Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 14.11.2023, Az.: 10 Sa 640/22
Vertragliche Absprachen der Arbeitsvertragsparteien bzgl. einer Abänderung durch betriebliche Normen; Geltung der einheitlichen Vertragsbedingungen im Betrieb auf Grundlage Allgemeiner Geschäftsbedingungen ; Betriebsvereinbarungsfeste Gestaltung der Arbeitsbedingungen; Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes bei der Zahlung der Arbeitsvergütung
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 14.11.2023
- Aktenzeichen
- 10 Sa 640/22
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2023, 46904
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2023:1114.10Sa640.22.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Braunschweig - 14.07.2022 - AZ: 8 Ca 86/22
Rechtsgrundlagen
- § 77 Abs. 3 BetrVG
- § 611a BGB
- Art. 3 Abs. 1 GG
Fundstellen
- ArbR 2024, 40
- AuA 2024, 51
- FA 2024, 77
- FA 2024, 104
- NZA-RR 2024, 164
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Die Arbeitsvertragsparteien können ihre vertraglichen Absprachen dahingehend gestalten, dass sie einer Abänderung durch betriebliche Normen unterliegen. Das kann ausdrücklich oder bei entsprechenden Begleitumständen konkludent erfolgen und ist nicht nur bei betrieblichen Einheitsregelungen und Gesamtzusagen möglich, sondern auch bei einzelvertraglichen Abreden.
- 2.
Mit der Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen macht der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer erkennbar deutlich, dass im Betrieb einheitliche Vertragsbedingungen gelten sollen. Eine betriebsvereinbarungsfeste Gestaltung der Arbeitsbedingungen stünde dem entgegen.
- 3.
Auf den unveränderten Fortbestand von betriebsvereinbarungsoffen ausgestalteten Leistungen kann ein Arbeitnehmer grundsätzlich nicht vertrauen. Er muss ohne Hinzutreten von besonderen Umständen mit ihrer Verschlechterung oder ihrem völligen Fortfall rechnen.
- 4.
Trotz des Vorrangs der Vertragsfreiheit ist der Gleichbehandlungsgrundsatz auch bei der Zahlung der Arbeitsvergütung anwendbar, wenn diese durch eine betriebliche Einheitsregelung generell angehoben wird oder der Arbeitgeber die Leistung nach einem erkennbaren und generalisierenden Prinzip gewährt, indem er Voraussetzungen oder Zwecke festlegt.
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts B-Stadt vom 14. Juli 2022 - 8 Ca 86/22 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Zahlungsansprüche aus einem beendeten Arbeitsverhältnis.
Der Kläger stand bis zum 31. Januar 2022 in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten, zuletzt als Mitarbeiter im Oberen Management-Kreis (OMK). Seit dem 1. November 2017 befand er sich bis zu seinem Renteneintritt in bezahlter Freistellung aus der Entnahme von Zeit-Wertguthaben. Mit Schreiben vom 20. Juni 2017 (Bl. 17 bis 19 d.A.) teilte die Beklagte ihm u.a. mit:
"Während der Freistellung aus Zeit-Wertpapieren erhalten Sie in dem vom Vorstand jeweils beschlossenen Rahmen einen Bonus auf der Grundlage Ihres individuellen 100 %-Bonusniveaus nach folgenden Maßgaben: Persönlicher Leistungs- und Unternehmensbonus werden jeweils in voller Höhe gezahlt, wobei sich der Persönliche Leistungsbonus am Durchschnitt der letzten drei Jahre vor Freistellung orientiert. Der Langzeitbonus Konzern (LTI) beträgt 30 % des vollen LTI-Betrages."
Mit Schreiben aus dem Dezember 2019 (Bl. 20 bis 22 d.A.) informierte die Beklagte u.a. den OMK über die Einführung eines neuen Vergütungssystems für das Management unter Gewährung einer dreijährigen Bestandssicherung ab 2020. Danach entfiel ab dem Geschäftsjahr 2020 der Persönliche Leistungsbonus; der Jahres- und der Langzeitbonus wurden auf andere Kennzahlen gerichtet. Mit Schreiben aus dem Januar 2020 (Bl. 23 bis 25 d.A.) teilte die Beklagte mit, dass Arbeitnehmer, die sich wie der Kläger in der Freistellung aus Zeit-Werten befanden, sich dafür entscheiden könnten, im bisherigen Bonussystem zu verbleiben; dann entfalle jedoch die zum 1. Januar 2020 erfolgte Erhöhung der Bruttomonatsentgelte für die Zeit ab dem 1. April 2020. Mit Schreiben vom 20. Februar 2020 (Bl. 26 bis 28 d.A.) informierte die Beklagte den Kläger über die konkreten Folgen der Systemumstellung für ihn. Neben einer Erhöhung des monatlichen Bruttoentgeltes um 6 v.H. ab dem 1. Januar 2020 sollte das individuelle Zielniveau der variablen Vergütung unverändert bleiben, sich zukünftig jedoch hälftig aus den Zielbeträgen Jahresbonus und Langzeitbonus zusammensetzen. Die Mitteilung lautet auszugsweise:
"2. Variable Vergütung
Über die Höhe Ihrer variablen Vergütungsbestandteile entscheidet der Vorstand der Volkswagen Aktiengesellschaft nach billigem Ermessen auf Grundlage des für den jeweiligen Bemessungszeitraum geltenden Bonussystems, derzeit dem Jahresbonus sowie dem Langzeitbonus.
