Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 03.11.2021, Az.: 1 ME 42/21

Allgemeines Wohngebiet; Gebot der Rücksichtnahme; Kindertageseinrichtung; Verkehr

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
03.11.2021
Aktenzeichen
1 ME 42/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 71037
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 15.02.2021 - AZ: 2 B 60/21

Fundstellen

  • DÖV 2022, 134
  • KomVerw/B 2023, 187-190
  • NordÖR 2022, 205

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Eine Kindertageseinrichtung mit 95 Betreuungsplätzen und angegliedertem Sprachheilkindergarten, die sowohl im öffentlichen Parkraum als auch auf dem Grundstück Stellplätze vorhält, ist in einem allgemeinen Wohngebiet gebietsverträglich und verstößt in diesem Einzelfall nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme (Abgrenzung zu Senatsbeschl. v. 20.12.2013 - 1 ME 214/13 -, BRS 81 Nr. 187 = BauR 2014, 663 = juris).

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stade - 2. Kammer - vom 15. Februar 2021 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 7.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen einen der Beigeladenen erteilten Bauvorbescheid für die Errichtung einer Kindertagesstätte mit angegliedertem Sprachheilkindergarten.

Er ist Eigentümer des Grundstücks A-Straße in A-Stadt (Gemarkung A-Stadt, Flur C., Flurstück D.). Das Grundstück ist mit einem in zweiter Reihe errichteten und vom Antragsteller genutzten Wohnhaus bebaut. Auf dem unmittelbar nordöstlich angrenzenden Grundstück (E. straße F., Flurstücke G., H., I.) plant die Beigeladene den Neubau einer 5-zügigen Kindertagesstätte mit angegliedertem Sprachheilkindergarten. Ein Bebauungsplan existiert nicht. Beide Grundstücke liegen an der E. straße, bei der es sich um eine mit abgesetzten Gehwegen versehene, etwa 5,50 m breite Straße handelt. Nördlich des Baugrundstücks knickt die E. straße rechtwinklig nach Nordwesten ab und kreuzt nach ca. 40 m die Straße J., die im Wesentlichen parallel zur E. straße verläuft. Für beide Straßen besteht eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h.

Die Beigeladene stellte am 13. Mai 2020 eine Bauvoranfrage zur bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit ihres Vorhabens. Während des Verwaltungsverfahrens legte die Beigeladene ein Verkehrskonzept vom 28. Juli 2020 vor, um den mit dem Betrieb einhergehenden Verkehr zu steuern. Unter dem 5. Oktober 2020 erging der Bauvorbescheid, der unter anderem auf dieses Verkehrskonzept Bezug nimmt und es zum Gegenstand des Bescheides macht. Der Antragsteller hat am 27. Oktober 2020 Widerspruch gegen den Bauvorbescheid erhoben, über den nach Aktenlage noch nicht entschieden wurde.

Den nach erfolglosem behördlichem Aussetzungsverfahren gestellten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bauvorbescheid hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 15. Februar 2021 abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, der Widerspruch werde mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben, da das Vorhaben keine Nachbarrechte des Antragstellers verletze. Der Gebietserhaltungsanspruch werde nicht beeinträchtigt. Das Vorhaben füge sich in die Eigenart der näheren Umgebung ein, wobei dahinstehen könne, ob die nähere Umgebung einem allgemeinen Wohngebiet oder (sogar) einem Mischgebiet entspreche. Auch im Hinblick auf das mit dem Vorhaben verbundene Verkehrsaufkommen sei eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots nicht zu erkennen. Allein die Tatsache, dass aufgrund der Einrichtung zusätzlicher Fahrzeugverkehr vor dem Grundstück des Antragstellers stattfinde, rechtfertige die Annahme der Rücksichtslosigkeit nicht. Der zu erwartende Ablauf des Bring- und Holverkehrs führe unter Berücksichtigung des grüngestempelten Verkehrskonzepts, welches unter anderem einen Ringverkehr durch die E. straße und die Straße J. entstehen lasse, nicht zu der Annahme einer nicht mehr hinnehmbaren Beeinträchtigung. Ein vergleichbarer Sachverhalt mit der vom Antragsteller angeführten Entscheidung des Senats (Az.: 1 ME 214/13) liege nicht vor. Schließlich stelle die Errichtung eines Impfzentrums im ehemaligen Krankenhaus das Ergebnis nicht in Frage, da dies nur ein vorübergehender Zustand sei und zudem weitere Zufahrtsmöglichkeiten zum Krankenhaus bestünden.

Hiergegen richtet sich die vom Antragsteller erhobene Beschwerde, der der Antragsgegner entgegentritt. Die Beigeladene hat sich nicht am Verfahren beteiligt.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die fristgerecht dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine Änderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses.

1.

Ohne Erfolg rügt der Antragsteller, das Vorhaben füge sich nach der Art der baulichen Nutzung nicht ein. Dem Verwaltungsgericht ist darin zu folgen, dass der Antragsteller nicht in seinem Gebietserhaltungsanspruch verletzt wird. Das diesbezügliche Vorbringen des Antragstellers, trotz des Wortlauts des § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO solle Fahrzeugverkehr vermieden werden, der bei einem größeren Einzugsbereich zu erwarten wäre, lässt eine Auseinandersetzung mit der erstinstanzlichen Entscheidung vermissen und greift auch in der Sache nicht. § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO enthält eine der Regelung des § 3 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO vergleichbare Einschränkung für Anlagen für soziale Zwecke, wozu Kindergärten und Kindertagesstätten unzweifelhaft gehören, nicht. Anlagen für soziale Zwecke müssen demnach in einem allgemeinen Wohngebiet nicht der Versorgung des Gebiets dienen. Sie dürfen (auch) andere Gebiete versorgen, wenn sie gebietsverträglich sind. Die Gebietsverträglichkeit ist ungeschriebenes Erfordernis jeder nach dem Wortlaut der Absätze 2 und 3 der §§ 2 ff. BauNVO zulässigen Nutzung. Sie muss mit dem Charakter zu vereinbaren sein, welchen der Gesetzgeber im jeweiligen Absatz 1 der genannten Vorschriften einem Baugebiet mit dem Ziel vorgegeben hat, dort ein verträgliches Nebeneinander der - wie es beim ersten Eindruck scheinen mag - zufällig nebeneinander statthaften Nutzungen zu ermöglichen. Der dort beschriebenen typischen Funktion des jeweiligen Baugebiets muss sich jede Regelnutzung, erst recht jede Ausnahmenutzung zu- und unterordnen. Ihre Zulassung hängt dementsprechend in besonderem Maße von deren Immissionsverträglichkeit ab. Zu würdigen ist mithin in jedem Fall, ob die typischerweise mit dem in Rede stehenden Vorhaben verbundenen Auswirkungen nach dessen räumlichem Umfang, der Größe seines (betrieblichen) Einzugsbereichs, der Art und Weise der Betriebsvorgänge, dem damit verbundenen Zu- und Abgangsverkehr sowie der Dauer all dieser Auswirkungen einschließlich ihrer Verteilung auf die Tages- und Nachtzeiten mit dem in Absatz 1 definierten Gebietscharakter zu vereinbaren sind (Senatsbeschl. v. 5.3.2018 - 1 ME 20/18 -, n.v., unter Verweis auf die zusammenfassenden Ausführungen des BVerwG, Beschl. v. 28.2.2008 - 4 B 60.07 -, BRS 73 Nr. 70 = NVwZ 2008, 786 = juris Rn. 6 f. und 11 f. m.w.N.). Dies zugrunde gelegt, erweist sich das Vorhaben offensichtlich als gebietsverträglich. Die geplante Einrichtung der Beigeladenen wirkt aufgrund ihrer typischen Nutzungsweise bezogen auf den Gebietscharakter des allgemeinen Wohngebiets nicht störend. Dabei ist besonders die Regelung des § 22 Abs. 1a BImSchG zu berücksichtigen, wonach Kindertageseinrichtungen hinsichtlich der Geräuscheinwirkungen durch Kinder immissionsschutzrechtlich privilegiert sind, so dass in der Regel von keinen erheblichen Belästigungen für die Nachbarschaft auszugehen ist. Überdies wird der An- und Abfahrtsverkehr der Eltern nur zu zwei Stoßzeiten von ca. einer Stunde und außerhalb der störungsempfindlichen Nachtstunden, Wochenenden und Feiertage stattfinden.

Soweit der Antragsteller diesbezüglich auf die Entscheidungen des Hamburgischen OVG (Beschl. v. 31.5.2018 - 2 Bs 62/18 -, ZfBR 2018, 585) und des VGH Baden-Württemberg (Beschl. v. 24.10.2019 - 3 S 2343/19 -, DVBl 2017, 709) verweist, hilft dies bereits deshalb nicht weiter, weil es in beiden Verfahren jeweils um die Genehmigung einer Kindertagesstätte in einem reinen Wohngebiet ging. Vorliegend handelt es sich aber - auch nach Ansicht des Antragstellers - nicht um ein reines Wohngebiet, sondern (zumindest) um ein (faktisches) allgemeines Wohngebiet.

2.

Entgegen der Annahme des Antragstellers erweist sich das Vorhaben auch nicht im Hinblick auf den damit verbundenen An- und Abfahrtsverkehr als rücksichtslos. Zu Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass das Vorhaben der Beigeladenen keine unzumutbaren Verkehrsbeeinträchtigungen auslösen wird.

Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO sind bauplanungsrechtlich im Grundsatz zulässige bauliche Anlagen im Einzelfall unter anderem dann unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind. Dabei gilt allerdings der Grundsatz, dass die mit einer rechtlich zulässigen Bebauung verbundenen Beeinträchtigungen und Unannehmlichkeiten durch den dadurch verursachten An- und Abfahrtsverkehr im Regelfall hinzunehmen sind. Das gilt auch dann, wenn sich die verkehrliche Situation gegenüber dem bisherigen Zustand merklich verschlechtert. Die Grenze zur Rücksichtslosigkeit ist allerdings dann überschritten, wenn die Beeinträchtigungen und Störungen aufgrund besonderer örtlicher Verhältnisse das vorgenannte Maß handgreiflich überschreiten und sich in der Umgebung des Baugrundstücks als unzumutbar darstellen (Senatsbeschl. v. 20.12.2013 - 1 ME 214/13 -, BRS 81 Nr. 187 = BauR 2014, 663 = juris Rn. 12 m.w.N.). Der Antragsteller hält die Störungen, die mit dem An- und Abfahrtsverkehr der Anlage der Beigeladenen verbunden sind, für unzumutbar, weil nicht nur mit dem An- und Abfahrtsverkehr der Eltern, sondern auch mit zusätzlichem Lieferverkehr für die Versorgung der Kinder und An- und Abfahrten der Betreuer zu rechnen sei. Diese Einwände sind nicht geeignet darzulegen, dass der mit dem Vorhaben verbundene Verkehr bei einer Aufnahmekapazität der Einrichtung mit bis zu 95 Kindern in der Kindertagesstätte und zusätzlich 48 Plätzen im angegliederten Sprachheilkindergarten unzumutbar sein wird. Des angeregten Ortstermins bedarf es zu dieser Feststellung nicht.

Der Senat geht davon aus, dass eine nennenswerte Erhöhung der verkehrlichen Belastung durch die geplante Angliederung des bereits am Standort K. L. betriebenen Sprachheilkindergartens „M.“ nicht zu erwarten ist. Die Kinder des Sprachheilkindergartens werden ausweislich des Verkehrskonzepts schon bisher überwiegend mit Kleinbussen gebracht; dass sich daran etwas durch die Verlagerung des Standortes um rund 250 m nach Nordosten verändern könnte, ist weder dargetan noch ersichtlich.

Auch die vom Antragsteller sowie im Verkehrskonzept geschätzten 62 Fahrzeugbewegungen durch den Bring- und Abholverkehr der Eltern (~ 2/3 von 95 Kindergartenplätzen) führen selbst unter der - vom Antragsteller geschätzten - Annahme, dass hierzu noch je Stoßzeit (morgens und mittags/nachmittags) 9 Fahrzeugbewegungen der Betreuer und 9 Fahrten des Lieferverkehrs hinzuzurechnen sein sollten, nicht zu der Annahme einer unzumutbaren Verkehrsbelastung. Zunächst bleibt der Antragsteller jeden Nachweis zur Belastung durch den Lieferverkehr mit täglich 18 Fahrten (nach der Darstellung und Berechnung des Antragstellers finden 9 Fahrten morgens und 9 Fahrten mittags/nachmittags statt) schuldig; woher die Annahme stammt, es fänden täglich derart viele Lieferfahrten zeitgleich mit dem Bring- und Abholverkehr der Eltern statt, erschließt sich dem Senat nicht. Ungeachtet dessen lässt die Organisation des An- und Abfahrtsverkehrs nicht befürchten, dass es - selbst unter Berücksichtigung von zusätzlich 18 Fahrten je Stoßzeit - in den frühen Morgenstunden und späten Mittagsstunden/am Nachmittag zu chaotischen Verkehrsverhältnissen kommen wird.

Soweit der Antragsteller rügt, das Verwaltungsgericht habe die Entscheidung des Senats vom 20. Dezember 2013 (- 1 ME 214/13 -, BRS 81 Nr. 187 = BauR 2014, 663 = juris) verkannt, ist dem entgegenzuhalten, dass das Verwaltungsgericht bereits eine Vergleichbarkeit der Sachverhalte verneint hat (Seite 8 des Beschlussabdrucks). Hiergegen ist nichts zu erinnern. Im damaligen Verfahren lag die genehmigte Kindertagesstätte mit 55 Plätzen in einer als Sackgasse ausgestalteten einstreifigen Spielstraße ohne Wendemöglichkeit. Auf dem Gelände der Einrichtung waren keine Stellplätze für die Nutzer vorgesehen, und auch ein Halten und Wenden war dort nur unter erheblich erschwerten Bedingungen möglich. All diese Umstände ließen die Erwartung zu, dass auch die Grundstückszufahrt der dortigen Antragstellerin nicht unerheblich zum Parken und Wenden genutzt werden würde. Dies ist hier anders. Es handelt sich bei der E. straße nicht um einen verkehrsberuhigten Bereich. Darüber hinaus ist ein Begegnungsverkehr unter Berücksichtigung des dem Bauvorbescheid zugrundeliegenden Verkehrskonzepts ausgeschlossen, denn die E. straße soll als Einbahnstraße mit Fahrtrichtung von der N. straße ausgewiesen werden. Auch die Straße J. soll als Einbahnstraße ab der Einmündung O. weg und E. straße ausgewiesen werden, wodurch ein Ringverkehr entsteht und ein Wenden nicht notwendig wird. Entgegen der Annahme des Antragstellers ist dieses Ringkonzept aus Einbahnstraßen angesichts dessen, dass zusätzlich in den Straßen jeweils für eine Seite ein (absolutes) Halteverbot angeordnet werden soll, um ein wechselseitiges Parken und damit das Entstehen von unpassierbaren Engstellen zu verhindern, ausreichend, um einen reibungslosen Verkehrsfluss zu gewährleisten.

Auch die vorliegende Stellplatzsituation ist, ungeachtet des Umstandes, dass die genaue Stellplatzanzahl erst im Baugenehmigungsverfahren zu ermitteln ist, nicht mit der der Entscheidung vom 20. Dezember 2013 zugrundeliegenden Stellplatzsituation vergleichbar. Während im damaligen Verfahren lediglich vier Stellplätze im Nahbereich der Kindertageseinrichtung vorhanden waren, sollen nach dem hiesigen Verkehrskonzept auf dem Baugrundstück neun Stellplätze inkl. eines Stellplatzes für Schwerbehinderte errichtet werden. Zusätzlich sind vier Stellplätze in einer Kiss & Ride-Zone vorgesehen. An der Stirnseite der E. straße befindet sich ferner in fußläufiger Entfernung (ca. 25 m Entfernung zum Baugrundstück) ein kaum frequentierter öffentlicher Parkplatz mit 25 Stellplätzen. Überdies soll zusätzlich ein Fahrbahnrand der E. straße zum Parken zur Verfügung stehen, wodurch weitere 10 bzw. 13 Stellplätze (je nachdem, an welcher Straßenseite das Parken gestattet wird) zur Verfügung stehen. Insgesamt stehen mithin etwa 40 Stellplätze zur Verfügung. Zu berücksichtigen ist weiter, dass die geschätzten 62 Fahrzeugbewegungen der Eltern erfahrungsgemäß nicht zur selben Zeit stattfinden. Angesichts des Angebots eines Frühdienstes ab 7:30 Uhr, den gewöhnlich nicht alle Eltern in Anspruch nehmen, ist davon auszugehen, dass sich ein Teil der Fahrzeugbewegungen in den Frühstunden ab 7:15 Uhr und ein weiterer Teil auf die regulären Öffnungszeiten ab 8:00 Uhr aufteilen wird. Entsprechend dem Verkehrskonzept ist mithin davon auszugehen, dass die 62 Fahrzeugbewegungen - gegebenenfalls zuzüglich Liefer- und Mitarbeiterverkehre - zwischen 7:15 Uhr und 8:15 Uhr stattfinden. Selbst unter Zugrundelegung einer geschätzten durchschnittlichen Haltedauer der Eltern von 10 Minuten (vgl. Senatsbeschl. v. 20.12.2013 - 1 ME 214/13 -, BRS 81 Nr. 187 = BauR 2014, 663 = juris Rn. 18) ist die Stellplatzsituation in jeder Hinsicht ausreichend. Angesichts der großzügigen Zahl der Stellplätze ist nicht zu erwarten, dass für die mit dem An- und Abfahrtsverkehr typischerweise verbundenen Verkehrsvorgänge wie Halten und Parken das Grundstück des Antragstellers selbst unter Berücksichtigung von 80 Fahrten in den Morgenstunden in Anspruch genommen werden muss bzw. gar eine vom Antragsteller befürchtete Blockade seiner Verkehrsfläche droht oder zusätzlicher unzumutbarer Verkehrslärm durch Parksuchverkehr entsteht.

Soweit der Antragsteller auf einen Artikel der örtlichen Tageszeitung verweist, wonach der Eigentümer des ehemaligen Martin-Luther-Krankenhauses ein Pflegeheim und eine Tagespflege ausbauen wolle, und er dadurch weitere verkehrliche Belastungen befürchte, führt auch dies nicht zu einer anderen rechtlichen Bewertung. Aus dem beigefügten Zeitungsartikel ergibt sich nämlich, dass dort schon medizinische Leistungen in Form eines Pflegeheims und einer Tagespflege angeboten werden; dass dies zu chaotischen Verkehrsverhältnissen geführt hat, ist nicht ersichtlich. Ferner hat bereits das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass es weitere Zuwegungsmöglichkeiten zum Krankenhaus gibt, weshalb die Betreuer und Besucher der Pflegeeinrichtung nicht zwangsläufig die E. straße nutzen müssen. Schließlich wäre die Verkehrssituation bei Erteilung einer entsprechenden Baugenehmigung für den Ausbau des Pflegeheims und der Tagespflege erforderlichenfalls erneut zu überprüfen.

Sein weiterer Einwand, das Verwaltungsgericht habe die Einrichtung des Impfzentrums fehlerhaft nur als temporär eingestuft und dieses habe merkliche Auswirkungen auf den Verkehr, ist zwischenzeitlich überholt, denn das Impfzentrum hat zum 13. September 2021 seinen Betrieb eingestellt (https://www.lk-row.de/portal/seiten/corona-schutzimpfung-900000583-23700.html; zuletzt abgerufen am 3.11.21). Dieser Umstand ist zu berücksichtigen. Auch wenn sich beim Baunachbarstreit die Rechtmäßigkeit einer angefochtenen Baugenehmigung oder eines Bauvorbescheids grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung beurteilt, sind nachträgliche Änderungen, die sich insgesamt zu Gunsten des Vorhabens des Bauherrn auswirken, wie hier der Wegfall einer verkehrsauslösenden Einrichtung, zu berücksichtigen (stRspr vgl. nur BVerwG, Beschl. v. 23.4.1998 - 4 B 40.98 -, BRS 60 Nr. 178 = BauR 1998, 995 = juris Rn. 3; BVerwG, Urt. v. 20.8.2008 - 4 C 11.07 -, BVerwGE 131, 352 = BauR 2009, 68 = juris Rn. 21).

3.

Schließlich führt auch der Verweis des Antragstellers auf die Entscheidungen des OVG Nordrhein-Westfalen vom 7. Juni 1994 (- 10 B 2923/93 -) und vom 4. Juni 2020 (-2 B 417/20 -) bereits deshalb zu keiner abweichenden Entscheidung, weil es in beiden Verfahren (erneut) um eine Kindertageseinrichtung in einem reinen Wohngebiet ging. Wie bereits ausgeführt, liegen weder das Baugrundstück noch das Grundstück des Antragstellers in einem reinen Wohngebiet. Der Antragsteller legt im Übrigen nicht weiter dar, welche Gesichtspunkte er aus den angeführten Entscheidungen für das vorliegende Verfahren fruchtbar machen möchte.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren nicht für erstattungsfähig zu erklären, da sie sich am Verfahren nicht beteiligt hat.

Die Streitwertfestsetzung, die der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung folgt, beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).