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Abschnitt 33.1 VV-LHO - (zu VV Nr. 3.1 zu § 55 LHO)

Bibliographie

Titel
Verwaltungsvorschriften zur Landeshaushaltsordnung (VV-LHO)
Amtliche Abkürzung
VV-LHO
Normtyp
Verwaltungsvorschrift
Normgeber
Niedersachsen
Gliederungs-Nr.
64100

Grundsätze für die Vergabe von Sachverständigenleistungen

1.
Anwendungsbereich

Sachverständigenleistungen sind entgeltliche Leistungen auf vertraglicher Basis, die dem Ziel dienen, im Hinblick auf konkrete Entscheidungssituationen der Auftraggeberin oder des Auftraggebers praxisorientierte Handlungsempfehlungen zu entwickeln und zu bewerten, den Entscheidungsträgern zu vermitteln und ggf. ihre Umsetzung zu begleiten. Dazu zählen insbesondere Gutachten, Evaluierungen, prozessbegleitende Beratungen und wissenschaftliche Untersuchungen (z. B. Studien). Von der Anwendung der Grundsätze ausgenommen sind:

  • Fälle, bei denen Haushaltsmittel bis zu 5 000 EUR ohne Umsatzsteuer erforderlich sind (Bagatellfälle),

  • Fälle einer Beauftragung von Auftragnehmern innerhalb der unmittelbaren niedersächsischen Landesverwaltung und in Fällen der öffentlich-öffentlichen Zusammenarbeit i. S. des § 108 GWB,

  • Fälle aufgrund besonderer gesetzlicher Vorgaben (z. B. BauGB, BVG, Sozialgesetzbücher, ZPO, StPO, VwGO, Handelsrecht),

  • Fälle technischer Gutachten, die entweder routinemäßig anfallen (z. B. für Baugrunduntersuchungen und statische Berechnungen), ohne dass gesetzliche Vorgaben den Einsatz externer Stellen vorschreiben, oder deren Kosten gemäß den §§ 20 und 21 Abs. 2 des Atomgesetzes als Auslagen erstattet werden,

  • Dienstleistungen in Zusammenhang mit der Planung oder Leitung von Baumaßnahmen, insbesondere Architekten- und Ingenieurleistungen,

  • Dolmetscherleistungen, medizinische Gutachten sowie Steuerberaterleistungen,

  • Wertermittlungen im Zusammenhang mit Immobiliengeschäften und Grundstücksangelegenheiten,

  • Fälle gerichtlicher Anordnung,

  • Fälle der Rechtsberatung im Zusammenhang mit gerichtlichen Prozessen oder vergleichbaren Verfahren,

  • Fälle der Inanspruchnahme von bereits abgeschlossenen Rahmenverträgen,

  • Fälle laufender Wartungs- und Pflegeverträge,

  • Verträge zur Beantwortung von ausschließlich technischen Fragestellungen zur Umsetzung von bereits beschlossenen Projekten,

  • Werkverträge, die keine gesondert vereinbarten Beratungsleistungen zum Gegenstand haben,

  • Gutachten- und Beraterverträge in untrennbarem Zusammenhang mit Forschungs- und Bildungsförderungsprojekten oder

  • Beratungen und Schulungen durch Dritte im Rahmen der Aus- und Fortbildung der Bediensteten.

2.
Verwaltungsmäßiges Entscheidungsverfahren - Wirtschaftlichkeit

Vor der Entscheidung, ob eine externe Sachverständigenleistung eingeholt und vergeben werden soll, sind folgende Prüfergebnisse in einem Ergebnisvermerk zu dokumentieren (siehe Anhang 1 [Prüfliste]):

2.1
Problem- und Zielbeschreibung

Die Sachverständigenleistung ist nachvollziehbar zu beschreiben und abzugrenzen:

  • Wie ist die aktuelle Situation zu bewerten (Analyse des Ist-Zustandes)?

  • Für welche Maßnahmen benötigt die Verwaltung welche Leistungen (Beschreibung des Anforderungsprofils, Informations- und Handlungsbedarf)?

  • Was soll in welchem Zeitrahmen erreicht werden (angestrebter Soll-Zustand, Zielbeschreibung)?

Hierbei sind Ziele und Maßstäbe so festzulegen, dass sie eine spätere Erfolgskontrolle ermöglichen.

2.2
Notwendigkeit externer Sachverständigenleistung

Nach Maßgabe des § 6 ist zunächst zu prüfen, ob der Informations- und Handlungsbedarf nach Nummer 2.1 zwingend unabweislich ist. Dies liegt insbesondere dann vor, wenn ein Handeln fachlich und zeitlich notwendig ist.

Aufgaben, die zum gewöhnlichen Tätigkeitsbereich der Verwaltungen (z. B. Beratung zu laufenden Rechtsfragen oder zu Vergabeverfahren, Personalauswahlverfahren, Mitarbeiterbefragungen, Beratung in Organisationsfragen, Erstellen und Auswertungen von Statistiken) gehören, sind grundsätzlich nicht extern zu vergeben. Auch wird eine Notwendigkeit nicht durch fehlende Personalkapazitäten begründet.

Bei regelmäßig wiederkehrenden und vergleichbaren Sachverständigenleistungen ist zu prüfen und zu dokumentieren, ob Fortbildungs- oder Qualifizierungsmaßnahmen für das vorhandene Personal der externen Beratung vorzuziehen sind.

Ferner ist zu prüfen, ob

  • es vergleichbare öffentliche Studien (z. B. durch Recherche in Datenbanken, beim Bund, beim Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages oder in anderen Bundesländern) gibt,

  • die benötigte Information nicht auf andere Weise, z. B. durch Dienststellen der Landesverwaltung (andere Ressorts, nachgeordnete Behörden, Hochschulen) gewonnen werden kann oder

  • der Beratungsumfang durch umfassende Auswertung bereits vorliegender Erkenntnisse begrenzt werden kann.

2.3
Wirtschaftlichkeitsuntersuchung

Vor der Vergabe von Sachverständigenleistungen ist eine angemessene Wirtschaftlichkeitsuntersuchung (§ 7 Abs. 2) durchzuführen. Dafür sind folgende Teilaspekte zu dokumentieren:

2.3.1
Relevante Handlungsalternativen und Lösungsmöglichkeiten

Mögliche Alternativen für die Umsetzung der Maßnahme müssen hinsichtlich ihrer Wirtschaftlichkeit verglichen werden. Dazu sind diese zu benennen und auf ihre Eignung zur Erreichung der gestellten Ziele zu prüfen. Die rechtlichen, organisatorischen und personellen Rahmenbedingungen sind dabei zu berücksichtigen, insbesondere:

  • Ist die Aufgabenerledigung aufgrund vorhandener Kenntnisse und durch Handeln eigener personeller Ressourcen der Verwaltung ganz oder teilweise möglich?

  • Welche Leistung durch eigenes Personal muss bei externer Vergabe berücksichtigt werden?

  • Ist eine gemeinsame Auftragsvergabe/Finanzierung mit anderen Stellen (z. B. Bund, anderes Land) möglich?

  • Kann oder muss die Infrastruktur der Landesverwaltung genutzt werden?

  • Sind Folgeaufträge geplant?

  • Gibt es zeitliche Vorgaben mit oder ohne finanzielle Auswirkung?

Relevante Handlungsalternativen sind nur dann als ungeeignet auszuschließen, wenn sie eine Zielerreichung nicht ausreichend gewährleisten, rechtlich unzulässig oder nicht realisierbar sind.

2.3.2
Wirtschaftlichkeitsberechnung

Für die verbleibenden Handlungsalternativen ist eine Wirtschaftlichkeitsberechnung (VV zu § 7) durchzuführen und eine vergleichende Darstellung über deren Kosten und Nutzen (einschließlich Folgekosten) nachzuweisen. Für nicht monetäre Aspekte kann eine Nutzwertanalyse durchgeführt werden.

2.3.3
Entscheidungsvorschlag

Aus dem Ergebnis muss ein Entscheidungsvorschlag abgeleitet werden. Dieser muss übersichtlich und plausibel feststellen, welche wirtschaftlichste Handlungsalternative das beabsichtigte Ziel in welchem Zeitraum erreicht.

Der geschätzte Auftragswert sowie die finanziellen Auswirkungen auf den Haushalt (einschließlich Folgekosten) sind darzustellen.

Bei der Durchführung einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchung ist immer auf deren Wirtschaftlichkeit selbst zu achten.

Aufwand und Nutzen müssen in einem angemessenen Verhältnis zueinanderstehen.

Besonders hohe Anforderungen werden an Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen für finanziell bedeutsame Maßnahmen bzw. solche mit erheblichen (z. B. volkswirtschaftlichen) Effekten gestellt.

Bei einer im Wesentlichen unveränderten Sach- oder Rechtslage kann auf vergleichbare Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen in der Vergangenheit zurückgegriffen werden.

Bei einmaligen Sachverständigenleistungen unter 50 000 EUR ohne Umsatzsteuer kann bei Durchführung der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung auf die Prüfung nach Nummer 2.3.2 verzichtet werden.

2.4
Beteiligung der oder des Beauftragten für den Haushalt

Liegt eine Maßnahme von finanzieller Bedeutung i. S. der VV Nr. 4 zu § 9 vor, ist die oder der Beauftragte für den Haushalt bei der Planung der Auftragsvergabe zu beteiligen.

3. Vergabeverfahren

3.1
Für die Vergabe einer Sachverständigenleistung ab Erreichen des EU-Schwellenwertes gelten die Regelungen des Teil 4 des GWB und des NTVergG (VV Nr. 1 zu § 55).

3.2
Für die Vergabe einer Sachverständigenleistung unterhalb des EU-Schwellenwertes, die im Rahmen einer freiberuflichen Tätigkeit erbracht oder im Wettbewerb mit freiberuflich Tätigen angeboten wird (freiberufliche Leistung), gelten die Regelungen der VV Nr. 2.2 zu § 55.

3.3
Handelt es sich bei Aufträgen nach Nummer 3.2 nicht um eine freiberufliche Leistung, gelten die Regelungen für die Vergabe von öffentlichen Dienstleistungsaufträgen (VV Nr. 2.1 zu § 55 oder NTVergG).

4. Vertragsgestaltung und Durchführung

4.1
Die Verträge sind schriftlich unter Beachtung des anliegenden Mustervertrages (siehe A n h a n g 2) abzuschließen. Soweit für einzelne Bereiche andere spezielle Vertragsmuster Anwendung finden sollen, ist zu gewährleisten, dass diese Verträge den Anforderungen des Mustervertrages genügen und ggf. entsprechend angepasst werden.

4.2
Die Leistungserbringung ist kontinuierlich zu begleiten und zu dokumentieren.

5.
Abnahme und Auswertung

5.1
Mit der Abnahme der Sachverständigenleistung (körperliche Entgegennahme des Arbeitsergebnisses) ist seitens der Auftraggeberin oder des Auftraggebers zu erklären, dass sie oder er die Leistung als in der Hauptsache vertragsgerecht anerkennt. Diese Abnahmeerklärung ist in den Akten zu dokumentieren.

Bei gravierenden Mängeln ist die Abnahme abzulehnen. Die Abnahme ist auf der Schlussrechnung zu vermerken.

5.2
Alle Sachverständigenleistungen müssen zeitnah nach ihrer Ablieferung dahingehend ausgewertet werden, ob die Leistungen den gestellten Anforderungen entsprechen (Soll-Ist-Vergleich). Das Ergebnis der Prüfung ist zu dokumentieren. Es ist außerdem festzuhalten, aus welchen Gründen ggf. Empfehlungen der oder des externen Sachverständigen nicht gefolgt werden soll, wer dies entschieden hat und zu welchem Zeitpunkt die Entscheidung getroffen wurde.

6.
Meldeverfahren

Der Abschluss von Verträgen über Sachverständigenleistungen ist zum 31. Januar eines jeden Jahres für das abgelaufene Kalenderjahr durch die Beauftragte für den Haushalt oder den Beauftragten für den Haushalt der auftraggebenden Dienststelle über die Beauftragte für den Haushalt oder den Beauftragten für den Haushalt der jeweils zuständigen obersten Landesbehörde dem MF anzuzeigen.

Auftragsvergaben, die den unausforschbaren Kernbereich der LReg (nicht offenbarungs-pflichtiger Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich der LReg zur Wahrung der Funktions- und Arbeitsfähigkeit) berühren, sind als solche kenntlich zu machen.

Auftragsvergaben oberhalb einer Auftragssumme von 50 000 EUR (ohne Umsatzsteuer) sind nach dem Muster (siehe Anhang 3) anzuzeigen.

Auftragsvergaben bis zu einer Auftragssumme von 50 000 EUR (ohne Umsatzsteuer) sind unter Angabe der Anzahl der Fälle und unter Angabe einer Gesamtsumme zu melden.

Das MF unterrichtet den Ausschuss für Haushalt und Finanzen des LT jährlich durch Vorlage der ihm für das abgelaufene Kalenderjahr übermittelten Meldungen über die oberhalb einer Betragsgrenze von 50 000 EUR (ohne Umsatzsteuer) liegenden Verträge.