Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 16.01.2023, Az.: 17 TaBV 36/22

Aufgabenbezug; Erforderlichkeit; Kollisionslage; Mehrheitsgewerkschaft; Überwachungsrecht; Unterrichtungsanspruch des Betriebsrats; Unterrichtungsanspruch des Betriebsrats; Feststellung der Mehrheitsgewerkschaft bei Kollisionslage

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
16.01.2023
Aktenzeichen
17 TaBV 36/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 14176
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2023:0116.17TaBV36.22.00

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Hannover - 04.05.2022 - AZ: 5 BV 11/21

Fundstellen

  • ArbR 2023, 250
  • NZA 2023, 654
  • NZA-RR 2023, 252-255

Tenor:

Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts A-Stadt vom 04.05.2022, Aktenzeichen 5 BV 11/21, wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über Auskunftsansprüche aus dem Betriebsverfassungsgesetz.

Der Beteiligte zu 1) (im Folgenden: Betriebsrat) ist der A. R. 3.1 der C., welcher auf der Grundlage des Tarifvertrags zu betriebsverfassungsrechtlichen Fragen bei der C., den weiteren Unternehmen des Schienenpersonennahverkehrs und der R.B.Gesellschaft vom 29.08.2017 (Bl. 196-213 dA.) gewählt wurde.

Die Beteiligte zu 2) (im Folgenden: Arbeitgeberin) ist ein Tochterunternehmen der D.B. AG und Mitglied des tarifschließenden Arbeitgeberverbands AGV MOVE, welcher sowohl mit der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (im Folgenden: EVG) als auch mit der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (im Folgenden: GDL) Tarifverträge abgeschlossen hat.

In den Betrieben der Arbeitgeberin wurden nach Inkrafttreten des § 4 a TVG sowohl die Tarifverträge der GDL als auch die Tarifverträge der EVG nebeneinander angewendet. Dem lagen der "Tarifvertrag zur Sicherung kollisionsfreier Tarifbestimmungen" zwischen der EVG und dem AGV MOVE sowie der "Tarifvertrag zur Regelung von Grundsatzfragen" (GrundsatzfragenTV) zwischen der GDL und dem AGV MOVE zugrunde. Der GrundsatzfragenTV endete mit Ablauf des 31.12.2020 ohne Nachwirkungen.

Mit Schreiben vom 18.03.2021 (Bl. 131 f. dA.) informierte die Arbeitgeberin den Betriebsrat, dass seit dem 01.01.2021 § 4 a TVG gelte und künftig in jedem Betrieb der Tarifvertrag der Mehrheitsgewerkschaft zur Anwendung komme. Aus technischen und organisatorischen Gründen werde das Tarifeinheitsgesetz schrittweise in den betroffenen Betrieben umgesetzt, wobei die erste Phase der Umsetzung ab dem 01.04.2021 beginne. Im Einzelnen ist ausgeführt:

"Da die DB keine Kenntnis über die Anzahl der Gewerkschaftsmitglieder hat, hatte sie eine begründete Annahme zu treffen. Grundlage dafür waren zum Beispiel die Ergebnisse der letzten Betriebsratswahl, vorliegende Personalsystemeinstellungen und Tarifbindungsanzeigen. Um hier zu gesicherten Ergebnissen zu kommen, hatte die DB beide Gewerkschaften aufgefordert, die Mehrheitsverhältnisse über ein notarielles Verfahren gemeinsam ermitteln zu lassen.

Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) hatte ihre Bereitschaft zur Teilnahme an einem solchen Verfahren erklärt. Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) hatte ihre Beteiligung abgelehnt. Die EVG hat sich daraufhin einseitig bereit erklärt, dennoch für einzelne Betriebe Daten über einen Notar offenzulegen. Diese notariell beurkundeten Ergebnisse flossen zusätzlich in die Bestimmung der Mehrheitsverhältnisse durch die DB ein."

Für den Wahlbetrieb Niedersachsen/Bremen R. 3.1 der C. wurde mitgeteilt, dass die GDL nach § 4 a TVG als die betriebliche Mehrheitsgewerkschaft anzusehen sei.