Die tatsächliche Höhe des Auszahlungsbetrags wird unter Berücksichtigung der Erreichung der jeweils maßgeblichen Ziele, Ihres Arbeitszeitfaktors und der weiteren in den jeweiligen Planbedingungen geregelten Ermessensgesichtspunkte, insbesondere dem Kultur- und Integritätskorrektiv (Malustatbestand), nach billigem Ermessen festgelegt.
Die Volkswagen Aktiengesellschaft behält sich die Änderung des Bonussystems insbesondere der Art der variablen Vergütung sowie der Planbedingungen vor. Die maßgeblichen Planbedingungen sowie das Bonussystem können für jeden neuen Bemessungszeitraum, nicht jedoch rückwirkend, nach billigem Ermessen geändert werden. Hiervon bleibt die Höhe des Gesamtzielbetrags unberührt, eine Änderung der einzelnen Zielbeträge, aus denen sich dieser Gesamtzielbetrag zusammensetzt, bleibt jedoch vorbehalten.
...
4. Bestandssicherung
Die für das Geschäftsjahr 2019 individuell ausbezahlte Direktvergütung (brutto), bestehend aus der Jahressumme der monatlichen Entgelte ohne tarifliche Zusatzvergütung, sowie dem Persönlichen Leistungsbonus, dem Unternehmensbonus und dem LTI (ohne Sonderzahlungen), wird über drei Jahre abgestuft abgesichert. Diese abgestufte Bestandssicherung beträgt für das Geschäftsjahr 2020 100%, für 2021 90% und für 2022 80% der individuell ausgezahlten Direktvergütung für das Geschäftsjahr 2019. Sollte die ausgezahlte Direktvergütung für die drei Geschäftsjahre 2020, 2021 und 2022 unter der jeweiligen Absicherung (in Höhe von 100%, 90% bzw. 80%) liegen, wird ein Ausgleichsbetrag bis zur jeweiligen Absicherung ausgezahlt. Die Ausgleichszahlung ist eine freiwillige Zahlung des Unternehmens und muss nicht zurückgezahlt werden. Fällt die Auszahlung höher aus, als der abzusichernde Bestand aus dem Geschäftsjahr 2019, wird diese in vollem Umfang gewährt.
Erhöhungen des individuellen Monatsentgelts und des Zielbonus sowie ggfs. eine Erhöhung der Wochenarbeitszeit haben keinen Einfluss auf das abgesicherte Niveau. Berechnungsbasis für die Bestandssicherung ist ein jeweils unverändertes Arbeitsverhältnis gegenüber dem Beschäftigungsstatus im Kalenderjahr 2019, also ohne bezahlungsrelevante Veränderungen wie z.B. Veränderung der individuellen Wochenarbeitszeit, Unterbrechung bzw. Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
...
5. ATZ und ZWP
Die geltenden Regelungen für Altersteilzeit und Zeit-Wertpapiere bleiben unverändert. Wenn Sie sich bereits in der passiven Phase der Altersteilzeit oder in der Freistellung aus Zeit-Werten befinden, richtet sich Ihre Vergütung nach den betrieblichen Regelungen in der jeweils geltenden Fassung.
Im Zusammenhang mit der Umstellung des Vergütungssystems erhalten Sie, falls Sie bereits einen Vertrag über die Freistellung aus Zeit-Werten oder über Altersteilzeit mit der Volkswagen Aktiengesellschaft geschlossen haben, eine Wahlmöglichkeit, wieder auf das bisherige Vergütungssystem umgestellt zu werden und damit im bisherigen, fortgeschriebenen Bonussystem zu verbleiben. ... Über die Prämissen zur Ausübung des Wahlrechts zum Verbleib im bisherigen Vergütungssystem werden Sie in einem separaten Schreiben informiert."
Von der Möglichkeit, in das frühere Bonussystem zurückzukehren, machte der Kläger binnen der ihm von der Beklagten eingeräumten Frist keinen Gebrauch.
