Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 24.11.2021, Az.: 1 ME 136/21
Bestimmtheit; Verwaltungsvollstreckung; Zwangsgeldandrohung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 24.11.2021
- Aktenzeichen
- 1 ME 136/21
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2021, 71058
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 02.09.2021 - AZ: 2 B 15/21
Rechtsgrundlagen
- § 70 SOG ND
- § 37 VwVfG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Eine fehlerhaft bezeichnete Grundverfügung in einer Zwangsgeldandrohung ist unschädlich, wenn keine Verwechslungsgefahr besteht und der Betroffene daher zweifelsfrei erkennen kann, welche Verfügung gegen ihn vollstreckt und was von ihm verlangt wird.
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Osnabrück - 2. Kammer - vom 2. September 2021 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 1.875 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen eine Zwangsgeldandrohung hinsichtlich einer bauordnungsrechtlichen Beseitigungsverfügung.
Mit Bescheid vom 7. April 2016 verfügte die Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller als damaligem Alleineigentümer des in ihrem Stadtgebiet gelegenen Grundstücks D. 1 (Flurstück 1/18, Flur 216, Gemarkung A-Stadt) unter anderem die Entfernung des auf dem Grundstück befindlichen Hotelrohbaus (Ziffer 1. der Verfügung) und setzte hierfür eine Frist von acht Wochen nach Eintritt der Bestandskraft. Das nach erfolglosem Widerspruchsverfahren eingeleitete gerichtliche Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Osnabrück wurde nach Klagerücknahme mit Beschluss vom 9. September 2019 eingestellt.
Mit notariellem Vertrag vom 30. Dezember 2020 veräußerte der Antragsteller 89,9/100 seiner Eigentumsanteile einer ca. 4.800 m² großen Teilfläche seines o.g. Grundstücks an die E. haftungsbeschränkt (im Folgenden: UG); auf der veräußerten Teilfläche befindet sich der Hotelrohbau. Die Teilung des Grundstücks in die Flurstücke 1/21 (778 m² Erholungsfläche) und 1/22 (4.722 m² Gebäude- und Freifläche) wurde am 22. Februar 2021 in das Grundbuch eingetragen. Die Übertragung von 89,9/100 Eigentumsanteilen am Flurstück 1/22 an die UG wurde am 18. Juni 2021 in das Grundbuch eingetragen.
Die Antragsgegnerin drohte dem Antragsteller mit Bescheid vom 27. Mai 2021 ein Zwangsgeld in Höhe von 7.500 EUR für den Fall an, dass er der Ziffer 1. ihrer „Verfügung vom 24.03.2016“ nicht bis zum 23. Juli 2021 nachkomme. Hiergegen hat der Antragsteller Widerspruch erhoben, über den nach Aktenlage noch nicht entschieden wurde.
Den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs hat das Verwaltungsgericht Osnabrück mit Beschluss vom 2. September 2021 abgelehnt und ausgeführt, die Zwangsgeldandrohung sei rechtmäßig, insbesondere hinreichend bestimmt. Dem stehe nicht entgegen, dass in der Zwangsgeldandrohung eine falsche Grundverfügung bezeichnet sei, denn dem genannten Betreff und dem Kontext lasse sich mit hinreichender Sicherheit entnehmen, dass die Verfügung vom 7. April 2016 gemeint sei. Darüber hinaus habe die Antragsgegnerin ihr Vollstreckungsrecht nicht verwirkt. Eine Verwirkung komme nur bei verzichtbaren subjektiven Rechten in Betracht. Zudem lägen weder das Zeit- noch das Umstandsmoment einer Verwirkung vor, denn der Grundverwaltungsakt sei erst seit dem 9. September 2019 bestandskräftig. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin in den letzten zwei Jahren zu erkennen gegeben habe, auf eine Beseitigung des Hotelrohbaus verzichten zu wollen. Dass die Nutzung des Hotelrohbaus zum sozialen Wohnungsbau zwischenzeitlich auf Vorschlag des Antragstellers in politischen Gremien diskutiert worden sei, genüge hierfür nicht. Die Inanspruchnahme des Antragstellers sei zudem frei von Ermessensfehlern, denn er sei sowohl als Miteigentümer als auch als Bauherr weiterhin baurechtlich verantwortlich. Eine Überleitungs- und Duldungsverfügung gegenüber der UG sei nicht erforderlich gewesen. Dass der Antragsteller im Übrigen nicht über die finanziellen Mittel für den Abriss verfüge, habe er nur pauschal behauptet; zudem habe er 160.000 EUR aus der Veräußerung erhalten.
Hiergegen richtete sich die vom Antragsteller erhobene Beschwerde, der die Antragsgegnerin entgegentritt.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Die Beschwerde ist entgegen der Annahme der Antragsgegnerin zulässig, insbesondere enthält sie einen (hinreichend) bestimmten Antrag. Dem letzten Absatz des Beschwerdeschriftsatzes vom 1. Oktober 2021 lässt sich entnehmen, dass der Antragsteller die Aufhebung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses und die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs begehrt.
Die Beschwerde ist aber unbegründet. Die darlegten, fristgemäßen Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine Änderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses.
1.
Die Zwangsgeldandrohung ist hinreichend bestimmt. Gemäß § 1 Abs. 1 NVwVfG i.V.m. § 37 Abs. 1 VwVfG muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Erforderlich ist insoweit, dass der Inhalt der getroffenen Regelung, gegebenenfalls im Zusammenhang mit der Begründung, für die Beteiligten, insbesondere für den Adressaten, so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein muss, dass diese ihr Verhalten danach richten können und dass auch die mit dem Vollzug betrauten oder sonst mit der Angelegenheit befassten Behörden und deren Organe den Inhalt etwaigen Vollstreckungsmaßnahmen oder sonstigen weiteren Entscheidungen zugrunde legen können (vgl. nur Ramsauer in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Auflage 2019, § 37 Rn. 5 m.w.N.). Die Erkennbarkeit des Inhalts der Regelung aufgrund einer Auslegung des Verwaltungsakts genügt in der Regel. Im Falle von Vollstreckungsmaßnahmen ist erforderlich, dass der Betroffene erkennen kann, wegen was gegen ihn vollstreckt wird und was von ihm verlangt wird. Im Falle einer Zwangsgeldandrohung bedeutet dies, dass für den Betroffenen erkennbar ist, für welchen Verstoß gegen welche einzelne Pflicht ein Zwangsgeld in welcher Höhe angedroht ist (vgl. u.a. BVerwG, Gerichtsbescheid v. 26.6.1997 - 1 A 10.95 -, DVBl 1998, 230 = NVwZ 1998, 393 = juris Rn. 35; Senatsurt. v. 21.1.1999 - 1 L 2065/96 -, BRS 62 Nr. 114 = BauR 1999, 882 = juris Rn. 14). Für die Zwangsgeldandrohung konkretisiert § 70 Abs. 1 NVwVG i.V.m. § 70 Abs. 5 NPOG das Bestimmtheitsgebot zudem insoweit, als das Zwangsgeld in bestimmter Höhe anzudrohen ist.
Diesen Bestimmtheitsanforderungen genügt die Zwangsgeldandrohung vom 27. Mai 2021. Der Senat folgt insoweit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). In dem angefochtenen Bescheid wird ein Zwangsgeld in Höhe von 7.500 EUR für den Fall angedroht, dass der Antragsteller der Ziffer 1. der „Verfügung vom 24.03.2016“ nicht bis zum 23. Juli 2021 nachkommt. Der Antragsteller kann hieraus trotz der fehlerhaft bezeichneten Grundverfügung ohne weiteres erkennen, für welchen Fall der Nichterfüllung ihm ein Zwangsgeld droht. Insbesondere ist aufgrund des in der Zwangsgeldandrohung genannten Betreffs („Verstoß gegen das öffentliche Baurecht; hier: Notwendiger Rückbau des Hotelrohbaus“), der wortgleich mit dem in der Beseitigungsverfügung vom 7. April 2016 genannten Betreff ist, deutlich erkennbar, dass entgegen der im Text bezeichneten Verfügung die Ziffer 1. der (bestandskräftigen) Beseitigungsverfügung vom 7. April 2016 gemeint ist; diese stellt auch die einzige Rückbauanordnung in dieser Sache gegen den Antragsteller dar.
2.
Entgegen den Ausführungen des Antragstellers erweist sich die Androhung des Zwangsgeldes auch nicht als treuwidrig. Soweit der Antragsteller auf wiederholte Zusagen seitens der Antragsgegnerin verweist und ausführt, die Antragsgegnerin habe das Grundstück im Sommer 2020 selbst für Wohnungsbebauung erwerben wollen, führt dies zu keiner abweichenden Entscheidung. Aus zwischenzeitlichen politischen Diskussionen über eine mögliche Nutzung des Rohbaus kann der Antragsteller nicht schließen, die (bestandskräftige) Beseitigung werde nicht mehr weiterverfolgt. Selbst wenn der Vorschlag des Antragstellers in den politischen Gremien Anklang gefunden haben sollte, so schafft allein dieser Umstand kein Vertrauen dahingehend, dass die Antragsgegnerin die (bestandskräftige) Beseitigung nicht mehr - ggf. mit Zwangsmitteln - durchsetzen wird. Schriftliche Zusicherungen (vgl. § 1 Abs. 1 NVwVG i.V.m. § 38 Abs. 1 Satz 1 VwVfG) hat der Antragsteller zu keinem Zeitpunkt erhalten. Auch andere Anhaltspunkte für eine aktive Duldung fehlen.
3.
Soweit der Antragsteller schließlich einwendet, es hätte einer Verfügung gegenüber der UG bedurft, da der Grundverwaltungsakt zwar auf den Rechtsnachfolger übergehe, dies aber nicht für Vollstreckungsmaßnahmen gelte, dringt er hiermit nicht durch.
Entgegenstehende Rechte Dritter bestehen nicht. Insbesondere bedurfte es einer Duldungsverfügung gegenüber der UG nicht, denn die Beseitigungsverfügung wirkt auch gegen sie als neue (Mit-)Eigentümerin. Diese Geltung tritt unmittelbar kraft Gesetzes ein und verpflichtet die UG in gleicher Weise wie den Antragsteller zur Beseitigung des Rohbaus. Aufgrund der wirksamen Beseitigungsverpflichtung ist die UG zugleich gehindert, den Antragsteller an der Beseitigung zu hindern. Sie muss es - dies ist als „minus“ in der Beseitigungsverpflichtung enthalten - dulden, dass der Antragsteller der Verfügung vom 7. April 2016 nachkommt, ohne dass es des Erlasses einer Duldungsverfügung bedarf (hierzu bereits Senatsbeschl. v. 17.7.2014 - 1 ME 84/14 -, BRS 82 Nr. 208 = BauR 2014, 2079 = juris Rn. 8).
Auch einer Überleitungsverfügung bedurfte es nicht. Eine solche wäre nur erforderlich gewesen, sofern die Antragsgegnerin gegenüber der UG vollstrecken wollte (vgl. hierzu u.a. Senatsbeschl. v. 17.7.2014 - 1 ME 84/14 -, BRS 82 Nr. 208 = BauR 2014, 2079 = juris Rn. 7 m.w.N.). Vorliegend vollstreckt die Antragsgegnerin aber gegenüber dem Antragsteller als weiterhin nach § 56 Satz 1 NBauO sowie § 52 Abs. 1 NBauO baurechtlich Verantwortlichem.
Im Übrigen zeigt der Antragsteller mit seinem Beschwerdevorbringen Ermessensfehler nicht auf.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung, die der Streitwertannahme des Verwaltungsgerichts folgt, beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).