Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 12.11.2021, Az.: 2 ME 172/21
Corona-Pandemie; Distanzunterricht; Präsenzunterricht; Schulbildung; Testobliegenheit; Testpflicht Distanzunterricht; Wechselunterricht
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 12.11.2021
- Aktenzeichen
- 2 ME 172/21
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2021, 71048
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 04.10.2021 - AZ: 4 B 85/21
Rechtsgrundlagen
- Art 2 Abs 1 GG
- Art 7 Abs 1 GG
- § 16 Abs 3 CoronaVV ND
- § 63 Abs 1 S 1 SchulG ND
- § 64 Abs 1 S 1 SchulG ND
- § 69 Abs 1 SchulG ND
- Art 4 Abs 4 Verf ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Die an den Präsenzunterricht gebundene Testpflicht für Schülerinnen und Schüler in Niedersachsen ist nach summarischer Prüfung mit höherrangigem Recht vereinbar.
2. Die Schülerinnen und Schüler, die der Testverpflichtung nicht nachkommen, haben voraussichtlich keinen Anspruch auf Beschulung im Wege des Distanzunterrichts.
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Lüneburg - 4. Kammer - vom 4. Oktober 2021 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die vorläufige Gewährung von Distanzunterricht während einer schulischen Testpflicht und die vorläufige Feststellung, dass er seiner Schulpflicht durch die Teilnahme am Distanzunterricht während dieser Zeit gerecht wird.
Der Antragsteller besucht zurzeit den 2. Schuljahrgang der Antragsgegnerin, einer Grundschule. Seine Eltern und er lehnen die an den Schulen gemäß § 16 Abs. 3 der Niedersächsischen Verordnung über infektionspräventive Schutzmaßnahmen gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 und dessen Varianten vom 24. August 2021 (Nds. GVBl. S. 583), zuletzt geändert durch Verordnung vom 9. November 2021 - im Folgenden: Nds. Corona-Verordnung - angeordneten wöchentlichen Selbsttestungen ab. Daher meldeten seine Eltern den Antragsteller mit an die Antragsgegnerin gerichtetem Schreiben vom 1. September 2021 von der Schule ab. Diese wies die Eltern des Antragstellers auf die bestehende Schulpflicht hin. Nachdem der Antragsteller mit anwaltlichem Schreiben vom 10. September 2021 erfolglos einen Antrag auf Distanzunterricht und Bereitstellung der Unterrichtsunterlagen während der Corona-Pandemie gestellt hatte, weil er die aus seiner Sicht in der Schule bestehende Test-Obliegenheit ablehne, hat er beim Verwaltungsgericht Klage (4 A 349/21) erhoben und zugleich zum einen beantragt, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung bis zur Entscheidung in der Hauptsache vorläufig zu verpflichten, ihm die Teilnahme am Unterricht durch Gewährung von Distanzunterricht während des Vorliegens einer schulischen Testpflicht zu ermöglichen und die jeweiligen Unterrichtsmaterialien zur Verfügung zu stellen, sowie zum anderen vorläufig festzustellen, dass er seiner Schulpflicht durch die Teilnahme am Distanzunterricht während des Vorliegens einer schulischen Testpflicht gerecht werde.
Mit Beschluss vom 4. Oktober 2021 hat das Verwaltungsgericht diesen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt. Hiergegen führt der Antragsteller seine Beschwerde, mit der er seine erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt.
II.
Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg. Die Beschwerdebegründung, die nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO den Prüfungsumfang des Senats bestimmt, rechtfertigt keine Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses.
Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, der Antragsteller habe einen Anordnungsanspruch insgesamt nicht glaubhaft gemacht. Er habe nach der vorzunehmenden summarischen Prüfung keinen Anspruch darauf, im Distanzunterricht beschult zu werden, solange schulische Testungen angeordnet seien. Ein derartiger Anspruch ergebe sich nicht aus den Regelungen des Niedersächsischen Schulgesetzes. Der Antragsteller sei nach §§ 63 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 1 Satz 1 NSchG schulpflichtig und daher verpflichtet, regelmäßig an den Unterrichtsstunden und den übrigen verbindlichen Veranstaltungen der Schule teilzunehmen. Die Schulpflicht sei als Pflicht zur Teilnahme am Präsenzunterricht ausgestaltet. Ein Fall des § 69 Abs. 1 NSchG, wonach infolge einer längerfristigen Erkrankung Unterricht in angemessenem Umfang zu Hause oder im Krankenhaus erteilt werden könne, liege unstreitig nicht vor. Eine darüberhinausgehende Befreiung vom Präsenzunterricht sei im Niedersächsischen Schulgesetz nicht vorgesehen. Auch ein Fall der Ziffer 3.2.1 der Ergänzenden Bestimmungen zum Rechtsverhältnis zur Schule und zur Schulpflicht (RdErl. d. MK v. 1.12.2016 - 26 - 83100, SVBl. 12/2016 S. 705, VORIS 22410) liege nicht vor. Auf der Grundlage dieses Runderlasses werde ein besonders begründeter Ausnahmefall nach der von der Schulverwaltung geübten Verwaltungspraxis angenommen, wenn die Schülerin oder der Schüler glaubhaft mache, dass er oder sie selbst einer Risikogruppe angehöre oder mit einem Angehörigen, der einer Risikogruppe angehöre oder sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen könne oder trotz Impfung risikobelastet sei, in einem gemeinsamen Haushalt zusammenlebe. Zum einen habe der Antragsteller bereits keine Gefährdung in Abhängigkeit von einer besonderen Vulnerabilität geltend gemacht. Zum anderen entspreche die Rechtsfolge der Regelung nicht dem Begehren des Antragstellers. Denn der Runderlass sehe als Rechtsfolge lediglich die befristete Aufhebung der Pflicht zur Teilnahme am Präsenzunterricht vor, während das Begehren des Antragstellers darauf gerichtet sei, an einem umorganisierten Unterricht in Gestalt des Distanzunterrichts teilzunehmen. Ein dahingehender Anspruch des Antragstellers folge auch nicht aus den Grundrechten. Eine Verletzung der staatlichen Verpflichtung zum Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG sei nicht zu erkennen. Dem Normgeber komme insoweit ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu, wobei er insbesondere anderen grundrechtlich geschützten Freiheiten Rechnung zu tragen und etwaig auftretende Konflikte aufgrund kollidierender Grundrechtspositionen im Wege einer praktischen Konkordanz aufzulösen habe. Eine Verletzung der staatlichen Schutzpflicht liege daher nur dann vor, wenn Schutzvorkehrungen entweder überhaupt nicht getroffen worden seien, wenn die getroffenen Regelungen und Maßnahmen offensichtlich ungeeignet oder völlig unzulänglich seien, das gebotene Schutzziel zu erreichen, oder wenn sie erheblich hinter dem Schutzziel zurückblieben. Ein vollkommener Schutz vor jeglicher Gesundheitsgefahr sei aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht geboten; dies gelte im Zusammenhang mit dem Coronavirus umso mehr, als ein gewisses Infektionsrisiko für die Gesamtbevölkerung derzeit zum allgemeinen Lebensrisiko gehöre. Die von der Antragsgegnerin auf der Grundlage der geltenden Regelungen getroffenen Schutzvorkehrungen wie das Abstandsgebot, das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckung, das Kohorten-Prinzip, die Testungen, das Lüften und die Vorgaben zur Reinigung der Räume und Ausstattung entsprächen dem gebotenen Schutzniveau. Eine Pflicht der Schulverwaltung zum Wechsel- oder Distanzunterricht bestehe zum derzeitigen Zeitpunkt nicht. Dem gegenwärtigen Anstieg der 7-Tage-Inzidenz in der Altersgruppe der Fünf- bis 14-Jährigen stehe ein vergleichbar hoher Wert altersgruppenidentischer Hospitalisierungen nicht gegenüber. Die Antragsgegnerin trage auch dem mit dem Recht auf körperliche Unversehrtheit und dem Recht auf allgemeine Handlungsfreiheit des Antragstellers aus Art. 2 Abs. 1 GG kollidierenden Bildungsauftrag des Staates gemäß Art. 7 Abs. 1 GG und dem Bildungsanspruch jedes einzelnen Kindes hinreichend Rechnung. Gerade mit Blick auf das Ziel des staatlichen Bildungsauftrags, neben der reinen Wissensvermittlung auf die Heranbildung verantwortlicher Staatsbürger und die Förderung sozial-emotionaler Kompetenzen hinzuwirken, bestehe ein öffentliches Interesse an der Durchführung des Präsenzunterrichts. Der Aufrechterhaltung des Präsenzunterrichts dienten gerade auch die angeordneten schulischen Testungen. Diese Anordnung sei ungeachtet der Frage, ob überhaupt ein Eingriff in das Recht auf körperliche Unversehrtheit gegeben sei, rechtmäßig, da die Durchführung der Selbsttests allenfalls eine geringfügige Beeinträchtigung darstelle und zum Zweck der Eindämmung der Corona-Pandemie und der Gewährleistung des Präsenzunterrichts gerechtfertigt sei. Ein Anspruch des Antragstellers auf Distanzunterricht ergebe sich auch nicht aus dem Recht auf Bildung gemäß Art. 14 Abs. 1 GRCh und auf chancengleiche Schulbildung. Dem insoweit gegebenen Anspruch, dass der einzelnen Schülerin und dem einzelnen Schüler überhaupt Lerninhalte zur Verfügung gestellt würden und sie oder er nicht gänzlich vom Unterrichtsangebot ausgeschlossen werde, genüge die Antragsgegnerin dadurch, dass sie dem Antragsteller Lernaufgaben zur Verfügung stelle.
Das hiergegen gerichtete Beschwerdevorbringen des Antragstellers bleibt erfolglos.
Soweit der Antragsteller einwendet, das Verwaltungsgericht habe die Rechtslage unvollständig gewürdigt, weil der Begriff der „Schulbesuchspflicht“ in der „moderne(n) Zeit des Internets und (der) stetig neue(n) und existente(n) Gefahr von Viren und Krankheiten“ in verfassungskonformer Auslegung auch den Distanzunterricht umfasse, dringt er nicht durch. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass die in § 63 Abs. 1 NSchG normierte Schulpflicht als Pflicht zur Teilnahme am Präsenzunterricht ausgestaltet ist (Senatsbeschl. v. 26.9.2019 - 2 ME 640/19 -, juris Rn. 9; vgl. hierzu auch NdsOVG, Beschl. v. 30.4.2020 - 13 MN 131/20 -, juris Rn. 27), wobei nach § 69 Abs. 1 NSchG eine Ausnahme infolge einer längerfristigen Erkrankung vorgesehen ist. Hieran hält der Senat auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens des Antragstellers fest. Insbesondere gilt dies, soweit der Antragsteller auf die Möglichkeiten der Informationstechnologie verweist. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der Bildungsauftrag des Staates aus Art. 7 Abs. 1 GG nicht nur auf die reine Wissensvermittlung, sondern mit Blick auf § 2 Abs. 1 NSchG insbesondere auch auf die Heranbildung verantwortlicher Staatsbürger und die Förderung sozial-emotionaler Kompetenzen abzielt. Diese Ziele können unter ausschließlicher Zuhilfenahme der modernen technischen Möglichkeiten nicht in gleichem Maße wie im Fall einer physischen Anwesenheit in der Schule verwirklicht werden. Der Hinweis des Antragstellers, dass in zahlreichen „Sparten des alltäglichen beruflichen Lebens“ Termine und Veranstaltungen mit technischen Hilfsmitteln mit Erfolg online durchgeführt werden, bezieht sich demgegenüber auf Erwachsene und gerade nicht auf Kinder und Jugendliche, die sich noch in der Persönlichkeitsentwicklung befinden.
Der Einwand des Antragstellers, das Verwaltungsgericht habe sich im Rahmen der Prüfung, ob ein Ausnahmefall zu seinen Gunsten auf der Grundlage der Ermessensregelung in Ziffer 3.2.1 des Runderlasses des Niedersächsischen Kultusministeriums „Ergänzende Bestimmungen zum Rechtsverhältnis zur Schule und zur Schulpflicht“ vom 1. Dezember 2016 (- 26-83100, SVBl. 12/2016, S. 705, VORIS 22410) gegeben sei, auf die geübte Verwaltungspraxis einer besonderen Vulnerabilität des Schülers oder der Schülerin oder eines Haushaltsangehörigen während der Corona-Pandemie beschränkt und zu Unrecht nicht auf den Sinn und Zweck einer solchen Regelung abgestellt, verhilft der Beschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg. Nach Satz 2 der genannten Ziffer des Runderlasses ist eine Befreiung vom Besuch der Schule lediglich in besonders begründeten Ausnahmefällen und nur auf rechtzeitigen schriftlichen Antrag möglich. Entgegen der Ansicht des Antragstellers kann diese Regelung teleologisch nicht in der Weise ausgelegt werden, dass während der Corona-Pandemie eine Ermessensreduzierung auf Null eingetreten ist mit dem Ergebnis der voraussetzungslosen Befreiung vom Präsenzunterricht und der Bewilligung von Distanzunterricht. Diese Regelung ist ausdrücklich auf „besonders begründete Ausnahmefälle“ beschränkt und stellt mithin ersichtlich auf die Besonderheiten des Einzelfalls ab. Daher ist gegen die auf dieser Grundlage geübte Verwaltungspraxis der Schulbehörden des Landes Niedersachsen während der Corona-Pandemie nichts zu erinnern (vgl. zur Rechtslage in Nordrhein-Westfalen OVG NRW, Beschl. v. 22.9.2021 - 19 B 1458/21 -, juris Rn. 10 ff.).
Soweit der Antragsteller in seiner Beschwerdebegründung weiter anführt, es gebe keine überwiegenden öffentlichen Gesundheitsinteressen, die es rechtfertigten, anlasslos ohne konkrete Infektionsverdachtsmomente schulische Testungen mehrmals in der Woche vornehmen zu lassen, und diese Testungen angesichts aus seiner Sicht ausreichend anderer Hygienemaßnahmen in der Schule nicht für notwendig erachtet, stellt er ohne Erfolg die Rechtmäßigkeit der Testpflicht für Schülerinnen und Schüler in § 16 Abs. 3 der Nds. Corona-Verordnung infrage. Das Verwaltungsgericht hat unter Hinweis auf aktuelle obergerichtliche Rechtsprechung zutreffend ausgeführt, dass die von der Antragsgegnerin auf der Grundlage der geltenden Regelungen getroffenen Schutzvorkehrungen - die auch aktuell noch zu beachten sind - wie das Kohortenprinzip, das Abstandsgebot, das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung, das Lüften und die Vorgaben zur Reinigung der Räume und insbesondere die regelmäßigen Selbsttestungen den bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Ausbreitung des Coronavirus entsprechen und mithin nicht ungeeignet oder völlig unzulänglich sind. Dieser Einschätzung hat sich der Senat bereits in der jüngsten Vergangenheit angeschlossen und hält hieran auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens fest (vgl. Senatsbeschl. v. 16.7.2021 - 2 ME 120/21 -). Der Antragsteller verkennt, dass dem Normgeber insoweit ein - worauf bereits das Verwaltungsgericht zu Recht hingewiesen hat - Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zukommt. Die Anordnung von regelmäßigen wöchentlichen Selbsttests von Schülerinnen und Schüler außerhalb der Schulferien stellt sich dabei als ein wesentlicher Baustein des Schutzregimes dar. Denn gerade die Kinder und Jugendlichen im schulpflichtigen Alter gehören nach gegenwärtigem Erkenntnisstand zu der Personengruppe, die das Coronavirus verbreitet, während bei ihnen meist keine oder nur milde Symptome auftreten, sodass eine Infektion und damit die Gefahr einer Weiterverbreitung ohne eine Testung oft nicht erkannt wird. Es geht bei der Testpflicht daher nicht so sehr um den Schutz der Schülerinnen und Schüler, sondern mehr um den Schutz der übrigen Bevölkerung.
Dass gegenwärtig ein großer Prozentsatz der erwachsenen Bevölkerung bereits doppelt geimpft ist, rechtfertigt keine andere Einschätzung. Denn zum einen ist ein nicht unwesentlicher Teil dieser Bevölkerungsgruppe noch nicht geimpft und zum anderen schützt eine Impfung nach gegenwärtigem Erkenntnisstand nicht zuverlässig vor einer erneuten Ansteckung - hier: durch schulpflichtige Kinder und Jugendliche - und einer damit verbundenen Gefahr einer eigenen Erkrankung und der Weiterverbreitung des Coronavirus. Und schließlich bedarf es bei dieser Gruppe gerade gegenwärtig einer Auffrischungsimpfung, um einen zuverlässigen (Eigen-)Schutz zu gewährleisten.
Dass Kinder im Kindergartenalter anders als Schülerinnen und Schüler nicht einer Testpflicht unterliegen, ist sachlich gerechtfertigt und stellt daher keinen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG dar. Es mag zwar sein, dass Kindergartenkinder - wie der Antragsteller vorträgt - weit „mehr herumtollen“, die gesundheitlichen Auswirkungen einer Infektion mit dem Coronavirus sind aber nach wissenschaftlichen Erkenntnissen umso geringer, je jünger die Kinder sind. Entscheidend kommt hinzu, dass die genannten Gruppen hinsichtlich der Ansteckungsgefahr Dritter nicht vergleichbar sind. Die einzelnen Gruppen in den Kindergärten sind kleiner als die Klassen in den Schulen und haben lediglich eine oder zwei feste Bezugspersonen. Daher begegnet es rechtlich keinen Bedenken, dass der Normgeber diese beiden Personengruppen unterschiedlich behandelt. Hinzu kommt, dass der Schulbesuch im Gegensatz zum Besuch eines Kindergartens verpflichtend ist, was mithin auch erhöhte Schutzmaßnahmen rechtfertigt.
Der Einwand des Antragstellers, ihm als Testverweigerer werde eine angemessene Schulbildung entgegen Art. 4 Abs. 1 der Niedersächsischen Verfassung - NV - verweigert, greift nicht durch. Dieses landesrechtlich ausgestaltete Grundrecht steht nach Art. 4 Abs. 4 NV unter einem Gesetzesvorbehalt und die inhaltliche Ausgestaltung durch unterverfassungsrechtliches Gesetzesrecht ist mithin möglich und nötig. Der Verordnungsgeber hat diese Ausgestaltung gestützt auf die bundesrechtlichen, dem Infektionsschutz und damit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG dienenden Bestimmungen unter anderem zum Zutritts- und Teilnahmeverbot von nicht negativ getesteten Schülerinnen und Schülern in nicht zu beanstandender Weise vorgenommen. Nach den obigen Ausführungen ist die Präsenzbeschulung zu Recht an die Erfüllung der regelmäßigen Selbsttestung geknüpft. Daher besteht ein Anspruch auf Ersetzung des Präsenzunterrichts als Regelfall durch die ausschließliche Erteilung von Distanzunterricht nur unter der Voraussetzung, dass die Ablehnung eines entsprechenden Antrags die staatliche Schutzpflicht zum Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verletzten würde (vgl. hierzu OVG NRW, Beschl. v. 22.9.2021 - 19 B 1458/21 -, juris und VGH BW, Beschl. v. 22.9.2021 - 1 S 2944/21 -, juris). Hiervon kann im Fall des Antragstellers aber keine Rede sein. Er macht nicht eine individuell erhöhte Infektionsgefahr für sich selbst oder seine in Haushaltsgemeinschaft lebenden Familienangehörigen geltend. Die schulorganisatorische Entscheidung der Schulverwaltung des Landes Niedersachsen für eine Rückkehr zum Präsenzunterricht in der aktuellen Form genügt nach dem oben Gesagten im Übrigen den Anforderungen an eine Abwägung der widerstreitenden Interessen im Wege der praktischen Konkordanz.
Entgegen der Ansicht des Antragstellers ergibt sich aus dem Beschluss des Landesverfassungsgerichts Sachsen-Anhalt vom 21. Mai 2021 (- LVG.21/21 -, juris) und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. April 2021 (- 20 NE 21.926 -, juris) nichts anderes. Entgegen der Darstellung des Antragstellers folgt hieraus nicht der Grundsatz, dass „die Rechtmäßigkeit von Testungen in Schulen maßgeblich daran geknüpft ist, dass es Distanzunterricht gibt und geben muss“.
Das Landesverfassungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt hat ausgeführt, ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 5 Abs. 2 LVerf sei mit der Anordnung der Testung vor Betreten des Schulgeländes nicht verbunden, da lediglich eine Testobliegenheit, aber keine Testpflicht bestehe. Auch wenn den betroffenen Schülerinnen und Schülern zwar der Zutritt zum Schulgelände untersagt werde, würden sie nicht vom Unterrichtsangebot ausgeschlossen, sondern mit Lernaufgaben versorgt (juris Rn. 50). Ausdrücklich hat dieses Landesverfassungsgericht am Ende seiner Entscheidung daher zudem hervorgehoben, dass durch die Testobliegenheit nicht in das Recht auf Bildung gemäß Art. 11 Abs. 2 LVerf eingegriffen werde (juris Rn. 66). Vergleichbares gilt im Fall des Antragstellers, da ihm nach den nicht bestrittenen Ausführungen des Verwaltungsgerichts die Lernaufgaben durch die Antragsgegnerin regelmäßig zur Verfügung gestellt werden.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in der genannten Entscheidung die Abhängigkeit des Präsenzunterrichts von der Erfüllung der Testobliegenheit als rechtmäßig angesehen (juris Rn. 13) und weiter die Erwägung des dortigen Verordnungsgebers für tragfähig gehalten, dass die Zugangsbeschränkung gerade der Verwirklichung des Bildungsanspruchs aller Schülerinnen und Schüler in Gestalt eines Präsenzunterrichts diene (juris Rn. 20). Dass der niedersächsische Verordnungsgeber - anders als der bayerische Verordnungsgeber im April 2021 auf der Grundlage des seinerzeit dort angeordneten und praktizierten Wechselmodells - gegenwärtig keinen voraussetzungslosen Anspruch auf Distanzunterricht etwa in Gestalt des früher praktizierten Wechselmodells oder eines Wahlrechts zwischen Präsenz- und Distanzunterricht vorsieht, begegnet nach dem oben Gesagten keinen rechtlichen Bedenken.
Abschließend weist der Senat darauf hin, dass der Antragsteller durch die Versorgung mit Lernmaterial seitens der Antragsgegnerin seine bestehende Schulpflicht in Gestalt der Teilnahme am Präsenzunterricht nicht erfüllt, sodass auch der hierauf gerichtete Antrag des Antragstellers erfolglos bleibt. Entgegen seiner offenbar bestehenden Ansicht stellt diese Versorgung gerade keinen Distanzunterricht dar.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).