Vor dem Hintergrund der Covid-19-Pandemie entschied sich die Beklagte in der Folgezeit, unter anderem die Bestandssicherung für das Geschäftsjahr 2020 von 100 auf 90 v.H. zu kürzen. Für die Beschäftigten u.a. des OMK erfolgte dies durch Betriebsvereinbarung vom 8. Mai 2020 (Bl. 115 f. d.A.). Sie lautet auszugsweise:
"Der Vorstand und der Gesamtbetriebsrat der VW AG sind sich einig, dass die Geschäftsgrundlage dieser Bestandssicherung weggefallen ist. Aufgrund der Corona-Krise und den damit verbundenen Produktionsausfällen, Absatzrückgänge und sonstigen Einschränkungen des laufenden Betriebs ist bereits jetzt absehbar, dass die tatsächliche variable Vergütung des Geschäftsjahres 2020 deutlich hinter der variablen Vergütung der Geschäftsjahre 2018 und 2019 zurückbleiben wird. Damit würde voraussichtlich für alle betroffenen Beschäftigten die Bestandssicherungsregelung greifen. Zudem würden nunmehr mit der Bestandssicherung Risiken abgesichert, die sich auch beim Verbleib des bisherigen Bonussystems realisiert hätten. Dies vorausgeschickt, vereinbaren die Parteien folgendes:
1. Keine Anpassung der variablen Vergütung 2019
Die Parteien sind sich darüber einig, dass die im Geschäftsjahr 2019 bereits erdienten variablen Vergütungsbestandteile, also PLB, UB und LTI des OMK ..., gemäß den jeweiligen Planbedingungen zur Auszahlung kommen.
2. Aussetzung und Neuregelung der Bestandssicherung
Die derzeit für die Beschäftigten des OMK ... geltende Bestandssicherung wird insgesamt aufgehoben und wie folgt neu gefasst:
Für das Geschäftsjahr 2020 wird die individuell ausbezahlte Direktvergütung (brutto) des Geschäftsjahrs 2019, bestehend aus der Jahressumme der monatlichen Entgelte ohne tarifliche Zusatzvergütung, sowie dem PLB, dem UB und dem LTI (ohne Sonderzahlungen) in Höhe von 90% abgesichert. ... Sollte die ausgezahlte Vergütung aus dem neuen Vergütungssystem im Jahr 2020 unter dieser Absicherung liegen, wird ein Ausgleichsbetrag bis zur Absicherung ausgezahlt ("Bestandssicherung 2020").
Für die Geschäftsjahre 2021 und 2022 werden die Parteien sich bis spätestens 31.12.2020 auf eine den Umständen und der wirtschaftlichen Entwicklung angemessene Vereinbarung zum weiteren Vorgehen einigen. Es besteht Einvernehmen darüber, dass das Geschäftsjahr 2019 für den gesamten Betrachtungszeitraum der vereinbarten Bestandssicherung das Basisjahr darstellt."
Durch "Personal Telegramm" vom 14. Juli 2021 (Bl. 117 d.A.) informierte die Beklagte darüber, dass sie mit dem Betriebsrat und der Vertretung der Führungskräfte die Bestandssicherungsregelung zur Gesamtvergütung für die Geschäftsjahre 2021 und 2022 für die Beschäftigten u.a. des OMK vereinbart habe. Weiterhin werde die für das Geschäftsjahr 2019 ausgezahlte individuelle Direktvergütung abgesichert. Dabei werde die für die Geschäftsjahre 2021 und 2022 ausgezahlte Vergütung einheitlich mindestens 90 v.H. der für das Geschäftsjahr 2019 ausgezahlten Direktvergütung (Festgehalt und variable Vergütung) betragen. Für 2022 werde die Bestandssicherung damit von ursprünglich 80 auf 90 v.H. angehoben.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei aus der Freistellungsvereinbarung vom 20. Juni 2017 (Bl. 17 bis 19 d.A.) zur Zahlung der ungekürzten Bestandssicherung für 2020 verpflichtet. Der Anspruch ergebe sich ferner aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, denn den im alten Vergütungssystem verbliebenen Arbeitnehmern werde die Bestandssicherung ungekürzt gewährt; diese Gruppenbildung sei sachfremd. Der Kläger habe sich mit Blick auf die zugesagte Bestandssicherung für den Wechsel in das neue Vergütungssystem entschieden. Soweit sich die Beklagte auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage berufe, sei dies unrichtig; jedenfalls hätte sie dem Kläger dann die Rückkehr in das alte Vergütungssystem zugestehen müssen, wie er sie mit Schreiben vom 28. Mai 2021 (Bl. 34 f. d.A.) auch geltend gemacht habe. Betriebswirtschaftliche Gründe für die Kürzung gebe es nicht. Die Beklagte sei gehindert, konkrete vertragliche Zusagen formularmäßig unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt zu stellen. Die Änderung greife in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses ein.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihm 23.032,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat behauptet, mit der Bestandssicherung hätten Risiken aus dem laufenden Geschäftsbereich abgefedert werden sollen, die bei Anwendung des neuen Bonussystems im Vergleich zum alten zu nachteiligen Bonusergebnissen hätten führen können. Es sei aber nicht beabsichtigt gewesen, Vergütungsrisiken abzusichern, die sich auch bei einem Verbleib im bisherigen Vergütungssystem ergeben hätten, sondern nur die erhöhten Risiken, die sich neben den höheren Chancen im üblichen Geschäftsbetrieb aus dem neuen System ergäben. Der Ausbruch der Corona-Pandemie habe außerhalb der üblichen Geschäftsrisiken gelegen; ihre Folgen hätten eine ernsthafte Gefährdung des Geschäftsbetriebes dargestellt. Als eine der Maßnahmen zur Liquiditätssicherung sei die Bestandssicherung für alle Beschäftigtengruppen einheitlich gekürzt worden. Im Sommer 2021 habe man diese Kürzung korrigieren können. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Vergütung werde, betrachtet über das Volumen der drei Jahre, bei Eingreifen der Bestandssicherung in gleicher Weise wie ursprünglich mitgeteilt abgesichert: Sie betrage nunmehr für die Jahre 2020 bis 2022 jeweils 90 v.H. statt, wie ursprünglich geregelt, 100, 90 und 80 v.H. Die Ausgleichszahlung sei wirksam unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt. Unabhängig davon habe die Bestandssicherung durch Betriebsvereinbarung wirksam geändert werden können, denn die Beklagte gestalte ihre Arbeitsverträge betriebsvereinbarungsoffen aus. Sie verhandle kollektive Regelungen, die eine Vielzahl von Beschäftigten beträfen, grundsätzlich mit dem Betriebsrat, insbesondere das Bonussystem, dessen Umstellung und Ausgestaltung sowie die den Beschäftigten des Managements in der Freistellungsphase gewährte Vergütung. Mit der Änderung werde nicht in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses eingegriffen. Auch rechtfertige ein durch die Pandemiesituation eingetretener Wegfall der Geschäftsgrundlage die Änderung. Diese verstoße nicht gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Bestandssicherung sei durch die Gesamtbetriebsvereinbarung vom 8. Mai 2020 wirksam gekürzt worden. Die Änderung greife nicht in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses ein und sei nicht unangemessen, weil sie eine Größenordnung von 10 v.H. nicht überschreite. Der Anspruch folge auch nicht aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Beklagte habe innerhalb der bonusberechtigten Beschäftigten im Management zwei Gruppen gebildet. Dies sei zum einen diejenige der Beschäftigten, die sich bereits in der Freistellungsphase befunden hätten oder eine entsprechende Vereinbarung bis zum Jahresende 2020 abschlossen, und die sich in Ausübung des eingeräumten Wahlrechts dafür entschieden hätten, im alten Bonussystem zu verbleiben. Die zweite Gruppe bestehe aus Beschäftigten im Management, denen ein Wahlrecht nicht zugekommen sei oder die sich im Rahmen des eingeräumten Wahlrechts für einen Wechsel in das neue Bonussystem entschieden hätten. Beide Gruppen seien nicht vergleichbar; dem Kläger hätte es freigestanden, in die erste Gruppe zu wechseln. Des Risikos beim Verbleib in der zweiten Gruppe habe er sich als Manager bewusst sein müssen, zumal es um Entgelt ohne Arbeitsleistung gehe. Er könne nicht sowohl eine Erhöhung des monatlichen Fixums als auch den vollen Bonus für 2020 verlangen.
Gegen das ihm am 26. Juli 2022 zugestellte Urteil hat der Kläger am 10. August 2022 Berufung eingelegt und sie am 26. September 2022 begründet.
Die Berufung führt aus: Der Kläger habe seine Freistellung inklusive des Bonusanspruchs durch Zeit-Wertguthaben selbst erarbeitet. Für das neue Bonussystem habe er sich wegen der zugesagten Bestandssicherung entschieden. Die Beklagte verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, indem sie den im alten Vergütungssystem verbliebenen Arbeitnehmern die festgeschriebene Zahlung gewähre und sie für andere kürze. Auch in Betriebsvereinbarungen sei eine solche sachfremde Gruppenbildung unzulässig. Die zwei Gruppen seien offensichtlich erst nachträglich gebildet worden, nämlich beim Aufkommen der ersten Streitigkeiten: Das monatliche Fixum sei für alle Mitglieder des OMK und nicht nur für Angehörige einer Gruppe rückwirkend zum 1. Januar 2020 um 6 v.H. erhöht worden. Bei seinem Wechsel habe sich der Kläger auf die Bestandszusage der Beklagten verlassen. Dass die Gruppenbildung sachfremd sei, ergebe sich auch daraus, dass die Angehörigen der anderen Gruppe in ihrem Bonusanspruch nicht benachteiligt seien. Benachteiligt würden durch die prozentuale Änderung der Bestandssicherung für die Jahre 2020 bis 2022 aber diejenigen Arbeitnehmer, die wie der Kläger vor Ende des Jahres 2022 ausgeschieden seien. Im Übrigen spreche die Anpassung des Bonuszyklus auf dreimal 90 v.H. gegen wirtschaftliche Gründe für die Kürzung.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm 23.032,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie macht geltend, nach den Regelungen der Beendigungsvereinbarung habe es sich bei den Bonuszahlungen um einseitige, nicht aus dem Zeit-Wertguthaben finanzierte Leistungen gehandelt. Das vom Kläger bewusst gewählte neue Bonussystem sei deutlich flexibler; es könne erheblich höhere Boni, aber auch die negative Berücksichtigung ungünstiger Entwicklungen zur Folge haben. Dieses Risiko habe sich schon im ersten Jahr durch den Beginn der Pandemie verwirklicht. Eine Bestandssicherung hätten nur diejenigen Arbeitnehmer erhalten, die in das neue System gewechselt seien, weil die im alten System Verbliebenen einer solchen Absicherung nicht bedurft hätten. Auch die Entgelterhöhung von 6 v.H. hätten nur die in das neue System gewechselten Arbeitnehmer erhalten.