Der Betriebsrat begehrt von der Arbeitgeberin, ihm die im Antrag aufgeführten Auskünfte über die in seinem Wahlbetrieb ermittelten gewerkschaftlichen Mitgliedsverhältnisse sowie über die in die Bewertung der gewerkschaftlichen Mehrheitsverhältnisse eingegangenen Wertungen und die Art und Weise der vorgenommenen Gesamtbetrachtung zu erteilen.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, ihm stehe aus § 80 Abs. 2 BetrVG ein entsprechender Auskunftsanspruch zu. Da er gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG über die Durchführung der für die Arbeitnehmer geltenden Tarifverträge zu wachen habe, müsse er prüfen, ob die jeweilige Tarifnorm wirksam sei und damit befolgt werden müsse. Ohne die begehrte umfassende Unterrichtung unter Vorlage entsprechender Unterlagen sei er nicht in der Lage, zu beurteilen, ob die jeweiligen Tarifnormen der EVG-Tarifverträge nach wie vor wirksam seien. Dem Betriebsrat seien durch die Arbeitgeberin keine verlässlichen Entscheidungsgrundlagen, sondern lediglich Annahmen und Wertungen mitgeteilt worden. Soweit die geforderten Informationen nicht bei der Arbeitgeberin, sondern nur bei der Deutsche Bahn AG vorlägen, müsse sie sich diese notfalls von der Konzernmutter beschaffen.

Der Betriebsrat hat beantragt:

  1. 1.

    Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, den Antragsteller zu unterrichten

    • über die Anzahl der im Rahmen eines notariellen Verfahrens mit der EVG ermittelten gewerkschaftlichen Mitgliedschaften bei der EVG im , Wahlvorstand R.3.1

    • über die Anzahl der Gewerkschaftsmitglieder im , Wahlvorstand R.3.1, getrennt nach Gewerkschaftsmitgliedschaft bei der Eisenbahn und Verkehrsgewerkschaft (EVG) und der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL),

    • über die Anzahl der Tarifbindungsanzeigen, getrennt nach Gewerkschaftsmitgliedschaft bei der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) und der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL),

    • darüber, auf Grund welcher Wertungen die Ergebnisse der letzten Betriebsratswahl 2018 in die Bewertung der gewerkschaftlichen Mehrheitsverhältnisse eingegangen ist, insbesondere

      1. a.

        auf welche Weise die Wahlbeteiligung in diese Bewertung einbezogen wurde,

      2. b.

        wie die Ergebnisse der freien Liste 6W in diese Bewertung einbezogen wurde

      3. c.

        auf welche Weise die Tatsache, dass die Betriebsratswahl ca. drei Jahre zurückliegt, in diese Bewertung einbezogen wurde,

    • auf welche Weise die vorgenommene Gesamtbetrachtung in die Bestimmung der Mehrheitsverhältnisse eingegangen ist.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, der Antrag sei unbestimmt und damit unzulässig und zudem unbegründet. Der Betriebsrat habe einen konkreten, hinreichenden Aufgabenbezug nicht dargelegt. Ein Aufgabenbezug scheitere zudem daran, dass dem Betriebsrat nach § 80 Abs. 1 BetrVG keine Kontrollfunktion gegenüber dem Arbeitgeber bezüglich der rechtmäßigen Ermittlung der Mehrheitsverhältnisse im Rahmen des § 4 a Abs. 2 Satz 2 TVG zustehe.

