelegenheit aus dem BetrVG betreffen, soweit es nicht um strafbare Handlung und Ordnungswidrigkeiten nach dem BetrVG gehen, die den ordentlichen Gerichten zugewiesen sind (BAG, 12.06.2018, 9 AZB 9/18, AP GVG § 17 a Nr. 62, Rn. 9).

3.

Dabei ist für die Bestimmung der zutreffenden Verfahrensart der Streitgegenstand maßgebend (BAG, 22.10.2019, 9 AZB 19/19, BeckRS 2019, 52259, Rn. 10).

Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG, welcher nach § 48 Abs. 1 ArbGG für die Zulässigkeit der Verfahrensart entsprechend gilt, entscheidet das Gericht des zulässigen Rechtswegs den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten. In entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG kommt damit den Gerichten für Arbeitssachen gegebenenfalls eine verfahrensüberschreitende Sachentscheidungskompetenz zu. Diese setzt voraus, dass Gegenstand des Verfahrens ein einheitlicher Streitgegenstand im Sinne eines einheitlichen prozessualen Anspruchs ist. Liegt hingegen eine Mehrheit prozessualer Ansprüche vor, ist für jeden dieser Ansprüche die Verfahrensart gesondert zu prüfen (BAG, 04.12 2013, 7 ABR 7/12, AP BetrVG 1972 § 78 Nr. 13, Rn. 47 f.)

Nach dem auch für arbeitsgerichtliche Verfahren geltenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff wird der Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens durch den gestellten Antrag (Klageantrag) und den ihm zugrunde liegenden Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus dem die begehrte Rechtsfolge hergeleitet wird, bestimmt. Der Streitgegenstand wird also nicht allein durch das Antragsziel bestimmt. Zum Anspruchsgrund sind alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden und den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassenden Betrachtung zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, den der Kläger zur Stützung seines Rechtsschutzbegehrens dem Gericht vorträgt. Vom Streitgegenstand werden damit alle materiell-rechtlichen Ansprüche erfasst, die sich im Rahmen des gestellten Antrags aus dem zur Entscheidung unterbreiteten Lebenssachverhalt herleiten lassen (BAG, 19.11.2019, 3 AZR 281/18, BAGE 168, 345, Rn. 45 f.).

4.

Für das Vorliegen einer betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeit ist entscheidend, ob der geltend gemachte Anspruch bzw. die begehrte Feststellung ihre Rechtsgrundlage in einem betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsverhältnis hat. Das Verfahren muss sich auf das betriebsverfassungsrechtliche Verhältnis der Betriebspartner beziehen. Immer wenn die betriebsverfassungsrechtliche Ordnung des Betriebs und die gegenseitigen Rechte und Pflichten der Betriebspartner als Träger dieser Ordnung im Streit stehen, sollen darüber die Gerichte für Arbeitssachen im Beschlussverfahren als der dafür geschaffenen und besonders geeigneten Verfahrensart entscheiden. Dies gilt auch dann, wenn es um Rechte betriebsverfassungsrechtliche Organe geht, welche sich nicht unmittelbar aus dem BetrVG ergeben müssen, sondern ihre Grundlage auch in Tarifverträgen und anderen Rechtsvorschriften haben können (BAG, 9 AZB 9/18, Rn. 10; 9 AZB 19/19, Rn. 10 mwN.).

5.

In Anwendung dieser Grundsätze ist das Urteilsverfahren im Streitfall für sämtliche angekündigten Anträge die zutreffende Verfahrensart.

a.

Der vom Antragsteller vorgetragene Lebenssachverhalt hat die durch die Arbeitgeberin vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10.01.2023 vorgenommene, teilweise rückwirkende Kürzung seiner monatlichen Bruttovergütung und die zugrunde liegende Art und Weise der Ermittlung des Lohnausfalls während der Freistellung als Betriebsratsmitglied zum Gegenstand. Hieraus leitet der Kläger mit den angekündigten Anträgen unterschiedliche Unterlassungsansprüche (Anträge zu 1.-3.), Zahlungsansprüche (Anträge zu 4. und 6.), Auskunftsansprüche (Antrag zu 5.) und Abrechnungsansprüche (Antrag zu 6.) her.