Im Frühjahr 2020 habe die Beklagte unverzüglich Sicherungs- und Gegenmaßnahmen zur Schadensabwehr ergreifen müssen, nachdem es pandemiebedingt zu erheblichen Betriebsstörungen und Absatzeinbußen gekommen sei. Daher regle die Betriebsvereinbarung vom 8. Mai 2020, dass das Realeinkommen der Mitarbeiter aus dem Geschäftsjahr 2019 im Geschäftsjahr 2020 nur zu 90 v.H. abgesichert werde und für die Geschäftsjahre 2021 und 2022 erst später bei Kenntnis der weiteren Umstände und der wirtschaftlichen Entwicklung angemessene Vereinbarungen getroffen würden. Aufgrund des verantwortungsvollen Umgangs aller Unternehmensverantwortlichen mit der Situation habe die Beklagte im Sommer 2021 die Kürzung der Bestandssicherung korrigieren und den Mitarbeitern mitteilen können, dass sie für die Jahre 2021 und 2022 eine Bestandssicherung von jeweils 90 v.H. des Realeinkommens aus dem Jahr 2019 erhielten. Der Kläger habe von der Bestandssicherung erheblich profitiert und für das Jahr 2020 einen Ausgleichsbetrag von 35.792,00 Euro brutto erhalten.
Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz liege nicht vor, weil die Bonussysteme nicht vergleichbar seien. Die im alten System Verbliebenen hätten ein hohes Sicherheitsniveau gewählt. Die für die Angehörigen dieser Gruppe von der Beklagten zunächst überlegte konzernweite Absenkung der Direktvergütung von 100 auf 90 v.H. hätte einen unmittelbaren Eingriff in die vertraglich fest zugesagte Vergütung bedeutet, weil dazu wegen des festgeschriebenen Grundgehalts der Bonus überproportional hätte reduziert werden müssen. Ein solcher Eingriff in die unmittelbar zugesagte Vergütung habe bei den Mitarbeitern, die in das neue Vergütungssystem gewechselt seien, durch die Reduzierung auf 90 v.H. nicht stattgefunden: Sie hätten die vertraglich zugesicherte Vergütung (Fixum und Boni) in voller Höhe erhalten. Vielmehr sei ihnen, die in das neue System gewechselt und damit bewusst risikoreicher gehandelt hätten, lediglich die darüber hinaus freiwillig zum Zweck der Absicherung zugesagte Bestandssicherung für das Jahr 2020 von 100 auf 90 v.H. reduziert worden.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht gewesen sind.
Entscheidungsgründe
I.
Die gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit zulässig (§ 66 Abs. 1 Satz 1, § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO).
II.
Die Berufung ist nicht begründet. Der Kläger kann seine Forderung weder auf vertragliche Ansprüche noch auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz stützen.
1.
Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg auf eine arbeitsvertragliche Anspruchsgrundlage berufen.
a)
Zwar sagte die Beklagte ihm in dem Schreiben aus dem Dezember 2019 (Bl. 21 d.A.) für das Jahr 2020 eine Bestandssicherung für das Jahr 2020 in Höhe von "mindestens" 100 v.H. der Vergütung für das Jahr 2019 zu. Dies wurde auch Bestandteil des Arbeitsvertrages der Parteien. Der Kläger machte nämlich von der ihm eingeräumten Möglichkeit, im alten Bonussystem zu verbleiben, keinen Gebrauch, so dass die Regeln des neuen Bonussystems einschließlich der Bestandssicherung Anwendung fanden.
b)
Diese Bestandssicherung wurde jedoch durch die (Gesamt-)Betriebsvereinbarung vom 8. Mai 2020 wirksam modifiziert. Die Parteien haben ihre arbeitsvertraglichen Vereinbarungen, soweit sie die Bonuszahlungen zum Gegenstand haben, betriebsvereinbarungsoffen ausgestaltet.
