Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 29.03.2023, Az.: 2 Sa 313/22

Abmahnung; Außerordentliche Kündigung; Dienstwagen; Dienstwagenrichtlinie; Tankkartennutzung

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
29.03.2023
Aktenzeichen
2 Sa 313/22
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 27965
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2023:0329.2Sa313.22.00

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Lingen - 13.04.2022 - AZ: 1 Ca 343/21

Fundstellen

  • AE 2024, 15
  • ArbR 2023, 447
  • CCZ 2023, 258-260
  • EzA-SD 5/2024, 3
  • FA 2023, 238
  • PERSONALmagazin 2023, 96-97
  • öAT 2023, 196

Amtlicher Leitsatz

Die private Nutzung einer Tankkarte entgegen den Regelungen einer Dienstwagenrichtlinie kann eine außerordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung rechtfertigen.

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Lingen vom 13. April 2022 - 1 Ca 343/21 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 93.536,52 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um den Bestand ihres Arbeitsverhältnisses.

Die Beklagte ist Hersteller von Landbohranlagen und deren Equipment. Sie beschäftigt regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer. Bei ihr ist ein Betriebsrat gebildet.

Der am 13. Juli 1973 geborene Kläger wurde von der Beklagten zum 1. Januar 2011 eingestellt. Seit dem 1. August 2011 war er als Vice President Sales im Vertrieb tätig und arbeitete aus dem Home-Office heraus. Dem Arbeitsverhältnis lag zuletzt der Arbeitsvertrag vom 2. August 2011 zugrunde (Bl. 6 ff. d. A.). Der Kläger erzielte in den Jahren 2018 bis 2020 ein durchschnittliches Bruttomonatseinkommen in Höhe von 15.589,42 Euro.

Die Beklagte stellte dem Kläger einen Dienstwagen zur Verfügung, den er auch privat nutzen durfte. Seit dem Jahr 2019 handelte es sich dabei um einen BMW 320 d Touring (Diesel) mit einem Tankvolumen von 59 Litern. Wegen der weiteren Einzelheiten des zuletzt vom Kläger genutzten Dienstwagens wird auf die Auftragsbestätigung für die Bestellung vom 7. August 2019 (Bl. 47 ff. d. A.) und wegen des zugrundeliegenden Leasingvertrages auf die Ablichtung des Vertrages (Bl. 49 ff. d. A.) Bezug genommen.

Bei der Beklagten besteht eine Dienstwagenrichtlinie, zuletzt in der Fassung vom 9. August 2011. Darin heißt es unter anderem (Bl. 152 ff. d. A.):

"...

3. Nutzung/Dienstfahrten

3.1 Der Mitarbeiter verpflichtet sich, den PKW bei Dienstreisen einzusetzen. Die Überlassung des PKW an Dritte ist nicht zulässig (Ausnahme siehe 3.3).

...

3.3 Der PKW kann vom Mitarbeiter und auch von Familienangehörigen oder Lebensgefährten privat genutzt werden, wobei jedoch die Verfügbarkeit des PKW am Arbeitsort während der Arbeitszeit dadurch nicht beeinträchtigt sein darf. Auf Dienstfahrten darf der Mitarbeiter den PKW Betriebsangehörigen überlassen.

...

3.4 Urlaubsreisen sind im Inland und im Europäischen Ausland grundsätzlich erlaubt. Einschränkungen sind bei der Personalabteilung der Firma vor Antritt der Fahrt durch den Mitarbeiter zu erfragen.

...

4. Kosten

4.1 Die Firma übernimmt die Leasinggebühr, Versicherungsprämie, Überführungskosten sowie die laufenden Betriebskosten (Kraftstoff, Öl).

4.2 Die Kosten für Wartung und Verschleißreparaturen sind in der Leasinggebühr enthalten.

...

6. Wartung/Reparatur

...

6.3 Die Reinigung des PKW (innen und außen) wird von der Firma getragen. Voraussetzung ist Nutzung der Rahmenverträge am Standort C-Stadt.

...

6.5 Der Mitarbeiter ist verpflichtet, den Weisungen der Firma in Bezug auf die Nutzung einer Tankkarte und Servicekarte Folge zu leisten.

...

11. Sonstiges

Abweichungen von dieser Richtlinie bedürfen der vorherigen Zustimmung der Geschäftsführung der Firma.

..."

Im Zusammenhang mit der Fahrzeugübergabe wurden dem Kläger zwei Tankkarten ausgehändigt. Mit diesen Tankkarten nahm der Kläger Tankvorgänge vor, bei denen er sein Privatfahrzeug Typ Porsche 911 Cabrio mit Superkraftstoff betankte. Darüber hinaus nahm der Kläger mit den Tankkarten auch Tankvorgänge vor, bei denen er sein Privatfahrzeug Typ VW Touareg mit einem Tankvolumen von mehr als 59 Litern Diesel (= Tankgröße des Firmenfahrzeugs) betankte.

Am 19. September 2021 nutzte der Kläger die ihm überlassene Tankkarte, um eine Cabrio-Pflege im Wert von 12,99 Euro (inklusive Mehrwertsteuer) an der Aral-Tankstelle in Jena an seinem Privatfahrzeug Typ Porsche 911 Cabrio vornehmen zu lassen.

Mit Schreiben vom 5. November 2021 (Bl. 5 d. A.) erklärte die Beklagte gegenüber dem Kläger die außerordentliche Kündigung. Die Einzelheiten des Zugangs der Kündigungserklärung sind zwischen den Parteien streitig. Mit seiner am 9. November 2021 beim Arbeitsgericht Lingen eingegangenen Klage wehrt sich der Kläger gegen diese Kündigung.

Mit Schreiben vom 11. November 2021 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis hilfsweise ordentlich zum 30. Juni 2022 (Bl. 16 ff. d. A.). Hinsichtlich dieser Kündigung hat der Kläger seine Klage mit einem am 15. November 2021 beim Arbeitsgericht Lingen eingegangenen Schriftsatz erweitert.

Mit Schreiben vom 7. März 2022 (Bl. 194 ff. d. A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos und mit weiterem Schreiben vom gleichen Tag (Bl. 199 ff. d. A.) vorsorglich ordentlich zum 30. September 2022. Hinsichtlich dieser Kündigungen hat der Kläger seine Klage mit einem am 10. März 2022 beim Arbeitsgericht Lingen eingegangenen Schriftsatz erweitert.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Kündigungen seines Arbeitsverhältnisses seien unwirksam. Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Nutzung der Tankkarten seien ihm nicht vorzuwerfen. Er hat die ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrates vor Ausspruch der Kündigungen bestritten.

Wegen des unstreitigen Sachverhaltes, der streitigen erstinstanzlichen Behauptungen, der konträren Rechtsauffassungen, der geltend gemachten Ansprüche sowie des gesamten erstinstanzlichen Sachverhalts im Übrigen wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils, Seite 2 bis 10 desselben, Bl. 287 - 295 d. A. Bezug genommen.

Mit Teil-Urteil vom 13. April 2022 hat das Arbeitsgericht Lingen der Klage stattgegeben. Das Arbeitsverhältnis sei durch die außerordentliche Kündigung vom 5. November 2021 nicht aufgelöst worden. Die Kammer unterstelle zugunsten der Beklagten, dass der Kläger die Tankkarten allein zur Betankung des ihm überlassenen Dienstwagens, nicht aber zur Betankung seiner Privatwagen VW Touareg und Porsche 911 Cabrio habe nutzen dürfen. Die Kammer unterstelle ebenfalls zugunsten der Beklagten, dass der Kläger nicht zur Inanspruchnahme einer Cabrio-Pflege mit einer ihm überlassenen Tankkarte berechtigt gewesen sei. Die rechtswidrige Nutzung einer vom Arbeitgeber überlassenen Tankkarte für private Zwecke sei an sich geeignet, einen wichtigen Grund für den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung darzustellen. Gleichwohl verletze die Kündigung vom 5. November 2021 das Ultima-Ratio-Prinzip. Die Beklagte hätte vor Ausspruch der Kündigung als milderes Mittel eine Abmahnung aussprechen müssen. Die Beklagte habe nicht vorgetragen, dass der Kläger in der Vergangenheit wegen unrechtmäßiger Nutzung der Tankkarten abgemahnt worden sei. Es sei auch nicht bereits ex ante erkennbar, dass eine Verhaltensänderung des Klägers in Zukunft auch trotz einer Abmahnung nicht zu erwarten stehe. Dem stehe nicht entgegen, dass der Kläger die Rechtsauffassung vertrete, er habe die Tankkarten so benutzen dürfen, wie dies tatsächlich geschehen sei. Gerade dann, wenn ein Arbeitnehmer subjektiv (aber vielleicht rechtsirrig) annehme, er verhalte sich vertragstreu, sei eine Abmahnung im besonderen Maße geeignet, ihm vor Augen zu führen, dass seine Rechtsauffassung nicht zutreffe. Es sei nicht festzustellen, dass sich der Kläger bei Nutzung der Tankkarte positiv darüber im Klaren gewesen sei, dass er eine das Vermögen des Arbeitgebers schädigende Pflichtverletzung begehe. Die seitens der Beklagten vorgegebene Dienstwagenregelung verbiete die vom Kläger vorgenommene Nutzung der Tankkarten nicht mit ausreichend deutlicher Klarheit. Es sei nicht erkennbar, dass dem Kläger ausdrücklich (mündlich oder schriftlich) mitgeteilt worden sei, dass er mit den Tankkarten ausschließlich den Dienstwagen betanken dürfe. Es sei nicht auszuschließen, dass der Kläger dem Rechtsirrtum unterlegen sei, private Fahrten, die er mit dem Dienstwagen auf Kosten der Beklagten habe unternehmen dürfen, alternativ auch mit seinem Privatwagen unternehmen und dann auf diesen Fahrten anstelle des Dienstwagens den Privatwagen betanken dürfe. Eine Abmahnung sei vor Ausspruch einer Kündigung nicht entbehrlich gewesen. Diese Wertung gelte auch für die Cabrio-Pflege.

Auch die vorsorgliche ordentliche Kündigung vom 11. November 2021 sowie die außerordentliche und die ordentliche Kündigung vom 7. März 2022 seien wegen Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unwirksam.

Das Urteil ist der Beklagten am 14. April 2022 zugestellt worden. Hiergegen hat sie mit einem am 2. Mai 2022 beim Landesarbeitsgericht Niedersachsen eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 11. Juli 2022 eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem zuvor auf ihren Antrag vom 9. Mai 2022 die Berufungsbegründungsfrist bis zum 13. Juli 2022 verlängert worden war.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihr erstinstanzliches Ziel der Klagabweisung weiter. Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen. Das Arbeitsgericht Lingen habe fehlerhaft angenommen, dass nicht feststellbar gewesen wäre, dass sich der Kläger bei Erhalt einer entsprechenden Abmahnung nicht an die Vorgaben der Beklagten gehalten hätte. Aus den Ausführungen des Klägers hätte das Arbeitsgericht zu dem Ergebnis kommen müssen, dass eine Abmahnung bei ihm keinen Erfolg gehabt hätte. Der Kläger sehe sich - auch im Nachgang der streitgegenständlichen Kündigung - als privilegierten Mitarbeiter der Beklagten, der über den übrigen Mitarbeitern stehe. Der Tatsachenvortrag des Klägers lasse den Schluss zu, dass er davon ausgehe, dass ihm die streitgegenständliche pflichtwidrige Betankung seiner Privatfahrzeuge zustehen würde, bzw. er selbst darüber zu entscheiden gehabt habe. So habe er ausgeführt, in dem Moment, wo er seinen Dienstwagen für eine dienstlich veranlasste oder zumindest mit dienstlichen Interessen in Verbindung zu bringende Fahrt durch einen Privatwagen substituiert habe, habe er nichts Anderes gemacht, als einen Mietwagen zu verwenden. Er ersetze den Dienstwagen und sei hierzu in seiner Stellung auch alleinentscheidungsbefugt berechtigt gewesen. Weiterhin ergebe sich aus seinen Ausführungen, dass ihm jegliches Unrechtsbewusstsein fehle. Der Kläger stelle selbst umfassend dar, dass es ihm wohl gar nicht möglich sei, sein Berufs- und Privatleben in Einklang zu bringen, wenn er die Tankkarte nicht pflichtwidrig nutze. Ferner habe das Arbeitsgericht bei der Beurteilung der Dienstwagenrichtlinie fehlerhaft angenommen, dass diese dem Kläger die Nutzung der Tankkarten zur Betankung seiner privaten Fahrzeuge nicht mit ausreichend deutlicher Klarheit verbiete. Die Dienstwagenrichtlinie beschreibe unmissverständlich die Nutzung des Dienstwagens und damit auch der Tankkarten. Gemäß Ziffer 6.5 der Dienstwagenrichtlinie sei der Mitarbeiter verpflichtet, den Weisungen der Beklagten in Bezug auf die Nutzung der Tank- und Servicekarte Folge zu leisten. Aus Ziffer 3.1 der Dienstwagenrichtlinie ergebe sich, dass es dem Kläger auf seinen Dienstreisen ausschließlich gestattet sei, das ihm überlassene Firmenfahrzeug zu nutzen und insbesondere keine Privatfahrzeuge. Die Tankkarte sei unmittelbar mit der Nutzung des Dienstwagens verknüpft. Im Grundsatz müsse immer davon ausgegangen werden, dass Tankkarten, die dem Arbeitnehmer in einem Arbeitsverhältnis zur Verfügung gestellt würden, lediglich für die Bestreitung der arbeitsvertraglichen Pflichten und dienstlichen Zwecke gedacht seien. Eine Zustimmung der Geschäftsführung der Beklagten zur Nutzung von Privatfahrzeugen auf Kosten der Gesellschaft sei gegenüber dem Kläger nicht erfolgt. Der Zeuge E. habe dem Kläger mitgeteilt, dass die Tankkarten auch für Privatfahrten und Dienstreisen genutzt werden könnten. Er habe sich hierbei selbstverständlich nur auf die Nutzung der Tankkarten für den dem Kläger überlassenen Dienstwagen bezogen und nicht auf Privatfahrzeuge des Klägers. Es sei daher ausgeschlossen, dass der Kläger die eindeutigen Regelungen der Dienstwagenrichtlinie übersehen habe, wonach er keine Privatfahrzeuge benutzen und betanken dürfe. Bezüglich der Cabrio-Pflege sei es fragwürdig, wie das Arbeitsgericht zu dem Schluss habe kommen können, dass diese exakt gleich zu behandeln sei wie die Fälle von pflichtwidriger Betankung durch den Kläger. Der Kläger habe unbestritten die Cabrio-Wäsche bei seinem privaten Fahrzeug ohne jeglichen dienstlichen Bezug durchgeführt. Insoweit habe er unzweifelhaft wissentlich und willentlich eine vermögensschädliche Handlung gegen die Beklagte in betrügerischer Absicht vollzogen. Statt diesen Vorgang gegenüber der Beklagten im Nachgang zu melden, äußere sich der Kläger herablassend über die von ihm vorgenommene Vermögensverfügung. Angesichts der von ihm erzielten Aufträge zweifele er an der "Sinnhaftigkeit und Relevanz einer Diskussion über eine 12,99 Euro Cabrio-Wäsche" im Verhältnis zu seinem "Wagen mit 160.000,00 Euro Neupreis". Dies könne und müsse sie nicht hinnehmen. Da angesichts der schweren Pflichtverletzungen des Klägers ihm deren Rechtswidrigkeit ohne Weiteres erkennbar gewesen sei und eine Hinnahme des Verhaltens durch die Beklagte offensichtlich ausgeschlossen gewesen sei, sei eine Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung nicht erforderlich gewesen.

Bezüglich der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB trägt die Beklagte vor, dass der Kläger vom 19. Oktober 2021 bis zum 21. Oktober 2021 vor Ort am Sitz der Beklagten in C-Stadt gearbeitet habe. Am 19. Oktober 2021 habe die Mitarbeiterin J. den Kläger gebeten, seine bis dato aufgelaufenen Tankbelege in die Buchhaltung zu bringen. Dies habe der Kläger abgelehnt und später den Mitarbeiter S. aus dem Auto angerufen und diesem aufgegeben, die in seinem Büro liegenden Tankbelege zur Mitarbeiterin J. in die Personalabteilung zu bringen. Als der Mitarbeiter S. die Tankbelege an die Mitarbeiterin J. übergeben habe, habe diese verwundert festgestellt, dass es sich um einen sehr großen Stapel von 38 Tankbelegen gehandelt habe. Die Verwunderung der Mitarbeiterin J. habe darauf beruht, dass die Tankbelege in einen Zeitraum gefallen seien, im dem Corona-Maßnahmen und Ausgangssperren/Beschränkungen bestanden hätten, sodass der Kläger nicht verreist gewesen sein könne und auch keine Kundentermine habe wahrnehmen können. Die Mitarbeiterin J. habe die Tankbelege in die Buchhaltung der Beklagten gebracht. Am 21. Oktober 2021 habe die Mitarbeiterin J. fünf weitere Tankbelege des Klägers erhalten. Dabei habe sie durch Zufall gesehen, dass der oberste Tankbeleg für die Betankung mit Superbenzin sowie für eine Cabrio-Wäsche ausgestellt gewesen sei. Da dies der Mitarbeiterin J. ungewöhnlich vorgekommen sei, habe sie die anderen 38 Tankbelege wieder aus der Buchhaltung zurückgeholt und auch diese auf ähnliche Ungereimtheiten überprüft. Dabei sei ihr nach erster Durchsicht aufgefallen, dass auch auf den 38 Tankbelegen des Klägers teilweise Superbenzin abgerechnet worden sei, obwohl der Firmenwagen des Klägers nur mit Dieselkraftstoff betankt werde. Nachdem die Mitarbeiterin J. alle Tankbelege daraufhin noch einmal im Detail überprüft habe, habe sie am 25. Oktober 2021 den Zeugen Dr. F. auf die Ungereimtheiten angesprochen und ihm die Ergebnisse ihrer Überprüfung vorgelegt. Der Zeuge Dr. F. habe den Kläger in einem Telefonat gebeten, zurück nach C-Stadt zu kommen, um alle früheren Fehlbetankungen herauszusuchen und der Beklagten vorzulegen. Dies habe der Kläger abgelehnt. Aufgrund dieser Aussage habe der Zeuge Dr. F. die Mitarbeiterin J. nach dem Telefonat angewiesen, alle Tankbelege des Klägers der letzten drei bis vier Jahre noch einmal auf Fehlbetankungen durchzugehen. Weiterhin habe der Zeuge Dr. F. den damaligen Geschäftsführer der Beklagten, den Zeugen I., mündlich darüber unterrichtet, dass es zu Ungereimtheiten bei der Abrechnung der Tankbelege des Klägers gekommen sei, die auch nach einem direkten Gespräch mit dem Kläger nicht vollständig hätten aufgeklärt werden können. Vom 27. Oktober bis zum 29. Oktober 2021 habe die Mitarbeiterin J. auf Anweisung des Zeugen Dr. F. die früheren Tankbelege des Klägers überprüft. Am 28. Oktober 2021 sei das Gespräch zwischen dem Zeugen Dr. F., dem Zeugen I. und dem Kläger per "Microsoft Teams" erfolgt, in welchem der Zeuge I. erstmals mit dem Kläger im Detail über die Vorwürfe gesprochen habe. Die vollständige Auswertung der Tankbelege durch die Mitarbeiterin J. sei erst am 29. Oktober 2021 abgeschlossen gewesen.

Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Klagabweisungsantrag sei das Arbeitsverhältnis zum Ablauf des 30. Juni 2020 aufzulösen. Eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Parteien sei nicht zu erwarten. Das Arbeits- und Vertrauensverhältnis der Parteien sei bereits durch die über 40 Fälle von wissentlichen gravierenden Pflichtverletzungen des Klägers unwiederbringlich beschädigt und zerstört. Das Gerieren des Klägers und seines Prozessbevollmächtigten im Anschluss an die streitgegenständlichen Kündigungen im Rahmen der gerichtlichen Auseinandersetzung habe jeglichen gemeinsamen Nenner endgültig vernichtet. Neben unzähligen kleinen Sticheleien und Seitenhieben des Klägers gegen die Beklagte im Rahmen seines Parteivortrages habe er zudem ins Blaue hinein wissentlich wahrheitswidrigen Tatsachenvortrag getätigt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 17. März 2023 (Bl. 406 ff. d. A.) verwiesen.

Die Beklagte beantragt,

  1. 1.

    das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Lingen vom 13. April 2022 - 1 Ca 343/21 - abzuändern und die Klage abzuweisen;

  2. 2.

    hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu Ziffer 1,

    das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Wirkung zum Ablauf des 30. Juni 2022 gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichtes gestellt wird, 75.456,65 Euro brutto jedoch nicht überschreiten sollte, aufzulösen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist darauf, dass die Dienstwagenrichtlinie keine klaren Regelungen vorsehe. Die mangelnde Klarheit müsse zu Lasten der Beklagten gehen. Es habe keine Dienstwagenregelung gegeben, welche die Betankung und die Benutzung der Tankkarten auf den Dienstwagen beschränkt habe. Er habe seit 12 Jahren jedes Ersatzfahrzeug, welches er genutzt habe, mit den Tankkarten betankt. Dabei sei es irrelevant gewesen, ob die Fahrzeuge über Benzin- oder Dieselmotoren verfügt hätten. Weil über 12 Jahre hinweg keine der Abrechnungen moniert worden sei, habe er darauf vertrauen dürfen, dass er die Nutzung der Tankkarten im Sinne der Beklagten vornehme. Im Übrigen verteidigt er die angefochtene Entscheidung nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung vom 26. Juli 2022 (Bl. 375 ff. d. A.) und seiner Schriftsätze vom 23. Februar 2023 (Bl. 398 ff. d. A.) und vom 21. März 2023 (Bl. 426 ff. d. A.) als zutreffend.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst den zu den Akten gereichten Anlagen sowie auf das Protokoll der Kammerverhandlung vom 29. März 2023 Bezug genommen. Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen E., H., G., Dr. F. und I.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der Kammerverhandlung vom 29. März 2023 (Bl. 440 ff. d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

A.

Die gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit zulässig (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO). Die Berufungsbegründung genügt den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 - 4 ZPO. Sie lässt erkennen, in welchen Punkten tatsächlicher und rechtlicher Art nach Ansicht der Beklagten das angefochtene Urteil unrichtig ist und worauf dies im Einzelnen beruht.

B.

Die Berufung ist begründet. Die Klage ist unbegründet.

I.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 5. November 2021 beendet worden.

1.

Der Kläger hat seine Kündigungsschutzklage innerhalb der Frist der §§ 4, 13 KSchG erhoben. Die Rechtswirksamkeit der Kündigung ergibt sich deshalb nicht bereits aus §§ 7, 13 KSchG.

2.

Die außerordentliche Kündigung vom 5. November 2021 ist wirksam.

a.

Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist zunächst zu untersuchen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände "an sich" und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar war oder nicht (BAG, 31. Juli 2014 - 2 AZR 505/13 - Rn. 39; BAG, 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 16).

b.

Ein wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB kann nicht nur in einer erheblichen Verletzung der vertraglichen Hauptleistungspflichten liegen. Auch die Verletzung von vertraglichen Nebenpflichten, insbesondere eine Verletzung der vertraglichen Rücksichtnahmepflicht im Sinne von § 241 Abs. 2 BGB, die dem Schutz und der Förderung des Vertragszweckes dient, kann an sich ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung sein. Die vertragliche Rücksichtnahmepflicht verlangt von den Parteien eines Arbeitsverhältnisses, gegenseitig auf die Rechtsgüter und die Interessen der jeweils anderen Partei Rücksicht zu nehmen. Der Arbeitnehmer hat seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebes nach Treu und Glauben billigerweise erwartet werden kann. Der Arbeitnehmer ist in jedem Fall verpflichtet, vom Betrieb Schäden abzuwenden, soweit ihm dies möglich und zumutbar ist.

c.

Der kündigende Arbeitgeber ist darlegungs- und beweispflichtig für alle Umstände des wichtigen Grundes im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB. Er muss alle Tatsachen darlegen und gegebenenfalls beweisen, die den Vorwurf begründen, der Arbeitnehmer habe vertragswidrig gehandelt. Im Vertragsrecht indiziert ein bestimmter Sachverhalt, der den objektiven Voraussetzungen für eine Vertragsverletzung entspricht, nicht zugleich ein rechts- bzw. vertragswidriges Verhalten; vielmehr muss die Rechtswidrigkeit des beanstandeten Verhaltens besonders begründet werden. Deshalb muss der Arbeitgeber gegebenenfalls auch die Tatsachen beweisen, die einen Rechtfertigungsgrund für das Verhalten des Arbeitnehmers ausschließen. Das Fehlen eines solchen Grundes gehört zu den die Kündigung bedingenden Tatsachen (vgl. BAG, 6. August 1987 - 2 AZR 226/87 - Rn. 21) .

Der Arbeitgeber braucht aber nicht von vornherein alle nur denkbaren Rechtfertigungsgründe des Arbeitnehmers zu widerlegen. Es reicht nicht aus, wenn der Arbeitnehmer Rechtfertigungsgründe pauschal und ohne nähere Substantiierung vorbringt. Vielmehr ist er nach § 138 Abs. 2 ZPO gehalten, die Tatsachen, aus denen er eine Rechtfertigung seines Verhaltens herleiten will, ausführlich vorzutragen. Erst eine substantiierte Einlassung des Arbeitnehmers ermöglicht dem Arbeitgeber die Überprüfung dieser tatsächlichen Angaben und auch einen erforderlichen Beweisantritt, falls er sie für unrichtig hält (BAG, 19. Dezember 1991 - 2 AZR 367/91 - Rn. 29 ff.).

d.

Bei der gebotenen Anwendung vorstehender Grundsätze ist die außerordentliche Kündigung vom 5. November 2021 wirksam.

aa.

Der Kläger hat in dem Zeitraum vom 20. Mai 2019 bis zum 7. Oktober 2021 in 28 Fällen die ihm zur Betankung seines Firmenfahrzeugs überlassenen Tankkarten genutzt, um Superkraftstoff mit einem Gesamtwert von 1.834,07 Euro zu erwerben, in dem Zeitraum vom 3. Februar 2018 bis 12. Juni 2021 hat er in zehn Fällen Dieselkraftstoff in einer Bandbreite von 66 - 90 Liter in einem Gesamtwert von 953,98 Euro mit den Tankkarten bezahlt. Ferner hat der Kläger am 19. September 2021 die ihm überlassene Tankkarte genutzt, um eine Cabrio-Pflege im Wert von 12,99 Euro (inklusive Mehrwertsteuer) zu bezahlen, obwohl das dem Kläger überlassene Firmenfahrzeug kein Cabrio, sondern ein BMW 320 d Touring (Kombi) war. Wegen der Einzelheiten der Tankvorgänge wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 20. Januar 2022 (Bl. 39 - 40 d. A.) Bezug genommen.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger im Rahmen der vorgenannten Tankvorgänge seinen privaten VW Touareg mit dem Dieselkraftstoff und mit dem Superbenzin seinen privaten Porsche 911 Cabrio getankt hat. Die Cabrio-Pflege hat er ebenfalls unstreitig für seinen privaten Porsche 911 verwendet.

bb.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht für die erkennende Kammer fest, dass der Kläger im Rahmen des Vorstehenden die Tankkarten entgegen der Dienstwagenrichtlinie der Beklagten bzw. entgegen den Weisungen der Beklagten genutzt hat, wodurch er das Vermögen der Beklagten um insgesamt 2.801,04 Euro (inklusive Mehrwertsteuer) geschädigt hat.

(1).

Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich aus der Dienstwagenrichtlinie der Beklagten vom 1. April 2011 mit hinreichender Deutlichkeit, dass ihm die Nutzung der Tankkarten zur Betankung seiner privaten Fahrzeuge nicht erlaubt war. Die Dienstwagenrichtlinie ist nicht wegen mangelnder Bestimmtheit unwirksam.

(a).

Bei der Dienstwagenrichtlinie handelt es sich um eine von der Beklagten vorformulierte Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von §§ 305 ff. BGB. Spätestens bei Übergabe des ersten Dienstwagens und der hierbei unstreitig erfolgten Übergabe der Dienstwagenrichtlinie ist letztere in den Arbeitsvertrag der Parteien mit einbezogen worden.

(b).

Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners zugrunde zu legen sind (vgl. BAG, 25. August 2022 - 8 AZR 453/21 - Rn. 22; BAG, 16. Dezember 2021 - 8 AZR 498/20 - Rn. 20; BAG, 28. Februar 2019 - 8 AZR 201/18 - Rn. 55). Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist (BAG, 20. Oktober 2022 - 8 AZR 332/21 - Rn. 24).

(c).

Bei der gebotenen Anwendung vorstehender Grundsätze ergibt sich aus der Dienstwagenrichtlinie, dass der Kläger die Tankkarten nur für den ihm überlassenen Dienstwagen nutzen durfte.

(aa).

Werden in einem Arbeitsverhältnis Tankkarten, Kreditkarten oder Kontokarten zur Verfügung gestellt, so ist zunächst davon auszugehen, dass diese lediglich für die Bestreitung der arbeitsvertraglichen Pflichten und dienstliche Zwecke gedacht sind. Der Arbeitgeber erfüllt durch die Übergabe dieser Karten seine Vorschusspflicht aus § 669 BGB(vgl. LAG Schleswig-Holstein, 15. März 2011 - 2 Sa 526/10 -, Rn. 28). In diesem Sinne ist auch die Dienstwagenrichtlinie der Beklagten formuliert. Gemäß Ziffer 2 der Dienstwagenrichtlinie wird die Auswahl des zur Verfügung stehenden PKW von der Beklagten getroffen. Gemäß Ziffer 3.1 der Dienstwagenrichtlinie ist der Mitarbeiter verpflichtet, den PKW bei Dienstreisen einzusetzen. Das vom Kläger reklamierte Wahlrecht der Nutzung etwaiger zur Verfügung stehender Privatfahrzeuge für den Einsatz bei Dienstreisen wird durch Ziffer 3.1 der Dienstwagenrichtlinie unterbunden. Gemäß Ziffer 6.5 der Dienstwagenrichtlinie ist der Mitarbeiter verpflichtet, den Weisungen der Beklagten in Bezug auf die Nutzung der Tankkarte Folge zu leisten. Aus Ziffer 6.5 der Dienstwagenrichtlinie in Verbindung mit Ziffer 3.1 der Dienstwagenrichtlinie ergibt sich damit eindeutig, dass der Einsatz der Tankkarten nur bei Nutzung des Dienstwagens erlaubt sein sollte.

Nach alledem war aus der Dienstwagenrichtlinie auch für den Kläger erkennbar, dass ihm die Tankkarten (nur) im Zusammenhang mit dem Firmenfahrzeug überlassen worden sind. Eine Befugnis zur Nutzung der Tankkarten zur Betankung von Privatfahrzeugen auf Kosten der Beklagten ist dem Kläger durch die Dienstwagenrichtlinie gerade nicht erlaubt worden. Soweit der Kläger geltend macht, er habe die Tankkarten bsp. auch dann genutzt, wenn er bei Werkstattaufenthalten seines Dienstwagens einen Ersatzwagen genutzt habe, ist dies nicht gleichzusetzen mit dem eigenmächtigen Ersatz des Dienstwagens durch einen Privatwagen. Bei Werkstattaufenthalten des Dienstwagens tritt der Ersatzwagen an die Stelle des nicht verfügbaren Dienstwagens. Bei den streitbefangenen Einsätzen der Tankkarte stand dem Kläger der Dienstwagen aber zur Verfügung. Er hat ihn nicht nutzen wollen, weil er den Einsatz seiner Privatwagen als angemessener empfand.

(bb).

Unabhängig von Vorstehendem ist tragend auszuführen, dass auch seine Behauptung, er habe seine Privatwagen zu dienstlichen Zwecken benutzt, den Kläger nicht entlastet.

Sein diesbezüglicher Vortrag aus dem Schriftsatz vom 11. Februar 2022 (Bl. 89 RS d. A. - Bl. 90 RS d. A.) ist viel zu pauschal und für die Beklagte nicht einlassungsfähig. Auch nachdem die Beklagte auf die mangelnde Substanz hingewiesen hat, hat der Kläger seinen Vortrag nicht konkretisiert, womit er seiner sekundären Darlegungslast nicht genügt hat.

(cc).

Entgegen der Ansicht des Klägers steht der Wirksamkeit der Dienstwagenrichtlinie für die vorliegend streitentscheidenden Punkte nicht entgegen, dass die Dienstwagenrichtlinie durch den bei der Beklagten bestehenden Betriebsrat nicht mitbestimmt worden ist.

Bei der Ausgestaltung der vom Arbeitgeber gestatteten Privatnutzung von Dienstwagen kann sich eine Mitbestimmung des Betriebsrates aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG (betriebliche Lohngestaltung) ergeben. Danach unterliegt eine kollektive Vergütung der zwingenden Mitbestimmung, auch wenn es sich um freiwillige Leistungen des Arbeitgebers handelt. Es können nur solche Vorschriften aus Dienstwagenregelungen der zwingenden Mitbestimmung unterliegen, die einen Entgeltcharakter haben. Auf die dienstliche Nutzung von Fahrzeugen trifft dies nicht zu. Die Gewährung von Dienstwagen zu dienstlichen Zwecken ist deshalb mitbestimmungsfrei, weil der Arbeitgeber über den Einsatz von Arbeitsmitteln frei entscheiden kann. Nur hierauf kommt es vorliegend an.

(2).

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht für die erkennende Kammer fest, dass dem Kläger durch den Zeugen E. nicht die Befugnis eingeräumt worden ist, entgegen den Regelungen der Dienstwagenrichtlinie auch seine Privatfahrzeuge mit dem Einsatz der überlassenen Tankkarten zu betanken. Die Beklagte hat bewiesen, dass der Zeuge E. dem Kläger nicht erlaubt hat, die ihm zur Verfügung gestellten Tankkarten für alle von ihm genutzten PKW einzusetzen.

(a).

§ 286 Abs. 1 ZPO verlangt die Überzeugung des Gerichtes, eine Behauptung einer Partei sei wahr. Eine absolute, über jeden denkbaren Zweifel erhabene Gewissheit kann nicht verlangt werden. § 286 ZPO fordert den Richter auf, den Sachverhalt auf Grundlage des Parteivorbringens möglichst vollständig aufzuklären. Das Gericht hat die in erheblicher Weise beantragten Beweise erschöpfend zu erheben und sich in der Urteilsbegründung mit dem Prozessstoff und dem Beweisergebnis umfassend und widerspruchsfrei auseinanderzusetzen. Dabei ist es nicht erforderlich, auf jedes einzelne Parteivorbringen ausführlich einzugehen; es genügt, dass nach der Gesamtheit der Gründe eine sachentsprechende Beurteilung stattgefunden hat. Der Richter darf und muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen. Rechtsfehlerhaft ist es daher, einen Beweis deshalb nicht als erbracht anzusehen, weil keine absolute, über jeden denkbaren Zweifel erhabene Gewissheit gewonnen werden konnte.

Bei der Analyse der Glaubhaftigkeit einer spezifischen Aussage ist nach den allgemein anerkannten Grundsätzen der forensischen Aussagepsychologie von der sogenannten Nullhypothese auszugehen. Dies bedeutet, dass im Ansatz davon auszugehen ist, dass die Glaubhaftigkeit einer Aussage positiv begründet werden muss. Erforderlich ist deshalb eine Inhaltsanalyse, bei der die Aussagequalität zu prüfen ist. Es geht um die Ermittlung von Kriterien der Wahrhaftigkeit. Zur Durchführung der Analyse der Aussagequalität existieren Merkmale, die die Überprüfung ermöglichen, ob die Angaben auf tatsächlich Erlebtem beruhen, sogenannte "Realkennzeichen", oder ob sie ergebnisbasiert sind. Das Vorhandensein dieser Real- oder Glaubwürdigkeitskennzeichen gilt als Hinweis für die Glaubhaftigkeit der Angaben (vgl. LAG Nürnberg, 12. April 2016 - 7 Sa 649/14 - Rn. 61 ff.).

(b).

Der Zeuge E. hat bei seiner Vernehmung bekundet, dass er seinerzeit die Dienstwagenrichtlinie dem Kläger ausgehändigt habe. Er habe mit dem Kläger über den Einsatz der Tankkarten gesprochen, wobei er dem Kläger erklärt habe, dass diese für den Dienstwagen einzusetzen seien. Der Zeuge E. hat weiterhin bekundet, dass der Kläger ihn nicht nach dem Einsatz der Tankkarte für Privatwagen gefragt habe. Dies hat er auch auf eine Nachfrage des Kammervorsitzenden nochmals bestätigt. Die Frage sei auch von anderen Dienstwageninhabern nicht gekommen. Die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen E. leidet nicht darunter, dass sich der Zeuge an den einzelnen Gesprächsverlauf nicht mehr genau erinnern konnte. Dies ist erklärlich, weil zwischen der Übergabe des Dienstwagens und der gerichtlichen Vernehmung mehr als 10 Jahre Zeit vergangen sind. Der Zeuge ist aber auch bei Nachfragen bei seiner in sich schlüssigen Darstellung der Geschehnisse geblieben. Er sprach offen und gab sofort an, wenn er etwas nicht mehr wusste. Bei der Bewertung der Aussage des Zeugen E. ist zu berücksichtigen, dass bei der Beklagten nicht viele Mitarbeiter einen Firmenwagen zur Verfügung gestellt bekommen. Bei der Übergabe von Firmenfahrzeugen bzw. Dienstwagenrichtlinien zur Benutzung von Dienstfahrzeugen handelte es sich deshalb nicht um eine alltägliche, sehr oft vorkommende Tätigkeit des Zeugen, sondern um Einzelgeschehnisse. Vor diesem Hintergrund bekommt die Aussage des Zeugen E., dass er mit dem Kläger nicht über den Einsatz der Tankkarte für Privatfahrzeuge gesprochen und ihm diesen - so wie vom Kläger behauptet - auch nicht erlaubt hat, besonderes Gewicht. Wenn es die vom Kläger behauptete Einräumung der Nutzungsbefugnis der Tankkarten für die Nutzung von Privatfahrzeugen durch den Zeugen E. gegeben hätte, wäre es eine atypische und von der Dienstwagenrichtlinie abweichende Regelung gewesen. Diese wäre, weil es sich um eine Ausnahmeregelung gehandelt hätte, dem Zeugen E., der die Dienstwagenrichtlinie auch für die Beklagte unterzeichnet hat, in Erinnerung geblieben.

Der Zeuge E. wirkte in seiner Person glaubwürdig. Sein Aussageverhalten bot keine Indizien zu der Annahme, er wolle einen unzutreffenden Geschehensablauf schildern und dem Kläger schaden. Der Zeuge E. ist seit mehr als sieben Jahren Rentner und nicht mehr bei der Beklagten beschäftigt. Ein irgendwie geartetes Interesse an einem Ausgang des vorliegenden Prozesses zugunsten der Beklagten war bei ihm nicht zu erkennen. Es haben sich bei der Vernehmung des Zeugen E. keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Zeuge in Schädigungsabsicht gegen den Kläger und in Absprache mit der Beklagten Vorgänge bekundet hat, die es in der Realität nicht gegeben hat.

(c).

Es steht zu Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger in 38 Fällen die Tankkarten weisungs- und pflichtwidrig einerseits zur Betankung seiner Privatfahrzeuge und andererseits dazu benutzt hat, um an seinem privaten Porsche 911 eine Cabrio-Pflege vornehmen zu lassen. Dadurch hat er das Vermögen der Beklagten insgesamt um 2.801,04 € geschädigt. Indem er die Tankbelege die der Beklagten eingereicht hat, ohne darauf hinzuweisen, dass sich darunter Abrechnungen für Tankvorgänge befinden, die außerhalb der vertraglichen Anweisungen erfolgt sind und daher einen Forderungsanspruch der Beklagten gegen den Kläger begründet haben, hat er die Beklagte getäuscht. Er hat mit der Vorlage der Belege konkludent zum Ausdruck gebracht, die ihm überlassenen Tankkarten nur im Rahmen des Vereinbarten eingesetzt zu haben. Dass in der Einreichung der Belege ein solcher Erklärungswert lag, folgt aus der allgemeinen Verkehrsauffassung und dem Empfängerhorizont.

Dabei stellt jeder einzelne Pflichtverstoß einen wichtigen Grund an sich im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB dar, zumindest aber die Gesamtheit der Verstöße. Das Verhalten des Klägers ist gleichzusetzen mit einem Arbeitnehmer, der bei Spesenabrechnungen bewusst falsche Angaben macht oder deren Unrichtigkeit zumindest für möglich hält und billigend in Kauf nimmt, in erheblicher Weise seine vertraglichen Pflichten zu verletzen. Derartige Unkorrektheiten können selbst dann geeignet sein, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen, wenn es sich um einen einmaligen Vorfall und einen geringen Erstattungsbetrag handelt (vgl. BAG, 6. September 2007 - 2 AZR 264/06 - Rn. 23; BAG, 11. Juli 2013 - 2 AZR 994/12 - Rn. 22).

cc.

Die außerordentliche Kündigung verstößt nicht gegen das Ultima-Ratio-Prinzip. Angesichts der Schwere der Pflichtverletzung bedurfte es keiner vorherigen Abmahnung.

(1.)

Nach dem Ultima-Ratio-Prinzip kommt eine außerordentliche Kündigung nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Aufgrund des im Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes allgemein geltenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und des für verhaltensbedingte Kündigungen geltenden Prognoseprinzips ist vor jeder Kündigung, die wegen eines steuerbaren Fehlverhaltens des Arbeitnehmers ausgesprochen wird, grundsätzlich eine Abmahnung erforderlich. Dies gilt jedenfalls dann, wenn damit gerechnet werden kann, dass die Abmahnung zu einem vertragsgemäßen Verhalten in der Zukunft führen wird und eine Wiederherstellung des Vertrauens zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer erwartet werden kann. Eine Abmahnung ist dann entbehrlich, wenn es um schwerwiegende Pflichtverletzungen geht, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist und bei denen eine Hinnahme oder Duldung dieses Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist. In einem solchen Fall kann durch eine Abmahnung als milderes Mittel die Wiederherstellung des für ein Arbeitsverhältnis notwendigen Vertrauens nicht erwartet werden (BAG, 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 33; BAG, 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 37).

(2).

Gemessen an diesen Voraussetzungen war eine vorherige Abmahnung des Klägers wegen der Schwere der Pflichtverletzungen entbehrlich. Soweit er nunmehr geltend macht, weil über 12 Jahre hinweg keine der Abrechnungen moniert worden sei, habe er darauf vertrauen dürfen, dass er die Nutzung der Tankkarten im Sinne der Beklagten vornehme, greift dies nicht durch. Dem Kläger musste bewusst sein, dass er die Tankkarten entgegen der ihm eingeräumten Befugnisse einsetzte. Die Regelungen in der Dienstwagenrichtlinie hinsichtlich der Benutzung des Dienstwagens und der Tankkarte sind eindeutig. Die Beklagte darf auf die Vertragstreue ihrer Beschäftigten vertrauen und ist deshalb nicht verpflichtet, alle denkbaren Umgehungen eines Verbotes zu umschreiben. Dem Kläger ist auch durch den Zeugen E. nicht eingeräumt worden, die Tankkarten entgegen der Dienstwagenrichtlinie auch für die Betankung seiner Privatwagen einzusetzen. Aus dem Nichtbeanstanden seines Vorgehens durch die Beklagte konnte der Kläger nicht ableiten, sein Verhalten werde geduldet, zumal er seine Tankbelege auch nicht bei dem kündigungsberechtigten Geschäftsführer der Beklagten oder bei dem Personalleiter eingereicht hat, sondern in der Buchhaltung. Dies gilt insbesondere auch bei Berücksichtigung der Nutzung der Tankkarte für die Cabrio-Pflege. Dieser Einsatz der Tankkarte hat überhaupt keinen Bezug zu der dienstlichen Tätigkeit des Klägers, sondern ist eindeutig seinem Privatleben zuzuordnen. Es ist auch nicht ersichtlich und wird vom Kläger auch nicht behauptet, dass er davon ausgehen durfte, die 14-tägigen Tankkartenabrechungen der Mineralöfirmen würden dem kündigungsberechtigten Geschäftsführer der Beklagten oder bei dem Personalleiter vorgelegt. Insgesamt konnte der Kläger deshalb aus der Nichtbeanstandung seiner Tankkartenbelege eine Duldung oder Genehmigung seines Verhaltens durch die Beklagte ableiten. Der Kläger hat planvoll und zielgerichtet gehandelt. Angesichts der Häufigkeit der fehlerhaften Nutzung liegt kein Flüchtigkeitsfehler oder einmaliger Ausrutscher vor. Eine Wiederherstellung des für das Arbeitsverhältnis notwendigen Vertrauens konnte durch den Ausspruch einer Abmahnung nicht erwartet werden. Unabhängig davon ist tragend auszuführen, dass zumindest bei Gesamtbetrachtung aller Verstöße im Hinblick auf die klaren Regelungen zum Umgang mit den Tankkarten eine Abmahnung entbehrlich war.

dd.

Die abschließende Abwägung der beiderseitigen Interessen führt zu dem Ergebnis, das vorliegend das Interesse der Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Interesse des Klägers an dessen Fortsetzung auch nur bis zum Ablauf der vereinbarten Kündigungsfrist überwiegt.

(1).

Bei der umfassenden Interessenabwägung kommt insbesondere der Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen beanstandungsfreier Verlauf ein besonderes Gewicht zu. Die Dauer der Betriebszugehörigkeit ist auch dann zu berücksichtigen, wenn die Kündigung auf deliktisches bzw. pflichtwidriges Handeln des Arbeitnehmers gestützt wird. Lebensalter und Familienstand sowie Unterhaltspflichten sind ebenfalls berücksichtigungsfähige Gesichtspunkte. Weiterhin ist im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen, mit welchem Verschuldensgrad bzw. welcher Verwerflichkeit der Arbeitnehmer gehandelt hat, welche Nachteile und Auswirkungen die Vertragspflichtverletzung im Betrieb des Arbeitgebers gehabt haben und inwieweit eine Wiederholungsgefahr besteht.

(2).

Zu Gunsten des Klägers ist neben seiner langen Betriebszugehörigkeit auch sein Alter zu berücksichtigen. Der Kläger ist verheiratet und Vater mehrerer Kinder. Es ist nicht auszuschließen, dass sein Lebensalter die Aussichten verschlechtert, auf dem Arbeitsmarkt einen adäquaten Arbeitsplatz zu finden, zumal eine außerordentliche verhaltensbedingte Kündigung wegen ihrer diskriminierenden Wirkung seine Chancen weiter herabsetzt. Der Kläger hat ausgehend von einem Eintrittsdatum 1. Januar 2011 über mehr als 10 Jahre hinweg Loyalität zur Beklagten gezeigt. Der Kläger ist selbst nach dem Vorbringen der Beklagten niemals abgemahnt worden. Der Sachverhalt ist dadurch gekennzeichnet, dass der Kläger ein hohes, aufgrund langer Betriebszugehörigkeit erworbenes Bestandsschutzinteresse aufweist.

Die insoweit für den Kläger ins Feld zu führenden Gesichtspunkte müssen jedoch hinter den Interessen der Beklagten zurücktreten. Der vorliegende Kündigungssachverhalt belastet den Kläger so stark, dass aus der Sicht eines verständigen Arbeitgebers angesichts der Schwere des Fehlverhaltens nur noch die Möglichkeit bestand, sich mit sofortiger Wirkung zu trennen. Auch in Ansehung der langen Betriebszugehörigkeit des Klägers stellt sich sein Fehlverhalten nicht als Bagatellfall dar. Unabhängig davon, das feste Wertgrenzen schwerlich zu bestimmen sind, hat der Kläger bei der Beklagten durch die unrichtige und pflichtwidrige Nutzung der Tankkarten einen Schaden in Höhe von 2801,04 Euro herbeigeführt. Das zielgerichtete und beharrliche Handeln des Klägers bei der pflichtwidrigen Nutzung der Tankkarten ist im Rahmen der Interessenabwägung weiterhin zu seinen Lasten zu berücksichtigen.

ee.

Mit Ausspruch der fristlosen Kündigung vom 5. November 2021 hat die Beklagte die zweiwöchige Kündigungserklärungsfrist gemäß § 626 Abs. 2 BGB gewahrt.

(1).

Die Frist beginnt nach § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald er eine zuverlässige und hinreichend vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen will oder nicht. Auch grob fahrlässige Unkenntnis setzt die Frist nicht in Gang (BAG, 25. April 2018 - 2 AZR 611/17 - Rn. 50). Zu den maßgebenden Tatsachen gehören sowohl die für als auch gegen die Kündigung sprechenden Umstände (BAG, 27. Juni 2019 - 2 ABR 2/19 Rn. 18 BAG, 1. Juni 2017 - 6 AZR 720/15 - Rn. 61). Von der völligen - und sei es grob fahrlässigen - Unkenntnis des Kündigungssachverhaltes ist der Fall zu unterscheiden, dass schon einige Tatsachen bzw. Umstände bekannt sind, die auf einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung hindeuten. Dann kann der Lauf der Ausschlussfrist ausgelöst werden. Allerdings darf der Kündigungsberechtigte, der bislang lediglich Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB zu laufen beginnt. Dies gilt indessen nur solange, wie er aus verständigen Gründen mit der gebotenen Eile Ermittlungen durchführt, die ihm eine zuverlässige und hinreichend vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen und Beweismittel verschaffen sollen und ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht (vgl. BAG, 27. Juni 2019 - 2 ABR 2/19 - Rn. 23; BAG, 1. Juni 2017 - 6 AZR 720/15 - Rn. 66).

Handelt es sich bei dem Arbeitgeber um eine juristische Person, ist grundsätzlich die Kenntnis des gesetzlich oder satzungsgemäß für die Kündigung zuständigen Organs maßgeblich. Sind für den Arbeitgeber mehrere Personen gemeinsam vertretungsberechtigt, genügt grundsätzlich die Kenntnis schon eines der Gesamtvertreter (BAG, 1. Juni 2017 - 6 AZR 720/15 - Rn. 61; BAG, 18. Juni 2015 - 2 AZR 256/14 - Rn. 48). Neben den Mitgliedern der Organe von juristischen Personen und Körperschaften gehören zu den Kündigungsberechtigten auch die Mitarbeiter, denen der Arbeitgeber das Recht zur außerordentlichen Kündigung übertragen hat (BAG, 27. Juni 2019 - 2 ABR 2/19 - Rn. 19; BAG, 16. Juli 2015 - 2 AZR 85/15 - Rn. 55). Die Kenntnis anderer Personen ist für die Zwei-Wochen-Frist grundsätzlich unbeachtlich. Dies gilt selbst dann, wenn ihnen Vorgesetzten- oder Aufsichtsfunktionen übertragen worden sind. Nur ausnahmsweise muss sich der Arbeitgeber die Kenntnis auch anderer Personen nach Treu und Glauben zurechnen lassen. Dazu müssen diese Personen eine herausgehobene Position und Funktion im Betrieb oder in der Verwaltung innehaben sowie tatsächlich und rechtlich in der Lage sein, den Sachverhalt so umfassend zu klären, dass mit ihrem Bericht an den Kündigungsberechtigten dieser ohne weitere Nachforschungen seine (Kündigungs-)Entscheidung abgewogen treffen kann. Voraussetzung dafür, dem Arbeitgeber solche Kenntnisse zuzurechnen, ist ferner, dass die Verspätung, mit der er in eigener Person Kenntnis erlangt hat, auf einer unsachgemäßen Organisation des Betriebs oder der Verwaltung beruht (BAG, 20. Oktober 2016 - 2 AZR 395/15 - Rn. 47; BAG, 16. Juli 2015 - 2 AZR 85/15 - Rn. 55). Beide Voraussetzungen (ähnlich selbstständige Stellung und schuldhafter Organisationsmangel in Bezug auf die Kenntniserlangung) müssen kumulativ vorliegen (BAG, 23. Oktober 2008 - 2 AZR 388/07 - Rn. 22) und bei einer Zurechnung vom Gericht positiv festgestellt werden (BAG, 27. Februar 2020 - 2 AZR 570/19 - Rn. 32).

(2).

Bei der gebotenen Anwendung vorstehender Maßstäbe begann die zweiwöchige Kündigungserklärungsfrist frühestens mit der Anhörung des Klägers am 28. Oktober 2021 durch die Zeugen Dr. F. und I. zu laufen.

Der Zeuge Dr. F. hat bei seiner Vernehmung den Vortrag der Beklagten bestätigt, dass ihm die Mitarbeiterin Frau J. am Montag, dem 25. Oktober 2021 mitgeteilt habe, dass aus ihrer Sicht mit den Tankabrechnungen des Klägers etwas nicht stimme. Die Mitarbeiterin J. habe erklärt, dass der Kläger Superbenzin statt Diesel getankt habe. Der Zeuge Dr. F. hat ferner bekundet, dass die Mitarbeiterin Frau J. nach dem 25. Oktober 2021 Tankbelege des Klägers der vorangegangenen Jahre überprüft und ihm diese Unterlagen sodann vorgelegt habe. Der Zeuge Dr. F. hat ferner die Behauptung der Beklagten bestätigt, dass er den Zeugen I. an dem Montag informiert und zusammen mit ihm per Microsoft Teams in dieser Woche noch mit dem Kläger telefoniert habe. Der Zeuge Dr. F. hat ferner bekundet, dass er bis zur Information durch die Mitarbeiterin J. von dem Inhalt der Tankbelege, die der Kläger bei der Beklagten eingereicht hat, keine Kenntnis besaß. Es finde keine Stichprobenkontrolle statt, weil dies nicht in die Zuständigkeit der Personalabteilung falle.

Die Aussagen des Zeugen Dr. F. sind glaubhaft. Der Zeuge konnte das Geschehen detailreich und widerspruchsfrei schildern. Er hat nachvollziehbar dargelegt, warum er bis zur Information der Mitarbeiterin Frau J. von dem Inhalt der Tankbelege des Klägers keine Kenntnis besaß. Der Zeuge konnte auch auf Nachfragen detailreich und in sich schlüssige Antworten zu den innerbetrieblichen Abläufen bei der Beklagten hinsichtlich der Vorgehensweise bei der Abrechnung von Tankbelegen bzw. Firmenkreditkarten geben. Die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen Dr. F. leidet auch nicht darunter, dass er das Geschehen nicht mehr auf den Tag genau zuordnen konnte. Dies ist erklärlich, weil zwischen den Vorfällen und der gerichtlichen Vernehmung fast eineinhalb Jahre Zeit vergangen sind. Die Schilderung des Zeugen Dr. F. bezüglich des Ablaufes der Geschehnisse in der Woche ab dem 25. Oktober 2021 decken sich mit dem Vorbringen der Beklagten. Ferner ist zwischen den Parteien unstreitig, dass es in der Woche nach dem 25. Oktober 2021, nämlich am 28. Oktober 2021, das Gespräch zwischen dem Zeugen Dr. F., dem Zeugen I. und dem Kläger per Microsoft Teams gegeben hat, indem der Kläger zu den Vorfällen angehört worden ist. Die Aussagen des Zeugen Dr. F. decken sich mit denen des Zeugen I..

Der Zeuge Dr. F. ist glaubwürdig. Dem steht nicht entgegen, dass er zum Zeitpunkt der Kündigung noch Personalleiter der Beklagten war. Dieser Umstand, der für ein Interesse des Zeugen sprechen könnte, zugunsten der Beklagten auszusagen, erreicht kein Ausmaß, der zu Zweifeln der erkennenden Kammer an der Glaubwürdigkeit des Zeugen führen würde. Der Zeuge Dr. F. ist nicht mehr bei der Beklagten beschäftigt. Der Zeuge wirkte bei seiner Vernehmung entschlossen und selbstbewusst, gab aber auch sofort an, wenn er etwas nicht mehr wusste. Er ist auch bei mehrfachen Nachfragen bei der in sich schlüssigen Darstellung der Geschehnisse hinsichtlich der Kenntniserlangung der Gründe für die außerordentliche Kündigung vom 5. November 2021 geblieben. Es haben sich bei der Vernehmung des Zeugen Dr. F. keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass er in Schädigungsabsicht gegen den Kläger und in Absprache mit der Beklagten Vorgänge bekundet hat, die es in der Realität nicht gegeben hat.

Der Zeuge I. hat bekundet, dass er erstmals über den Zeugen Dr. F. von den Vorfällen betreffend den Kläger Kenntnis erlangt hat. Der Zeuge Dr. F. habe ihn angerufen und ihn darüber informiert, dass es zu Vorfällen betreffend den Kläger gekommen sei. Auch der Zeuge I. hat das Telefonat per Microsoft Teams zwischen dem Kläger, dem Zeugen Dr. F. und ihm bestätigt. Ferner hat der Zeuge I. bekundet, dass er als Geschäftsführer im laufenden Geschäft nicht mit der Bearbeitung von Tankbelegen bzw. der Bearbeitung von Reisekostenabrechnungen befasst sei.

Die Aussagen des Zeugen I. sind glaubhaft. Er sprach offen und gab sofort an, wenn er etwas nicht mehr wusste. Die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen leidet nicht darunter, dass er die Geschehnisse nicht mehr auf den Tag genau zuordnen konnte. Dies ist erklärlich, weil zwischen den Vorfällen und der gerichtlichen Vernehmung fast eineinhalb Jahre Zeit vergangen sind. Für das Gericht haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Zeuge I. in Schädigungsabsicht gegenüber dem Kläger Tatsachen bekundet hat, die es in der Realität nicht gegeben hat. Ein irgendwie geartetes Interesse an einem Ausgang des vorliegenden Prozesses zugunsten der Beklagten war bei ihm nicht zu erkennen. Der Zeuge ist als Geschäftsführer der Beklagten ausgeschieden.

Nach der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der erkennenden Kammer fest, dass der allein kündigungsberechtigte Zeuge I. vor der Information durch den Zeugen Dr. F. keine Kenntnis von den Pflichtverletzungen des Klägers besaß. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB begann somit frühestens nach dem Telefonat des Klägers mit den Zeugen Dr. F. und I. zu laufen, indem diese den Kläger am 28. Oktober 2021 zu den Kündigungsvorwürfen angehört haben. Die Anhörung des Klägers zu den streitbefangenen Pflichtverletzungen von Ausspruch der Kündigung war geboten, denn in diesem Telefonat hat der Kläger zu den Vorwürfen Stellung genommen. Nach diesem Telefonat verfügte der allein kündigungsberechtigte Zeuge I. über ausreichend Informationen, um darüber zu entscheiden, ob die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fortsetzen soll oder nicht.

Die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB endete mithin am 11. November 2021, 24:00 Uhr. Diese Frist ist somit auch dann eingehalten, wenn man der Ansicht des Klägers folgt, die Kündigung sei ihm erst nach Urlaubsrückkehr am Montag, den 8. November 2021 zugegangen, als er das Kündigungsschreiben der Beklagten zur Kenntnis genommen habe.

3.

Nach der am 29. März 2023 durchgeführten Beweisaufnahme ist die erkennende Kammer davon überzeugt, dass der bei der Beklagten gebildete Betriebsrat gemäß § 102 BetrVG vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung vom 5. November 2021 ordnungsgemäß beteiligt worden ist.

a.

Gemäß § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen (§ 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG). Eine ohne Anhörung des Betriebsrates ausgesprochene Kündigung ist gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers im Rahmen von § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG reicht nicht so weit, wie er seine Darlegungslast im Prozess (BAG, 26. März 2015 - 2 AZR 417/14 - Rn. 46). Der notwendige Inhalt der Unterrichtung gemäß § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG richtet sich vielmehr nach Sinn und Zweck des Beteiligungsrechts. Dieser besteht darin, den Betriebsrat durch die Unterrichtung in die Lage zu versetzen, sachgerecht - d. h. ggf. zugunsten des Arbeitnehmers - auf den Arbeitgeber einzuwirken. Der Betriebsrat soll die Stichhaltigkeit und Gewichtigkeit der Kündigungsgründe beurteilen und sich über sie eine eigene Meinung bilden können. Die Anhörung soll dem Betriebsrat hingegen nicht die selbständige objektive Überprüfung der rechtlichen Wirksamkeit der beabsichtigten Kündigung ermöglichen (vgl. BAG, 22. September 2016 - 2 AZR 700/15 - Rn. 25; BAG, 7. Mai 2020 - 2 AZR 678/19 - Rn. 14 - 15).

b.

Diesen Anforderungen ist die Beklagte dadurch gerecht geworden, dass sie den Betriebsrat mit Schreiben vom 1. November 2021 über die beabsichtigte außerordentliche Kündigung des Klägers unterrichtet hat (Bl. 73 ff. d. A.). Darin legt die Beklagte detailliert den Sachverhalt dar, den sie zum Anlass für die außerordentliche Kündigung nehmen will. Sie schildert die Umstände der Kenntniserlangung, nimmt eine Bewertung des Sachverhaltes vor und führt im Rahmen einer Interessenabwägung aus, warum sie zu dem Entschluss gekommen ist, den Kläger außerordentlich zu kündigen.

Der Wirksamkeit der Anhörung steht nicht entgegen, dass die Beklagte bei den Sozialdaten des Klägers nur angegeben hat, dass er drei unterhaltsberechtigte Kinder hat, obgleich es tatsächlich vier Kinder sind. Die dem Betriebsrat nach § 102 Abs. 1 BetrVG mitzuteilenden Gründe für die Kündigung sind subjektiv determiniert. Der Betriebsrat ist ordnungsgemäß angehört worden, wenn ihm der Arbeitgeber die aus seiner Sicht tragenden Gründe mitgeteilt hat. Dabei muss der Arbeitgeber seinen Kenntnisstand richtig an den Betriebsrat weitergeben. Eine aus Sicht des Arbeitgebers bewusst unrichtige oder unvollständige und damit irreführende Darstellung ist keine ordnungsgemäße Anhörung. Dagegen ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, im Rahmen der Betriebsratsanhörung die Richtigkeit dokumentierter Daten zu überprüfen. Er kann deshalb, solange er nichts Anderes weiß, von der Eintragung in der Lohnsteuerkarte ausgehen und dies dem Betriebsrat mitteilen (BAG, 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 40). Vorliegend hatte die Beklagte den Betriebsrat darauf hingewiesen, dass sie die Unterhaltspflichten anhand der Angaben auf der Lohnsteuerkarte ermittelt hat. Die Unterrichtung ist im Sinne von § 102 Abs. 1 BetrVG deshalb nicht fehlerhaft (vgl. BAG a. a. O., Rn. 41).

c.

Der Wirksamkeit der Beteiligung des Betriebsrates vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung vom 5. November 2021 steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte das Anhörungsschreiben nicht dem Betriebsratsvorsitzenden, dem Zeugen G. bzw. dem stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden, dem Zeugen H., sondern dem Mitarbeiter T. übergeben hat.

aa.

Gemäß § 10 der Geschäftsordnung des Betriebsrates der Beklagten (Bl. 155 f d. A.) können im Falle der Verhinderung des Betriebsratsvorsitzenden und seines Stellvertreters Erklärungen an Klein und im Falle dessen Verhinderung an Herrn T. übergeben werden.

bb.

Der Zeuge G. hat bekundet, dass er sich vom 29. Oktober bis 5. November 2021 im Urlaub befunden habe. Der Zeuge G. hat ferner bekundet, dass er während seines Urlaubes mit Herrn T. telefoniert habe, der nach der Geschäftsordnung des Betriebsrates zuständig sei. Die Aussage des Zeugen G. ist glaubhaft. Der Zeuge hat das Geschehen widerspruchsfrei geschildert und ist auch bei Nachfragen bei seiner in sich schlüssigen Darstellung der Geschehnisse geblieben. Er sprach offen und gab sofort an, wenn er etwas nicht mehr wusste oder wenn er sich an etwas nicht mehr erinnern konnte.

Der Zeuge G. ist glaubwürdig. Es haben sich bei seiner Vernehmung keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass er in Schädigungsabsicht gegenüber dem Kläger in Absprache mit der Beklagten Vorgänge bekundet hat, die es ihn der Realität nicht gegeben hat. Ein irgendwie geartetes Interesse an einem Ausgang des vorliegenden Prozesses zugunsten der Beklagten war bei ihm nicht zu erkennen.

Die Aussage des Zeugen G. deckt sich zudem mit der Aussage des Zeugen H.. Dieser hat bekundet, dass er am 1. und 2. November 2021 Urlaub hatte. Er hat weiter bekundet, dass das Anhörungsschreiben von Herrn T. entgegengenommen worden ist, weil der Zeuge G. und er im Urlaub gewesen seien. Dann sei für die Entgegennahme Herr T. zuständig. Ferner hat der Zeuge H. bekundet, dass am 2. November 2021 eine Betriebsratssitzung stattgefunden habe.

Die Aussage des Zeugen H. ist glaubhaft. Der Zeuge hat das Geschehen widerspruchsfrei und nachvollziehbar geschildert und ist auch bei Nachfragen bei seiner in sich schlüssigen Darstellung der Geschehnisse geblieben. Er hat in Übereinstimmung mit dem Zeugen G. bekundet, dass Herr T. für die Entgegenahme des Anhörungsschreibens der Beklagten zuständig gewesen sei, weil er und der Zeuge G. sich im Urlaub befunden hätten.

Der Zeuge GB ist glaubwürdig. Es haben sich auch bei der Vernehmung des Zeugen keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Entschädigungsabsicht gegenüber dem Kläger und in Absprache mit der Beklagten Vorgänge bekundet hat, die es in der Realität nicht gegeben hat. Ein irgendwie geartetes Interesse an einem Ausgang des vorliegenden Prozesses zugunsten der Beklagten war bei ihm nicht zu erkennen.

Unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme ist die Anhörung zu der außerordentlichen Kündigung dem Betriebsrat am 1. November 2021 zugegangen. Die Beklagte durfte das Unterrichtungsschreiben gemäß § 10 Ziffer 2 der Geschäftsordnung des Betriebsrates wegen der Abwesenheit der Zeugen G. und H. dem Mitarbeiter T. übergeben. Damit ist es dem Betriebsrat am 1. November 2021 zugegangen. Die Frist des § 102 Abs. 2 Satz 3 BetrVG ist somit am 4. November 2021, 24:00 Uhr, abgelaufen. Die außerordentliche Kündigung ist dem Kläger frühestens am 5. November 2021 und damit nach Ablauf der einzuhaltenden Frist zugegangen.

4.

Das Kündigungsschreiben vom 5. November 2021 wahrt die durch § 623 BGB vorgeschriebene Schriftform.

II.

Nach alledem ist das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 5. November 2021 beendet worden.

Eine Entscheidung über die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung vom 11. November 2021 sowie über die Wirksamkeit der außerordentlichen fristlosen Kündigung vom 7. März 2022 und der ordentlichen fristgemäßen Kündigung vom 7. März 2022 bedurfte es daher nicht.

III.

Auch das weitere Vorbringen der Parteien, auf das in diesem Urteil nicht mehr besonders eingegangen wird, weil die Entscheidungsgründe gemäß § 313 Abs. 2 ZPO lediglich eine kurze Zusammenfassung der tragenden Erwägungen enthalten sollen, führt nicht zu einem abweichenden Ergebnis.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren beruht auf § 42 Abs. 2 GKG. Dabei waren die Kündigungen vom 5. November 2021 und vom 7. März 2022 jeweils mit 3 Bruttomonatsgehältern zu bewerten, wobei die erkennende Kammer ein Bruttomonatseinkommen in Höhe von 15.589,42 EUR zugrunde gelegt hat.

Gründe, die Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen, liegen nicht vor.

Gegen dieses Urteil ist kein Rechtsmittel gegeben. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 72 a ArbGG) wird hingewiesen.