Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 28.08.2023, Az.: 17 Sa 678/22
Darlegungslast und Beweislast eines Arbeitnehmers für einen Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (hier: Vergütungsanspruch aus einem Bonussystem)
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 28.08.2023
- Aktenzeichen
- 17 Sa 678/22
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2023, 55142
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Braunschweig - 18.07.2022 - AZ: 8 Ca 358/21
Rechtsgrundlage
- Art. 3 Abs. 1 GG
Redaktioneller Leitsatz
Sofern der Arbeitgeber aufgrund einer abstrakten Regelung eine freiwillige Leistung nach einem erkennbar generalisierenden Prinzip erbringt und er für den mit der Leistung verfolgten Zweck die Anspruchsvoraussetzungen festlegt, ist er lediglich dann berechtigt, einzelne Arbeitnehmer von der Leistung auszunehmen, wenn dies den sachlichen Kriterien entspricht. Die Zweckbestimmung ergibt sich vorrangig aus den tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen der Leistung.
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 18.07.2022, Aktenzeichen 8 Ca 358/21, abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 18.971,00 Euro brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.06.2021 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des erstinstanzlichen Rechtsstreits und des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Zahlungsansprüche aus einem beendeten Arbeitsverhältnis.
Der Kläger war vom 01.09.1980 bis 30.04.2021 bei der Beklagten zuletzt als außertarifliche Mitarbeiter in der organisatorischen Einheit technische Projektleitung G., G. P., V. im Geschäftsbereich technische Entwicklung im Management beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis zuletzt ein Arbeitsvertrag vom 22.06.2009 (Bl. 6-15 dA.) zugrunde. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer Vereinbarung zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses wegen der Inanspruchnahme von Zeitwerten im Rahmen einer Lebensarbeitszeitverkürzung am 30.04.2021. Ab dem 01.04.2017 befand sich der Kläger in einer bezahlten Freistellungsphase (Schreiben vom 22.08.2016, Bl. 16-18 dA.) Neben einem aus dem Zeitwert-Guthaben finanzierten Fixum von 9.157,00 € € brutto ist folgende Regelung für den Freistellungszeitraum getroffen:
"Während der Freistellung aus Zeit-Wertpapieren erhalten Sie in dem vom Vorstand jeweils beschlossenen Rahmen einen Bonus auf der Grundlage ihres individuellen 100 %-Bonusniveaus nachfolgenden Maßgaben: Persönlicher Leistungs- und Unternehmensbonus werden jeweils in voller Höhe gezahlt, wobei sich der Persönliche Leistungsbonus am Durchschnitt der letzten drei Jahre vor Freistellung orientiert. Der Langzeitbonus Konzern (LTI) beträgt 30 % des vollen LTI-Betrages."
Im Dezember 2019 informierte die Beklagte den Managementkreis des Klägers über die Einführung eines neuen Vergütungssystems für das Management (Bl. 79-81 dA.) unter Gewährung einer Bestandssicherung für einen 3-jährigen Übergangszeitraum ab 2020. Hiernach entfiel ab dem Geschäftsjahr 2020 der Persönliche Leistungsbonus, der Jahres- und Langzeitbonus wurden auf andere Kennzahlen gerichtet
Mit Schreiben vom 20.02.2020 (Bl. 19-24 dA.) informierte die Beklagte den Kläger darüber, was die Systemumstellung für ihn konkret bedeute. Neben einer 4-prozentigen Erhöhung des monatlichen Bruttoentgeltes zum 01.01.2020 sollte das individuelle Zielniveau der variablen Vergütung unverändert 72.300,00 € bei 100-prozentiger Zielerreichung betragen, sich zukünftig jedoch hälftig aus den Zielbeträgen Jahresbonus und Langzeitbonus zusammensetzen. Im Einzelnen wurde dem Kläger folgendes mitgeteilt:
2. Variable Vergütung (...) Über die Höhe ihrer variablen Vergütungsbestandteil entscheidet der Vorstand der V. A. nach billigem Ermessen auf Grundlage des für den jeweiligen Bemessungszeitraum geltenden Bonussystems, derzeit dem Jahresbonus sowie dem Langzeitbonus.
Die tatsächliche Höhe des Auszahlungsbetrags wird unter Berücksichtigung der Erreichung der jeweils maßgeblichen Ziele, ihres Arbeitszeitfaktors und der weiteren in den jeweiligen Planbedingungen geregelten Ermessensgesichtspunkte, insbesondere dem Kultur- und Integritätskorrektiv (Malustatbestand), nach billigem Ermessen festgelegt.
Die V. A. behält sich die Änderung des Bonussystems insbesondere der Art der variablen Vergütung sowie der Planbedingungen vor. Die maßgeblichen Planbedingungen sowie das Bonussystem können für jeden neuen Bemessungszeitraum, nicht jedoch rückwirkend nach billigem Ermessen geändert werden. Hiervon bleibt die Höhe des Gesamtzielbetrags unberührt, eine Änderung der einzelnen Zielbeträge, aus denen sich dieser Gesamtzielbetrag zusammensetzt, bleibt jedoch vorbehalten.
(...) 4. Bestandssicherung
Die für das Geschäftsjahr 2019 individuell ausbezahlte Direktvergütung (brutto), bestehend aus der Jahressumme der monatlichen Entgelte ohne tarifliche Zusatzvergütung, sowie dem Persönlichen Leistungsbonus, dem Unternehmensbonus und dem LTI (ohne Sonderzahlungen), wird über drei Jahre abgestuft abgesichert. Diese abgestufte Bestandssicherung beträgt für das Geschäftsjahr 2000 100 %, für 2021 90 % und für 2022 80 % der individuell ausgezahlten Direktvergütung für das Geschäftsjahr 2019. Sollte die ausgezahlte Direktvergütung für die drei Geschäftsjahre 2020,2021 und 2022 unter der jeweiligen Absicherung (in Höhe von 100 %, 90 % bzw. 80 %) liegen, wird ein Ausgleichsbetrag bis zur jeweiligen Absicherung ausgezahlt. Die Ausgleichszahlung ist eine freiwillige Zahlung des Unternehmens und muss nicht zurückgezahlt werden. Fällt die Auszahlung höher aus, als der abzusichernde Bestand aus dem Geschäftsjahr 2019, wird diese in vollem Umfang gewährt.