aa)
Die Arbeitsvertragsparteien können ihre vertraglichen Absprachen dahingehend gestalten, dass sie einer Abänderung durch betriebliche Normen unterliegen. Das kann ausdrücklich oder bei entsprechenden Begleitumständen konkludent erfolgen und ist nicht nur bei betrieblichen Einheitsregelungen und Gesamtzusagen möglich, sondern auch bei einzelvertraglichen Abreden. Eine solche konkludente Vereinbarung ist regelmäßig anzunehmen, wenn der Vertragsgegenstand in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten ist und einen kollektiven Bezug hat. Mit der Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen macht der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer erkennbar deutlich, dass im Betrieb einheitliche Vertragsbedingungen gelten sollen. Eine betriebsvereinbarungsfeste Gestaltung der Arbeitsbedingungen stünde dem entgegen. Da Allgemeine Geschäftsbedingungen ebenso wie Bestimmungen in einer Betriebsvereinbarung auf eine Vereinheitlichung der Regelungsgegenstände gerichtet sind, kann aus Sicht eines verständigen und redlichen Arbeitnehmers nicht zweifelhaft sein, dass es sich bei den vom Arbeitgeber gestellten Arbeitsbedingungen um solche handelt, die einer Änderung durch Betriebsvereinbarung zugänglich sind. Etwas anderes gilt nur dann, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausdrücklich Vertragsbedingungen vereinbaren, die unabhängig von einer für den Betrieb geltenden normativen Regelung Anwendung finden sollen (BAG 5. März 2013 - 1 AZR 417/12 - Rn. 60).
bb)
Auf den unveränderten Fortbestand von betriebsvereinbarungsoffen ausgestalteten Leistungen kann ein Arbeitnehmer grundsätzlich nicht vertrauen. Er muss ohne Hinzutreten von besonderen Umständen mit ihrer Verschlechterung oder ihrem völligen Fortfall rechnen. Dispositionen, die von Arbeitnehmern auf der Grundlage der ihnen zunächst erbrachten Leistungen getroffen werden, sind daher grundsätzlich nicht schutzwürdig. Der von den Betriebsparteien zu beachtende Vertrauensschutz geht nicht soweit, den normunterworfenen Personenkreis vor Enttäuschungen zu bewahren. Dessen Erwartung an den gleichbleibenden Fortbestand bisher gewährter Leistungen begrenzt die inhaltliche Ausgestaltung einer betrieblichen Regelung deshalb regelmäßig nicht (BAG 24. Oktober 2017 - 1 AZR 846/15 - Rn. 29). Will der Arbeitnehmer eine solche Enttäuschung vermeiden, ist er gehalten, die entsprechende Leistung entweder im Arbeitsvertrag gesondert zu vereinbaren oder sie darin betriebsvereinbarungsfest auszugestalten (BAG 17. Juli 2012 - 1 AZR 476/11 - Rn. 53, BAGE 142, 294).
cc)
Bei Anwendung dieser Grundsätze erweisen sich die Regelungen zur Bonusgewährung, insbesondere das an alle Mitglieder der Management-Kreise OMK und MK gerichtete Schreiben aus dem Januar 2020 (Bl. 23 bis 25 d.A.), als betriebsvereinbarungsoffen. Es richtete sich an eine Vielzahl von Arbeitnehmern und hatte durch die einheitliche Regelung erkennbar kollektiven Bezug. Es handelt sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Der Umstand, dass die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 20. Februar 2020 (Bl. 26 bis 28 d.A.) die konkreten Folgen für ihn erläuterte, führt zu keinem anderen Ergebnis. Insbesondere lässt sich dessen Ziffer 4. (Bestandssicherung) nicht als gesonderte Vereinbarung einer betriebsvereinbarungsfest gestalteten Leistung auslegen. Dies zeigt schon der erste Absatz des Schreibens, der dessen Absicht erläutert, den Kläger über die Folgen der (gesondert geregelten) "Systemumstellung" zu informieren. Ein darüber hinausgehender Bindungswille lässt sich dem Schreiben nicht entnehmen.
dd)
Der Kläger kann auch keinen besonderen Vertrauensschutz für sich in Anspruch nehmen. Ein solcher könnte sich allenfalls daraus ergeben, dass sein Arbeitsverhältnis schon vor Ablauf des Zeitraums endete, über den sich die - veränderte - Bestandssicherung erstreckte: Durch sein Ausscheiden mit Ablauf des Monats Januar 2022 hätte er von der angehobenen Bestandssicherung für jenes Jahr nur begrenzt profitieren können, sofern sie für ihn eingegriffen hätte, während er von deren Absenkung für das Jahr 2019 betroffen war. Indes stand der 31. Januar 2022 als Beendigungstermin bereits fest, als der Kläger sich für den Wechsel in das neue Bonussystem nebst der - erkennbar betriebsvereinbarungsoffen ausgestalteten - Bestandssicherung entschied. Die Beklagte hatte insoweit keinen Wissensvorsprung und erweckte auch sonst nicht durch ihr Verhalten besonderes Vertrauen in den Bestand der ursprünglichen Regelung.
c)
Die Auffassung des Klägers, er habe sich nach Ablauf der hierfür bestimmten Frist noch für einen Verbleib im alten Bonussystem entscheiden können, geht fehl. Er hat keine Umstände dafür dargelegt, dass die Erklärungsfrist treuwidrig zu kurz bemessen und er nicht in der Lage gewesen wäre, die Entscheidung innerhalb der Frist zu treffen.
2.
Die Beklagte verstieß mit der Änderung der Bestandssicherung nicht gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.
a)
Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz wird inhaltlich durch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bestimmt. Er gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gesetzten Regel gleich zu behandeln. Er verbietet nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung. Trotz des Vorrangs der Vertragsfreiheit ist der Gleichbehandlungsgrundsatz auch bei der Zahlung der Arbeitsvergütung anwendbar, wenn diese durch eine betriebliche Einheitsregelung generell angehoben wird oder der Arbeitgeber die Leistung nach einem erkennbaren und generalisierenden Prinzip gewährt, indem er Voraussetzungen oder Zwecke festlegt. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist auch dann anwendbar, wenn der Arbeitgeber nach Gutdünken oder nach nicht sachgerechten oder nicht bestimmbaren Kriterien Leistungen erbringt (BAG 25. Januar 2023 - 10 AZR 29/22 - Rn. 26).
b)
Die Darlegungs- und Beweislast für einen Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz liegt grundsätzlich beim anspruchstellenden Arbeitnehmer. Nach den allgemeinen Regeln der Normenbegünstigung hat er die Voraussetzungen des Anspruchs auf Gleichbehandlung darzulegen und daher vergleichbare Arbeitnehmer zu nennen, die ihm gegenüber vorteilhaft behandelt werden. Ist dies erfolgt, muss der Arbeitgeber darlegen, wie groß der begünstigte Personenkreis ist, wie er sich zusammensetzt, wie er abgegrenzt ist und warum der klagende Arbeitnehmer nicht dazugehört. Der Arbeitgeber hat die nicht ohne Weiteres erkennbaren Gründe für die von ihm vorgenommene Differenzierung offenzulegen und jedenfalls im Rechtsstreit mit einem benachteiligten Arbeitnehmer so substantiiert darzutun, dass durch das Gericht beurteilt werden kann, ob die Gruppenbildung auf sachlichen Kriterien beruht (BAG 25. Januar 2023 - 10 AZR 29/22 - Rn. 27 mwN).
c)
Die unterschiedliche Behandlung des Klägers im Vergleich zu den Arbeitnehmern, die im alten Bonussystem verblieben, und zu denjenigen, deren Arbeitsverhältnisse nicht vor dem Ende des Jahres 2022 endeten, verstößt nicht gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.
aa)
Soweit der Kläger darauf abstellt, er erfahre eine ungünstigere Behandlung als solche Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse später als das seine geendet hätten, ist schon keine von der Beklagten vorgenommene Gruppenbildung erkennbar. Die Grundsätze des neuen Bonussystems treffen insoweit keine unterschiedlichen Regelungen, denn auch für das Jahr 2022, in welchem der Kläger ausschied, beläuft sich die Bestandssicherung für alle betroffenen Arbeitnehmer auf einen einheitlichen Satz, der zunächst bei 80 v.H. lag und später, wiederum einheitlich, auf 90 v.H. der Referenzvergütung erhöht wurde. Dass der Kläger - möglicherweise - nicht in den Genuss der vollen Bestandssicherung für das Jahr 2022 kam, beruht nicht auf einer von der Beklagten vorgenommenen Differenzierung oder Gruppenbildung, sondern allein daraus, dass dem Kläger wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses solche - möglichen - Ansprüche nicht mehr zugestanden hätten.
bb)
Selbst wenn man darin, dass statt der ursprünglich degressiv angelegten Bestandssicherung letztlich ein einheitlicher Satz von 90 v.H. für jedes der Jahre 2020 bis 2022 geregelt wurde, eine ungünstigere Behandlung derjenigen sähe, die vor Ablauf des letzten Jahres ausschieden, wäre sie sachlich gerechtfertigt.
(1)
Laut der (Gesamt-)Betriebsvereinbarung vom 8. Mai 2020 beruhte die Kürzung der Bestandssicherung für das Jahr 2020 auf der Prognose, dass aufgrund der pandemiebedingten Produktionsausfälle und Absatzrückgänge die tatsächliche variable Vergütung jenes Jahres deutlich hinter denjenigen der Geschäftsjahre 2018 und 2019 zurückbleiben werde; damit würde voraussichtlich für alle betroffenen Beschäftigten die Bestandssicherungsregelung greifen. Zudem würden mit ihr Risiken abgesichert, die sich auch beim Verbleib im bisherigen Bonussystem realisiert hätten. Zugleich wurde vereinbart, bis spätestens zum Ende des Jahres 2020 eine den Umständen und der wirtschaftlichen Entwicklung angemessene Vereinbarung zum weiteren Vorgehen für die Geschäftsjahre 2021 und 2022 zu treffen. Eine solche Regelung erfolgte durch Bekanntmachung mit "Personal Telegramm" vom 14. Juli 2021 in der Weise, dass die für die Geschäftsjahre 2021 und 2022 ausgezahlte Vergütung einheitlich mindestens 90 v.H. der für das Geschäftsjahr 2019 ausgezahlten Direktvergütung (Festgehalt und variable Vergütung) betragen sollte.
(2)
Zusammengefasst wollten die Betriebsparteien vor dem Hintergrund der Prognose, dass die Bestandssicherung - unvorhergesehen - von allen Betroffenen beansprucht würde und zudem ein Risiko abdeckte, das mit dem Wechsel in das neue Bonussystem in keinem Zusammenhang stand, für das Jahr 2020 eine Neuregelung treffen und sich Entscheidungen bezüglich der beiden Folgejahre vorbehalten. Dieses Vorgehen begegnet keinen Bedenken; insbesondere war die Beklagte nicht verpflichtet, für ausscheidende Arbeitnehmer Sonderregelungen zu treffen. Die Entwicklung fester und variabler Gehaltsbestandteile, deren Höhe durch kollektive Regelungen bestimmt wird, kann, wie hier, von wirtschaftlichen Rahmenbedingungen abhängen. Daraus kann keine Nachschusspflicht gegenüber solchen Arbeitnehmern abgeleitet werden, die negative Entwicklungen mittragen mussten und die vor oder während einer Phase wirtschaftlicher Erholung ausscheiden. Insbesondere bestand keine Verpflichtung, die Bestandssicherung für das Jahr 2020 rückwirkend anzuheben, als sich für die Folgejahre eine Besserung abzeichnete. Die in der (Gesamt-)Betriebsvereinbarung genannten, oben dargestellten Gründe für die Kürzung sind nicht nachträglich entfallen. Vielmehr besserte sich die Entwicklung erst in der Folgezeit. Diese Entwicklung vollzogen die Betriebsparteien nach. Darin liegt kein Gleichheitsverstoß.
cc)
In der Abänderung der Bestandssicherung liegt auch keine Benachteiligung gegenüber den Mitarbeitern, die im alten Management-Vergütungssystem verblieben sind.
(1)
Die Beklagte trägt dazu vor, die Bonussysteme seien nicht vergleichbar. Die im alten System Verbliebenen hätten ein hohes Sicherheitsniveau gewählt. Zwar habe es zunächst auch für diese Arbeitnehmer Kürzungsüberlegungen gegeben, doch hätte die Absenkung der Direktvergütung von 100 auf 90 v.H. einen unmittelbaren Eingriff in die vertraglich fest zugesagte Vergütung bedeutet. Dagegen sei den Mitarbeitern, die wie der Kläger in das neue System gewechselt seien, die vertraglich zugesicherte Vergütung (Fixum und Boni) in voller Höhe erhalten geblieben; lediglich die darüber hinaus zugesagte Bestandssicherung für das Jahr 2020 sei von 100 auf 90 v.H. reduziert worden.
(2)
Daraus ergibt sich, dass die wirtschaftliche Situation der beiden Gruppen nicht vergleichbar ist, so dass die Beklagte unterschiedliche Regelungen treffen durfte. Sie hat substantiiert vorgetragen, dass die im alten System verbliebenen Arbeitnehmer mangels einer vergleichbaren Volatilität ihrer Bonusansprüche einer Bestandssicherung nicht bedurften, so dass es eine solche Regelung für diese Gruppe nicht gab. Eine Kürzung hätte mithin nicht wie beim Kläger an eine bloße Bestandssicherung anknüpfen können, sondern in eine konkrete Vergütungsvereinbarung eingreifen müssen. Dieser Unterschied stellt einen sachlichen Differenzierungsgrund dar.
(3)
Die streitige Frage, ob die Erhöhung der monatlichen Festvergütung um 6 v.H. nur die Gruppe des Klägers oder auch die im alten System verbliebenen Arbeitnehmer betraf, ist vorliegend ohne Belang. Sollte die Beklagte anders als dem Kläger angekündigt die Erhöhung beiden Gruppen gewährt haben, so läge darin kein Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Sofern die Entscheidung des Klägers für das neue System darin begründet lag, dass er die Vergütungserhöhung erlangen wollte, so würde es sich um einen bloßen Motivirrtum handeln. Die von ihm im Laufe des Rechtsstreits angestrebte Rückkehr in das alte Bonussystem ließe sich damit nicht begründen. Eine Anfechtung der von ihm getroffenen Wahl hat er weder erklärt noch hat er Anfechtungsgründe dargelegt.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
IV.
Die Revision war aufgrund einer Divergenz zu der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 28. August 2023 - 17 Sa 678/22 - zuzulassen, § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG.