Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 12.07.2023, Az.: 13 Sa 246/22

Einordnung eines Beschäftigten als Arbeitnehmer in Abgrenzung zum freien Mitarbeiter i.R.e. Anspruchs auf Differenzvergütung und Urlaubsabgeltung

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
12.07.2023
Aktenzeichen
13 Sa 246/22
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 55139
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Braunschweig - 22.02.2022 - AZ: 2 Ca 246/20

Fundstelle

  • EzA-SD 12/2024, 6-7

Redaktioneller Leitsatz

Ein Arbeitsverhältnis ist dann anzunehmen, wenn die Leistung von Diensten nach Weisung des Dienstberechtigten und gegen Zahlung von Entgelt den Schwerpunkt des durch privatrechtlichen Vertrag begründeten Rechtsverhältnisses darstellt. Dieses unterscheidet sich von der Selbständigkeit durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit. Ein freier Mitarbeiter kann über Annahme oder Ablehnung von Aufträgen grundsätzlich frei entscheiden. Einem Auftraggeber steht auch gegenüber einem freien Mitarbeiter grundsätzlich das Recht zu, Anweisungen hinsichtlich des Arbeitsergebnisses zu erteilen, wobei dies typischerweise sachbezogen und ergebnisorientiert und demnach auf die zu erbringende Dienst- oder Werkleistung abzielt.

Tenor:

  1. 1.

    Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 22.02.2022 (2 Ca 246/20) teilweise abgeändert.

    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.387,61 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2019 zu zahlen.

    Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 98,3 % und die Beklagte zu 1,7 % zu tragen.

  3. 3.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Rahmen eines um Differenzvergütung und Urlaubsabgeltung geführten Rechtsstreits darüber, ob der Kläger bei der Beklagten als Arbeitnehmer beschäftigt war.

2

Die Beklagte ist Herausgeberin von Tageszeitungen, u.a. der "P-Stadt Allgemeine Zeitung", sowie von Anzeigenblättern, u. a. dem sonntags erscheinenden Blatt "Hallo P-Stadt", das vormals unter der Bezeichnung "Neue P-Stadt Woche" auch mittwochs erschien und in welchem über Ereignisse aus der Region berichtet wird.

3

Der 1953 geborene Kläger war von Juni 1986 bis 31.03.2019 für die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerinnen am Standort P-Stadt tätig, wo er im Wesentlichen für das dortige Anzeigenblatt im Bereich Sonderveröffentlichungen und "Public Relations" (PR) Texte sowie Fotos erstellte und Layoutarbeiten vornahm. Bei den Sonderveröffentlichungen handelt es sich um journalistische Dienstleistungen, bei denen über redaktionelle Sonderthemen aus verschiedenen Bereichen (z.B. Veranstaltungen in der Region, Firmenjubiläen, Gesundheit, Bauen und Wohnen, Garten) berichtet wird. PR-Texte erstellte der Kläger für Anzeigenkunden nach deren Vorgaben.

4

Am Standort P-Stadt gab es einen gemeinsamen Geschäftsführer für die Bereiche Tageszeitung und Anzeigenblatt, zuletzt auch einen gemeinsamen Anzeigenleiter. Ansonsten gab es - für beide Bereiche getrennt - jeweils eine Redaktion sowie die Gruppe der Anzeigenberater. Der Kläger arbeitete bei dem Anzeigenblatt für den Bereich der Redaktion, in welchem ansonsten ein weiterer Redakteur als Arbeitnehmer beschäftigt wurde. Ferner gab es im Bereich Anzeigenblatt einen freien Mitarbeiter für den Bereich Sport, der auch für die Tageszeitung tätig war, einen freien Mitarbeiter, der einzelne Meldungen aufgrund in der Redaktion aufgelaufener Informationen schrieb sowie mindestens einen Korrekturleser bzw. eine Korrekturleserin. Bei der Tageszeitung war ein Chefredakteur angesiedelt, der Verantwortlicher im Sinne des Presserechts auch für das Anzeigenblatt und gegenüber dem angestellten Redakteur des Anzeigenblattes weisungsbefugt war.

5

Die Aufträge für die redaktionellen Beiträge der Sonderveröffentlichungen erfassten die Anzeigenberater des Anzeigenblatts durch Ausfüllung des Formulars "Anmeldung Sonderveröffentlichungen" (exemplarisch Anlagen K20 - K32, Bl. 173 - 185 d. A.) und gaben dies jedenfalls an den jeweiligen Redakteur. Einzelheiten hierzu sind streitig. Jedenfalls in der Mehrzahl der Fälle wurde wegen der Bearbeitung der Kläger angesprochen, der während seines Beschäftigungszeitraums nahezu sämtliche bei der Beklagten anfallenden Aufträge im Zusammenhang mit den Sonderveröffentlichungen für das Anzeigenblatt bearbeitete. Dem Kläger waren dabei jedenfalls das jeweilige Thema, der redaktionelle Rahmen, der geplante Umfang und der vorgesehene Erscheinungstag vorgegeben. Ferner gab es Vorgaben hinsichtlich eines einheitlichen Schriftbildes und des Seitenaufbaus.

6

Der Druck der Zeitungen erfolgte durch ein externes Unternehmen.

7

Der Kläger verrichtete seine Tätigkeiten innerhalb und außerhalb der Geschäftsräumlichkeiten der Beklagten in P-Stadt, zu denen er jederzeit Zugang hatte und in denen er einen Arbeitsplatz mit PC nutzen konnte. Der Kläger verfügte über einen eigenen Telefonanschluss bei der Beklagten und eine E-Mail-Adresse. Im hausinternen Telefonbuch der Beklagten (Bl. 169 - 170 d.A.) war er mit seiner Durchwahl unter "Redaktion" aufgeführt. Der Kläger verfügte ferner über unterschiedliche Visitenkarten, jeweils als Redakteur (Bl. 15 d.A.). Einzelne nach außen gerichtete Schreiben an Kunden unterzeichnete auch der Kläger (vgl. Schreiben vom 11.05.2005, Bl. 16 d.A.).

8

Aus der Zeit vor Februar 2008 existieren diverse monatliche Schreiben der N. A. V. GmbH & Co. KG an den Kläger (Anlagen K36 - 47, Bl. 206ff d. A.), nach deren Inhalt sie ihm "als freiem Mitarbeiter" seine "Mitarbeit am redaktionellen Teil der Neuen P-Stadt Woche" jeweils mit einem nicht näher aufgeschlüsselten Betrag in unterschiedlicher Höhe zuzüglich 7% MWSt. "honoriert."

9

Unter dem 28.03.2008 schloss der Kläger mit der N. A. V. GmbH & Co. KG eine schriftliche "Honorarvereinbarung freie Mitarbeiter" (Bl. 13 d. A.). Vereinbart waren ein Zeilenhonorar für Texte, ein Bildhonorar für Fotos, ein Layouthonorar, ferner Pauschalen für Redaktionsbetreuung pro Ausgabe, für Redaktionsvertretungen sowie für Anzeigen/PRs. Die N. A. V. GmbH & Co. KG und später die Beklagte zahlten dem Kläger für seine Arbeiten die dort vereinbarten Honorarsätze. Dies erfolgte jedenfalls seit Februar 2008 auf der Grundlage monatlich vom Kläger erstellter und nach Ausgabe-Nummern aufgeschlüsselter Rechnungen (exemplarisch Anlagen B1, Bl. 80, Anlagen K75 - K87, Bl. 931ff d. A.) und gegenüber der Beklagten jeweils gerichtet an "hallo P-Stadt Anzeigenabteilung". Im streitbefangenen Zeitraum vom 01.01.2016 bis zum 31.03.2019 erzielte der Kläger ein Honorar in Höhe von insgesamt 80.701,30 € (durchschnittlich monatlich 2.069,26 €) für tatsächlich erbrachte Leistungen. Die Beklagte leistete an ihn keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und kein Urlaubsentgelt.

10

Mit Schreiben vom 10.12.2018 (Anlage K73, Bl. 929 d. A.) und 26.08.2019 forderte der Kläger von der Beklagten erfolglos die Anerkennung seiner Tätigkeit als abhängige Beschäftigung. Mit Schreiben vom 27.11.2019 (K13, Bl. 25ff) forderte er die Beklagte für den Zeitraum vom 01.01.2016 bis 31.03.2019 erfolglos zur Zahlung der Differenz zwischen dem erhaltenen Honorar und dem monatlichen Bruttoentgelt nach der Gehaltstabelle für Alleinredakteure der von der Gewerkschaft der Journalistinnen und Journalisten DJV abgeschlossenen Tarifverträge in Höhe von 136.669,70 € auf.

11

Mit seiner am 19.12.2019 beim Arbeitsgericht Hannover eingegangenen Klage hat der Kläger sein Zahlungsbegehren weiterverfolgt. Klageerweiternd hat er die Abgeltung von Urlaubsansprüchen für die Jahre 2018 und 2019 geltend gemacht. Mit Beschluss vom 16.07.2020 (Bl. 265 d.A.) hat das Arbeitsgericht Hannover den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Arbeitsgericht Braunschweig verwiesen.

12

Der Kläger hat geltend gemacht, es habe ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestanden, da er für die Beklagte weisungsgebundene Tätigkeiten verrichtet habe und in deren betriebliche Organisation eingegliedert gewesen sei.

13

Er habe nicht frei darüber entscheiden können, ob er einen Auftrag annehme oder ablehne. Bei den im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses beschäftigten Redakteuren, den Herren Z., K., G. und zuletzt Herrn K.., habe es sich um Redaktionsleiter gehandelt. Mit dem ausgefüllte Formular "Anmeldung Sonderveröffentlichung" hätten die Anzeigenberater die Aufträge nicht nur bei dem jeweiligen Redaktionsleiter, sondern unmittelbar auch bei ihm direkt angemeldet. Von der Anzeigenabteilung habe er am Ende einer jeden Woche in der Regel 3 -10 Aufträge erhalten, was er in der folgenden Woche zu erledigen gehabt habe, so zum Beispiel welche Kunden er ansprechen müsse.

14

Er habe die jeweiligen Aufträge annehmen müssen. Er sei in dem Formular zumeist als-Wunschredakteur bezeichnet worden und es sei niemand anderes da gewesen, der die Aufgaben habe erledigen können, da der jeweilige Redaktionsleiter mit der allgemeinen Redaktionsarbeit ausgelastet gewesen sei. Es habe in P-Stadt keinen weiteren Redakteur für Sonderveröffentlichungen gegeben. Er habe sich durch die jahrelange Zusammenarbeit verpflichtet gefühlt, die ihm angetragenen Arbeiten zu erledigen. Dies sei auch von ihm erwartet worden. Er habe fast ausnahmslos alle PR's, Sonderveröffentlichungen und gesponserten Redaktionsbeiträge übernommen.

15

Bei der Arbeitsausführung habe er sich permanent mit den Anzeigeberatern und den für die Blattplanung zuständigen Mitarbeitern abstimmen müssen.

16

Von der Beklagten seien die Dachzeile, die Hauptzeile und die Unterzeile, die Schriftgröße, die Größe der Überschrift, die Schriftart, die Größe des Fotos und die Textinhalte festgelegt worden, welche er sodann umzusetzen gehabt habe. Er habe lediglich das konkrete Fotomotiv und die Formulierungen frei wählen können. Im Laufe der auf die Beauftragung folgenden Woche habe er gemeinsam mit dem jeweiligen Kunden und den Anzeigenberatern die inhaltlichen Schwerpunkte sowie eventuelle inhaltliche Erweiterungen bearbeitet.

17

Aus dem Formular "Anmeldung Sonderveröffentlichung" ergebe sich zugleich, dass eine Überwachung der inhaltlichen und zeitlichen Vorgaben durch die Anzeigenberater erfolgt sei. Darüber hinaus seien die Inhalte nach Fertigstellung durch den Redaktionsleiter kontrolliert worden. Dieser habe Layout, Gestaltung und Inhalte umgestaltet bzw. geändert oder belassen.

18

Von den jeweiligen Redaktionsleitern sei er angewiesen worden, seine Arbeiten in dem von der Beklagten zur Verfügung gestellten Computer abzuspeichern und kontinuierlich in das Redaktionssystem einzugeben, da keinem Außenstehenden der Zugriff habe ermöglicht werden dürfen. Insoweit sei er anders behandelt worden als freie Mitarbeiter, die dies per Mail hätten erledigen können.

19

Vor Einführung der Digitaltechnik in der Photographie habe er im verlagseigenen Labor in P- Stadt Filme entwickeln und Papierabzüge machen müssen.

20

Außerdem habe vor der Digitalisierung die Erledigung des sog. "Klebeumbruchs" zu den ihm fest anvertrauten Daueraufträgen gezählt, wobei der zuständige Redaktionsleiter das Ergebnis geprüft habe. Später habe er diesen Arbeitsschritt auf einer mit Anzeigen vorgebauten Seite am Computer durchgeführt. Er sei im Zusammenhang mit der Umsetzung durch das Druckhaus für Rückfragen in Rufbereitschaft gewesen.

21

Er habe über Jahrzehnte auf Anweisung die Urlaubs- und Krankheits- sowie Abwesenheitsvertretungen - ca. drei Monate im Jahr - des jeweiligen Redaktionsleiters in P-Stadt und dann auch in S-Stadt übernommen. Er sei dann für Fragen der gesamten Ausgabe der einzige Ansprechpartner und insofern alleinverantwortlich für die komplette Ausgabe gewesen. Nachdem der Redaktionsleiter Herr K.. gekündigt habe, habe er, der Kläger, über Wochen sowohl dessen Tätigkeit als auch seine eigene ausüben müssen und in erheblichem Ausmaß Aufgaben eines Redaktionsleiters und Vorgesetzten für andere Mitarbeiter aufgrund ausdrücklicher Ermächtigung hierzu, sowie die Koordination der Arbeiten der freien Mitarbeiter übernommen und Stundenzettel der Korrekturleserinnen S. (K54 für 02/18 - 03/19, 371 - 383 und K67 für 02/16 - 10/17, 702-721), H. und W. sowie der Layouterin K... abgezeichnet. Während der Übernahme der Vertretungstätigkeit sei er nicht kontrolliert worden.

22

Auch außerhalb der Vertretungszeiten habe ihm das Recht zugestanden, organisatorische Abläufe zu bestimmen. Er habe die Korrekturleserin anweisen können, früher zu kommen.

23

Ferner habe er bei feststehenden Außenterminen des Redaktionsleiters von in der Regel weniger als eintägiger Dauer im Rahmen sogenannter Redaktionsbetreuungen die Arbeiten des Redakteurs, namentlich die Verarbeitung der Posteingänge, erledigt.

24

Bei eigener persönlicher Verhinderung habe er sich stets telefonisch abmelden müssen und mitgeteilt, wann er voraussichtlich die Arbeit wiederaufnehme. Urlaub habe er mit dem Redaktionsleiter absprechen müssen und er sei dann von diesem vertreten worden.

25

Die Eingliederung in die Arbeitsorganisation der Beklagten zeige sich auch daran, dass er in jedem Verteiler der Hausmitteilungen aufgenommen worden sei.

26

Die Erfüllung seiner Aufgaben habe seine Anwesenheit in den Räumlichkeiten der Beklagten erfordert. Insbesondere wegen der notwendigen Absprachen und der einzuhaltenden Abgabetermine sei es ihm insgesamt nicht möglich gewesen, seine Arbeit von einem anderen Ort zu verrichten oder jedenfalls während der Kernarbeitszeiten (9: 30 Uhr bis ca. 16: 00 Uhr montags bis freitags) abwesend zu sein. Er habe an Tagen vor der Produktion für das Layout seiner Beiträge sowie die Produktionsarbeiten an den redaktionellen Inhalten anwesend sein müssen. Nach Abschluss der Produktion sei von ihm erwartet worden, die Aufträge für die Folgewoche zu sichten und vorzubereiten, z. B. durch Vereinbarung von Kundenterminen. Mehrfach hätten Anzeigenberater seine Anwesenheit am Samstagabend gefordert. Diese hätten auch mit den Kunden beispielsweise Fototermine abgesprochen, was ihn ebenfalls zeitlich gebunden habe.

27

Er habe seine An- und Abwesenheit im Redaktionsgebäude auf einer Anzeigentafel im Hauseingang wie alle anderen Mitarbeiter anzeigen müssen.

28

Er habe sich bis 2013 ein Büro mit dem jeweiligen Redaktionsleiter geteilt und ab 2013/2014 ein eigenes Büro gehabt, an dessen Tür sein Name unter der Überschrift "Redaktion" gestanden habe. Er habe außerdem ausschließlich die von der Beklagten zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel wie Schreibtisch, PC, Drucker, Tastatur, Monitor, Telefon, Redaktionskamera etc. genutzt und sei auf die technische Ausstattung auch angewiesen gewesen, wie beispielsweise auf die Software Adobe InDesign und eine spezielle Layout-Software (das sog. "Z-Modul"). Folglich sei es ihm auch technisch nicht möglich gewesen, von einem anderen Ort als dem Redaktionsbüro aus zu arbeiten.

29

Er habe jeden Tag 6 - 8 Stunden bzw. mindestens 8 Stunden für die Beklagte gearbeitet, darüber hinaus über Jahre hinweg auch am Wochenende. So sei er mindestens 40 Stunden pro Woche, meist bis zu 60 Stunden für die Beklagte tätig gewesen. Seine Anwesenheit sei lediglich durch die Außentermine unterbrochen worden. Für längere Zeit habe er auf Aufforderung der Beklagten Umfang und Lage seiner Arbeitszeit dokumentieren müssen (Anlage K50, Bl. 280 d. A.).

30

Er sei verpflichtet gewesen, die ihm übertragenen Aufträge persönlich zu erbringen und habe nie eigene Mitarbeiter eingesetzt. Die Anzeigenberater hätten viele Kunden mit dem Versprechen geworben, dass er den redaktionellen Text bearbeiten werde.

31

Er habe kein unternehmerisches Risiko getragen. So habe die Beklagte - insoweit unstreitig - vor ca. 15 Jahren einen Schaden an einem Dach übernommen, welches er bei seiner Recherche für eine Sonderausgabe beschädigt habe. Sie sei auch dafür aufgekommen, wenn geplante Sonderveröffentlichungen - mangels ausreichender Anzeigen - nicht hätten gedruckt werden konnten. Er habe während seiner gesamten Tätigkeit kein eigenes Kapital eingesetzt und sei auch nicht als selbständiger Unternehmer am Markt aufgetreten. Er sei ausschließlich für die Beklagte tätig gewesen.

32

Die Honorare habe er nicht frei gestalten können. Er sei an die Vereinbarung vom 28.03.2008 gebunden gewesen, die ihm die Beklagte vorgegeben habe. Von 1986 bis Mitte 2007 habe der Redaktionsleiter die Honorarabrechnung vorgenommen.

33

Er habe daher für den streitbefangenen Zeitraum Anspruch auf die übliche Vergütung als Arbeitnehmer nach näherer Maßgabe seiner Berechnung auf S. 5 der Klageschrift (Bl. 11 d. A.) abzüglich der tatsächlich erhaltenen Vergütung, mithin in Höhe von insgesamt 136.669,70 € brutto. Für die Anwendbarkeit des herangezogenen Tarifvertrages reiche ein Mitwirken am redaktionellen Teil der Zeitung.

34

Als Arbeitnehmer habe er Anspruch auf den gesetzlichen Erholungsurlaub. Zeit um Urlaub zu nehmen, habe in den Jahren seiner Tätigkeit für die Beklagte kaum und in den Jahren 2018 und 2019 überhaupt nicht bestanden, weshalb ihm nach näherer Maßgabe seiner Berechnung auf S. 27 seines Schriftsatzes vom 25.11.2021 (Bl. 620 d. A.) noch 30 Tage Urlaub im Umfang von 6.396,90 € brutto abzugelten seien.

35

Dieser Anspruch stehe ihm auch als arbeitnehmerähnliche Person zu. Der Kläger hat beantragt,

36

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 143.066,60 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit auf 136.669,70 Euro brutto, sowie Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2019 auf 6.396,90 € brutto zu zahlen.

37

Die Beklagte hat beantragt,

38

die Klage abzuweisen.

39

Sie hat vorgetragen, die geltend gemachten Ansprüche bestünden mangels eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien nicht.

40

Im Bereich der Medien sei besondere Zurückhaltung hinsichtlich der Annahme einer persönlichen Abhängigkeit geboten. Bei gestaltenden Mitarbeitern wie dem Kläger bestehe wegen der grundrechtlich geschützten Presse- und Meinungsfreiheit ein Raum für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses nur dann, wenn dieser so weitgehenden Weisungen unterworfen sei, dass ihm nur ein geringes Maß an Gestaltungsfreiheit, Eigeninitiative und Selbstständigkeit verbleibe. Das sei nicht der Fall gewesen.

41

Der Kläger habe in jedem Einzelfall frei darüber entscheiden können, ob er einen angebotenen Auftrag annimmt.

42

Der Redakteur K.., die Redaktionsleiterin S. und auch der Anzeigenleiter W. hätten dem Kläger Auftragsangebote unterbreitet. In der Regel persönlich oder telefonisch sei bei dem angegebenen Redakteur angefragt worden, ob er den entsprechenden Auftrag annehmen wolle. Entsprechend sei bei zu fertigenden PR-Texten verfahren worden. Im Falle einer Ablehnung durch den Kläger habe sie bei einem anderen freien Mitarbeiter angefragt, ob dieser den Auftrag übernimmt.

43

Nach Annahme ihm angebotener Einzelaufträge habe der Kläger ohne Zusammenarbeit mit bei ihr beschäftigten Arbeitnehmern freie journalistische und sonstige freie urheberrechtliche Leistungen erbracht. Auftragsbestandteil sei die Erstellung von Texten, Bildern incl. Seitenaufbau und das entsprechende Layout gewesen.

44

Im Rahmen der Bearbeitung der vom Kläger angenommenen Aufträge habe sie außerhalb der Themenbeschreibung keine weiteren Vorgaben gemacht. Mit der inhaltlichen Ausgestaltung der Texte sowie der Auswahl und Anfertigung der Bildobjekte sei der Kläger allein betraut gewesen. Seine Aufgabe habe darin bestanden, die Texte und Bilder druckfertig zu gestalten. Mit ihm seien lediglich die Platzbedarfe erörtert worden. Da es eines einheitlichen Schriftbildes und des Seitenaufbaus eines Print- bzw. Digitalmediums bedurft habe, seien außerdem diesbezügliche Festlegungen zu treffen gewesen. Die Mitteilung von Ansprechpartnern bezogen auf die Anzeigenkunden habe in der Natur der Sache gelegen. Fachliche oder inhaltliche Anweisungen seien gegenüber dem Kläger nicht erfolgt.

45

Die Rahmenbedingungen bzgl. Auftragsangebot bis hin zur Erstellung der Auftragsarbeit hätten sich über den gesamten Zeitraum nicht wesentlich verändert.

46

Soweit der Kläger Stundenzettel anderer Mitarbeiter abgezeichnet habe, sei dies ohne Ermächtigung erfolgt.

47

Einschränkungen hinsichtlich der Arbeitszeit hätten sich für den Kläger ausschließlich daraus ergeben, dass feststehende Druck- und Veröffentlichungstermine zu berücksichtigen gewesen seien.

48

Der Kläger sei berechtigt, nicht aber verpflichtet gewesen, die betriebliche Infrastruktur zu nutzen. Er habe bei ihr einen sogenannten Poolarbeitsplatz gehabt, der von mindestens fünf Personen habe genutzt werden können. Der Kläger habe sämtliche übernommenen Aufgaben auch ohne die von ihr zur Verfügung gestellten Betriebsmittel ausführen können. Er habe seine eigene Ausstattung genutzt. Eine Redaktionskamera habe sie ihm nicht zur Verfügung gestellt.

49

Der Kläger habe seine Arbeit an jedem Ort verrichten können. Ihm sei es nicht verboten gewesen, eigene Werbung zu schalten oder für weitere Auftraggeber tätig zu sein.

50

Der Gehaltstarifvertrag für Redakteurinnen und Redakteure an Tageszeitungen sei bereits mangels beiderseitiger Tarifbindung nicht anwendbar. Der Kläger sei auch weder Redakteur an einer Tageszeitung noch habe er die Üblichkeit der begehrten Vergütung schlüssig dargelegt. Die geltend gemachte Tarifvergütung stehe dem Kläger selbst dann nicht zu, wenn er Arbeitnehmer sei, denn ein Anzeigenblatt sei keine Tageszeitung i. S. d. angezogenen Tarifvertrages. 75% der Rechnungssumme im Zeitraum vom 31.01.2016 bis einschließlich 31.12.2018 bezögen sich auf Dienstleistungen "für die Anzeigenabteilung" und ca. 25 % auf den Bereich der Redaktion.

51

Jedenfalls aber habe der Kläger, der über etwa 33 Jahre für sie Auftragsarbeiten ausgeführt und ca. 400 Mal abgerechnet habe, ohne sich je auf ein Arbeitsverhältnis berufen zu haben, etwaige Ansprüche verwirkt.

52

Da der Kläger nicht als Arbeitnehmer oder arbeitnehmerähnliche Person zu qualifizieren sei, könne auch kein Anspruch auf die von ihm begehrte Urlaubsabgeltung bestehen.

53

Das Arbeitsgericht hat mit einem dem Kläger am 07.03.2022 zugestellten Urteil vom 22.02.2022 (Bl. 775 - 793 d.A.), auf das wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie seiner Würdigung durch das Arbeitsgericht verwiesen wird, die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die am 05.04.2022 eingelegte und am 30.06.2022 innerhalb verlängerter Frist begründete Berufung des Klägers. Parallel ist vor dem Sozialgericht ein Statusverfahren des Klägers bzgl. seiner sozialrechtlichen Stellung anhängig, nachdem die Deutsche Rentenversicherung durch Bescheid seine Anerkennung als Beschäftigter abgelehnt hat.

54

Der Kläger wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und trägt vor, er habe ausschließlich in und mit der Infrastruktur der Beklagten gearbeitet und keine eignen Arbeitsmittel gehabt.

55

Er sei niemals gefragt worden, ob er einen Auftrag annehmen wolle oder nicht. Ihm sei als Redakteur das Formular "Anmeldung Sonderveröffentlichung" übersandt worden und damit sei er beauftragt gewesen. Gleiches gelte in Bezug auf PR-Texte, gesponserte Redaktionen und aktuelle Produktionen.

56

Die Blattplaner hätten die Anmeldung Sonderveröffentlichung parallel erhalten und die Seite bereits vor seiner Tätigkeit so vorbereitet, dass er seine Arbeit dort habe einfügen müssen. Der gesamte Prozess habe darauf beruht, dass er als einziger Redakteur im Verteiler die zugewiesene Arbeit auch in der vorgegebenen Zeit erledige.

57

Tatsächlich habe er für die Beklagte nie einen Auftrag nicht durchgeführt.

58

Die Beklagte habe von ihm erstellte Beiträge zum Teil auch in der Tageszeitung veröffentlicht, ohne dass er hierfür eine zusätzliche Vergütung erhalten habe.

59

Er sei über den gesamten Tätigkeitszeitraum betrachtet, 6-10 Stunden täglich und mindestens 40 Stunden wöchentlich für die Beklagte tätig gewesen.

60

Entscheidend sei, dass ihm über 33 Jahre in erheblichem Umfang Arbeiten zugewiesen worden seien, die ihm eine anderweitige Verwertung seiner Arbeitskraft unmöglich gemacht hätten.

61

Bei der Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände dürften die Anforderungen an seine Darlegungslast nicht überspannt werden. Es könne nicht darauf ankommen, dass er genau darlege, wann ihm wer welche Weisung erteilt habe. Es müsse ausreichend sein, wenn er darlege und unter Beweis stelle, dass eine bestimmte Vertragsdurchführung, die er konkret bezeichnet habe, immer und in der gleichen Weise erfolgt sei.

62

Auch habe das Arbeitsgericht das Kriterium der Fremdbestimmtheit seiner Tätigkeit nicht gewürdigt.

63

Der Kläger beantragt,

64

Das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 22.02.2022, 2 Ca 246/20, zugestellt am 7.03.2022, wird abgeändert und die Beklagte dazu verurteilt, an den Kläger 143.066,60 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit auf 136.659,70 € brutto sowie Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2019 auf 5.396,90 € brutto zu zahlen.

65

Die Beklagte beantragt,

66

die Berufung zurückzuweisen.

67

Sie meint, die Berufung sei mangels einer den gesetzlichen Anforderungen genügenden Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung unzulässig.

68

Im Übrigen wiederholt und vertieft sie ihr erstinstanzliches Vorbringen unter Verteidigung des angefochtenen Urteils und macht geltend, auch soweit sie dem Kläger vereinzelt Vertretungsaufträge angeboten und pauschal vergütet habe, habe die Entscheidung über die Annahme oder Ablehnung bei dem Kläger gelegen.

69

Der Tätigkeitsumfang des Klägers habe nach seiner freien Zeiteinteilung pro Woche ca. 20 - 30 Stunden betragen. Lediglich einen Teil dieser Zeit habe der Kläger in ihren Geschäftsräumen erbracht.

70

Eine Beschäftigung in freier Mitarbeit sei im Streitfall eine grundsätzlich zulässige Vertragsgestaltung, weil auch Anzeigenblätter den Schutz des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG beanspruchen könnten und der Kläger als Redakteur eine programmgestaltende Tätigkeit ausgeübt habe.

71

Wegen der Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Sitzungsprotokoll verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

72

Die Berufung des Klägers ist gemäß § 8 Abs. 2 sowie § 64 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG statthaft sowie form- und fristgerecht im Sinne der §§ 66, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO eingelegt worden. Zwar enthält die Berufungsbegründung in weiten Teilen (insbesondere S. 19 unten bis S. 35 unten) eine überflüssige Wiederholung des erstinstanzlichen Sachvortrags. Gleichwohl beinhaltet sie eine hinreichende Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO. Zum einen rügt der Kläger eine Überspannung seiner Darlegungslast. Hierzu hat er näher ausgeführt, es könne nicht darauf ankommen, dass er genau darlege, wann ihm wer welche Weisung erteilt habe. Es müsse ausreichend sein, wenn er darlege und unter Beweis stelle, dass eine bestimmte Vertragsdurchführung, die er konkret bezeichnet habe, immer und in der gleichen Weise erfolgt sei. Das bezieht sich ersichtlich auf die tragenden Ausführungen des Arbeitsgerichts, welches ausdrücklich Vortrag des Klägers u.a. zu konkreten Weisungen betreffend Arbeitsinhalt, Arbeitszeit und Arbeitsort vermisst hat. Zum anderen rügt er eine fehlerhafte bzw. unvollständige Gesamtwürdigung der vorgetragenen Umstände. Im Verlauf der Berufungsbegründung geht der Kläger hierzu - etwa S. 19 oben, S. 36f der Berufungsbegründung - auf konkrete Passagen des angefochtenen Urteils ein und setzt sich mit ihnen auseinander. Die Berufung ist auch im Übrigen zulässig, jedoch weitgehend unbegründet.

1.

73

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von Differenzvergütung von 136.669,70 € brutto für den Zeitraum vom 01.01.2016 bis 31.03.2019 aus § 612 Abs. 2 BGB.

a)

74

Ein Anspruch auf übliche Vergütung scheidet nicht bereits deshalb aus, weil die Parteien unter dem 28.03.2008 mit der Honorarvereinbarung eine Vergütungsabrede getroffen und damit im Sinne des § 612 Abs. 2 BGB die Höhe der Vergütung bestimmt haben. Diese Honorarvereinbarung bezieht sich ausdrücklich auf eine Tätigkeit als freier Mitarbeiter. Die Vergütung ist damit regelmäßig nur für den Fall einer tatsächlich gegebenen freien Mitarbeit vereinbart (BAG 21.11.2001 - 5 AZR 87/00 -, juris, Rn. 13). Der Kläger macht jedoch ausdrücklich geltend, bei der Beklagten nicht als freier Mitarbeiter aufgrund eines Dienst- oder Werkvertrages tätig gewesen zu sein, sondern auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages. Liegt tatsächlich ein Arbeitsverhältnis vor, ist für dessen gesamte Dauer die Höhe der Vergütung nicht bestimmt. Sofern nicht eine tarifliche Vergütungsregelung unmittelbar gilt, wird die übliche Vergütung geschuldet (BAG 21.11.2001, a.a.O.).

b)

75

Der Kläger war bei der Beklagten nicht im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses im Sinne des § 611a Abs. 1 S. 1 BGB, sondern als freier Mitarbeiter beschäftigt.

aa)

76

Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Dementsprechend ist ein Arbeitsverhältnis anzunehmen, wenn die Leistung von Diensten nach Weisung des Dienstberechtigten und gegen Zahlung von Entgelt Schwerpunkt des durch privatrechtlichen Vertrag begründeten Rechtsverhältnisses ist. Ein Arbeitsverhältnis unterscheidet sich demnach von dem Rechtsverhältnis eines selbstständig Tätigen durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der Verpflichtete befindet. Das für ein Arbeitsverhältnis konstitutive Weisungsrecht des Arbeitgebers kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Letztlich kommt es für die Beantwortung der Frage, welches Rechtsverhältnis im konkreten Fall vorliegt, auf eine Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls an (BAG 25.08.2020 - 9 AZR -, Rn. 20, juris; näher zu alledem: BAG 30.11.2021 - 9 AZR 145/21 -, Rn. 31 - 35, juris). Dabei haben die Tatsacheninstanzen einen weiten Beurteilungsspielraum (BAG 30.11.2021, a.a.O. Rn. 41, juris). Bei alledem ergibt sich der jeweilige Vertragstyp aus dem wirklichen Geschäftsinhalt. Der objektive Geschäftsinhalt ist den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrags zu entnehmen. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist letztere maßgeblich. Die zwingenden gesetzlichen Regelungen für Arbeitsverhältnisse können nicht dadurch abbedungen werden, dass die Parteien ihrem Arbeitsverhältnis eine andere Bezeichnung geben. Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an (vgl. BAG 17.10.2017 - 9 AZR 792/16 -, juris Rn. 12).

77

Der zum 01.04.2017 in Kraft getretene § 611a BGB entspricht hinsichtlich der Abgrenzung von Arbeitsverhältnis und freiem Dienstverhältnis in Abs. 1 diesen nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts geltenden, aus § 84 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 HGB abgeleiteten Grundsätzen. Soweit § 611a Abs. 1 Satz 5 BGB für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, eine Gesamtbetrachtung aller Umstände anordnet, ist bei der gerichtlichen Entscheidungsfindung auch verfassungsrechtlichen Wertungen Rechnung zu tragen. Ist der Dienstberechtigte - wie im Streitfall die Beklagte - Träger des Grundrechts der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG), kann dieser Umstand i.S.d. § 611a Abs. 1 Satz 5 BGB zu würdigen sein (vgl. BAG 30.11.2021, a.a.O., Rn. 36, juris). Ein grundsätzlicher Bedarf an Beschäftigung in freier Mitarbeit kann aufgrund der verfassungsrechtlichen Vorgaben bei redaktionell verantwortlichen Mitarbeitern bestehen (BAG, 30.11.2021, a.a.O. Rn. 38, juris).

bb)

78

Ausdrückliche schriftliche oder mündliche Vertragsabsprachen zwischen den Parteien, die nach den genannten Kriterien eine Einordnung des Klägers als Arbeitnehmer ermöglichen, sind nicht vorgetragen. Die Bezeichnung der schriftlichen Absprache vom 28.03.2008 als "Honorarvereinbarung Freie Mitarbeiter", die dortige Festlegung nicht zeitabhängiger Vergütung und die Angabe eines Mehrwertsteuersatzes sind einzeln und in ihrer Gesamtheit insoweit unergiebig. Sie sprechen dafür, dass die Parteien übereinstimmend von einem Dienstvertrag ausgegangen sind, sind aber als rein formale Gesichtspunkte zur Vertragstypbestimmung letztlich ungeeignet, denn sie sind lediglich Ausfluss einer - rechtlich unmaßgeblichen ggf. fehlerhaften - Beurteilung des Rechtsverhältnisses durch die Parteien. Eine nähere Beschreibung der wechselseitigen materiellen Rechte und Pflichten im Rahmen des Rechtsverhältnisses, die zur Bestimmung des Geschäftsinhalts geeignet sein könnte, enthält die Honorarvereinbarung nicht.

cc)

79

Bei der demzufolge vorzunehmenden Betrachtung der praktischen Durchführung des Vertrags gilt hinsichtlich der unstreitigen Tatsache der zuletzt erfolgten Honorarzahlung auf Rechnungsstellung des Klägers, der tatsächlichen steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Behandlung des Entgelts durch die Parteien sowie der unstreitigen Tatsache einer unterbliebenen Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder Urlaubsgewährung nichts Anderes. Auch diese sind letztlich Ausfluss einer Beurteilung des Rechtsverhältnisses durch die Parteien. Maßgeblich ist jedoch der wirkliche Geschäftsinhalt.

dd)

80

Der Kläger hat hinsichtlich seines Arbeitsinhalts keinem arbeitsvertraglichen Weisungsrecht unterlegen.

(1)

81

Es ist nicht feststellbar, dass der Kläger verpflichtet war, ihm angetragene Sonderveröffentlichungen, PRs, Redaktionsvertretungen oder Redaktionsbetreuungen anzunehmen. Die Honorarvereinbarung der Parteien bezieht sich ausdrücklich auf eine Tätigkeit als freier Mitarbeiter. Auch die Abrechnungsschreiben der Rechtsvorgängerin der Beklagten (Anlagen K36 - 47, Bl. 206ff d. A.) bezeichnen ihn als freien Mitarbeiter. In dem vom Kläger vorgelegten "Personalplan Anzeigenblätter" (Anlage K71, Bl. 735 d. A.) ist er als "freier Redakteur" bezeichnet. All dies spricht zunächst dafür, dass er über Annahme oder Ablehnung solcher Aufträge frei entscheiden konnte. Dies wird etwa bestätigt durch die vom Kläger vorgelegte Anlage K34 (Bl. 201 d. A.), wonach er von Herrn Z. gebeten wurde, Urlaubsvertretungen zu übernehmen, und er sich unter Hinweis darauf vorab an die Leitung Anzeigenblätter gewandt hat, um für Urlaubsvertretungen eine höhere Vergütung zu erhalten. Eine fallbezogene Absprache belegen auch die Ausführungen des Klägers zu Protokoll der Berufungsverhandlung, wonach er vor Urlaubsvertretungen von dem betreffenden Redakteur jeweils gefragt worden ist, ob er ihn vertreten würde.

82

Auch in Bezug auf die Sonderveröffentlichungen deutet die praktische Vertragsdurchführung nicht hinreichend deutlich auf eine bestehende Übernahmeverpflichtung. In dem Formular "Anmeldung Sonderveröffentlichung" ist der Kläger in aller Regel als "Wunschredakteur" bezeichnet. Das legt eher die Annahme nahe, dass er darüber entscheiden konnte, ob er diesem Wunsch entspricht oder nicht. Soweit er behauptet hat, die Angabe "Wunschredakteur" beruhe darauf, dass das Formular auch an anderen Standorten mit mehreren Redakteuren für Sonderveröffentlichungen verwendet worden ist, ist das nicht stichhaltig. Ist der Kläger in P-Stadt der einzige Redakteur für Sonderveröffentlichungen gewesen, wie er behauptet hat, hätte es nahegelegen, dass die Anzeigenberater sich die Angabe seines Namens sogleich sparen. Jedenfalls spricht die Angabe des Klägers als "Wunschredakteur" zugleich dafür, dass die Übermittlung des Formulars nicht als Anweisung durch den betreffenden Anzeigenberater angesehen werden kann.

83

Die Kammer lässt es dahinstehen, ob der Kläger schlüssig dargelegt hat, während der Dauer des Vertragsverhältnisses alle oder nahezu alle PR's, Sonderveröffentlichungen und gesponserten Redaktionsbeiträge übernommen zu haben, wogegen immerhin sprechen könnte, dass er in den insgesamt 7 von ihm erstellten monatlichen Rechnungen, die er vorgelegt hat (Anlagen K75ff), bei immerhin 7 Ausgaben des Wochenblatts jeweils 0,- € abgerechnet hat. Selbst wenn die Behauptung des Klägers zutreffen würde und die jeweilige Auftragsübernahme ohne ausdrückliche Erklärungen vollzogen worden sein sollte, wäre dies angesichts der zuvor erörterten Umstände kein hinreichendes Indiz für eine objektiv bestehende Übernahmeverpflichtung. Mindestens in gleichem Umfang spricht es dafür, dass der Kläger dies aus Gründen seiner Beschäftigung und/oder des Gelderwerbs für sich so gewollt hat. Der Umstand, dass er sich subjektiv - wie er selbst vorträgt - zur Übernahme "verpflichtet gefühlt" hat oder davon ausgegangen ist, eine Übernahme werde von ihm "erwartet", ersetzt ohne Schilderung weiterer Tatsachen, keine objektiv bestehende Verpflichtung. Der hierzu behauptete Umstand, Blattplaner hätten die Anmeldung Sonderveröffentlichung parallel erhalten und die Seite bereits vor seiner Tätigkeit so vorbereitet, dass er seine Arbeit dort habe einfügen müssen, mag zwar zutreffen. Dies ist jedoch mit Blick auf den Erscheinungsrhythmus des Anzeigenblattes zum einen ersichtlich der Zeitgebundenheit der Tätigkeit geschuldet. Zum anderen ist der zur Verfügung stehende Platz mangels näheren Vortrags unabhängig von der Frage, welcher Redakteur letztlich die Sonderveröffentlichung bearbeitet.

(2)

84

Der Kläger hat nicht dargelegt, faktisch umfassenden arbeitsvertraglichen Weisungen zum Arbeitsinhalt und zur Durchführung der Arbeit unterlegen zu haben.

(a)

85

Einem Auftraggeber steht auch gegenüber einem freien Mitarbeiter grundsätzlich das Recht zu, Anweisungen hinsichtlich des Arbeitsergebnisses zu erteilen. Die Anweisung gegenüber einem Selbständigen ist typischerweise sachbezogen und ergebnisorientiert und damit auf die zu erbringende Dienst- oder Werkleistung ausgerichtet. Im Unterschied dazu ist das arbeitsvertragliche Weisungsrecht personenbezogen, ablauf- und verfahrensorientiert geprägt. Es beinhaltet Anleitungen zur Vorgehensweise und zur Motivation des Mitarbeiters, die nicht Inhalt des werkvertraglichen Anweisungsrechts sind (BAG 01.12.2020 - 9 AZR 102/20 -, juris, Rn. 35).

(b)

86

Hiervon ausgehend stellt zunächst die Vorgabe eines bestimmten Themengebietes für Sonderveröffentlichungen bzw. PRs, ggf. der Kundenwünsche, keine Weisung im Sinne des § 106 GewO dar (vgl. BAG 20.05.2009 - 5 AZR 31/08 -, Rn. 26, juris). Sie dient der Konkretisierung der zu erbringenden Leistung und ist daher sachbezogen und ergebnisorientiert. Soweit der Kläger nach Auftragsannahme die Erstellung von Texten und Fotos zu einem bestimmten Thema schuldete, war er in diesem Rahmen hinsichtlich Fotomotiv und der Formulierungen, dem Kern seiner diesbezüglichen Tätigkeit, frei.

87

Es kann zugunsten des Klägers als zutreffend unterstellt werden, dass in Abhängigkeit von der Anzahl der Textzeilen eine bestimmte Größe der Überschrift vorgeschrieben war, diese eine Dachzeile, eine Hauptzeile und eine Unterzeile aufweisen musste, längere Texte mit Zwischenzeilen und einem Vorspann versehen werden mussten und er zur Wahrung des Gesamtbildes der Zeitung sogenannte Bibliotheken verwenden musste. Ebenso wird zutreffen, dass die Fotos eine bestimmte Größe aufweisen mussten und er den Platzbedarf auf der Zeitungsseite mit den Blattplanern abzustimmen hatte. Auch diese Vorgaben sind sämtlich sachbezogen und ergebnisorientiert und damit auf die zu erbringende Dienst- oder Werkleistung ausgerichtet.

88

Ferner kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass er vor der Digitalisierung bei den Aufträgen für Sonderveröffentlichungen immer den sogen Klebeumbruch miter-stellt und nach der Digitalisierung die entsprechenden Aufgaben am Computer verrichtet hat. Ob die Parteien dies von Anfang an noch den Layoutarbeiten im Sinne der Honorarvereinbarung zugeordnet haben, ob der Kläger dies stets ausgeführt hat, weil er davon ausging, das werde von ihm erwartet oder ob die Übernahme auf einer Anweisung der Rechtsvorgängerin der Beklagten nach Beginn des Arbeitsverhältnisses beruht hat, ist nicht eindeutig vorgetragen. Eine einmalige Weisung würde noch nicht auf ein umfassendes Weisungsrecht hinsichtlich des Arbeitsinhalts hindeuten.

89

Die Abnahme der von ihm verfassten Texte und Fotos einschließlich einer Kontrolle der Klebeumbrüche spricht nicht für ein für ein Arbeitsverhältnis typisches personenbezogen, ablauf- und verfahrensorientiertes Weisungsrecht. Auch freie Mitarbeiter sind in der Erbringung ihrer Dienstleistung nicht völlig frei. Durch die Prüfung der sachlichen Richtigkeit sowie der Einhaltung des vorgegebenen Zeitrahmens und der Beseitigung offensichtlicher Widersprüche nimmt die Beklagte die ihr als Presseunternehmen obliegende Verantwortung bzw. das ihr als Dienst- oder Auftraggeberin zustehende Rügerecht wahr. Mit einer Kontrolle der Qualität seiner Arbeit muss auch der freie Mitarbeiter rechnen (st. Rsp. BAG, 14.03.2007 - 5 AZR 499/06 -, Rn. 24, juris). Konkrete Änderungen des redaktionellen Inhalts im Nachhinein durch den Redakteur/Redaktionsleiter bzw. entsprechende Anweisungen hat der Kläger nicht im Einzelnen dargelegt. Er hat insbesondere nicht behauptet, die Beklagte habe diesen sachbezogenen Prüfungsrahmen überschritten und etwa aus sachfremden Gründen regelmäßig seine Beiträge inhaltlich korrigiert. Ein solches Verhalten müsste für das Rechtsverhältnis der Parteien typisch und kennzeichnend gewesen sein (vgl. BAG 20.05.2009 - 5 AZR 31/08 -, Rn. 26, juris). Dafür bestehen keine tatsächlichen Anhaltspunkte. Die Kontrolle bezog sich auch nach dem Formular Sonderveröffentlichung ausdrücklich nur auf die sachbezogenen inhaltlichen und zeitlichen Auftragsvorgaben. Soweit die Beklagte den Kläger nach dessen Vortrag angewiesen haben soll, Arbeitsergebnisse auf einem speziellen Computer bei ihr abzuspeichern damit die Redaktionsleiter diese über den direkten Zugriff des Firmennetzwerks kontrollieren und ggf. überarbeiten konnten, kann dies zu seinen Gunsten unterstellt werden und spricht nicht für ein arbeitsvertragliches Weisungsrecht zu Inhalt bzw. Durchführung der Arbeit.

90

Auch im Rahmen übernommener Redaktionsvertretungen ist eine Weisungsgebundenheit des Klägers nicht vorgetragen. Insofern hat er im Kammertermin vor dem Arbeitsgericht selbst zu Protokoll erklärt, während der Übernahme von Vertretungstätigkeiten nicht einmal kontrolliert worden zu sein.

91

Soweit der Kläger behauptet hat, er habe vor der Digitalisierung im Labor der Beklagten auch die Fotos des festangestellten Redakteurs/Redaktionsleiters miterarbeiten müssen, ginge dies allerdings über eine auftragsbezogene Weisung hinaus. Insoweit bedarf es jedoch keiner Vernehmung des angebotenen Zeugen Z. zu der streitigen Frage, ob die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin überhaupt über ein eigenes Labor verfügt hat und ob die behauptete Anweisung und deren Ausführung zutreffen. Allein aus einer solchen Weisung und einer darauf beruhenden temporären Praxis lässt sich unter Berücksichtigung der nachfolgenden Ausführungen noch kein umfangreiches arbeitsvertragliches Weisungsrecht ableiten.

(3)

92

Der vom Kläger geschilderten Vertragsdurchführung kann auch in zeitlicher Hinsicht keine Weisungsabhängigkeit entnommen werden.

(a)

93

In zeitlicher Hinsicht besteht eine Abhängigkeit von Weisungen, wenn ständige Dienstbereitschaft erwartet wird oder wenn der Mitarbeiter in nicht unerheblichem Umfang auch ohne entsprechende Vereinbarung herangezogen wird, ihm also die Arbeitszeiten letztlich "zugewiesen" werden. Die ständige Dienstbereitschaft kann sich sowohl aus den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen der Parteien als auch aus der praktischen Durchführung der Vertragsbeziehungen ergeben (BAG 01.12.2020 - 9 AZR 102/20 -, juris, Rn. 34).

(b)

94

Es kann zugunsten des Klägers als wahr unterstellt werden, dass er regelmäßig während der Kernarbeitszeiten (9: 30 Uhr bis ca. 16: 00 Uhr montags bis freitags) gearbeitet hat. Der Arbeitszeitsouveränität des Klägers, die regelmäßig ein freies Dienstverhältnis kennzeichnet, steht es nicht automatisch entgegen, dass er die von ihm angenommenen Aufträge während der allgemeinen Bürozeiten erledigte. Es ist auch für Selbstständige nicht unüblich, dass sie die vertraglichen Leistungen im Rahmen der organisatorischen Gegebenheiten des Auftraggebers zu erbringen haben (BAG 21.05.2019 - 9 AZR 295/18 -, Rn. 33, juris). Der Kläger trägt selbst vor, dass es ihm wegen der für die Durchführung des Auftrags notwendigen Absprachen, der Produktionsabläufe und der einzuhaltenden Abgabetermine insgesamt nicht möglich gewesen sei, in dieser Zeit nicht zu arbeiten. Selbst wenn letzteres zuträfe beruhte die von ihm behauptete Arbeitszeit nicht auf einer Weisung der Beklagten, sondern läge in der Natur der übernommenen Tätigkeit bzw. in den organisatorischen Gegebenheiten des Auftraggebers begründet. Zeitliche Vorgaben oder die Verpflichtung, bestimmte Termine für die Erledigung der übertragenen Aufgaben einzuhalten, sind kein wesentliches Merkmal für ein Arbeitsverhältnis. Auch bei Dienst- oder Werkverträgen können Termine für die Erledigung der Arbeit bestimmt werden, ohne dass daraus eine zeitliche Weisungsabhängigkeit folgt, wie sie für das Arbeitsverhältnis kennzeichnend ist (BAG 14.03.2007 - 5 AZR 499/06 -, Rn. 30, juris).

95

Auch in Verbindung mit der Zurverfügungstellung eines Büroarbeitsplatzes am Standort der Beklagten in P-Stadt ergibt sich kein eindeutiges arbeitsvertragliches Weisungsrecht des Auftraggebers. Denn weder liegt allein darin die Anordnung, die Tätigkeit ausschließlich in den dortigen Räumlichkeiten zu verrichten, noch ist dem Kläger ein Büroarbeitsplatz am Standort P-Stadt zeitlich beschränkt zur Verfügung gestellt worden. Nur in der Kombination dieser beiden Umstände aber könnte eine zeitliche Weisungsgebundenheit liegen (vgl. BAG 21.11.2017 - 9 AZR 117/17 -, Rn. 36, juris). Der Kläger hatte nach seinem eigenen Vortrag jedoch vielmehr jederzeit Zugang zu den dortigen Räumlichkeiten und musste unstreitig auch nicht seine Arbeitszeit erfassen. Aus der zu seinen Gunsten unterstellten Anforderung der Beklagten, in der Zeit vom 02.-29.09.1992 geleistete Stunden zu dokumentieren, folgt nichts Anderes. Auch wenn der Inhalt der Anlage K50 von ihm verfasst worden sein sollte und die seinerzeit von ihm für die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin geleisteten Stunden wiedergeben sollte, besagt dies für sich nichts über eine Anordnung der Beklagten, eine bestimmte Anzahl von Stunden zu bestimmten Zeiten zu leisten, zumal der Kläger keine zeitbezogene Vergütung bezog. Dergleichen folgt auch nicht aus einer zugunsten des Klägers unterstellten Aufforderung der Beklagten, seine Anwesenheit im Betrieb auf einer Tafel am Eingang zu vermerken, was im Rahmen der organisatorischen Gegebenheiten des Auftraggebers der Information von Mitarbeitern und Kunden bzw. einer Erleichterung der Arbeitsabläufe gedient haben mag und ihn zeitlich nicht eingeschränkt hat.

96

Für die Erwartung ständiger Dienstbereitschaft hat der Kläger nicht hinreichend dargetan. Insbesondere hat ihn die Beklagte nicht in Dienstpläne einteilt. Aus dem Schreiben einer Drittfirma vom 02.06.1990 (Anlage K51, 281) ergibt sich jedenfalls nichts Anderes. Dort ist gerade die Rede davon, dass ein Mitarbeiter für den Umbruch der Sonntagsausgabe gestellt wird, falls der Kläger dies nicht übernimmt. Wenn dem Kläger dieses Schreiben von einem Mitarbeiter der Rechtsvorgängerin der Beklagten kommentarlos zur Kenntnis gegeben wird, wird er damit gerade nicht "über seinen Kopf hinweg" einseitig für diese Tätigkeit eingeteilt. Auch ist dies nicht geeignet eine Erwartung ständiger Dienstbereitschaft zu belegen.

97

Ebenso hat der Kläger unzureichend dafür vorgetragen, dass von ihm zu bestimmten Zeiten des Produktionsprozesses Rufbereitschaft angeordnet worden ist. Es fehlt nachprüfbar konkreter Vortrag dazu, wer ihm wann eine entsprechende Weisung erteilt haben soll. Es ist nach dem Vortrag des Klägers nicht ausgeschlossen, dass dies von den Parteien einvernehmlich als Bestandteil des Auftrags angesehen worden ist, denn diese Praxis ist nach seiner Darstellung offenbar von Anfang an so geübt worden. Sollte es bei der Beklagten aus produktionstechnischen Gründen unerlässlich gewesen sein, dass der jeweilige Redakteur bei Sonderveröffentlichungen zu den Zeiten der Zusammenfügung und Ausrichtung des Layouts im Druckhaus für evtl. Rückfragen etc. zur Verfügung steht, ergäbe sich diese Einschränkung für den Kläger aus der Natur der übernommenen Tätigkeit. Auch soweit Kläger darüberhinaus behaupten will, die entsprechende Tätigkeit im Druckhaus selbst verrichtet zu haben, wenn dort kein Metteur zur Verfügung gestanden hat, fehlt die konkrete Darlegung wer ihn dazu angewiesen hat und ob es sich um vereinzelte Ausnahmefälle innerhalb der 33-jährigen Zusammenarbeit oder um eine regelmäßige Erscheinungsform geübter Vertragspraxis gehandelt hat. Im Ergebnis nichts Anderes gilt, soweit der Kläger nach Fertigstellung und Abgabe seines Textes an die Korrekturleserin dieser für evtl. Rückfragen zur Verfügung stehen musste. Diese Einschränkung liegt ersichtlich schon in der Natur des übernommenen Auftrags.

98

Eine Einbindung des Klägers in das wöchentlich ein- oder zweimalige Erscheinen wirkt ebenfalls nicht statusbegründend. Zeitliche Verpflichtungen und ein ggf. kleinteiliger zeitlicher Takt ergaben sich nur aus der Notwendigkeit der Zusammenarbeit und aus dem feststehenden Erscheinungsdatum. Auch die Anwesenheit zu feststehenden Zeiten vor und nach der Produktion schließen jedenfalls bei programmgestaltenden Mitarbeitern ein freies Mitarbeiterverhältnis nicht aus. Das gilt ebenso für Zeiten notwendiger Absprache mit Anzeigenberatern und Kunden.

99

Hieraus resultierende zeitliche Einschränkungen sind vielmehr notwendiger Bestandteil der übernommenen Aufgabe (vgl. BAG 20.05.2009 - 5 AZR 31/08 -, Rn. 25, juris).

100

Soweit der Kläger behauptet hat, er habe zeitlichen Einschränkungen dadurch unterlegen, dass eigene Urlaubszeiten eine Genehmigung der Beklagten erfordert hätten, ist dies streitig und vom Kläger nicht nachprüfbar konkretisiert. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts auf S. 9, 2. Absatz der angefochtenen Entscheidung verwiesen. Ein Erfordernis, der Beklagten eigene Abwesenheitszeiten infolge Urlaub oder sonstiger Dienstverhinderung anzuzeigen, kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, steht aber der Annahme eines Dienstverhältnisses nicht entgegen.

(4)

101

Im Streitfall bestehende Einschränkungen hinsichtlich des Arbeitsortes sind ebenfalls nicht arbeitsvertragstypisch. Eine ausdrückliche Anweisung nur in den Betriebsräumen zu arbeiten, ist nicht vorgetragen.

102

Unterstellt, der Kläger hätte mit - Ausnahme der wahrzunehmenden Außentermine - sämtliche Tätigkeiten in den Büroräumen der Beklagten verrichtet, lässt das für sich genommen nicht den Schluss zu, die Beklagte habe ein entsprechendes arbeitsvertragliches Weisungsrecht für sich in Anspruch genommen. Für einen freien Redakteur eines Anzeigenblattes ist es nicht untypisch, dass er seine Tätigkeit unter Berücksichtigung der organisatorischen Gegebenheiten des Auftraggebers jedenfalls teilweise auch in den Betriebsräumen erbringen muss (vgl. BAG 21.05.2019 - 9 AZR 295/18 -, Rn. 33, juris). Eine hierdurch bedingte Bindung begründet noch kein eindeutiges arbeitsvertragliches Weisungsrecht des Auftraggebers. Soweit der Kläger daher nach seinem Vortrag aufgrund der allgemeinen betrieblichen Arbeitsabläufe gehalten war, an Tagen vor der Produktion für das Layout seiner Beiträge sowie die Produktionsarbeiten an den redaktionellen Inhalten im Betrieb anwesend zu sein, weil etwa das zum Absenden an die Druckerei benötigte Programm InDesign nur von einem Rechner im Redaktionsbüro möglich war, weil nur im Betrieb mit einem speziellen Programm (Z-Modul) Bilddateien in druckfähige Dateien umgewandelt werden konnten, weil die vom Kläger gefertigten Arbeiten zu Kontrollzwecken in das dort verwendete Betriebssystem einzugeben waren und weil er nach Abschluss der Produktion für die Sichtung und evtl. Entgegennahme von Aufträgen für die Folgewoche anwesend sein musste, begründet all dies kein eindeutiges arbeitsvertragliches Weisungsrecht des Auftraggebers. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte den Kläger über solche auftragsspezifischen betrieblichen Notwendigkeiten hinaus angewiesen hat, auch alle weiteren Tätigkeiten, insbesondere das Verfassen von Texten im Betrieb zu verrichten.

103

Entsprechendes gilt hinsichtlich der vom Kläger behaupteten Labortätigkeiten im Zusammenhang mit der Erstellung von ihm gefertigter Fotos. Insoweit ist schon nicht erkennbar, dass er diese zwingend in einem Labor der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin entwickeln musste. Sollte dies darauf beruht haben, dass der Kläger keine eigene Möglichkeit zur Entwicklung seiner Fotos gehabt hat und deshalb auf die Struktur der Beklagten zurückgreifen musste, kann er aus den damit verbundenen zeitlichen und örtlichen Beschränkungen kein arbeitsvertragliches Weisungsrecht ableiten.

104

Eine konkrete Anweisung der Beklagten aus der Zeit "vor der Digitalisierung", bestimmte Arbeiten im Druckhaus eines externen Unternehmens zu erbringen ist streitig. Der Kläger hat sie hinsichtlich Zeitpunkt, Häufigkeit und handelnder Person nicht nachprüfbar konkret dargelegt. Insbesondere ist nicht ersichtlich, ob es sich um vereinzelte Ausnahmefälle innerhalb der 33-jährigen Zusammenarbeit oder um eine regelmäßige Erscheinungsform geübter Vertragspraxis gehandelt hat, dass im Druckhaus kein Metteur für die Umbrucharbeiten zur Verfügung gestanden hat.

(5)

105

Eine Weisungsgebundenheit ergibt sich im Streitfall auch nicht mittelbar aus einer detaillierten und den Freiraum für die Erbringung der geschuldeten Leistung stark einschränkenden tatsächlichen Vertragsdurchführung.

(a)

106

Auch tatsächliche Zwänge durch eine vom Auftraggeber geschaffene Organisationsstruktur können geeignet sein, den Beschäftigten zu dem gewünschten Verhalten zu veranlassen, ohne dass dazu konkrete Weisungen ausgesprochen werden müssen. So ist von einem Arbeitsverhältnis auszugehen, wenn der Auftraggeber in der Lage ist, Art und Umfang der Beschäftigung maßgeblich zu steuern und dadurch über eine Planungssicherheit verfügt, wie sie bei einem Einsatz eigener Arbeitnehmer typisch ist. Der Auftraggeber muss dazu organisatorische Maßnahmen ergriffen haben, durch die der Beschäftigte - wenn auch nicht unmittelbar angewiesen, aber doch mittelbar gelenkt - angehalten wird, kontinuierlich Arbeitsaufträge anzunehmen und diese in einem bestimmten Zeitrahmen nach präzisen Vorgaben persönlich zu erledigen (BAG 01.12.2020 - 9 AZR 102/20 -, juris, Rn. 36).

(b)

107

Solche organisatorischen Maßnahmen hat das Arbeitsgericht zutreffend verneint. Sie können im Streitfall nicht schon darin gesehen werden, dass ein Bestandteil des Unternehmenskonzepts der Beklagten ist, kontinuierlich auf einen Kreis freier Mitarbeiter zurückzugreifen und einen Teil der ständig anfallenden Arbeiten durch diese erledigen zu lassen. Derartiges ist im Bereich der Presse unter Berücksichtigung von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG grundsätzlich zulässig. Ebensowenig ist im Streitfall schon ausreichend, dass in der Redaktion des Anzeigenblattes lediglich ein fest angestellter Redakteur tätig war, der - jedenfalls in der Regel - keine Sonderveröffentlichungen bearbeitet hat, der Kläger einen Arbeitsplatz in den Betriebsräumen nutzen konnte und in dem Formular "Anmeldung Sonderveröffentlichung" zumeist als "Wunschredakteur" angegeben war. Dies lässt zwar erkennen, dass die Beklagte bestrebt war, die Zusammenarbeit mit dem Kläger - faktisch - zu verstetigen. Dies allein ist jedoch nicht ausreichend (BAG 01.12.2020, a.a.O.). Einen hinreichenden Anreiz dafür, ein bestimmtes Auftragskontingent, gar alle angebotenen Aufträge für Sonderveröffentlichungen zu übernehmen, vermag die Kammer hierin noch nicht zu erkennen. Dies gilt ebenso für die Übernahme von Redaktionsvertretungen und Redaktionsbetreuungen.

108

Selbst wenn man dies anders sehen wollte, ergäbe sich an dieser Stelle kein anderes Ergebnis. Nach den vorangegangenen Ausführungen handelt es sich bei den vom Kläger übernommenen Sonderveröffentlichungen Redaktionsvertretungen und Redaktionsbetreuungen nicht um einfach gelagerte Tätigkeiten, die nach präzisen Vorgaben zu erledigen waren und das Rechtsverhältnis schon deshalb in die Nähe eines Arbeitsverhältnisses rücken ließen. Inhaltlich war er bei der Erstellung der Texte, Fotos, Vertretungen etc. weisungsfrei und nur durch die Themenvorgabe bzw. durch zwingende Betriebsabläufe gebunden.

ee)

109

Der Kläger war zwar räumlich und formal in die Arbeitsorganisation der Beklagten eingegliedert, ohne dass dieser Umstand im Streitfall für die Bejahung eines Arbeitsverhältnisses ausreichend wäre.

(1)

110

Die Begriffe der Weisungsgebundenheit und Fremdbestimmung sind eng miteinander verbunden und überschneiden sich teilweise. Eine weisungsgebundene Tätigkeit ist in der Regel zugleich fremdbestimmt. Die Weisungsbindung ist das engere, den Vertragstyp im Kern kennzeichnende Kriterium, das durch § 611a Abs. 1 Sätze 2 bis 4 BGB näher ausgestaltet ist. Es kann, muss aber nicht gleichermaßen Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Nur wenn jedwede Weisungsgebundenheit fehlt, liegt i.d.R kein Arbeitsverhältnis vor. Das Kriterium der Fremdbestimmung erfasst insbesondere vom Normaltyp des Arbeitsvertrags abweichende Vertragsgestaltungen. Sie zeigt sich insbesondere in der Eingliederung des Arbeitnehmers in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers (BAG 30.11.2021 - 9 AZR 145/21 -, Rn. 31, juris, m.w.N.).

(2)

111

Hiervon ausgehend kann zunächst die Übernahme von Vertretungen ein gewichtiges Indiz für eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers sein. Die unstreitige Übernahme von Redaktionsvertretungen und -betreuungen durch den Kläger beruhte im Streitfall aber nicht auf einer jeweiligen Weisung oder einem abstrakt festgelegten Vertretungsplan der Beklagten. Vielmehr gehörten Redaktionsvertretungen und -betreuungen nach der Honorarvereinbarung zu den vergütungspflichtigen Leistungen, nachdem sich der Kläger jeweils auf Anfrage zu deren Übernahme bereiterklärt hat (s.o. unter b) dd) (1)). Der Kläger übernahm diese Aufgabe demnach wie ein Selbstständiger aufgrund vertraglicher Vereinbarung (vgl. BAG 21.07.2015 - 9 AZR 484/14 -, Rn. 28, juris).

112

Eine Weisungsbefugnis gegenüber Arbeitnehmern der Beklagten - zumal außerhalb von Vertretungszeiten - wäre zwar gleichfalls ein für eine Eingliederung sprechendes Indiz. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang Anweisungen an die Korrekturleserin behauptet, ist sein Vortrag allerdings unschlüssig. Der Kläger folgert eine Weisungsbefugnis ausweislich seines Vortrags auf S. 18 seines Schriftsatzes vom 13.11.2020 (Bl. 358 d. A.) daraus, dass er das Recht hatte mit der Korrekturleserin eine Terminvereinbarung zu treffen. Abgesehen davon, dass eine Vereinbarung nicht mit einer Anweisung gleichgesetzt werden kann, führen derartige Absprachen mit Anzeigenberatern, Korrekturlesern, Blattplanern, etc., nach seinem Vortrag zu einer Eingliederung in die Betriebsabläufe nur in dem Umfang, wie das für die Nutzung der von ihm gelieferten Beiträge für das Anzeigenblatt zwingend erforderlich war. Eine Abzeichnung von Stundenzetteln der Korrekturleserinnen S., H. und W. sowie der Layouterin K... außerhalb von Vertretungszeiten, die der Kläger als Selbständiger aufgrund vertraglicher Vereinbarung übernommen hat, hat er nicht behauptet.

113

Dass die Beklagte dem Kläger einen Büroarbeitsplatz nebst PC, Telefon etc. zur Verfügung gestellt hat, den er im Rahmen seiner Tätigkeit nutzte, lässt - jedenfalls für sich genommen - noch nicht den Schluss zu, dass er als Arbeitnehmer in die betriebliche Sphäre der Beklagten eingebunden war. Ein Unternehmer muss einen Vertrag nicht notwendig mit eigenen Arbeitsmitteln erfüllen (BAG 21.05.2019 - 9 AZR 295/18 -, Rn. 36, juris).

114

Zwar war der Kläger auch im Telefonverzeichnis der Beklagten und in den Verteilern der von ihm vorgelegten Hausmitteilungen - anders als etwa im "Personalplan Anzeigenblätter" - ohne Hinweis auf seine Stellung als Externer aufgeführt. Ferner war er auf den ihm von der Beklagten zur Verfügung gestellten Visitenkarten sowie im Aufbau seiner E-Mail-Adresse von einem fest angestellten Mitarbeiter der Beklagten nicht zu unterscheiden, mithin äußerlich in deren Arbeitsorganisation eingegliedert, was zugleich dafür spricht, dass die Zusammenarbeit der Parteien auf längere Dauer angelegt war. Auch hatte der Kläger bei der Ausführung seiner Tätigkeit selbst notwendige Berührungspunkte mit Mitarbeitern der Beklagten. Anders als etwa bei klassischer Teamarbeit bedeutet der Umstand, dass der Kläger bei der technischen Abwicklung der Herstellung seiner Beiträge auf bestimmte Mitarbeiter der Beklagten (Anzeigenberater, Korrektur, Blattplanung) und auf entsprechende Einrichtungen angewiesen war, aber noch keine Eingliederung in den Betrieb der Beklagten mit der Rechtsfolge der persönlichen Abhängigkeit (vgl. BAG 27.03.1991 - 5 AZR 194/90 -, Rn. 22, juris). So bestand unstreitig etwa keine Verpflichtung des Klägers an den Dienstbesprechungen - den sog. Freitagsmeetings - teilzunehmen.

115

Auch ist nach dem Vorstehenden gerade nicht erkennbar, dass er bei der Beklagten in eine bestimmte Hierarchie eingebunden war.

gg)

116

In der Gesamtschau aller Gesichtspunkte unter Berücksichtigung der Eigenart der betreffenden Tätigkeit sowie verfassungsrechtlicher Wertungen kann die Tätigkeit des Klägers sowohl in einem Arbeitsverhältnis als auch im Rahmen eines Rechtsverhältnisses, das einen Selbstständigen verpflichtet, geleistet werden. Bei dieser Sachlage ist die Entscheidung der Vertragsparteien für den gewählten Vertragstypus des freien Mitarbeiters maßgeblich.

(1)

117

Zunächst sprechen - dies wird nicht verkannt - im Streitfall durchaus gewichtige Punkte auch für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses. Die Kammer geht hier mit Blick auf die Regelung in § 613 S. 1 BGB und die unstreitige tatsächliche Handhabung während der Vertragsdauer zu Gunsten des Klägers von einer persönlichen Leistungsverpflichtung aus. Zwar hat nach dieser Vorschrift auch der Dienstverpflichtete und nicht nur der Arbeitnehmer die Dienste im Zweifel persönlich zu leisten, weshalb auch dieses Kriterium allein nicht zwingend für eine Einordnung als Arbeitsverhältnis ist. Es treten allerdings weitere - nach den vorangegangenen Ausführungen einzeln für sich genommen unzureichende - Gesichtspunkte für ein Arbeitsverhältnis hinzu, insbesondere, dass der Kläger - zu seinen Gunsten unterstellt - keine eigenen Mitarbeiter beschäftigt hat, nur für die Beklagte tätig war und ausschließlich deren Arbeitsmittel genutzt und - mit Ausnahme der Außentermine - seine Tätigkeiten an dem von der Beklagten zur Verfügung gestellten Büroarbeitsplatz verrichtet hat. Die Praxis, dass ihm während seines Beschäftigungszeitraums neben den Redaktionsvertretungen und Redaktionsbetreuungen nahezu sämtliche bei der Beklagten anfallenden Aufträge im Zusammenhang mit den Sonderveröffentlichungen für das Anzeigenblatt angetragen und von ihm bearbeitet wurden, deutet auf eine von Anfang an beabsichtigte kontinuierliche Zusammenarbeit von zeitlich erheblichen Umfang sowie auf eine aus langer Zeit der Zusammenarbeit resultierende wirtschaftliche Abhängigkeit des Klägers hin. Hinzu kommt, dass die Beklagte Redakteure auch als Arbeitnehmer beschäftigt und es sich bei den Honorarsätzen und Pauschalen um von ihr gestellte Beschäftigungsbedingungen handeln dürfte.

(2)

118

Demgegenüber ist jedoch zu berücksichtigen, dass eine Verpflichtung, bestimmte Dienste regelmäßig und wiederkehrend zu leisten auch für ein freies Mitarbeiterverhältnis typisch sein kann (BAG 27.03.1991 - 5 AZR 194/90 -, Rn. 24, juris) und die selbst aus einem Vollzeitrechtsverhältnis und einer langen Zeit der Zusammenarbeit resultierende wirtschaftliche Abhängigkeit ein Arbeitsverhältnis nicht zu begründen vermag (vgl. BAG 21.05.2019 - 9 AZR 295/18 -, Rn. 37, juris). Bei dieser Sachlage kommt der Eigenart der vom Kläger verrichteten Tätigkeit erhebliches Gewicht zu. Unstreitig hat der Kläger für die Beklagte journalistische Dienstleistungen redaktioneller Art im Zusammenhang mit der Erstellung eines Anzeigenblatts erbracht. Dabei handelt es sich nicht um eine untergeordnete, einfache Arbeit, bei der eher eine persönliche Abhängigkeit als bei gehobenen Tätigkeiten besteht (BAG 30.11.2021 - 9 AZR 145/21 -, Rn. 35, juris). Nach den vorstehenden Ausführungen hat der Kläger weder hinsichtlich Inhalt, Ort und Zeit der Arbeit einem umfassenden arbeitsvertragsgleichen Weisungsrecht der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerinnen unterlegen. Wenn jedoch Weisungsgebundenheit fehlt, liegt i.d.R. kein Arbeitsverhältnis vor (vgl. BAG 30.11.2021 - 9 AZR 145/21 -, Rn. 31, juris, m.w.N.). Über das Kriterium der Fremdbestimmung, das sich insbesondere in der Eingliederung des Arbeitnehmers in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers zeigt, folgt im Streitfall nichts Anderes. Der Kläger war nach den vorstehenden Ausführungen nur in dem Umfang in die Betriebsabläufe der Beklagten eingegliedert, wie das für die Nutzung der von ihm gelieferten Beiträge zum Anzeigenblatt bzw. zur Erbringung der Vertretungstätigkeit erforderlich war. Hinzu kommt, dass im Bereich der Presse redaktionelle Beiträge weit verbreitet durch freie Mitarbeiter erbracht werden, die nicht bei den betreffenden Zeitschriften bzw. Verlagen angestellt sind, sondern ihre redaktionellen Beiträge auf der Grundlage einer selbständigen Tätigkeit erbringen. Die redaktionelle Tätigkeit eines Journalisten für Zeitungen und Anzeigenblätter kann demnach sowohl im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses (fest angestellter Redakteur) als auch als Selbstständiger (freier Journalist) ausgeübt werden (vgl. Hessisches LSG 24.11.2022 - L 8 BA 52/19 -, Rn. 24, juris; vgl. auch BAG 30.11.2021 - 9 AZR 145/21 -, Rn. 38, juris).

(3)

119

Bei dieser Sachlage berücksichtigt die Kammer, dass die Parteien ihre Vertragsbeziehungen formal als freies Dienstverhältnis ausgestaltet haben. Der Vorrang der praktischen Handhabung der Vertragsbeziehungen vor der formalen Vertragstypenwahl durch die Parteien bedeutet nicht, dass deren Entscheidung für eine bestimmte Art von Vertrag irrelevant wäre. Kann die vertraglich vereinbarte Tätigkeit - wie im Streitfall - typologisch sowohl in einem Arbeitsverhältnis als auch selbstständig erbracht werden, ist die Entscheidung der Vertragsparteien für einen bestimmten Vertragstypus im Rahmen der bei jeder Statusbeurteilung erforderlichen Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen (BAG 21.11.2017 - 9 AZR 117/17 -, Rn. 44, juris; 21.05.2019 - 9 AZR 295/18 -, Rn. 38, juris).

(4)

120

Auch das weitere Vorbringen des Klägers, auf das in diesem Urteil nicht mehr besonders eingegangen wird, weil die Entscheidungsgründe gemäß § 313 Abs. 3 ZPO lediglich eine kurze Zusammenfassung der tragenden Erwägungen enthalten sollen, führt nicht zu einer abweichenden Gesamtbeurteilung.

c)

121

Da der Kläger nach alledem als freier Mitarbeiter bei der Beklagten tätig war, ist die getroffene Honorarabrede zwischen den Parteien maßgeblich. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass diese Vergütungsabrede aus anderen Gründen unwirksam bzw. unbeachtlich, insbesondere sittenwidrig ist. Damit scheidet ein Rückgriff auf die übliche Vergütung im Sinne des § 612 Abs. 2 BGB aus.

2.

122

Der Kläger hat jedoch Anspruch auf Zahlung von Urlaubsabgeltung in Höhe von 2.387,61 € brutto aus § 7 Abs. 4 BUrlG. Insoweit war seine Berufung teilweise erfolgreich.

a)

123

Das Bundesurlaubsgesetz findet auf das Rechtsverhältnis der Parteien Anwendung, weil der Kläger arbeitnehmerähnliche Person im Sinne des § 2 BUrlG war.

aa)

124

Arbeitnehmerähnliche Personen sind Selbstständige, die nach § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG als Arbeitnehmer gelten. Sie unterscheiden sich von Arbeitnehmern durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit. Arbeitnehmerähnliche Personen sind - in der Regel wegen ihrer fehlenden oder gegenüber Arbeitnehmern geringeren Weisungsgebundenheit, oft auch wegen fehlender oder geringerer Eingliederung in eine betriebliche Organisation - in wesentlich geringerem Maße persönlich abhängig als Arbeitnehmer. An die Stelle der persönlichen Abhängigkeit tritt das Merkmal der wirtschaftlichen Abhängigkeit bzw. wirtschaftlichen Unselbstständigkeit. Außerdem muss die wirtschaftlich abhängige Person ihrer gesamten sozialen Stellung nach einem Arbeitnehmer vergleichbar sozial schutzbedürftig sein (BAG 21.01.2019 - 9 AZB 23/18 -, juris, Rn. 31).

bb)

125

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Eine geringere persönliche Abhängigkeit ergibt sich aus der unter 1. der Gründe festgestellten Weisungsungebundenheit und geringeren Eingliederung in die betriebliche Organisation der Beklagten. Aufgrund des erheblichen zeitlichen Umfangs seiner Tätigkeit für die Beklagte - selbst nach deren Vortrag 20 - 30 Wochenstunden - sowie aus der langen Zeit der Zusammenarbeit zwischen den Parteien resultiert eine wirtschaftliche Abhängigkeit des Klägers.

126

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sieht die Berufungskammer im Streitfall auch die erforderliche soziale Schutzbedürftigkeit des Klägers als gegeben. Eine solche ist anzunehmen, wenn unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls und der Verkehrsanschauung das Maß der Abhängigkeit einen solchen Grad erreicht, wie er im Allgemeinen nur in einem Arbeitsverhältnis vorkommt, und die geleisteten Dienste nach ihrer sozialen Typik mit denen eines Arbeitnehmers vergleichbar sind (BAG 21.01.2019 - 9 AZB 23/18 -, juris, Rn. 36). Dafür spricht hier das Fehlen einer eigenen Betriebsorganisation und eigener Produktionsmittel des Klägers. Hinzu kommt, dass die vom Kläger als Redakteur geleisteten Dienste nach ihrer sozialen Typik mit denen eines Arbeitnehmers vergleichbar sind. Tätigkeiten der von ihm verrichteten Art werden nach den vorstehenden Ausführungen typischerweise auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erbracht. Die Annahme sozialer Schutzbedürftigkeit im Streitfall wird bestätigt durch die Regelung in § 12a Abs. 3 TVG, die in diesem Zusammenhang u. a. für Personen, die journalistische Leistungen erbringen, erleichterte Voraussetzungen vorsieht. Da selbst die Beklagte davon ausgeht, dass der Kläger regelmäßig 20 - 30 Wochenstunden für sie gearbeitet hat und tatsächliche Anhaltspunkte für eine weitere Beschäftigung des Klägers nicht bestehen, ist davon auszugehen, dass er von der Beklagten mindestens ein Drittel des Entgelts bezogen hat, das ihm für seine Erwerbstätigkeit insgesamt zugestanden hat.

b)

127

Ausgehend von der von ihm behaupteten 6-Tage-Woche und einem daraus resultierenden Jahresurlaubsanspruch von 24 Tagen errechnen sich für die Zeit vom 01.01.2018 bis 31.03.2019 insgesamt 30 Urlaubstage.

128

Der Kläger hat behauptet, 2018 und 2019 keinen Urlaub genommen zu haben. Die Beklagte hat eine Erfüllung des Urlaubsanspruchs (§ 362 Abs. 1 BGB) nicht nachprüfbar konkret dargelegt, obwohl sie hierfür nach den allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen darlegungs- und beweisbelastet ist. Dies hätte Vortrag dazu erfordert, wann der Kläger für welche konkreten Zeiträume innerhalb der Zeit vom 01.01.2018 bis 31.03.2019 Urlaub bei ihr angezeigt und auch tatsächlich genommen hätte. Daran fehlt es.

c)

129

Unter Berücksichtigung des unstreitigen monatlichen Durchschnittshonorars von 2.069,26 € brutto im Zeitraum vom 01.01.2016 bis zum 31.03.2019 errechnen sich für 30 Tage bei einer 6- Tage-Woche insgesamt 2.387,61 €, nämlich 2.069,26 € x 3 Monate: 13 Wochen: 6 Tage x 30 Tage.

d)

130

Der Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 286, 288 BGB.

III.

131

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

132

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 72 Abs. 2 ArbGG), bestanden nicht.

133

Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 72 a ArbGG) und der sofortigen Beschwerde (§ 72 b ArbGG) wird hingewiesen.