Dabei betreffen der Lebenssachverhalt und die hieraus hergeleiteten Anträge in ihrem Kern die Frage, ob die Arbeitgeberin die Vergütungsansprüche des Antragstellers während der Freistellung als Betriebsratsmitglied zutreffend ermittelt und zahlt.

b.

Für die Beurteilung der zu Entscheidung gestellten Streitgegenstände kommen sowohl kollektivrechtliche (§ 78 Satz 2 BetrVG iVm. § 823 Abs. 2 BGB) als auch individualrechtliche (§ 611 a Abs. 2 BGB iVm. § 37 Abs. 2 BetrVG) Anspruchsgrundlagen in Betracht. Insoweit liegt eine Anspruchskonkurrenz und keine objektive Anspruchshäufung vor.

Vom Streitgegenstand werden alle materiell-rechtlichen Ansprüche erfasst, die sich im Rahmen des gestellten Antrags aus dem zur Entscheidung unterbreiteten Lebenssachverhalt herleiten lassen (BAG, 3 AZR 281/18, Rn. 46). Der Anspruchsteller kann dabei grundsätzlich nicht verlangen, dass das Gericht seine Klage nur unter bestimmten rechtlichen Gesichtspunkten prüft (Musielak/Voit/Musielak, ZPO § 308, Rn. 15; MüKoZPO/Becker-Eberhard ZPO § 253 Rn. 73; BAG, 18.10.1990, 2 AZR 172/90, AP BGB § 613a Nr. 88, zu B.II.2.a).

Ob der Anspruchsteller seinen aus einem bestimmten Lebenssachverhalt hergeleiteten Anspruch dennoch ausdrücklich nur auf einen aus § 78 BetrVG abgeleiteten betriebsverfassungsrechtlichen Schadensersatz- oder Unterlassungsanspruch begrenzen kann, indem er einen vertraglichen Anspruch ausdrücklich nicht geltend macht (so wohl BAG, 22.10.2019, 9 AZB 19/19, Rn. 11 zum Schadensersatzanspruch), kann hier dahinstehen. Der Antragsteller hat zwar - teilweise bereits als Bestandteil der Antragsformulierung - angegeben, er stützte seine Anträge auf eine Verletzung des § 78 Satz 2 BetrVG. Er hat jedoch nicht erklärt, vertragliche Ansprüche im vorliegenden Verfahren ausdrücklich nicht geltend machen zu wollen.

c.

Verfahren, die den Anspruch eines Betriebsratsmitglieds auf Zahlung von Arbeitsentgelt für die durch Wahrnehmung von Betriebsratsaufgaben ausfallende berufliche Tätigkeit (§ 37 Abs. 2 BetrVG) bzw. einen Vergütungsanspruch eines gemäß § 38 BetrVG freigestellten Betriebsratsmitglied zum Gegenstand haben, sind bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a ArbGG und gehören nicht zu den "Angelegenheiten aus dem BetrVG" gemäß § 2a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG. Sie sind daher im Urteilsverfahren zu entscheiden (stRsp., BAG, 9 AZB 9/18, Rn. 10 mwN.). Die Rechtsgrundlage für Ansprüche eines Betriebsratsmitglieds auf Fortzahlung seines Arbeitsentgelts für die während seiner Betriebsratstätigkeit versäumte Arbeitszeit bzw. während der Freistellung bleibt auch dann der Arbeitsvertrag (§ 611 a Abs. 2 BGB), wenn betriebsverfassungsrechtliche Voraussetzungen als Vorfrage dieser Ansprüche zu klären sind (BAG, 9 AZB 9/18, Rn. 11).

Auch bei der vorliegenden Antragsgestaltung geht es dem Antragsteller in der Sache um die Zahlung von Arbeitsentgelt während der Freistellung für die Ausübung der Betriebsratstätigkeit. Die Frage, ob bei der Berechnung und Auszahlung die betriebsverfassungsrechtlichen Vorgaben nach § 37 und § 38 BetrVG richtig umgesetzt wurden, ist dabei nur Vorfrage des individuellen Vergütungsanspruchs. Dies gilt unabhängig davon, ob dieser prozessual in Form eines Unterlassung- oder eines Leistungsanspruchs geltend gemacht wird oder ob vorbereitende Auskunfts- und Abrechnungsansprüche erhoben werden. Gleiches gilt für den Umstand, dass von der Problematik der Ermittlung der Entgelthöhe nach §§ 37, 38 BetrVG denknotwendig nur Betriebsratsmitglieder betroffen sein können.

Der Umstand, dass der Antragsteller die geltend gemachten Ansprüche vorrangig auf eine Verletzung des Behinderungs- und Benachteiligungsverbot aus § 78 BetrVG stützen möchte, führt ebenfalls nicht zu einer anderen Bewertung (a.A. LAG Niedersachsen, 07.11.2017, 3 Ta 166/17, BeckRS 2017, 137825, Rn.24). Andernfalls würde bei jeder arbeitgeberseitigen Maßnahme, die sich möglicherweise negativ auf die Motivation für die Amtsausübung als Betriebsrat auswirken könnte, die Berufung auf das Benachteiligungsverbot zur Eröffnung des Beschlussverfahrenswegs führen (Salamon, NZA 2018, 1367, 1370). Insoweit kann dahinstehen, ob sich der erforderliche Bezug zu Angelegenheiten aus dem BetrVG im Einzelfall daraus ergeben kann, dass das Betriebsratsmitglied durch die unzutreffende Bemessung der Entgeltfortzahlung in seiner Mandatsausübung gestört oder behindert wird oder der zugrunde liegende Sachverhalt in Angelegenheiten aus dem BetrVG wurzelt, insbesondere mit der Mandatsausübung im Zusammenhang steht (vgl. LAG Niedersachsen, 26.01.2016, 2 Ta 1/16, NZA-RR 2016, 301, Rn. 23 zur Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte). Konkrete Anhaltspunkte hierfür sind - über die abstrakt benannte Gefährdung der Unabhängigkeit und "Herabqualifizierung des Betriebsratsamts zu einer verschlechternden Alternative" hinaus - jedenfalls im Streitfall nicht vorgetragen, worauf das Arbeitsgericht zu Recht hingewiesen hat. Unstreitig möchte die Arbeitgeberin den Vergütungsanspruch des Antragstellers erfüllen. Streitig ist lediglich, ob die gesetzlichen Vorgaben hierbei zutreffend umgesetzt werden.

III.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO der unterlegene Beschwerdeführer zu tragen. Eine Kostenentscheidung hat nicht deshalb zu unterbleiben, weil nach § 80 Abs. 3, § 48 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 17-17 b GVG innerhalb des unzutreffend eingeleiteten Beschlussverfahrens über die Zulässigkeit der Verfahrensart zu entscheiden war. Im Beschwerdeverfahren nach § 48 Abs. 1 ArbGG (gegebenenfalls iVm. § 80 Abs. 3 ArbGG), § 17 a Abs. 4 GVG bestimmen sich die Kostenregelungen nach der Verfahrensart, in die der Rechtsstreit verwiesen wird (BAG, 9 AZB/18, Rn. 12).

Die Entscheidung ergeht gemäß § 78 Satz 3 ArbGG durch die Vorsitzende allein ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde folgt aus §§ 80 Abs. 3, 48 Abs. 1 ArbGG iVm. § 17a Abs. 4 Satz 5 GVG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage.