Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 17.10.2018, Az.: 13 ME 107/18

Einordnung des Inhalierens oder Einatmens des mit einer Wasserpfeife erzeugten Tabakrauchs als Rauchen i.S.d. § 1 Nds. NiRSG; Rauchverbot für Shishas in umschlossenen Räumlichkeiten von Gaststätten

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
17.10.2018
Aktenzeichen
13 ME 107/18
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2018, 63665
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2018:1017.13ME107.18.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Braunschweig - 27.03.2018 - AZ: 1 B 106/18

Fundstellen

  • DÖV 2019, 75
  • GewArch 2019, 45-47
  • NVwZ-RR 2019, 254-257
  • NordÖR 2019, 83-85

Amtlicher Leitsatz

"Rauchen" im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 Nds. NiRSG ist auch das Inhalieren oder Einatmen des mit einer Wasserpfeife erzeugten Tabakrauchs in vollständig umschlossenen Räumlichkeiten von Gaststätten.

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 1. Kammer - vom 27. März 2018 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 7.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller wendet sich gegen eine sofort vollziehbare Anordnung der Antragsgegnerin, die ihm die weitere Verwendung von Tabak in den von ihm angebotenen Wasserpfeifen untersagt.

2

Der Antragsteller betreibt in A-Stadt eine Schankwirtschaft mit Alkoholausschank. In dem etwa 133 m2 großen Gastraum stellt er seinen Gästen gegen Bezahlung auch Wasserpfeifen (Shishas) und dafür geeigneten Tabak zum Gebrauch zur Verfügung.

3

Mit Bescheid vom 14. März 2018 untersagte die Antragsgegnerin dem Antragsteller die weitere Verwendung von Tabak in den von ihm angebotenen Wasserpfeifen, ordnete die sofortige Vollziehung dieser Untersagung an und drohte für den Fall der Nichtbefolgung ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000 EUR, hilfsweise die Anordnung von Ersatzzwangshaft an. Zur Begründung machte die Antragsgegnerin eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung geltend, die sich aus einem Verstoß gegen das Niedersächsische Nichtraucherschutzgesetz ergebe. Danach sei das Rauchen von Tabak in vollständig umschlossenen Räumen von Gaststätten verboten. Gegen dieses Verbot verstoße der Antragsteller, wenn er seinen Gästen gegen Bezahlung Wasserpfeifen und dafür geeigneten Tabak zum Gebrauch in seinem Gastraum zur Verfügung stelle. Die mit der Untersagung verbundene Beschränkung der gewerblichen Tätigkeit des Antragstellers sei verhältnismäßig. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei geboten, um die andauernden Verstöße gegen das Nichtraucherschutzgesetz zu unterbinden und um die Gäste vor Gesundheitsgefahren zu schützen. Der Sofortvollzug sei auch nicht unverhältnismäßig, zumal der Antragsteller bei Fortsetzung des rechtswidrigen Verhaltens einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen, rechtstreuen Gastwirten habe.

4

Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller am 20. März 2018 vor dem Verwaltungsgericht Braunschweig Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist, und die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragt. Der Antragsteller hat im Wesentlichen geltend gemacht, das Niedersächsische Nichtraucherschutzgesetz verbiete nur das Rauchen von Tabak, verstanden als das aktive Inhalieren oder das passive Einatmen von Rauch, der beim Anzünden und Verbrennen von Tabak entstehe. Beim ordnungsgemäßen Gebrauch einer Wasserpfeife werde aber kein Tabak angezündet oder verbrannt. In den Pfeifenkopf werde feuchter spezieller Wasserpfeifentabak eingelegt. Dieser werde aber nicht angezündet. Vielmehr befinde sich über dem Pfeifenkopf eine Pfanne mit einem siebartig durchbrochenen Boden. Auf diese Pfanne würden glühende Kohlenstücke aufgelegt, die verbrennen. Die Glut käme mit dem Tabak aber nicht unmittelbar in Kontakt. Der Tabak werde nur gedämpft. Das Inhalieren oder Einatmen dieses Dampfes sei kein Rauchen im Sinne des Nichtraucherschutzgesetzes.

5

Mit Beschluss vom 27. März 2018 hat das Verwaltungsgericht den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die sofort vollziehbare Untersagungsverfügung und auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegen die Androhung von Zwangsgeld und Ersatzzwangshaft abgelehnt. Das Verwaltungsgericht hat die Anordnung der sofortigen Vollziehung für hinreichend begründet erachtet. Auch in der Sache sei die Untersagungsverfügung als Gefahrenabwehranordnung voraussichtlich rechtmäßig. Das Konsumieren von Tabak mittels Wasserpfeifen verstoße gegen § 1 Abs. 1 Satz 1 des Niedersächsischen Nichtraucherschutzgesetzes. "Rauchen" im Sinne dieser Bestimmung sei auch der Konsum von aus Tabakprodukten gewonnenen Aerosolen mittels einer Wasserpfeife, und zwar unabhängig davon, ob sie durch ein direktes Verbrennen, Verschwelen oder Verglimmen erzeugt würden. Der "Shisha-Dampf" entstehe, anders als der Antragsteller behaupte, durch einen Verbrennungsprozess im chemisch-physikalischen Sinne, wenn auch bei relativ niedrigen Temperaturen. Die von dem Antragsteller betriebene Schankwirtschaft sei auch eine Gaststätte im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 des Niedersächsischen Nichtraucherschutzgesetzes. Der Antragsteller sei als Betreiber der Gaststätte verantwortlich im Sinne des § 3 Satz 1 Nr. 2 des Niedersächsischen Nichtraucherschutzgesetzes. Die Untersagung belaste den Antragsteller auch nicht unverhältnismäßig.

6

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, mit der er sein erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt und sein Vorbringen erneuert und vertieft. Er hält an seiner Auffassung fest, dass das vom Niedersächsischen Nichtraucherschutzgesetz untersagte Rauchen von Tabak nur ein solches sei, bei dem der Tabak, angezündet, entflammt und zu Asche verbrannt werde, woran es beim Gebrauch von Tabak in einer Wasserpfeife fehle. Der Tabak werde in der Wasserpfeife noch nicht einmal verschwelt. Der feuchte Wasserpfeifentabak werde lediglich getrocknet und der dabei entstehende Dampf eingeatmet.

7

Wegen des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin verwiesen.

II.

8

Die Beschwerde des Antragstellers bleibt ohne Erfolg. Nach den vom Antragsteller mit der Beschwerdebegründung fristgerecht vorgebrachten und gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO vom Senat allein zu prüfenden Gründen besteht kein Anlass, den angegriffenen Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern. Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht abgelehnt, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 14. März 2018 wiederherzustellen, soweit dem Antragsteller die weitere Verwendung von Tabak in den von ihm angebotenen Wasserpfeifen (Shishas) sofort vollziehbar untersagt worden ist (1.), und anzuordnen, soweit dem Antragsteller die zwangsweise Durchsetzung der Untersagung angedroht worden ist (2.).

9

1. Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung der Klage ganz oder teilweise wiederherstellen. Ist - wie hier - die sofortige Vollziehung von der Behörde den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügend angeordnet worden, so setzt die gerichtliche Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage eine Abwägung des Interesses des Antragstellers, von der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts bis zur endgültigen Entscheidung über seine Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben, gegen das vorrangig öffentliche Interesse an dessen sofortiger Vollziehung voraus (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 16.3.2004 - 8 ME 164/03 -, NJW 2004, 1750 m.w.N.). Dem öffentlichen Vollzugsinteresse kann dabei überhaupt nur dann Vorrang eingeräumt werden, wenn der angefochtene Verwaltungsakt voraussichtlich auch im Hauptsacheverfahren Bestand haben, mithin sich als rechtmäßig erweisen wird. Darüber hinaus muss das von der Behörde geltend gemachte besondere, also über das allgemeine Interesse am Vollzug eines Verwaltungsaktes hinausgehende Vollzugsinteresse tatsächlich vorliegen. Schließlich sind in einer Folgenabwägung gegenüberzustellen die konkreten Nachteile für die gefährdeten Rechtsgüter bei einem Aufschub des Vollzugs, wenn sich die Untersagungsverfügung nachträglich als rechtmäßig erweist, den konkreten Folgen des Sofortvollzugs für den Antragsteller, wenn sich der Untersagungsverfügung nachträglich als rechtswidrig erweisen sollte (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl., Rn. 964 ff. m.w.N.).

10

Nach diesen Maßstäben fällt die Abwägung zu Lasten des Antragstellers aus. Die Untersagungsverfügung im Bescheid der Antragsgegnerin vom 14. März 2018 ist voraussichtlich rechtmäßig (a.). Ein besonderes Vollzugsinteresse ist tatsächlich gegeben (b.) und die bei einem Aufschub des Vollzugs eintretenden konkreten Nachteile für die gefährdeten Rechtsgüter überwiegen die den Antragsteller treffenden Folgen der sofortigen Vollziehung (c.).

11

a. Die von der Antragsgegnerin im Bescheid vom 14. März 2018 angeordnete Untersagung der weiteren Verwendung von Tabak in den von dem Antragsteller angebotenen Wasserpfeifen ist voraussichtlich rechtmäßig.

12

Die Untersagungsverfügung findet eine Ermächtigungsgrundlage in §§ 11, 6 Abs. 1, 3 Abs. 1 Satz 3 des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung - Nds. SOG - in der hier maßgeblichen, zuletzt durch Gesetz vom 6. April 2017 (Nds. GVBl. S. 106) geänderten Fassung (vgl. zum grundsätzlich maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei der Anfechtung von Verwaltungsakten: Senatsbeschl. v. 29.9.2017 - 13 LA 4/16 -, juris Rn. 9 m.w.N.). Danach steht es im Ermessen der zuständigen Verwaltungsbehörden, eine Gefahr durch notwendige Maßnahmen gegenüber der die Gefahr verursachenden Person abzuwehren.

13

Die auf diese Ermächtigungsgrundlage gestützte Untersagungsverfügung ist voraussichtlich formell ((1)) und materiell ((2)) rechtmäßig.

14

(1) Die Antragsgegnerin war für den Erlass der Untersagungsverfügung gemäß §§ 11, 2 Nr. 7 in Verbindung mit § 97 Abs. 1 Nds. SOG zuständig.

15

Ein etwaiger Mangel einer nach § 1 Abs. 1 NVwVfG in Verbindung mit § 28 Abs. 1 VwVfG erforderlichen und nicht nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG entbehrlichen Anhörung ist jedenfalls durch die Gewährung von Gehör während des erstinstanzlichen Verfahrens nach § 1 Abs. 1 NVwVfG in Verbindung mit § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG geheilt worden.

16

(2) Die Untersagungsverfügung erfüllt auch die materiellen Voraussetzungen der genannten Ermächtigungsgrundlage.

17

Die Untersagung ist auf die Abwehr einer konkreten Gefahr im Sinne der §§ 11, 2 Nr. 1 Buchst. a Nds. SOG, das heißt einer Sachlage, bei der im einzelnen Fall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung eintreten wird, gerichtet. Zum Schutzgut der öffentlichen Sicherheit zählt auch die geschriebene Rechtsordnung (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 21.4.2017 - 7 ME 20/17 -, juris Rn. 16). Bestandteil dieser ist das Niedersächsische Nichtraucherschutzgesetz - Nds. NiRSG - vom 12. Juli 2007 (Nds. GVBl. S. 337), zuletzt geändert durch Gesetz vom 10. Dezember 2008 (Nds. GVBl. S. 380). Gegen dessen Bestimmungen verstößt die Verwendung von Tabak in Wasserpfeifen, die in vollständig umschlossenen Räumlichkeiten von Gaststätten benutzt werden.

18

(a) Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 Nds. NiRSG ist das Rauchen in Niedersachsen verboten in vollständig umschlossenen Räumlichkeiten von Gaststätten einschließlich der Diskotheken und der im Reisegewerbe während einer Veranstaltung betriebenen Gaststätten, soweit die Räumlichkeiten für Gäste zugänglich sind.

19

"Rauchen" im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nds. NiRSG umfasst nach dem maßgeblichen Willen des niedersächsischen Landesgesetzgebers, wie er im Gesetz hinreichend klar erkennbar zum Ausdruck gekommen ist, und auch nach dem allgemeinen Begriffsverständnis das freiwillige und bewusste Inhalieren (Aktivrauchen) und das unfreiwillige und oft unbewusste Einatmen (Passivrauchen) von aus Tabak erzeugtem Rauch ("Tabakrauch", vgl. Entwurf eines Niedersächsischen Gesetzes zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens, LT-Drs. 15/3765, S. 4). Auch wenn sich das im Niedersächsischen Nichtraucherschutzgesetz postulierte Verbot zu "rauchen" in erster Linie auf das Aktivrauchen bezieht, erstreckt es sich zwangsläufig auch auf das Passivrauchen und zielt sogar maßgeblich auf den Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens ab (vgl. zur ursprünglich vorgesehenen Aufnahme einer dahingehenden Gesetzesbestimmung: Entwurf eines Niedersächsischen Gesetzes zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens, LT-Drs. 15/3765, S. 2 und 9, und zu den Gründen für die Nichtaufnahme: Schriftlicher Bericht zum Entwurf eines Niedersächsischen Gesetzes zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens, LT-Drs. 15/3978, S. 1). Ausgangspunkt und Motivation für das landesgesetzliche Rauchverbot waren (neue) Erkenntnisse zu den Gefahren des Passivrauchens, wonach vor allem der Nebenstromrauch, also der Rauch, der beim Glimmen der Zigarette entsteht, besonders viele toxische und krebserregende Substanzen enthält - mehr als der sogenannte Hauptstromrauch, der vom Rauchenden ausgeatmet wird. Der Landesgesetzgeber ging seinerzeit davon aus, dass der Nebenstromrauch einer Zigarette mehr als 400 Inhaltsstoffe beinhaltet, von denen etwa 50 als potenzielle Kanzerogene gelten, dass der Tabakrauch die höchste Schadstoffbelastung der Innenraumluft verursacht und dass der Tabakrauch in Innenräumen oder am Arbeitsplatz bereits im Jahr 1998 von der Senatskommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft in die höchste Gefahrenstufe der Krebs erzeugenden Substanzen eingeordnet worden ist (vgl. Entwurf eines Niedersächsischen Gesetzes zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens, LT-Drs. 15/3765, S. 4).

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Der danach das Verbot zu rauchen auslösende "Tabakrauch" entsteht nicht nur bei der Verwendung von Tabak in Zigaretten, Zigarren und Pfeifen, sondern - entgegen der Auffassung des Antragstellers - auch bei der Verwendung von Tabak in Wasserpfeifen (auch genannt Shisha (arabisch), Nargileh (türkisch), Kalian (iranisch) oder Hookah (indisch); vgl. zur Historie und Etymologie: WHO, Tobacco use in shisha: studies on waterpipe smoking in Egypt, 2006, S. 7 und 10 - veröffentlicht unter apps.who.int/iris; Brockhaus Enzyklopädie, 19. Aufl., Band 23, S. 634 f. Stichwort "Wasserpfeife").

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"Tabakrauch" bezeichnet das Aerosol, das bei einer durch hohe Temperatur veranlassten thermo-chemischen Spaltung organischer Verbindungen des Tabaks entsteht. Diese thermo-chemische Spaltung des Tabaks erfolgt nicht nur in der Glutzone von Zigaretten, Zigarren und Pfeifen bei einem Abbrand des Tabaks in Temperaturbereichen zwischen 420 bis 500 °C (Pfeife), 580 bis 660 °C (Zigarre) oder 880 bis 920 °C (Zigarette). Die thermo-chemische Spaltung findet vielmehr auch hinter dem Glutkegel bei deutlich niedrigeren Temperaturen statt. In dieser sogenannten Rauchbildungszone wird der Tabak regelmäßig ohne Luft- und damit Sauerstoffzufuhr im Wege der Pyrolyse thermo-chemisch zersetzt (vgl. zu Vorstehendem: Falbe/Regitz (Hrsg.), Römpp-Lexikon Chemie, 10. Aufl., Band 6, S. 4371 ff. Stichwort "Tabakrauch"; Deutsches Krebsforschungszentrum, Regulierungsbedarf zum Schutz der Gesundheit: Empfehlungen für eine Prüfstrategie für Tabakzusatzstoffe, 2010, S. 2; Erhöhte Gesundheitsgefährdung durch Zusatzstoffe in Tabakerzeugnissen - Konsequenzen für die Produktregulation, 2005, S. 5 f. veröffentlicht unter www.dkfz.de). Hiernach entsteht Tabakrauch nicht nur bei der Verbrennung von Tabak. Hinreichend ist vielmehr, dass der Tabak derart hohen Temperaturen ausgesetzt ist, dass seine organischen Verbindungen thermo-chemisch gespalten und in einem Aerosol freigesetzt werden. Die hierfür erforderlichen Temperaturen werden bei Zigaretten, Zigarren und Pfeifen durch die Verbrennung des Tabaks selbst erzeugt. Auch in einer Wasserpfeife kann der Tabak selbst verbrannt werden. Dies ist zur Erzeugung von Tabakrauch in einer Wasserpfeife aber nicht zwingend notwendig. Vielmehr kann - wie auch bei den vom Antragsteller angebotenen Wasserpfeifen - der mit Tabak befüllte Pfeifenkopf der Wasserpfeife luftdurchlässig abgedeckt und auf diese Abdeckung, etwa eine mit Löchern versehene Aluminiumfolie oder ein besonderes Sieb, ein anderer Brennstoff als Tabak, regelmäßig Kokosnuss- oder Bambusholzkohle, aufgelegt werden. Ein unmittelbarer Kontakt dieses anderen Brennstoffs zum Tabak besteht nicht; der andere Brennstoff entzündet und verbrennt den auch Tabak nicht (vgl. zum Aufbau und zur Funktionsweise einer Wasserpfeife: Deutsches Krebsforschungszentrum, Wasserpfeife - die süße Versuchung, 2008, S. 1 - veröffentlicht unter www.dkfz.de; WHO, Tobacco use in shisha: studies on waterpipe smoking in Egypt, 2006, S. 10 f.). Die bei der Verbrennung des anderen Brennstoffs freigesetzte thermische Energie und die Rauchgase werden beim "Rauchen" der Wasserpfeife aber durch den in den Pfeifenkopf eingelegten Tabak gesogen. Hierdurch wird der in der Wasserpfeife verwendete Tabak hinreichend hohen Temperaturen ausgesetzt, um eine thermo-chemische Spaltung organischer Verbindungen des Tabaks (und auch eine Freisetzung der beigefügten Tabakzusatzstoffe, etwa Fruchtessenzen, Melasse und Glycerin) herbeizuführen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 4.11.2014 - 4 A 775/14 -, juris Rn. 27; Bundesinstitut für Risikobewertung, Ausgewählte Fragen und Antworten zu Wasserpfeifen, November 2016, S. 3 - veröffentlicht unter www.bfr.bund.de; Deutsches Krebsforschungszentrum, Wasserpfeife - die süße Versuchung, 2008, S. 2).

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Von dem so in einer Wasserpfeife erzeugten Tabakrauch gehen im Übrigen ähnliche Gesundheitsgefahren aus wie von dem durch eine Zigarette, Zigarre oder Pfeife erzeugten Tabakrauch. Für den Aktivraucher besteht aufgrund des hohen Nikotingehaltes auch beim Rauchen der Wasserpfeife ein hohes Abhängigkeitspotential. Die Filterung durch das Wasser schützt vor der Aufnahme erheblicher gesundheitsgefährdender Stoffmengen nicht. Koronare Herzerkrankungen treten gehäuft auf. Die krebserzeugenden Substanzen im Rauch der Wasserpfeife können, wie beim Zigarettenrauchen, Krebs in der Lunge, Mundhöhle und Harnblase auslösen. Auch die in der Tabakrauchbelastung der Raumluft liegenden Risiken des Passivrauchens bleiben bei einer Wasserpfeife nicht hinter denen von Zigaretten, Zigarren oder Pfeifen zurück. Die Belastung mit lungengängigen Partikeln der Größen PM2,5 und PM10 in der Innenraumluft von Gastronomiebetrieben, in denen Wasserpfeifen geraucht wurden, lagen teilweise deutlich über den für Zigaretten gemessenen Werten (vgl. Bundesinstitut für Risikobewertung, Ausgewählte Fragen und Antworten zu Wasserpfeifen, November 2016, S. 2 f.; Deutsches Krebsforschungszentrum, Wasserpfeife - die süße Versuchung, 2008, S. 2).

23

Das Inhalieren oder Einatmen des mit einer Wasserpfeife erzeugten Tabakrauchs in vollständig umschlossenen Räumlichkeiten von Gaststätten stellt sich danach als "Rauchen" im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 Nds. NiRSG dar. Am "Rauchen" fehlt es lediglich dann, wenn in einer Wasserpfeife gar kein Tabak verwendet wird (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 1.8.2013 - 4 B 608/13 -, juris Rn. 16 ff.; Bayerischer VGH, Beschl. v. 30.11.2010 - 9 CE 10.2468 -, juris Rn. 24 ff.; Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung namens der Landesregierung v. 31.7.2018 auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Stephan Bothe (AfD) v. 29.6.2018, LT-Drs. 18/1340, dort Nr. 2 Buchst. b; vgl. auch zum mangelnden "Rauchen" bei der Benutzung einer sogenannten E-Zigarette: OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 4.11.2014, a.a.O., Rn. 25 ff.; Müller, Elektronische Zigaretten - Arzneimittel und Gegenstand des Nichtraucherschutzrechts?, in: PharmR 2012, 137, 140 f. m.w.N.).

24

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen das sich danach ergebende Verbot, in vollständig umschlossenen Räumlichkeiten von Gaststätten Tabak in Wasserpfeifen zu rauchen, hegt der Senat nicht (vgl. hierzu BVerfG, Beschl. v. 2.8.2010 - 1 BvQ 23/10 -, juris Rn. 8 f.; Bayerischer VerfGH, Entsch. v. 13.9.2011 - Vf. 12-VII-10 -, juris Rn. 101 ff. in beiden Fällen Shisha-Bars betreffend).

25

Ausnahmen vom danach gegebenen Rauchverbot sind hier weder nach § 1 Abs. 2 Satz 1 noch nach § 2 Abs. 2 oder Abs. 3 Nds. NiRSG eröffnet.

26

(b) Der Antragsteller ist als Betreiber der Gaststätte nach § 3 Satz 1 Nr. 2 Nds. NiRSG für die Einhaltung des Rauchverbots verantwortlich. Aufgrund der Nichteinhaltung kann er als Verhaltensstörer im Sinne des § 6 Abs. 1 Nds. SOG in Anspruch genommen werden.

27

(c) Die Antragsgegnerin hat das §§ 11, 5 Abs. 1 Nds. SOG eröffnete Ermessen erkannt und ausgeübt. Nach § 114 Satz 1 VwGO relevante Ermessensfehler sind für den Senat derzeit nicht ersichtlich.

28

b. Es besteht auch tatsächlich ein besonderes Interesse am sofortigen Vollzug der Untersagungsverfügung im Bescheid der Antragsgegnerin vom 14. März 2018.

29

Die sofortige Einstellung der Verwendung von Tabak in den vom Antragsteller in den umschlossenen Räumlichkeiten seiner Gaststätte angebotenen Wasserpfeifen ist zum Schutz der menschlichen Gesundheit vor den Gefahren des Passivrauchens erforderlich und daher mit Blick auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG von überragend wichtigen Gemeinwohlbelangen getragen (vgl. BVerfG, Urt. v. 30.7.2008 - 1 BvR 3262/07 u.a. -, BVerfGE 121, 317, 350 m.w.N.). Darüber hinaus dient sie dem Schutz vor Wettbewerbsverzerrungen, da die verbotswidrige Verwendung von Tabak in Wasserpfeifen dem Antragsteller einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Inhabern von Gaststätten vermitteln könnte, die sich an das gesetzliche Rauchverbot halten.

30

Dass diese Interessen am sofortigen Vollzug mit den öffentlichen Interessen am Erlass und der Durchsetzung der Untersagungsverfügung als solcher übereinstimmen (vgl. zu den mit dem Rauchverbot verfolgten öffentlichen Interessen des Schutzes der Gesundheit vor den Gefahren des Passivrauchens und des Schutzes vor Wettbewerbsverzerrungen: Entwurf eines Niedersächsischen Gesetzes zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens, LT-Drs. 15/3765, S. 4 und 11), steht der Annahme eines besonderen Vollzugsinteresses nicht entgegen. Die Untersagung dient der Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und ist auf den Schutz überragend wichtiger Gemeinwohlbelange gerichtet. Das öffentliche Interesse an einer effektiven Gefahrenabwehr begründet für sich ein hinreichendes besonderes Interesse an einer sofortigen Vollziehung (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 15.1.2008 - 3 M 196/07 -, juris Rn. 5; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 20.9.2006 - 8 ME 115/06 -, juris Rn. 21 ff.; Finkelnburg/Dombert/Külpmann, a.a.O., Rn. 759 jeweils m.w.N.).

31

c. Die bei einem Aufschub des Vollzugs eintretenden konkreten Nachteile für die gefährdeten Rechtsgüter überwiegen die den Antragsteller treffenden Folgen der sofortigen Vollziehung.

32

Bei einem Aufschub des Vollzugs bis zur Entscheidung in der Hauptsache dürfte der Antragsteller weiterhin Tabak in den in seiner Gaststätte angebotenen Wasserpfeifen verwenden. Die mit dem Rauchen dieser Wasserpfeifen verbundenen Gefahren des Passivrauchens für die menschliche Gesundheit würden irreparabel realisiert. Auch die befürchteten Wettbewerbsverzerrungen und die hiermit verbundenen nachteiligen Folgen für Mitbewerber könnten unabänderlich eintreten.

33

Diesen erheblichen konkreten Nachteilen auch für überragend wichtige Rechtsgüter stehen schwerwiegende Folgen für den Antragsteller bei einer sofortigen Vollziehung nicht gegenüber. Zwar wird seine wirtschaftliche Betätigungsfreiheit beschränkt. Diese Beschränkung weist aber ein überschaubares Ausmaß auf und ist vom Antragsteller jedenfalls für die Dauer bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren hinzunehmen. Denn die Untersagung tangiert den Betrieb seiner Schankwirtschaft mit Alkoholausschank als solchen gar nicht. Und auch das Angebot von Wasserpfeifen wird ihm nicht generell untersagt, sondern nur die Verwendung von Tabak in diesen. Dem Antragsteller bleibt es daher unbenommen, die Wasserpfeifen in seiner Gaststätte zur tabakfreien Verwendung anzubieten.

34

2. Schließlich kommt auch eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegen die Androhung von Zwangsmitteln im Bescheid der Antragsgegnerin vom 14. März 2018 nicht in Betracht. Die Androhung erweist sich nach den Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung, die sich der Senat zu Eigen macht (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO) und die vom Antragsteller mit der Beschwerde nicht angegriffen worden sind, als rechtmäßig.

35

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

36

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.

37

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).