Erhöhungen des individuellen Monatsentgelts und des Zielbonus sowie ggfs. eine Erhöhung der Wochenarbeitszeit haben keinen Einfluss auf das abgesicherte Niveau. Berechnungsbasis für die Bestandssicherung ist ein jeweils unverändertes Arbeitsverhältnis gegenüber dem Beschäftigungsstatus im Kalenderjahr 2019, also ohne bezahlungsrelevante Veränderungen wie z.B. Veränderung der individuellen Wochenarbeitszeit, Unterbrechung bzw. Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Bei Veränderungen des Arbeitsverhältnisses, die zu einer Reduzierung der Gesamtjahresvergütung führen, erfolgt eine entsprechende Anpassung der jeweiligen Bestandssicherungsumme.
Die vorstehenden Regelungen zur Bestandssicherung gelten nicht für den Fall, dass in Bezug auf die variable Vergütung für das betreffende Geschäftsjahr ein Malustatbestand vorliegt. Die Regelungen zu Malustatbestand im Sinne der "Malus- und ggf. Rückforderungsregelung Komponente, Kultur und Integrität""sind in der jeweils geltenden Fassung im Intranet einsehbar.
5. ATZ und ZWP
Die geltenden Regelungen für Altersteilzeit und Zeit-Wertpapiere bleiben unverändert. Wenn Sie sich bereits in der passiven Phase der Altersteilzeit oder in der Freistellung aus Zeit-Werten befinden, richtet sich ihre Vergütung nach den betrieblichen Regelungen in der jeweils geltenden Fassung.
Im Zusammenhang mit der Umstellung des Vergütungssystems erhalten Sie, falls Sie bereits einen Vertrag über die Freistellung aus Zeit-Werten oder über Altersteilzeit mit der V. A. geschlossen haben, eine Wahlmöglichkeit, wieder auf das bisherige Vergütungssystem umgestellt zu werden und damit im bisherigen, fortgeschriebenen Bonussystem zu verbleiben. Diese Möglichkeit besteht auch, wenn Sie im Kalenderjahr 2020 (bis 31.12.2020) aus Zeit-Wertpapieren in die Freistellung bzw. in die passive Altersteilzeit gehen. Über die Prämissen zur Ausübung des Wahlrechts zum Verbleib im bisherigen Vergütungssystem werden sie in einem separaten Schreiben informiert.(...)".
Mit Schreiben aus Januar 2020 (Bl. 22-24 dA.) erfolgten weitere Erläuterungen zum Wahlrecht sowie zur Bonusberechnung bei Verbleib im bisherigen Vergütungssystem. Zur Ausübung des Wahlrechtes wurde dem Kläger eine "Verbindliche Erklärung zur Rückkehr in das bisherige Managementvergütungssystem bei Mitarbeitern in Freistellung aus ZWP und passive Altersteilzeit"(Bl. 82 dA.) übersandt, in welchem der Kläger bis zum 31.03.2020 eine verbindliche Erklärung abgeben konnte, auf das bisherige Vergütungssystem zurückgestellt zu werden. Hierzu erfolgte folgender Hinweis:
"(...)
- Mit der Rückkehr in das bisherige Vergütungssystem gelten bei Bonuszahlungen während der Freistellung aus Zeit-Wertpapieren oder der passiven Phase der Altersteilzeit grundsätzlich weiterhin die Regelungen aus ihrem bereits geschlossenen Altersteilzeitvertrag oder der Vereinbarung zur Inanspruchnahme von Zeit-Werten zur Lebensarbeitszeitverkürzung sowie ihr individuelles 100 %- Bonusniveau. Für die Zukunft wird der UB-Faktor sowie der LTI-Faktor auf jeweils 140 % festgesetzt.
- Weiterhin entfällt aufgrund der Rückkehr in das bisherige Vergütungssystem die zum 01.01.2020 erfolgte Erhöhung des Bruttomonatsentgelts mit Wirkung zum 01.04.2020 für die Zukunft. Eine Rückforderung für die Monate Januar bis März 2020 erfolgt nicht.(...)"
Der Kläger gab keine Rückstellungserklärung ab und entschied sich für den Verbleib im neuen Bonussystem.
Vor dem Hintergrund der Covid-19-Pandemie entschied sich die Beklagte in der Folgezeit, unter anderem die Bestandssicherung für das Geschäftsjahr 2020 von 100 % auf 90 % zu kürzen. Für die Beschäftigten des oberen Managementkreises, des Managementkreises sowie der außertariflichen Beschäftigten der V. A. erfolgte dies durch die mit dem Gesamtbetriebsrat abgeschlossene Betriebsvereinbarung Nummer 07/20 vom 08.05.2020 (Bl. 88 f. dA.). Hierin ist unter anderem folgendes ausgeführt:
"(...) Der Vorstand und der Gesamtbetriebsrat der VW AG sind sich einig, dass die Geschäftsgrundlage dieser Bestandssicherung weggefallen ist. Aufgrund der Corona-Krise und den damit verbundenen Produktionsausfällen, Absatzrückgänge und sonstigen Einschränkungen des laufenden Betriebs ist bereits jetzt absehbar, dass die tatsächliche variable Vergütung des Geschäftsjahres 2020 deutlich hinter der variablen Vergütung der Geschäftsjahre 2018 und 2019 Zurückbleiben wird. Damit würde voraussichtlich für alle betroffenen Beschäftigten die Bestandssicherungsregelung greifen. Zudem würden nunmehr mit der Bestandssicherung Risiken abgesichert, die sich auch beim Verbleib des bisherigen Bonussystems realisiert hätten. Dies vorausgeschickt, vereinbaren die Parteien folgendes:
1. Keine Anpassung der variablen Vergütung 2019
Die Parteien sind sich darüber einig, dass die im Geschäftsjahr 2019 bereits verdienten variablen Vergütungsbestandteile, also PLB, UB und LTI des OMK, MK und der AT- Beschäftigten, gemäß den jeweiligen Planbedingungen zur Auszahlung kommen.
2. Aussetzung und Neuregelung der Bestandssicherung
Die derzeit für die Beschäftigten des OMK und MK sowie AT-Beschäftigten geltende Bestandssicherung wird insgesamt aufgehoben und wie folgt neu gefasst:
Für das Geschäftsjahr 2020 wird die individuell ausbezahlte Direktvergütung (brutto) des Geschäftsjahr 2019, bestehend aus der Jahressumme der monatlichen Entgelte ohne tarifliche Zusatzvergütung, sowie dem PLB, dem UB und dem LTI (ohne Sonderzahlungen) in Höhe von 90 % abgesichert.(...) Sollte die ausgezahlte Vergütung aus dem neuen Vergütungssystem im Jahr 2020 unter dieser Absicherung liegen, wird ein Ausgleichsbetrag bis zur Absicherung aus gezahlt ("Bestandssicherung 2020").
Für die Geschäftsjahre 2021 und 2022 werden die Parteien sich bis spätestens 31.12.2020 auf eine den Umständen und der wirtschaftlichen Entwicklung angemessene Vereinbarung zum weiteren Vorgehen einigen. Es besteht Einvernehmen darüber, dass das Geschäftsjahr 2019 für den gesamten Betrachtungszeitraum der vereinbarten Bestandssicherung das Basisjahr darstellt (...)"
Mit Schreiben vom 28.12.2020 (Bl. 29 f. dA.) widersprach der Kläger der Kürzung der Bestandssicherung. Mit Schreiben vom 18.05.2021 (Bl. 31 dA.) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sein Gesamtbonus für das Geschäftsjahr 2020 49.149,00 € betrage, welcher zu Ende Mai 2021 gezahlt werde. Dieser Betrag setzte sich aus einem Langzeitbonus in Höhe von 13.900,00 € sowie einem "Ausgleichsbetrag Bestandssicherung (90 %)"in Höhe von 35.249,00 € zusammen. Mit Schreiben vom 24.08.2021 (Bl. 32-35 dA.) machte der Kläger die Auszahlung eines Differenzbetrages für 2020 in Höhe von 18.971,00 € geltend.
Im Juli 2021 informierte die Beklagte darüber, dass sie gemeinsam mit dem Betriebsrat und der V. M. A. die Bestandssicherungsregelung zur Gesamtvergütung für die Geschäftsjahre 2021 und 2022 für die Beschäftigten im Oberen Managementkreis, Managementkreis, AT a.M. sowie Tarif plus vereinbart habe. Weiterhin werde die für das Geschäftsjahr 2019 ausgezahlte individuelle Direktvergütung abgesichert. Dabei werde die für die Geschäftsjahre 2021 und 2022 ausgezahlte Vergütung einheitlich mindestens 90 %, der für das Geschäftsjahr 2019 ausgezahlten Direktvergütung (Festgehalt und variable Vergütung) betragen. Für das Geschäftsjahr 2022 werde die Bestandssicherung damit von ursprünglich 80 % auf 90 % angehoben (Personaltelegramm vom 14.07.2021, Bl. 90 dA.).
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei aufgrund der Änderung im Vergütungssystem gemäß der Mitteilung der Beklagten vom 20.02.2020 zur Zahlung der 100-prozentigen Bestandssicherung für 2020 verpflichtet. Darüber hinaus müsse die Beklagte aus Gründen der Gleichbehandlung auf den Vollzug der angekündigten Bonuszahlungsreduzierung um 10 % im neuen Management-Vergütungssystem verzichten, da sie diese bezüglich des alten Management-Vergütungssystems aufgrund massiven Widerstands gegen die beabsichtigte Kürzung fallen gelassen habe. Zudem habe die Beklagte mit ihren Betriebspartnern die vorsorgliche Reaktion auf die Coronafolgen im Ergebnis nahezu vollständig zurückgenommen. Für die im alten Management-Vergütungssystem verbliebenen Mitarbeiter sei - entgegen der ursprünglichen Ankündigung - erst gar keine Kürzung vorgenommen worden. Im neuen Management-Vergütungssystem sei die Reduzierung aus 2020 im Jahr 2022 durch entsprechende Erhöhung um 10 % nachgeholt worden. Das erkennbare Bemühen, die mit der Corona Pandemie verbundenen Fehleinschätzungen wieder auszugleichen, habe jedoch nicht alle Mitarbeiter im Management-Vergütungssystem erreicht. So erreiche den Kläger diese Nachzahlung nicht mehr, da er aus Altersgründen im Jahr 2022 keinen Anspruch mehr auf die Bonuszahlungen gehabt habe. Damit sei regelwidrig für den Kläger keine Lösung gefunden worden, die anfängliche Fehleinschätzung kollektivrechtlich wieder zu korrigieren, was nachgeholt werden müsse. Dies könne durch Auslegung der Kollektivregelungen dahingehend erfolgen, dass die Reduzierung der Bonuszahlungen 2020 nur für die diejenigen gelte, die im Jahr 2022 von der nachgeholten Ausgleichszahlung Gebrauch machen könnten. Darüber hinaus habe es an einem Hinweis darauf gefehlt, dass die mit der Corona Pandemie verbundenen wirtschaftlichen Folgen zu unterschiedlichen Änderungen im alten Management-Vergütungssystem, in dem keine Kürzung erfolgt sei, und dem neuen Management-Vergütungssystem kommen könne. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 23.05.2022 seine ursprüngliche Wechselerklärung widerrufen und erklärt, im alten Management-Vergütungssystem verbleiben zu wollen. Hilfsweise hat der Kläger einen Schadensersatzanspruch mit der Begründung geltend gemacht, lediglich vom 24.02.2020 bis 31.03.2020 Zeit gehabt zu haben, sein Wahlrecht auszuüben, ohne vorherige Informationen zu dessen Ausübung erhalten zu haben.
Der Kläger hat beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 18.971,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.06.2021 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat behauptet, mit der Bestandssicherung im Zusammenhang mit der Einführung des neuen Bonussystems hätten Risiken aus dem laufenden Geschäftsbereich, die bei Anwendung des neuen Bonussystems im Vergleich zur Anwendung des bisherigen Bonussystems gegebenenfalls zu nachteiligen Bonusergebnissen geführt hätten, abgefedert werden sollen. Es sei aber nicht beabsichtigt gewesen, Vergütungsrisiken abzusichern, die sich auch bei Verbleib im bisherigen Vergütungssystem ergeben hätten. Insoweit habe mit der Bestandssicherung die höhere Volatilität, d. h. die erhöhten Risiken, die sich aus den höheren Chancen und Risiken des neuen Bonussystems im üblichen Geschäftsbetrieb ergeben hätten, abgesichert werden sollen. Im Frühjahr 2020 sei aufgrund der Corona-Situation ein völlig neuer Umstand eingetreten, mit dem die Beklagte in ihrer Unternehmensgeschichte nicht in annähernd vergleichbarer Weise konfrontiert worden sei. Die Betriebsstörungen und Absatzeinbußen seien für die Beklagte nicht vorhersehbar gewesen und hätten eine ernsthafte Gefährdung des Geschäftsbetriebes dargestellt. Als eine der Maßnahmen der Beklagten zur Sicherung der Liquidität des Unternehmens sei die Kürzung der Bestandssicherung für alle Beschäftigtengruppen einheitlich umgesetzt worden. Aufgrund des umsichtigen und verantwortungsvollen Umgangs aller Unternehmensverantwortlichen habe die Beklagte im Sommer 2021 die Kürzung der Bestandssicherung korrigieren können. Dies sei ausweislich der Unternehmensmitteilung vom 14.07.2021 durch eine Neu-Festlegung der Bestandssicherung für die Geschäftsjahre 2020-2022 erfolgt. Anstelle der Absicherung für 2022 in Höhe von bisher 80 % sei nun eine Absicherung in Höhe von 90 % getreten, für 2020 sei es bei der Absenkung auf 90 % geblieben. Im Ergebnis werde daher - bezogen auf die Höhe der Absicherung - die Vergütung über das Volumen der drei Jahre bei Eingreifen der Bestandssicherung in gleicher Weise, wie ursprünglich mitgeteilt, abgesichert: 100 % +90 % + 80 % = 90 % +90 % +90 %.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, bei der Ausgleichszahlung handelt es sich um eine freiwillige Leistung, was das Verständnis nahelege, dass keine rechtsverbindliche Gesamtzusage auf Ausgleichszahlung erfolgt sei. Hierauf komme es aber nicht entscheidend an, da selbst bei arbeitgeberseitiger Zusage der Bestandssicherung eine Änderung durch Betriebsvereinbarung rechtswirksam erfolgt sei. Die Arbeitsverträge der V. AG seien grundsätzlich betriebsvereinbarungsoffen ausgestaltet. Bei der V. AG würden kollektive Regelungen, die eine Vielzahl von Beschäftigten beträfen, grundsätzlich mit dem Betriebsrat verhandelt, was insbesondere für das Bonussystem sowie dessen Umstellung und Ausgestaltung und die den Beschäftigten des Managements in der Freistellungsphase gewährte Vergütung gelte. Mit der Änderung der Bestandssicherung werde nicht in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses eingegriffen, auch sei die Höhe des Eingriffs gemessen an der Gesamtvergütung nicht unangemessen. Darüber hinaus sei davon auszugehen, dass die Änderung der Bestandssicherung durch die Beklagte auch aufgrund Wegfalls der Geschäftsgrundlage zulässig gewesen sei. Mit der Corona Pandemie sei nachträglich ein gravierend nachteiliger Umstand im Geschäftsbetrieb eingetreten, der außerhalb der bisher bekannten Geschäftsrisiken liege und gerade nicht durch die Einführung des neuen Bonussystems und dessen höhere Volatilität bedingt gewesen sei. Dieser Umstand könne nicht einseitig der Beklagten zugerechnet werden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 18.07.2022 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt der Kläger habe keinen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Zahlung der Differenzvergütung. Die Kürzung der Bestandssicherung sei durch die Gesamtbetriebsvereinbarung vom 08.05.2020 unmittelbar und zwingend im Verhältnis zwischen den Arbeitnehmern und dem Arbeitgeber eingetreten. Der Arbeitsvertrag des Klägers sei betriebsvereinbarungsoffen ausgestaltet worden. Die Änderung der Bestandssicherung greife auch nicht in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses ein und sei nicht unangemessen. Dem Kläger stehe auch kein Zahlungsanspruch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu. Die Beklagte habe innerhalb der bonusberechtigten Beschäftigten im Management zwei Gruppen gebildet, zum einen die Beschäftigten, die sich bereits in der Freistellungsphase befunden hätten oder eine entsprechende Vereinbarung bis zum Jahresende 2020 abschlossen, und die sich in Ausübung des eingeräumten Wahlrechts dafür entschieden hätten, im alten Bonussystem zu verbleiben. Die zweite Gruppe bestehe aus Beschäftigten im Management, denen ein Wahlrecht nicht zugekommen sei oder die sich im Rahmen des eingeräumten Wahlrechts für einen Wechsel in das neue Bonussystem entschieden hätten. Der der zweiten Gruppe zuzurechnende Kläger sei nicht mit der ersten Gruppe vergleichbar. Er könne im Ergebnis nicht sowohl eine Erhöhung des monatlichen Fixums um 4 % als auch den vollen Bonus für 2020 erhalten. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils, Seite 8-15 desselben, Bl. 143-150 dA., Bezug genommen.
Gegen das am 03.08.2022 zugestellte Urteil hat der Kläger am 30.08.2022 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 02.12.2022 am 02.12.2022 begründet.
Der Kläger vertritt die Auffassung, die Bestandssicherung sei eine arbeitgeberseitige Zusage, welche nicht rechtmäßig durch die Gesamtbetriebsvereinbarung Nummer 07/20 gekürzt worden sei. Die Beklagte habe im Jahr 2021 eine Berichtigung und Korrektur der Bestandssicherung vorgenommen, in deren Genuss der Kläger nicht mehr gekommen sei, da er mit Ablauf April 2021 in Rente gegangen sei. Dies stelle einen Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz dar. Der Kläger werde sachfremd ungleich behandelt gegenüber den im alten Bonussystem verbliebenen Beschäftigten und den im neuen Bonussystem beschäftigten Mitarbeitern, die nicht im Jahr 2021 in Rente gegangen sein, wofür es keine billigenswerten Gründe gebe. Letztendlich sei es in beiden Gruppen zu einer Rückgängigmachung der Absenkung gekommen.
Der Kläger beantragt:
Das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 18.07.2022 mit dem Aktenzeichen 8 Ca 358/21, zugestellt am 03.08.2022, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 18.971,00 € brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.06.2021 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, nach den Regelungen der Beendigungsvereinbarung habe es sich bei den Bonuszahlungen um eine einseitige Leistung ohne Gegenleistung gehandelt. Die Beklagte behauptet, nachdem es im Frühjahr 2020 aufgrund der Coronasituation zu erheblichen Betriebsstörungen und Absatzeinbußen gekommen sei, habe sie unverzüglich Siche- rungs- und Gegenmaßnahmen zur Schadensabwehr ergreifen müssen. Aus diesem Grund habe sie mit dem Betriebsrat in der Betriebsvereinbarung vom 08.05.2020 geregelt, dass das Realeinkommen der Mitarbeiter aus dem Geschäftsjahr 2019 im Geschäftsjahr 2020 nur zu 90 % abgesichert werde und für die Geschäftsjahr 2021 und 2022 erst später in Kenntnis der weiteren Umstände und der wirtschaftlichen Entwicklung angemessene Vereinbarungen zum Vorgehen getroffen würden. Aufgrund des verantwortungsvollen Umgangs aller Unternehmensverantwortlichen habe die Beklagte im Sommer 2021 die Kürzung der Bestandssicherung korrigieren können und mit dem Personaltelegramm vom 14.07.2021 den Mitarbeitern mitgeteilt, dass sie zusammen mit dem Betriebsrat die Bestandssicherung für die Jahre 2021 und 2022 vereinbart habe, wonach die Mitarbeiter auch für diese Geschäftsjahre eine Bestandssicherung in Höhe von 90 % des Realeinkommens aus dem Jahr 2019 erhielten. Die Betriebspartner hätten sich unter erneuter Risikobewertung entschieden, die Parameter nur für 2021 und 2022 wie geschehen festzulegen, was sich aus der Gesamtbetriebsvereinbarung und den entsprechenden Mitteilungen ergebe. Darüber hinaus sei aufgrund der positiven Entwicklung ab dem Jahr 2021 die Berechnungsgrundlage für die Bestandssicherung auf die Vergütung zum Stichtag 31.12.2019 abgeändert worden.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, die Situation des Klägers unterscheide sich grundsätzlich von derjenigen der Mitarbeiter, die bewusst im alten Vergütungssystem verblieben seien. Diese hätten für den Zeitraum ihrer Freistellung auf ein konkret kalkulierbares Bonusniveau gesetzt und somit ein "hohes Sicherheitsniveau" gewählt und keiner Absicherung in Form einer Bestandssicherung bedurft. Bei diesen Mitarbeitern hätte die von der Beklagten zunächst angedachte "konzernweite" Absenkung der Direktvergütung von 100 % auf 90 % einen unmittelbaren Eingriff in die vertraglich fest zugesagte Vergütung bedeutet, da der Bonus überproportional hätte reduziert werden müssen. Ein solcher Eingriff in die unmittelbar zugesagte Vergütung habe bei den Mitarbeitern, die in das neue Vergütungssystem gewechselt seien, aufgrund der Reduzierung auf 90 % nicht stattgefunden, da diese die vertraglich zugesicherte Vergütung (Fixum und Boni) in voller Höhe erhalten hätten. Vielmehr sei bei diesen Mitarbeitern, die in das neue System gewechselt und damit bewusst risikoreicher und chancenbezogener gehandelt hätten, lediglich die von der Beklagten darüber hinaus freiwillig zum Zweck der Absicherung zugesagte Bestandssicherung für das Jahr 2020 von 100 % auf 90 % reduziert worden. Der Kläger sei auch im Verhältnis zu anderen Mitarbeitern, die wie er in das neue Management-Vergütungssystem gewechselt seien, nicht willkürlich schlechter gestellt worden. Es habe keine Rückgängigmachung der Absenkung für 2020 gegeben, sondern lediglich eine Anhebung der Bestandssicherung für das Jahr 2022 im Vergleich zu der ursprünglichen Ankündigung. Hiervon sei der Kläger nicht betroffen, da er zu diesem Zeitpunkt bereits aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden gewesen sei.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, sowie die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
A.
Die gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit zulässig (§ 66 Abs. 1 Satz 1, § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO). Die Berufungsbegründung genügt den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2-4 ZPO.
B.
Die Berufung ist auch begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung eines weitergehenden Ausgleichsbetrages für das Jahr 2020 in Höhe von 18.971,00 € brutto nebst Verzugszinsen auf der Grundlage des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes.
Das Vorbringen des Klägers in der Berufungsinstanz ist dahingehend auszulegen, dass der Kläger vorrangig einen Gleichbehandlungsanspruch geltend macht, da hierin der Schwerpunkt seiner Ausführungen liegt. Nur in zweiter Linie stützt er sich auf einen vertraglichen Anspruch aus der ursprünglichen Besitzstandzusage mit der Begründung, die Absenkung durch die Gesamtbetriebsvereinbarung sei nicht rechtmäßig erfolgt und berichtigt worden. Weiterhin nachrangig hat der Kläger durch Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen - womit sich das erstinstanzliche Urteil nicht auseinandersetzt - einen Widerruf der Wechselerklärung und eine Ausübung des Rückkehrrechtes in das alte Management-Vergütungssystem, also Ansprüche auf der Grundlage der Vergütung nach dem alten Vergütungssystem, sowie Schadensersatzansprüche geltend gemacht.
I.
Der Anspruch des Klägers ergibt sich bereits auf der Grundlage des vorrangig geltend gemachten Gleichbehandlungsanspruches. Auf die Frage, ob dem Kläger darüber hinaus ein Zahlungsanspruch aus anderen, nachrangig geltend gemachten Streitgegenständen zusteht, kommt es nicht mehr entscheidend an.
1.
Die Beklagte hat sich Anfang 2020 im Wege einer Gesamtzusage verpflichtet, im Zusammenhang mit der Änderung des Bonussystems ab 01.01.2020 die für das Geschäftsjahr 2019 individuell ausbezahlte Direktvergütung über drei Jahre abgestuft - für das Geschäftsjahr 2020 in Höhe von 100 % - durch Zahlung eines Ausgleichsbetrages abzusichern.
a.
Eine Gesamtzusage ist die alle Arbeitnehmer des Betriebs oder einen nach abstrakten Merkmalen bestimmten Teil von ihnen in allgemeiner Form gerichtete ausdrückliche Willenserklärung des Arbeitgebers, bestimmte Leistungen erbringen zu wollen. Eine ausdrückliche Annahme des in der Erklärung enthaltenen Antrags im Sinne von § 145 BGB wird dabei nicht erwartet und es bedarf ihrer auch nicht. Das in der Zusage liegende Angebot wird gemäß § 151 Satz 1 BGB angenommen und ergänzender Inhalt des Arbeitsvertrages (vgl. u.a. BAG, 30.01.2019, 5 AZR 450/17, NZA 2019, 1065, Rn. 46).
b.
Im Streitfall hat die Beklagte u.a. den Mitarbeitern des Managementkreises, zu welchen der Kläger zählte, mit Schreiben vom Dezember 2019 (Bl. 79-81 dA.), vom Januar 2020 (Bl. 22-24 dA.) und vom 20.02.2020 (Bl. 19-21 dA.) erklärt, zukünftig (ab 01.01.2020) die Bonuszahlungen nach dem dort beschriebenen neuen Management-Vergütungssystem zu gewähren und gleichzeitig das monatliche Bruttoentgelt um 4 % zu erhöhen. Dieses Angebot hat die Beklagte verbunden mit einer Bestandssicherung der für das Geschäftsjahr 2019 individuell ausbezahlten Direktvergütung über drei Jahre abgestuft, für das Geschäftsjahr 2020 in Höhe von 100 %. Die Bestandssicherung sollte hiernach durch eine Ausgleichszahlung als "freiwillige" Zahlung des Unternehmens erbracht werden.
Für die bereits in der passiven Phase der Altersteilzeit oder der Freistellung aus Zeit-Werten befindlichen Mitarbeiter und solche, die bis zum 31.12.2020 eine solche Vereinbarung abschließen würden, hat die Beklagte zudem ein Wahlrecht dahingehend eingeräumt, im bisherigen, fortgeschriebenen Bonussystem (mit einer zukünftigen Festlegung des UB- und des LTI-Fak- tors auf 140 %) zu verbleiben, was einer ausdrücklichen Rückstellungserklärung bedurft hätte.
Der Kläger hat eine solche Wechsel-/Rückstellungserklärung nicht abgegeben und sich für die Anwendung des neuen Management-Vergütungssystems nach dem Inhalt der Gesamtzusage der Beklagten entschieden. Dies hat der Kläger im Rahmen der erstinstanzlichen Geltendmachung mit Schreiben vom 28.12.2020 (Bl. 29 f dA.) auch ausdrücklich bestätigt.
c.
Soweit der Kläger sich erstinstanzlich auf einen Widerruf seiner (konkludenten) Annahmeerklärung berufen hat, fehlt es an der Darlegung eines dahingehenden Widerrufsrechts.
Der Kläger hat ebenfalls nicht schlüssig vorgetragen, aus welchen Gründen er sein Wahlrecht noch im Prozessverlauf mit Schriftsatz vom 23.05.2022 (erneut) ausüben konnte. Das dahingehende Angebot der Beklagten war, wie sich aus dem vorgelegten Schriftverkehr ergibt, bis 31.03.2020 befristet. Innerhalb dieser Frist ist vom Kläger keine Erklärung abgegeben worden.
Anhaltspunkte dafür, dass die Erklärungsfrist treuwidrig zu kurz bemessen und der Kläger nicht in der Lage war, eine entsprechende Entscheidung fristgerecht zu treffen, sind nicht dargelegt. Ebenso wenig ist erkennbar, aus welchen Gründen sich hieraus eine unbefristete Wechselmöglichkeit herleiten ließe.
2.
Die damit Vertragsinhalt gewordene Bestandssicherung für das Jahr 2020 ist von der Beklagten in der Folgezeit durch den Abschluss der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 08.05.2020 in Verbindung mit einer weiteren Gesamtzusage aus Juli 2021 dahingehend abgeändert worden, dass die Bestandssicherung für die abgesicherten Jahre nicht 100% (2020), 90% (2021), 80% (2022), sondern nunmehr je 90% betragen soll. Es kann dahinstehen, ob damit die ursprüngliche Bestandssicherungszusage wirksam aufgehoben wurde. Jedenfalls hat die Beklagte eine neue Zusage erteilt, aus welcher der Kläger, der im Absicherungszeitraum Arbeitnehmer und Mitglied des betroffenen Managementkreises war, Ansprüche herleiten kann. Hierauf beruft sich der Kläger auch, indem er Ansprüche wegen einer Korrektur der Absenkung der Bestandssicherung im Jahr 2021 aus Gleichbehandlung geltend macht.
Die (Neu)Regelung verletzt den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz mit der Folge, dass auch den Mitarbeitern ein weiterer Ausgleichsbetrag in Höhe von 10 % der für das Geschäftsjahr 2019 ausgezahlten Direktvergütung zu zahlen ist, die - wie der Kläger - vor dem Jahr 2022 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind.
a.
Allein die Bezeichnung der Ausgleichszahlung als "freiwillig" schließt das Entstehen eines Rechtsanspruchs nicht aus (vgl. u.a. BAG, 24.10.2018, 10 AZR 285/16, NZA 2019, 387, Rn. 40). Der Begriff "freiwillig" bringt regelmäßig lediglich zum Ausdruck, dass der Arbeitgeber nicht bereits durchgesetzt, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung zur Zahlung verpflichtet ist (vgl. BAG, 13.05.2015, 10 AZR 266/14, NZA 2015, 992, Rn. 22).
b.
Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz wird inhaltlich durch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bestimmt. Er gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbstgesetzten Regel gleich zu behandeln. Er verbietet nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung. Die Darlegungs- und Beweislast für einen Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz liegt grundsätzlich beim anspruchsstellenden Arbeitnehmer. Nach den allgemeinen Regeln der Normenbegünstigung hat er die Voraussetzungen des Anspruchs auf Gleichbehandlung darzulegen und daher vergleichbare Arbeitnehmer zu nennen, die ihm gegenüber vorteilhaft behandelt werden. Ist dies erfolgt, muss der Arbeitgeber - wenn er anderer Auffassung ist - darlegen, wie der begünstigte Personenkreis ist, wie er sich zusammensetzt, wie er abgegrenzt ist und warum der klagende Arbeitnehmer nicht dazugehört. Der Arbeitgeber hat die nicht ohne weiteres erkennbaren Gründe für die von ihm vorgenommene Differenzierung offenzulegen und jedenfalls im Rechtsstreit mit einem benachteiligten Arbeitnehmer so substantiiert dazu tun, dass durch das Gericht beurteilt werden kann, ob die Gruppenbildung auf sachlichen Kriterien beruht (vgl. u.a. BAG, 25.01.2023, 10 AZR 29/22, NJW 2023, 1456, Rn. 26 f.).
c.
Nach diesen Grundsätzen ergibt sich ein Anspruch auf eine um 10 % höhere Ausgleichszahlung für 2020 auch für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Beklagten, die - wie der Kläger - dem neuen Management-Vergütungssystem unterliegen und während des 3-jährigen Bestandssicherungszeitraums bis Ende 2022 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind.
(1)
Der Kläger hat dargelegt, unter anderem innerhalb der Gruppe der dem neuen Management-Vergütungssystem unterliegenden Mitarbeiter gegenüber denjenigen ungleich behandelt worden zu sein, deren Arbeitsverhältnis im gesamten Bestandssicherung von 2020-2022 bestanden hat. Die Beklagte ist dieser Gruppenbildung nicht substantiiert entgegengetreten.
Soweit sich die Beklagte darauf beruft, im Sommer 2021 seien lediglich die Parameter der Bestandssicherung für 2021 und 2022 festgelegt worden, was sich auch aus der Gesamtbetriebs-Vereinbarung und dem Personaltelegramm vom 14.07.2021 ergebe, lässt sich hieraus unter Berücksichtigung des Regelungsgehalts der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 08.05.2020 und auch des übrigen - insbesondere erstinstanzlichen - Sachvortrags der Beklagten keine andere Gruppenbildung herleiten.
In der Gesamtbetriebsvereinbarung ist unter Ziffer 2 unter der Überschrift "Aussetzung und Neuregelung der Bestandssicherung" geregelt, dass die Bestandssicherung "insgesamt aufgehoben und wie folgt neu gefasst" wird. In den folgenden Absätzen wird zwar lediglich für das Geschäftsjahr 2020 eine neue Obergrenze der Absicherung konkret festgelegt. In Abs. 3 ist jedoch ausdrücklich vorgesehen, dass sich die Betriebsparteien für die Geschäftsjahre 2021 und 2022 bis zum einem vorgegebenen Zeitpunkt auf eine angemessene Vereinbarung zum weiteren Vorgehen "einigen (...) werden". Darüber hinaus wird in Abs. 3 Satz 2 auf "den gesamten Betrachtungszeitraum der vereinbarten Bestandssicherung" abgestellt. Dies spricht dafür, dass die Betriebsparteien die auf drei Jahre angelegte Bestandssicherung insgesamt als Regelungsgegenstand betrachtet haben.
Dem entspricht der erstinstanzliche Sachvortrag der Beklagten, wonach diese im Sommer 2021 die Kürzung der Bestandssicherung durch eine Neufestlegung für die Geschäftsjahre 20202022 "korrigiert" habe. Die Beklagte hat zudem ausdrücklich darauf hingewiesen, dass "im Ergebnis (...) - bezogen auf die Höhe der Absicherung - die Vergütung über das Volumen der 3 Jahre bei Eingreifen der Bestandssicherung in gleicher Weise wie ursprünglich mitgeteilt, abgesichert: 100 % +90 % +80 % = 90 % +90 % +90 %"werde. Auch in der Berufungsinstanz hat die Beklagte vorgetragen, im Sommer 2021 die Kürzung der Bestandssicherung "korrigiert" zu haben. Soweit die Beklagte hierzu vorträgt, es sei damit keine "Nachzahlung" erfolgt, führt dies allein nicht zu einer anderen Bewertung der Gruppenbildung.
Die Neuregelung der Bestandssicherung war somit erst durch die im Sommer 2021 mitgeteilte Entscheidung der Beklagten abgeschlossen.
(2)
Die Beklagte hat mit der (Neu)Verteilung der Bestandssicherungssätze eine Leistung nach einer an objektiven Kriterien festgemachten Regel erbracht. Sie hat das "Volumen" der Bestandssicherung im Betrachtungszeitrum so verteilt, dass Beschäftigte, deren Arbeitsverhältnis im Jahr 2022 noch bestand, für 2022 eine um 10 % höhere Ausgleichszahlung, als in der Gesamtzusage vorgesehen war, und damit das volle Ursprungsvolumen erhielten. Demgegenüber haben die in das neue Management-Vergütungssystem übergegangenen Mitarbeiter, die vorher ausgeschieden sind, in geringerem Umfang an der Bestandssicherung partizipiert, als ursprünglich vorgesehen.
(3)
Rechtfertigende Gründe für diese unterschiedliche Behandlung sind nicht ersichtlich.
(a)
Zahlt der Arbeitgeber aufgrund einer abstrakten Regelung eine freiwillige Leistung nach einem erkennbar generalisierenden Prinzip und legt er entsprechend dem mit der Leistung verfolgten Zweck die Anspruchsvoraussetzungen für diese Leistung fest, darf er einzelne Arbeitnehmer von der Leistung nur ausnehmen, wenn dies den sachlichen Kriterien entspricht. Die Zweckbestimmung ergibt sich vorrangig aus den tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen der Leistung. Dementsprechend ist zunächst der Zweck der Leistung zu ermitteln und zu beurteilen, ob der von ihr ausgeschlossene Personenkreis berechtigterweise außerhalb der allgemeinen Zweckrichtung steht. Steht eine unterschiedliche Ausgestaltung nach Gruppen von Arbeitnehmern fest, hat der Arbeitgeber die Gründe für eine Differenzierung offenzulegen und substantiiert die sachlichen Unterscheidungskriterien darzutun. Sind die Unterscheidungsmerkmale nicht ohne weiteres erkennbar und legt der Arbeitgeber seine Differenzierungsgesichtspunkte nicht dar oder ist die unterschiedliche Behandlung nach dem Zweck der Leistung nicht gerechtfertigt, kann der benachteiligte Arbeitnehmer verlangen, nach Maßgabe der begünstigten Arbeitnehmer (Gruppe) behandelt zu werden (vgl. BAG, 12.10.2011,10 AZR 510/10, AP Nr. 216 zu § 242 BGB Gleichbehandlung, Rn. 13 f.).
(b)
Nach Darlegung der Beklagten wurde mit der Bestandssicherung der Zweck verfolgt, Risiken aus dem laufenden Geschäftsbetrieb, die sich bei Anwendung des neuen Bonussystems unmittelbarer auf die Bonusergebnisse auswirken könnten, abzufedern und die höhere Volatilität des neuen Bonussystems abzusichern, nicht jedoch Risiken, die sich auch im alten Bonussystem verwirklicht hätten. Die zeitliche Begrenzung des Sicherungszeitraums sowie die lineare Absenkung des Sicherungsniveaus sprechen dafür, dass für einen festgelegten Übergangszeitraum eine Mindestvergütung zugestanden wurde, die den Mitarbeitern die zeitlich "abgefederte" Einstellung auf die neuen Vergütungserwartungen unter Vertrauensschutzgesichtspunkten ermöglichen sollte.
Anhaltspunkte dafür, dass bei der Neufestlegung der Bestandssicherung, die erst mit der abschließenden Festlegung für die Jahre 2021 und 2022 im Juli 2021 abgeschlossen war, andere Zwecke verfolgt wurden, sind von der Beklagten nicht dargelegt. Im Personaltelegramm vom 14.07.2021 wird vielmehr zum Ausdruck gebracht, dass "durch die getroffenen Entscheidungen finanzielle Sicherheit gegeben" werde.
(c)
Gemessen an dem so verstandenen Zweck der Bestandssicherung sind sachliche Gründe für die vorgenommene Differenzierung nicht dargetan.
Soweit die Beklagte vorträgt, sie habe aufgrund des umsichtigen und verantwortungsvollen Umgangs aller Unternehmensverantwortlichen im Sommer 2021 die Kürzung der Bestandssicherung "korrigieren" können, trifft dies grundsätzlich auf alle Mitarbeiter zu, die in den abgesicherten Geschäftsjahren 2020-2022 in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten standen. Allein aus dem längeren Bestand des Arbeitsverhältnisses lässt sich nicht herleiten, warum an der Neuverteilung der Bestandssicherung nur die noch im Geschäftsjahr 2022 beschäftigten Mitarbeiter partizipieren sollten. Eine "klassische" Stichtagsregelung liegt aufgrund der Besonderheiten des Regelungszwecks und der vorgenommenen Umsetzung nicht vor. Auch der Hinweis auf eine erneute Risikobewertung im Jahr 2021 ist insoweit nicht nachvollziehbar. Wenn sich die wirtschaftlichen Faktoren zu diesem Zeitpunkt in einer positiven Entwicklung befanden, wäre der Absicherung eher eine untergeordnete Bedeutung zugekommen. Dem Vortrag der Beklagten lässt sich ebenfalls nicht entnehmen, dass sich die Neubestimmung der Bestandssicherungsfaktoren von einer absteigenden auf eine lineare Verteilung an der fiktiven Entwicklung der Vergütungshöhe im alten Management-Vergütungssystem orientieren sollte.
Die Beklagte hat auch nicht substantiiert dargelegt, dass die vorgenommene Verteilung durch eine Störung der Geschäftsgrundlage für das Jahr 2020 gerechtfertigt war. Hiergegen spricht bereits die vertraglich vorgenommene Risikoverteilung (zu den Grundsätzen eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage vgl. u.a. BGH, 23.10.2019, XII ZR 125/18, NJW 2020,331, Rn. 37; 09.03.2010, VI ZR 52/09, NJW 2010, 1874 Rn. 24). Im Streitfall hat die Beklagte das Risiko negativer Veränderungen der Geschäftsentwicklung ausdrücklich übernommen. Dies folgt gerade aus dem Sinn und Zweck der Ausgleichszahlung als Bestandssicherung im Zusammenhang mit der Änderung des Bonussystems, dem die Beklagte selbst eine höhere Volatilität bescheinigt. Es ist nicht nachvollziehbar dargelegt, dass die Grenzen der Risikozuweisung im vorliegenden Einzelfall infolge der wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie auf den Geschäftsbetrieb der Beklagten derart überschritten waren, dass dies einen Ausschluss allein der Mitarbeiter von der "Korrektur" der Bestandssicherungskürzung rechtfertigt, die 2022 nicht mehr in einem Beschäftigungsverhältnis standen.
d.
Auf die Frage, ob die Abänderung der Bestandssicherung die Mitarbeiter im neuen Management-Vergütungssystem darüber hinaus gegenüber den Mitarbeitern benachteiligt, die im alten Management-Vergütungssystem verblieben sind, kommt es danach nicht mehr entscheidend an.
3.
Der Zahlungsanspruch errechnet sich aus der Differenz zwischen der für das Geschäftsjahr 2019 individuell ausgezahlten Direktvergütung in Höhe von 189.716,00 € brutto abzüglich des von der Beklagten ausgezahlten Betrages einschließlich Ausgleichszahlung in Höhe von 170.745,00 € brutto, mithin in Höhe von 18.971,00 € brutto.
Die Zahlung des Ausgleichsbetrags erfolgte zum Monatsende Mai 2021. Der Zahlungsanspruch des Klägers ist daher gemäß § 286, 288 BGB wegen Zahlungsverzuges der Beklagten ab 01.06.2021 zu verzinsen.
II.
Auch das weitere Vorbringen der Parteien, auf das in diesem Urteil nicht mehr besonders eingegangen wird, weil die Entscheidungsgründe gemäß § 313 Abs. 3 ZPO lediglich eine kurze Zusammenfassung der tragenden Erwägungen enthalten sollen, führt nicht zu einem abweichenden Ergebnis.
Das Vorbringen der Parteien in den nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen, iSv. § 296a ZPO nicht nachgelassenen Schriftsätzen vom 26.07.2023 und 24.08.2023 veranlasst nicht zu einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 ZPO. Die Berufungskammer hat nach erfolgter Nachberatung hierüber keine Gründe für eine Wiedereröffnung gesehen.
C.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 72 Abs. 2 ArbGG), bestanden nicht.
Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 72 a ArbGG) und der sofortigen Beschwerde (§ 72 b ArbGG) wird hingewiesen.