Dies folge unter anderem aus dem systematischen Umstand, dass Betriebsräte im Rahmen des vom Gesetzgeber speziell hierzu geschaffenen Verfahrens nach §§ 2a Abs. 1 Nr. 6, 99 ArbGG nicht antragsberechtigt seien. Darüber hinaus seien die im Antrag begehrten Informationen und Unterlagen bei der Arbeitgeberin nicht vorhanden, da die Mehrheitsfeststellung nicht durch die Arbeitgeberin, sondern zentral für den gesamten Konzern durch die Deutsche Bahn AG durchgeführt worden sei.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 04.05.2022 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Antrag genüge nicht den Bestimmtheitsanforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und sei daher unzulässig. Den Gliederungspunkten 1) bis 3) des Antrages mangele es an der erforderlichen Bestimmtheit, da kein Zeitpunkt angegeben sei, auf den sich die Unterrichtung beziehe, und nicht erkennbar, auf welches konkrete notarielle Verfahren abgestellt werde. Die Antragsformulierung zu den Gliederungspunkten 4) und 5) lasse zudem nicht erkennen, welches die "Wertungen" und die "Gesamtbetrachtung" des Arbeitgebers sein sollten und wann somit das Antragsbegehren erfüllt wäre. Der Antrag sei im Übrigen auch unbegründet. Hinsichtlich der Gliederungspunkte 1) bis 3) handele es sich um unbegründete Globalanträge, da sie auch Fallkonstellationen erfassten, in denen nach der vom Betriebsrat vertretenen Rechtsauffassung kein Auskunftsanspruch gegenüber der Arbeitgeberin in Betracht komme. Dies gelte sowohl hinsichtlich der fehlenden zeitlichen Eingrenzung als auch der fehlenden Beschränkung auf den Wahlbetrieb unter Gliederungspunkte 3). Hinsichtlich der Gliederungspunkte 4) und 5) fehle es für die verfolgten Auskunftsbegehren am erforderlichen konkreten Aufgabenbezug. Selbst wenn zu Gunsten des Betriebsrates sich die Überwachung der Durchführung geltender Tarifverträge auch auf die Prüfung erstrecke, ob die jeweilige Tarifnorm wirksam sei, bestehe im Rahmen dieser Prüfung kein Anspruch auf Erläuterung der subjektiven Wertung und Gesamtbetrachtung von Umständen, die den Arbeitgeber zu einer Entscheidung über die Frage des im Betrieb anzuwendenden Tarifvertrages bewogen haben mögen.

Der Beschluss wurde dem Betriebsrat am 09.05.2022 zugestellt. Hiergegen hat der Betriebsrat am 07.06.2022 Beschwerde eingelegt und diese nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis 11.08.2022 am 09.08.2022 begründet.

Der Betriebsrat konkretisiert die Anträge auf den Auskunftsstichtag 01.01.2021 und den eigenen Wahlbetrieb. Er vertritt die Auffassung, zum 01.01.2021 habe hinsichtlich einer Reihe von Tarifverträgen der GDL und der EVG eine Kollisionslage vorgelegen (auf die Auflistung Bl.179-184 dA. wird Bezug genommen). Vor diesem Zeitpunkt habe keine Tarifkollision bestanden, da die Kollisionslage durch die gewillkürte Tarifpluralität aufgrund des GrundsatzfragenTV bis zum 31.12.2020 suspendiert gewesen sei. Auf welches notarielle Verfahren abzustellen sei, ergebe sich aus dem Mitteilungsschreiben der Arbeitgeberin vom 18.03.2021. Bei den im Antrag zu 4) angesprochenen Wertungen handele es sich um innere Tatsachen, deren Art und Umfang nur derjenige konkretisieren und darlegen könne, der die Wertungen vorgenommen habe. Die mit den Anträgen zu 1) bis 3) eingeforderten Informationen sollten den Betriebsrat in die Lage versetzen, die Plausibilität und Schlüssigkeit der Entscheidungsfindung der Arbeitgeberin nachzuvollziehen.

Nur vor diesem Hintergrund sei es ihm möglich, seinen Aufgaben nachzukommen, beispielsweise Auskünfte der Mitarbeiter zur Anwendung von Tarifverträgen zu erteilen, bei personellen Einzelmaßnahmen die Plausibilität der Entscheidung über die Anwendung eines bestimmten Tarifwerks zu prüfen und gegebenenfalls in einem Zustimmungsersetzungsverfahren zur Überprüfung zu stellen und weitere Aufgaben aus § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG verantwortungsvoll und kompetent auszufüllen.

Der Betriebsrat beantragt:

  1. 1.

    Der Antragsgegnerin wird es aufgegeben, den Antragsteller, bezogen auf den Stichtag 01.01.2021, über die Anzahl der im Rahmen eines notariellen Verfahrens mit der EVG ermittelten gewerkschaftlichen Mitgliedschaften bei der EVG im , Wahlbetrieb R 3.1. zu unterrichten

  2. 2.

    Der Antragsgegnerin wird es aufgegeben, den Antragsteller, bezogen auf den Stichtag 01.01.2021, über die Anzahl der Gewerkschaftsmitglieder im , Wahlbetrieb R 3.1, getrennt nach Gewerkschaftsmitgliedschaft bei der Eisenbahn- und Verkehrsgesellschaft (EVG) und der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) zu unterrichten.

  3. 3.

    Der Antragsgegnerin wird es aufgegeben, den Antragsteller, bezogen auf den Stichtag 01.01.2021, über die Anzahl der Tarifbindungsanzeigen im , Wahlbetrieb R 3.1, getrennt nach Gewerkschaftsmitgliedschaften bei der Eisenbahn- und Verkehrsgesellschaft (EVG) und der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), zu unterrichten.

  4. 4.

    Der Antragsgegnerin wird es aufgegeben, den Antragsteller, bezogen auf den Stichtag 01.01.2021, darüber zu unterrichten, aufgrund welcher Wertungen die Ergebnisse der Betriebsratswahl 2018 in die Bewertung der gewerkschaftlichen Mehrheitsverhältnisse eingegangen ist, insbesondere

    1. a)

      auf welche Weise die Wahlbeteiligung in diese Bewertung einbezogen wurde,

    2. b)

      wie die Ergebnisse der freien Liste 6 W in diese Bewertung einbezogen wurde,

    3. c)

      auf welche Weise die Tatsache, dass die Betriebsratswahl zum Zeitpunkt der Betrachtung ca. drei Jahre zurückliegt, in diese Bewertung einbezogen wurde.

Die Arbeitgeberin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Arbeitgeberin vertritt die Auffassung, die Beschwerde setze sich nicht hinreichend mit der erstinstanzlichen Entscheidung auseinander. Sie widerspricht der Antragsänderung in der Beschwerdeinstanz und vertritt die Auffassung, auch die nunmehr verfolgten Anträge seien nicht hinreichend bestimmt. Nach wie vor sei völlig unklar, worauf sich der Bezug auf die im Rahmen eines notariellen Verfahrens mit der EVG ermittelten gewerkschaftlichen Mitgliedschaften beziehen solle. Es sei nicht erkennbar, in welchem Zusammenhang der nunmehr genannte Stichtag und das genannte notarielle Verfahren sowie die in den Anträgen zu 2) bis 3) verlangten Informationen stünden.

Es fehle an Sachvortrag des Betriebsrates insbesondere zu einem konkreten Aufgabenbezug. Zwar gehöre es zu den Aufgaben des Betriebsrates, darüber zu wachen, dass die im Betrieb zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Tarifverträge eingehalten würden. Die Frage, welche Tarifverträge aufgrund gewerkschaftlicher Mehrheitsverhältnisse im Betrieb Anwendung fänden, sei jedoch nicht vom Kontrollrecht des Betriebsrates umfasst, sondern Bedingung für die Anwendung des Kontrollrechts. Die Feststellung der Mehrheitsverhältnisse stelle keine betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit dar, sondern sei eine dem Kontrollrecht des Betriebsrats vorgelagerte Frage, die im Übrigen von den Beteiligten des Verfahrens nach §§ 2a Abs. 1 Nummer 6, 99 ArbGG zu klären sei. Zudem verfüge die Arbeitgeberin gar nicht über die begehrten Informationen, da die Feststellung der gewerkschaftlichen Mehrheitsverhältnisse konzernweit durch die Deutsche Bahn AG erfolgt sei. Die Arbeitgeberin bestreitet mit Nichtwissen, dass der Betriebsrat angemessene und spezifische Maßnahmen vorgesehen habe, um die Verarbeitung sensitiver personenbezogener Daten nach den datenschutzrechtlichen Bestimmungen rechtmäßig durchführen zu können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, sowie das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG statthafte Beschwerde des Betriebsrats ist form- und fristgerecht im Sinne der §§ 87 Abs. 2, 66, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden und auch im Übrigen zulässig, jedoch unbegründet.

1.

Der Betriebsrat hat durch die Beschränkung der Auskunftsanträge auf den eigenen Wahlbetrieb (Ziffer 3) sowie den Auskunftsstichtag 01.01.2021 (Ziffer 1 bis 3) bzw. den "Zeitpunkt der Betrachtung" (Ziffer 4.c) die vom Arbeitsgericht für unzulässig erachteten Anträge konkretisiert und damit die erforderliche Zulässigkeit in der Beschwerdeinstanz hergestellt. Die Konkretisierung der Anträge stellt keine Antragsänderung iSd. § 263 ZPO dar, die zunächst eine zulässige Beschwerde voraussetzen würde (vgl. BGH, 21.09.1994, VIII ZB 22/94, NJW 1994, 3358) sondern eine Beschränkung iSd. § 264 Nr. 2 ZPO iVm. § 87 Abs. 2 ArbGG (vgl. LAG Kön, 30.09.2020, 11 Ta 138/18, BeckRS 2020, 31384, Rn.2).

Hinsichtlich der Ausführungen des Arbeitsgerichts zur Begründetheit bedurfte es keiner Ausführungen in der Beschwerdeschrift, da es seine Entscheidung ausweislich der Entscheidungsgründe zu II.1 ausdrücklich auf die Unzulässigkeit der Antragstellung gestützt und diese nicht dahinstehen lassen hat. Wird in der erstinstanzlichen Entscheidung die Zulässigkeit ausdrücklich verneint und die Entscheidung hierauf tragend gestützt, sind die zusätzlichen Ausführungen zur Begründetheit so zu behandeln, als wären sie nicht vorhanden (vgl. BAG, 29.09.2020, 9 AZR 113/19, NZA 2021, 279, Rn. 19).

2.

Das - nunmehr auf vier Einzelanträge aufgegliederte - Unterrichtungsbegehren des Betriebsrats ist in der gebotenen Auslegung hinreichend bestimmt und damit zulässig iSv. §§ 80 Abs. 2 Satz 1, 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

a.

Bei der Bezeichnung der EVG als "Eisenbahn- und Verkehrsgesellschaft" handelt es sich offensichtlich um einen Schreibfehler, welcher der Auslegung zugänglich ist.

b.

Mit den in der Beschwerdeinstanz angebrachten Anträgen zu 1) bis 3) verfolgt der Betriebsrat das Rechtsschutzziel, über bestimmte, näher aufgeführte Daten informiert zu werden, welche der Arbeitgeberin zur Anzahl der Gewerkschaftsmitglieder der EVG und der GDL vorliegen sollen. Es ist erkennbar, dass sich die Auskünfte auf die zu dem genannten Stichtag bekannten Daten, ausschließlich bezogen auf die im Wahlbetrieb R 3.1 beschäftigten Arbeitnehmer erstrecken sollen.

c.

Darüber hinaus verlangt der Betriebsrat mit dem Antrag zu 4) - ebenfalls abstellend auf einen konkreten Stichtag - eine Unterrichtung darüber, wie die Ergebnisse der Betriebsratswahl 2018 in die Ermittlung der gewerkschaftlichen Mehrheitsverhältnisse durch die Arbeitgeberin, im Einzelnen bezogen auf bestimmte, nicht abschließend aufgezählte Daten, eingeflossen sind. Durch die Formulierung "zum Zeitpunkt der Betrachtung" wird klargestellt, dass es um die Bewertungen der Arbeitgeberin zum Zeitpunkt der Mehrheitsermittlung geht.

Damit ist hinreichend erkennbar, zur Abgabe welcher Informationen die Arbeitgeberin mit den gestellten Anträgen verpflichtet werden soll.

3.

Die Anträge sind jedoch unbegründet. Der Betriebsrat hat keinen Anspruch auf die begehrten Unterrichtungen.

a.

Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG hat der Arbeitgeber den Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben rechtzeitig und umfassend zu unterrichten sowie auf dessen Verlangen Einsicht in die erforderlichen Unterlagen zu gewähren. Hieraus folgt ein entsprechender Anspruch des Betriebsrats, soweit die begehrte Information zur Aufgabenwahrnehmung erforderlich ist. Damit ist Anspruchsvoraussetzung zum einen, dass überhaupt eine Aufgabe des Betriebsrats gegeben ist und zum anderen, dass im Einzelfall die begehrte Information zur Wahrnehmung der Aufgaben erforderlich ist. Dies ist vom Betriebsrat darzulegen (vgl. BAG 24.04.2018, 1 ABR 6/16, NZA 2018, 1565, Rn. 22).

Das Vorbringen des Betriebsrats genügt diesen Anforderungen nicht.

b.

Es fehlt bereits an einer hinreichenden Konkretisierung des erforderlichen Aufgabenbezugs.

Im Streit um die Auskunftsansprüche des Betriebsrats nach § 80 Abs. 2 BetrVG ist es nicht Aufgabe des Gerichts, ohne konkrete Angaben des Betriebsrats von Amts wegen zu prüfen, welche Aufgabe den Auskunftsanspruch stützt und aus welchen Gründen die verlangte Information für die Durchführung dieser Aufgabe benötigt werden könnte. Der Informationsanspruch ist strikt aufgabengebunden und in seiner Reichweite durch das Erforderlichkeitsprinzip bestimmt. Daher muss der Betriebsrat die konkrete normative Vorgabe, deren Durchführung er zu überwachen hat und die sein Auskunftsverlangen tragen soll, aufzeigen. Dies gilt insbesondere, wenn sich der Betriebsrat auf ein Gesetz mit mehreren unterschiedlichen (Schutz-) Bestimmungen bezieht. Kann der Schutz nur im Hinblick auf konkrete betriebliche Gegebenheiten greifen, sind diese gleichfalls anzugeben (vgl. BAG, 09.04.2019, 1 ABR 51/17, NZA 2019, 1055 [BAG 09.04.2019 - 1 ABR 51/17], Rn.12 f.). Vergleichbares muss nach dem Sinn und aufgabengebundenen Zweck des § 80 Abs. 2 BetrVG gelten, wenn der Betriebsrat seine Überwachungsaufgabe nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG bezogen auf einen Tarifvertrag geltend macht.

aa.

Der Betriebsrat begründet seinen Unterrichtungsanspruch damit, er müsse in die Lage versetzt werden, die Plausibilität und Schlüssigkeit der Entscheidung der Arbeitgeberin nachzuvollziehen. In der Beschwerdebegründung beruft sich der Betriebsrat darauf, er müsse überprüfen können, ob die Entscheidung der Arbeitgeberin darüber, welche Mehrheitsgewerkschaft im Betrieb anzunehmen ist, aufgrund der der Arbeitgeberin bekannten Tatsachenbasis nachvollziehbar sei.

Mit diesem Verständnis lässt sich ein Aufgabenbezug des Betriebsrats nicht erkennen. Der Betriebsrat ist kein dem Arbeitgeber übergeordnetes Kontrollorgan (vgl. BAG, 11. Juli 1972,1 ABR 2/72, AP Nr. 1 zu § 80 BetrVG 1972; Weber GK-BetrVG, § 80, Rn. 27). Somit obliegt ihm auch nicht die abstrakte Überprüfung, ob die Arbeitgeberin die "richtige" Entscheidung darüber getroffen hat, welche Gewerkschaft sie als Mehrheitsgewerkschaft des Betriebes im Sinne des § 4 a Abs. 2 Satz 2 TVG ansieht. Ein Anspruch des Betriebsrats auf eine Mitteilung, welche Wertungen die Arbeitgeberin ihrer Prüfung zugrunde gelegt hat (Antrag zu 4), kann unter keinem Gesichtspunkt bestehen, da er auf eine abstrakte Kontrolle der subjektiven Rechtsanwendung durch die Arbeitgeberin hinausläuft.

bb.

Soweit der Betriebsrat seine Unterrichtungsansprüche erstinstanzlich zudem damit begründet hat, sein Überwachungsrecht nach § 80 Abs. 1 BetrVG erstrecke sich auch darauf, ob die zugunsten der Arbeitnehmer geltende Tarifnorm wirksam sei und damit befolgt werden müsse, nimmt er lediglich pauschal Bezug auf seine sich aus § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG Aufgaben. Danach hat der Betriebsrat darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Tarifverträge durchgeführt werden.

(1)

Im Streitfall kann dahinstehen, ob sich das Überwachungsrecht nach § 80 Abs. 1 BetrVG auch auf die vorgelagerte Prüfung erstreckt, welche von der Arbeitgeberin mit konkurrierenden Gewerkschaften abgeschlossenen Tarifverträge im Sinne des § 4 a TVG kollidieren und im Betrieb nach § 4 a Abs. 2 Sätze 2 und 3 TVG anzuwenden sind. Dieser pauschale Verweis genügt - worauf die Arbeitgeberin zu Recht hingewiesen hat - jedenfalls nicht, um den notwendigen, konkreten Aufgabenbezug für eine Unterrichtung nach § 80 Abs. 2 BetrVG herzustellen. Insoweit fehlt es bereits an der Berücksichtigung der betrieblichen und tariflichen Besonderheiten.

(2)

Die Frage, welche Gewerkschaft im Betrieb die Mehrheitsgewerkschaft im Sinne des § 4 a Abs. 2 Satz 2 TVG ist, sagt weder etwas über die Rechtswirksamkeit der Tarifnorm, noch über den Geltungsbereich des jeweiligen Tarifvertrages aus. Der Arbeitgeber kann nach § 4 a Abs. 2 Satz 1 TVG weiterhin an mehrere Tarifverträge unterschiedlicher Gewerkschaften gebunden sein.

Die Tarifverträge der Minderheitsgewerkschaften werden durch eine Kollisionslage nicht unwirksam, sondern lediglich gemäß § 4 a Abs. 2 Satz 2 TVG in ihrem Anwendungsbereich verdrängt (BT-Drs. 18/4062, S. 13). Diese Verdrängungswirkung tritt zudem nur ein, soweit sich die persönlichen Geltungsbereiche der Tarifverträge überschneiden und diese nicht inhaltsgleich sind (§ 4 a Abs. 2 Satz 2 TVG, siehe auch Zwanziger/Däubler in: Däubler, TVG, § 4 a, Rn. 88). An einer Tarifkollision im Sinne des § 4 a Abs. 2 Satz 2 TVG fehlt es von vorneherein, wenn auf einen anderen Tarifvertrag lediglich arbeitsvertraglich Bezug genommen wurde, da sich die Bindung dann aus dem Vertrag und nicht aus § 3 TVG ergibt (vgl. BVerfG, 11.07.2017,1 BvR 1571/15 u.a, NZA 2017, 915, Rn. 184).

(3)

Vor diesem Hintergrund sind konkrete Angaben des Betriebsrats dazu, bezüglich welcher Tarifnormen er seine Überwachungsaufgabe unter Berücksichtigung der betrieblichen Gegebenheiten nur nach Erteilung der im Verfahren begehrten Auskünfte wahrnehmen kann, nicht entbehrlich. Die pauschale Bezugnahme auf die vom Betriebsrat vorgelegte Auflistung der von den Gewerkschaften GDL und EVG abgeschlossenen Tarifverträge genügt hierfür nicht, da ohne konkreten Sachvortrag nicht ersichtlich ist, zwischen welchen Tarifverträgen es unter Berücksichtigung der betrieblichen Besonderheiten zu einer Kollisionslage im Sinne des §§ 4a Abs. 2 Satz 2 TVG gekommen ist, die der Betriebsrat überprüfen möchte.

c.

Der Betriebsrat hat auch die Erforderlichkeit der begehrten Auskünfte nicht dargelegt.

aa.

Insoweit fehlt es bereits an konkretem Vorbringen dazu, dass es auf die Datenlage zum 01.01.2021 ankommt. Die Mehrheitsfeststellung nach § 4 a Abs. 2 Satz 2 TVG hat bezogen auf den Zeitpunkt des Abschlusses des zuletzt abgeschlossenen kollidierenden Tarifvertrages stattzufinden. Kollidieren die Tarifverträge erst zu einem späteren Zeitpunkt, ist dieser für die Mehrheitsfeststellung nach § 4 a Abs. 2 Satz 3 TVG maßgeblich.

(1)

Die überwiegende Zahl der vom Betriebsrat genannten GDL-Tarifverträge ist allerdings erst am 24.02.2022 mit Rückwirkung zum 01.03.2021 abgeschlossen worden. Auch die meisten mit der EVG geschlossenen Tarifverträge, auf welche der Betriebsrat Bezug genommen hat, sind zum 01.03.2021 in Kraft getreten. Selbst wenn es hinsichtlich dieser Tarifverträge im Betrieb des Antragstellers zu einer Kollisionslage gekommen sein sollte, kann hinsichtlich des maßgeblichen Zeitpunktes der Feststellung nach § 4 a Abs. 2 Sätze 2 und 3 TVG nicht auf den Stichtag 01.01.2021 abgestellt werden.

(2)

Soweit einzelne Tarifverträge vor dem 01.01.2021 abgeschlossen wurden, könnte es auf den 01.01.2021 für die Mehrheitsfeststellung allenfalls dann ankommen, wenn mit dem nachwirkungslosen Auslaufen des Tarifvertrages zur Regelung von Grundsatzfragen zum 31.12.2020 eine "spätere" Kollisionslage im Sinne des § 4 a Abs. 2 Satz 3 TVG anzunehmen wäre.

Grundsätzlich findet § 4 a TVG bereits keine Anwendung auf Tarifverträge, die am 10.07.2015 galten (§ 13 Abs. 3 TVG). Die Regelung des § 4 a TVG ist zudem zwar tarifdispositiv. Dies setzt jedoch voraus, dass alle von der Kollisionsnorm positiv oder negativ betroffenen Tarifvertragsparteien die Regelung des § 4 a TVG ausschließen (vgl. BVerfG, 1 BvR 1571/15 u.a., a.a.O., Rn. 177ff.). Ob § 4 a Abs. 2 TVG im Streitfall wirksam im Sinne dieser Rechtsprechung abbedungen wurde und ob in diesem Fall die Kollisionslage iSd. § 4 a Abs. 2 Satz 3 TVG (erst) nach dem Ende der Regelung eingetreten oder (wieder) nach § 4 a Abs. 2 Satz 2 TVG auf den Abschluss der Tarifverträge abzustellen ist, kann dahinstehen. Denn der Betriebsrat hat nicht konkret angegeben, bezüglich welcher "Alttarifverträge" eine Kollisionslage im Sinne des § 4 a Abs. 2 Satz 2 TVG iVm. § 13 Abs. 3 TVG vorliegt, die ihn zu einer Überprüfung veranlasst, welcher der Tarifverträge im Betrieb anzuwenden ist.

bb.

Im Übrigen ist nicht erkennbar, dass die begehrten Daten dem Betriebsrat eine tragfähige Grundlage für eine eigene Mehrheitsfeststellung verschaffen könnten und die beantragte Unterrichtung damit erforderlich ist. Sowohl die notariell ermittelten EVG-Mitgliedschaften als auch die der Arbeitgeberin gegebenenfalls vorliegenden Tarifbindungsanzeigen bilden allenfalls einen Ausschnitt der gewerkschaftlichen Mitgliederzahlen im Betrieb ab.

d.

Soweit der Betriebsrat die Unterrichtung über die Anzahl der Gewerkschaftsmitglieder im Wahlbetrieb getrennt nach Mitgliedschaften bei der EVG und der GDL verlangt (Antrag zu 2.) fehlt es zudem an Anhaltspunkten dafür, dass die Daten bei der Arbeitgeberin vorhanden sind. Im Schreiben vom 18.03.2021 (Bl. 131 dA.) hat der Arbeitgeberin vielmehr ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie keine Kenntnis über die Anzahl der Gewerkschaftsmitglieder hat und daher eine "begründete Annahme" über die Mehrheitsverhältnisse treffen müsse.

Nach alledem kommt es nicht mehr entscheidend darauf an, dass der Betriebsrat ebenfalls nicht nachvollziehbar vorgetragen hat, dass die Arbeitgeberin über die mit den Anträgen zu 1) und 3) begehrten Daten verfügt oder sich diese zumindest ohne weiteres von der Deutsche Bahn AG verschaffen könnte. Ein erst auf die Herstellung und Aufbereitung bestimmter Daten gerichteter Anspruch lässt sich nicht aus § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG herleiten (vgl. BAG, 23.02.2021, 1 ABR 7/20, NZA 2021, 1261 [BAG 23.03.2021 - 1 ABR 7/20]). Insoweit ist im Streitfall aber bereits nicht dargelegt, dass die notarielle Feststellung der EVG-Mitgliederzahlen zum Stichtag 01.01.2021 erfolgt ist. Gleiches gilt für eine Feststellung (aktueller) Tarifbindungsanzeigen zum 01.01.2021.

III.

Auch eine Würdigung des weiteren Sachvortrags der Beteiligten, von dessen Darstellung im

Einzelnen Abstand genommen wird, führt zu keinem abweichenden Ergebnis.

IV.

Die Rechtsbeschwerde wurde gemäß §§ 92 Abs. 2 Satz 1, 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen. Die Rechtsfrage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang dem Betriebsrat ein Unterrichtungsanspruch im Zusammenhang mit der Anwendung kollidierender Tarifverträge im Sinne des § 4 a Abs. 2 TVG zusteht, ist klärungsbedürftig. Sie betrifft bundesweit eine Vielzahl von Betrieben und berührt daher ein abstraktes Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts.