Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 24.11.2021, Az.: 2 LB 127/21
konsekutiver Masterstudiengang; Langzeitstudiengebühren; Studienguthaben
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 24.11.2021
- Aktenzeichen
- 2 LB 127/21
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2021, 71062
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 13.12.2019 - AZ: 1 A 127/18
Rechtsgrundlagen
- § 12 HSchulG ND
- § 13 HSchulG ND
- § 37 Abs 2 VwVfG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Das Einstellen einer Gebührenforderung in ein den Studierenden zugängliches elektronisches Hochschulportal kann einen „in anderer Weise“ erlassenen Verwaltungsakt darstellen.
2. Wird das Studienguthaben gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 NHG während des Bachelorstudiums vollständig verbraucht, steht mit der Aufnahme eines konsekutiven Masterstudiengangs ein neues Studienguthaben gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 NHG zur Verfügung. Das Studienguthaben für einen konsekutiven Masterstudiengang kann mithin nicht bereits während des Bachelorstudiums verbraucht werden.
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück - 1. Kammer (Einzelrichterin) - vom 13. Dezember 2019 geändert.
Die Festsetzung einer Langzeitstudiengebühr in Höhe von 500 EUR für das Sommersemester 2018 durch die Beklagte im elektronischen Hochschulportal (OSCA) und der Bescheid vom 19. Januar 2018, soweit in ihm eine Mahngebühr in Höhe von 15 EUR festgesetzt wird, werden aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Pflicht zur Zahlung von Langzeitstudiengebühren.
Der Kläger studierte vom Wintersemester 2008/2009 bis zum Sommersemester 2012 acht Semester an den Universitäten B-Stadt und F., ohne einen Abschluss zu erlangen. Vom Wintersemester 2012/2013 bis zum Sommersemester 2017 absolvierte er den Bachelorstudiengang „Werkstofftechnik“ bei der Beklagten in zehn Semestern und ist dort seit dem Wintersemester 2017/2018 im Masterstudiengang „Angewandte Werkstoffwissenschaften“ eingeschrieben.
Seit dem Wintersemester 2014/2015 - seinem 13. Hochschulsemester bzw. fünften Fachsemester bei der Beklagten - zahlt der Kläger Langzeitstudiengebühren in Höhe von 500 EUR pro Semester. Die Festsetzung der Semesterbeiträge und der Langzeitstudiengebühren für das jeweilige Semester erfolgt über das elektronische Hochschulportal (OSCA). Dort verfügen die Studierenden über einen Onlinezugang. Im persönlichen Bereich des jeweiligen Studierenden wird der für die Rückmeldung zu zahlende Betrag (Semesterbeitrag zzgl. etwaiger Langzeitstudiengebühr) als Forderung eingestellt. Per E-Mail wird außerdem auf den Rückmeldezeitraum und die im Online-Hochschulportal eingestellte Forderung hingewiesen. Ein gesondertes elektronisches Dokument wird den Studierenden nicht zur Verfügung gestellt.
Zum Wintersemester 2017/2018 begann der Kläger sein Masterstudium bei der Beklagten. Auch für dieses Semester forderte die Beklagte Langzeitstudiengebühren, was der Kläger nicht beanstandete, da seine Bachelorprüfung noch nicht abgeschlossen war. Für das Sommersemester 2018 setzte die Beklagte erneut Langzeitstudiengebühren fest, die der Kläger zunächst nicht zahlte. Mit einem als „Mahnung für die Rückmeldung zum Sommersemester 2018“ bezeichneten Schreiben vom 19. Januar 2018 teilte die Beklagte mit, der vom Kläger zu zahlende Rückmeldebetrag für das Sommersemester 2018 sei in Höhe einer Summe von 515 EUR nicht beglichen worden. Dieser Betrag beinhaltet neben der Langzeitstudiengebühr eine Mahngebühr in Höhe von
15 EUR. Mit Schreiben vom 7. März 2018 teilte die Beklagte auf Anfrage des Klägers mit, dass eine Erstattung der Langzeitstudiengebühr sowie die zukünftige Nichterhebung nicht in Betracht komme. Schließlich zahlte der Kläger die Gebühren unter Vorbehalt.
Der Kläger hat am 18. Mai 2018 Klage erhoben und ausgeführt, die Beklagte habe in einer Auskunft vom 7. Juli 2017 mitgeteilt, für den konsekutiven Masterstudiengang fielen keine Langzeitstudiengebühren an. Deshalb habe er nur den Semesterbetrag in Höhe von 331,08 EUR überwiesen. Ihm stehe nach § 12 Abs. 2 NHG ein Studienguthaben von vier Semestern zu, beginnend ab dem Sommersemester 2018. Das werde durch die Gesetzesbegründung bestätigt, wo es heiße, die Regelung des § 12 Abs. 2 Satz 2 NHG bewirke, dass ein Nichtverbrauch des Studienguthabens aus dem zum Zugang qualifizierenden grundständigen Studiengang nach § 12 Abs. 2 Satz 1 NHG für den konsekutiven Masterstudiengang erhalten bleibe und somit im Masterstudiengang verbraucht werden könne, bevor der Verbrauch des zusätzlichen Guthabens nach § 12 Abs. 2 Satz 2 NHG beginne. Damit seien die Studienguthaben für den grundständigen Studiengang und den konsekutiven Masterstudiengang getrennt voneinander zu behandeln.
Der Kläger hat erstinstanzlich zunächst beantragt,
1. festzustellen, dass ihm für den konsekutiven Masterstudiengang Angewandte Werkstoffwissenschaften noch ein Studienguthaben von vier Semestern zusteht,
2. die Beklagte zu verurteilen, die zu Unrecht für das Sommersemester 2018 erhobene Langzeitstudiengebühr in Höhe von 500 EUR zzgl. Mahngebühren in Höhe von 15 EUR an ihn zurückzuzahlen,
Nach einem Hinweis des Verwaltungsgerichts, dass das Schreiben der Beklagten vom 19. Januar 2018 Streitgegenstand sein dürfte und die Feststellungs- sowie Leistungsanträge subsidiär und damit unzulässig sein dürften, hat der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 19. Januar 2018 aufzuheben, soweit dort ein Rückmeldebetrag angefordert wird, der einen Betrag in Höhe von 331,08 EUR überschreitet.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, das in einem grundständigen Studiengang verbrauchte Studienguthaben sei nach dem Gesetzeswortlaut auf das Studienguthaben in einem konsekutiven Masterstudiengang anzurechnen. In der Gesetzesbegründung werde ausgeführt, dass „nicht verbrauchtes Studienguthaben“ erhalten bleibe, über das der Kläger nicht mehr verfüge. Sein Guthaben sei auf insgesamt 16 Semester festzusetzen (sechs Semester Regelstudienzeit Bachelor, sechs Toleranzsemester, vier Semester Regelstudienzeit Master). Das Sommersemester 2018 sei sein 20. Hochschulsemester. Im konsekutiven Masterstudium würden keine weiteren Toleranzsemester verbucht. Aus diesem Grund sei der Kläger auch in seinem Masterstudiengang langzeitstudiengebührenpflichtig.
Mit Urteil vom 13. Dezember 2019 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe ein Studienguthaben von insgesamt 16 Semestern zu. Das Guthaben sei verbraucht. Mit Übertritt in den konsekutiven Masterstudiengang beginne sein Studienguthaben nicht neu zu laufen, denn das Guthaben müsse als Gesamtheit gesehen werden.
Mit seiner vom Senat zugelassenen Berufung begehrt der Kläger weiterhin die Aufhebung der festgesetzten Langzeitstudien- und Mahngebühr. Er macht geltend, das Verwaltungsgericht lasse unberücksichtigt, dass er seit seinem 13. Hochschulsemester Langzeitstudiengebühren gezahlt habe. Er habe sein Studienguthaben von zwölf Semestern für das Bachelorstudium verbraucht, nicht jedoch das Guthaben aus dem Masterstudiengang. Ein verlängertes Bachelorstudium könne keinen Einfluss auf das Studienguthaben im Masterstudiengang haben. Nach der Auffassung des Verwaltungsgerichts bleibe das Studienguthaben von vier Semestern für den konsekutiven Masterstudiengang unberücksichtigt und er könne die vier gebührenfreien Semester nicht in Anspruch nehmen. Dies stelle eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung im Vergleich zu Studierenden dar, die ihr Bachelorstudium innerhalb der Regelstudienzeit abschlössen und unmittelbar im Anschluss in den konsekutiven Masterstudiengang einträten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück vom 13. Dezember 2019 abzuändern und die Festsetzung einer Langzeitstudiengebühr in Höhe von 500 EUR für das Sommersemester 2018 durch die Beklagte im elektronischen Hochschulportal (OSCA) und den Bescheid vom 19. Januar 2018, soweit in ihm eine Mahngebühr in Höhe von 15 EUR festgesetzt wird, aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, lediglich im Rahmen des ersten berufsqualifizierenden Abschlusses entstehe ein Studienguthaben. Dieses im Bachelorstudiengang begründete Studienguthaben werde nach § 12 Abs. 2 Satz 2 NHG für einen konsekutiven Masterstudiengang um die Zahl der Semester der Regelstudienzeit für diesen Studiengang "erhöht". Der Wortlaut des Begriffs „Erhöhung“ lege bereits fest, dass es sich nicht um zwei getrennt zu betrachtende Studienguthaben für das Bachelorstudium und das konsekutive Masterstudium handele. Das nach Beendigung des grundständigen Bachelorstudiengangs vorhandene Studienguthaben sei folglich auf den konsekutiven Masterstudiengang zu übertragen.
Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 NHG bleibe ein nicht verbrauchtes Studienguthaben aus dem zum Zugang qualifizierenden grundständigen Studiengang nach § 12 Abs. 2 Satz 1 NHG für den konsekutiven Masterstudiengang erhalten und könne somit im Masterstudiengang verbraucht werden, bevor der Verbrauch des zusätzlichen Guthabens nach § 12 Abs. 2 Satz 2 NHG beginne. Im Umkehrschluss sei auch im Bachelorstudium bereits verbrauchtes Studienguthaben auf den konsekutiven Masterstudiengang anzurechnen. Mit Übertritt in den konsekutiven Masterstudiengang beginne das Studienguthaben von vier Semestern gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 NHG nicht „neu zu laufen“; es müsse als Gesamtheit gesehen werden. Mit Eintritt in den konsekutiven Masterstudiengang habe sich der Kläger in seinem 19. Hochschulsemester befunden. Das ihm insgesamt zustehende Studienguthaben von 16 Semestern sei verbraucht gewesen. Der Regelung in §§ 12, 13 Abs. 1 Satz 1 NHG über die Erhebung von Langzeitstudiengebühren liege zugrunde, dass mit jedem begonnenen Studiensemester ein Verbrauch des eingeräumten Studienguthabens erfolge.
§ 12 Abs. 2 Satz 6 NHG stelle klar, dass sich das Studienguthaben um die Zahl der Semester eines vorangegangenen Studiums in einer im Inland gelegenen Hochschule, die in staatlicher Verantwortung stehe oder dauerhaft staatlich gefördert werde, vermindere. Eine Auslegung von § 12 NHG nach Wortlaut und Sinn und Zweck lasse keine Deutungsmöglichkeit dahingehend zu, dass Hochschulsemester, für die bereits Langzeitstudiengebühren entrichtet worden seien, bei der Berechnung des Studienguthabens oder der Pflicht zur Zahlung von Langzeitstudiengebühren abweichend vom Gesetzeswortlaut zu behandeln seien. Sofern der Gesetzgeber gewollt hätte, dass für den Verbrauch des Studienguthabens nur Semester herangezogen würden, in denen keine Langzeitstudiengebühren entrichtet worden seien, hätte er dies entsprechend regeln müssen. Ein entsprechender Wille des Gesetzgebers lasse sich jedoch weder § 12 Abs. 2 Satz 6 NHG noch den Nichtverbrauchstatbeständen aus § 12 Abs. 3 Satz 1 NHG entnehmen.
Soweit im Rahmen der Novellierung des Niedersächsischen Hochschulgesetzes eine Anpassung des Gesetzeswortlauts in § 12 Abs. 2 Satz 6 NHG dahingehend angestrebt werde, dass sich das Studienguthaben für konsekutive Masterstudiengänge nur um die Zahl der Semester eines vorangegangenen gebührenfreien Studiums vermindere, stelle dies eine Änderung der bisherigen Rechtslage dar. In diesem Fall würden künftig Studierende, die im Rahmen des Bachelorstudiums ab dem 13. Hochschulsemester Langzeitstudiengebühren hätten zahlen müssen, bei einem Wechsel in ein konsekutives Masterstudium vier weitere langzeitstudiengebührenfreie Semester erhalten. Nach aktueller Gesetzeslage und Stand der Rechtsprechung entspreche die bislang praktizierte Berechnung des Studienguthabens des Klägers dem Regelungsgehalt aus § 12 Abs. 2 NHG und verstoße nicht gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 GG.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage nicht abweisen dürfen.
1. Die Klage ist zulässig. Statthafte Klageart ist die Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO). Diese ist allerdings nur insoweit gegen den Bescheid vom 19. Januar 2018 zu richten, als in ihm eine Mahngebühr festgesetzt worden ist. In Bezug auf die festgesetzte Langzeitstudiengebühr ist die Klage gegen die Einstellung des Betrags in den persönlichen Nutzungsbereich des Klägers im elektronischen Hochschulportal (OSCA) zu richten.
Anders als das Verwaltungsgericht meint, handelt es sich bei dem als „Mahnung für die Rückmeldung zum Sommersemester 2018“ bezeichneten Schreiben der Beklagten vom 19. Januar 2018 nur in Bezug auf die erstmalig festgesetzte Mahngebühr um einen Leistungsbescheid.
Die Mahnung ist nach allgemeiner Auffassung kein Verwaltungsakt im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG (i.V.m. § 1 Abs. 1 NVwVfG), sondern ein bloßer Realakt. Mit der Mahnung wird lediglich das sich bereits im Gebühren- oder Beitragsbescheid befindliche Leistungsgebot wiederholt, sodass ihr kein Regelungsgehalt zukommt (SächsOVG, Beschl. v. 12.1.2016 - 3 B 273/15 -, juris Rn. 4 m.w.N.; vgl. auch BSG, Beschl. v. 7.6.1999 - B 7 AL 264/98 B -, juris Rn. 7 u. BayVGH, Beschl. v. 13.9.1999 - 23 ZB 99.2507 -, juris Rn. 3). Eine Mahnung dient der Vorbereitung des Verwaltungsvollstreckungsverfahrens. Gemäß § 3 Abs. 1 Niedersächsisches Verwaltungsvollstreckungsgesetz (NVwVG) darf die Vollstreckung erst beginnen, wenn gegen den Leistungsbescheid kein Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung eingelegt werden kann, die Geldforderung fällig ist, dem Vollstreckungsschuldner die Vollstreckung durch eine Mahnung angedroht worden ist und die in der Mahnung bestimmte Zahlungsfrist verstrichen ist. Bevor eine Mahnung erlassen werden darf, muss daher ein Leistungsbescheid vorliegen.
Der Grundverwaltungsakt für die Langzeitstudiengebühr liegt in der Einstellung des Betrags in den persönlichen Nutzungsbereich des Klägers im elektronischen Hochschulportal (OSCA). Gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 NVwVfG kann ein Verwaltungsakt schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Für den Erlass von Verwaltungsakten gilt somit der Grundsatz der Formfreiheit, soweit nicht durch besondere Rechtsvorschriften eine bestimmte Form vorgeschrieben wird. Vorliegend erfolgte die Bekanntgabe des Verwaltungsakts „auf andere Weise“, da dem Kläger nur über das Hochschulportal die Forderung bekannt gegeben wurde. Ein elektronischer Verwaltungsakt liegt nicht vor. Ein Verwaltungsakt wird elektronisch erlassen, wenn ein elektronisches Dokument auf elektronischem Weg übermittelt wird. Bei einem elektronischen Dokument handelt es sich um ein Dokument, das nicht in Papierform oder auf einem anderen materialisierten Datenträger fixiert ist, sondern als Datei in elektronischer Form existiert und verarbeitet wird. Dieses elektronische Dokument muss, um von einem elektronischen Verwaltungsakt ausgehen zu können, das für den Rechtsverkehr maßgebliche Original des Verwaltungsakts sein. Das ist der Fall, wenn sich der Erlass in der Übermittlung des elektronischen Dokuments erschöpft (OVG NRW, Urt. v. 21.3.2017 - 14 A 1689/16 -, juris Rn. 45). Hier fehlt die Übermittlung eines elektronischen Dokuments, wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat; die Forderung wurde nur in das Hochschulportal eingestellt, ohne eine gesonderte Datei zu übersenden.
Die den Studierenden unter Hinweis auf die im Online-Portal eingestellte Forderung übersandte E-Mail ist kein Verwaltungsakt, weil der Betrag darin nicht beziffert wird. Es wird nur auf das Hochschulportal verwiesen, in das sich der Studierende einloggen muss, um die konkrete Summe zu erfahren. In der E-Mail fehlt damit ein vollständiger, ohne weiteres erkennbarer Regelungsgehalt im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 NVwVfG, sodass hier kein elektronischer Verwaltungsakt vorliegt.
Die Bekanntgabe einer als Verwaltungsakt zu qualifizierenden Gebührenforderung in einem von der Hochschule betriebenen Internetportal ist mit den Anforderungen des effektiven Rechtsschutzes und des Anspruchs auf rechtliches Gehör vereinbar, wenn der Studierende - wie hier - über ein Benutzerkonto verfügt, zu dem er ausschließlich Zugang hat und die Hochschule das Mitgliedschaftsverhältnis zu ihren eingeschriebenen Studierenden dahin ausgestaltet hat, dass die Kommunikation über automatisierte Geschäftsprozesse und Verfahren abgewickelt wird, an denen die Studierenden mitzuwirken haben (zur Mitteilung der Bewertung einer Klausur im Rahmen einer Hochschulprüfung über ein Online-Portal vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.12.2017 - 6 B 43/17 -, juris Rn. 10 ff.). Gemäß § 7 Abs. 2 Sätze 1 und 2 der Immatrikulationsordnung der Beklagten nutzen die Studierenden in eigener Verantwortung die Online-Zugänge zum Hochschulportal und sind verpflichtet, die Daten im Hochschulportal im Rahmen ihrer Möglichkeiten regelmäßig zu überprüfen.
Da die Einstellung der Forderung in das elektronische Hochschulportal, die laut Auskunft der Beklagten für das Sommersemester 2018 mit Beginn des Rückmeldezeitraums ab dem 1. November 2017 erfolgte, keine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt, ist die Klage binnen Jahresfrist nach §§ 74 Abs. 1, 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO zulässig und folglich rechtzeitig erhoben worden. Dabei ist es unschädlich, dass der Kläger zunächst eine Feststellungs- und Leistungsklage erhoben hat. Den Anfechtungsantrag hat er mit Schriftsatz vom 22. Oktober 2018 und damit noch innerhalb der Jahresfrist gestellt. Gegenstand dieses Anfechtungsbegehrens war die Festsetzung der Gebühr durch die Beklagte; dass sich die Klage im erstinstanzlichen Verfahren zunächst unzutreffend nur gegen den Bescheid vom 19. Januar 2018 gerichtet hat, ist unschädlich. Damit muss nicht näher ausgeführt werden, ob eine Umstellung der Feststellungs- und Leistungsklage in eine Anfechtungsklage nach Ablauf der Klagefrist fristwahrend möglich ist.
2. Die Klage ist auch begründet, denn die Festsetzung einer Langzeitstudienstudiengebühr für das Sommersemester 2018 und damit auch die Festsetzung der Mahngebühr nach Nichtzahlung sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die Erhebung der Langzeitstudiengebühr ist § 13 Abs. 1 Satz 1 Niedersächsisches Hochschulgesetz (NHG) in der ab dem 1. September 2014 geltenden Fassung (Nds. GVBl. 2007, S. 69, geändert durch Nds. GVBl. 2013, S. 287). Hiernach erhebt die Hochschule in staatlicher Verantwortung für das Land von Studierenden, die nicht mehr über ein Studienguthaben verfügen, wegen der erhöhten Inanspruchnahme der staatlich finanzierten Hochschulinfrastruktur eine Langzeitstudiengebühr in Höhe von 500 EUR für jedes Semester oder 333 EUR für jedes Trimester. Die Berechnung des Studienguthabens richtet sich nach § 12 NHG. Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 NHG ergibt sich das Studienguthaben im Grundsatz aus der Zahl der Semester der Regelstudienzeit für den gewählten grundständigen Studiengang zuzüglich sechs weiterer Semester („Toleranzsemester“). Die Regelung in § 12 Abs. 2 Satz 2 NHG bestimmt, dass sich für einen konsekutiven Masterstudiengang das Studienguthaben um die Zahl der Semester der Regelstudienzeit für diesen Studiengang erhöht.
Die Regelstudienzeit für das Bachelorstudium beträgt im Falle des Klägers sechs Semester. Damit verfügte er über ein Studienguthaben von zwölf Semestern. Diese waren seit seinem fünften Fachsemester bei der Beklagten verbraucht. Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob mit Beginn des Masterstudiums das Studienguthaben „neu zu laufen beginnt“.
Die von der Beklagten vertretene Auffassung, das Studienguthaben des Klägers sei auf insgesamt 16 Semester festzusetzen, er befinde sich nunmehr im 20. Semester, sodass auch sein Masterstudium gebührenpflichtig sei, ist unzutreffend. Schon die tatsächlichen Konsequenzen dieser Auffassung leuchten nicht ein. Denn sie läuft zum einen darauf hinaus, dass das gesamte Studienguthaben zu Beginn eines Studiums festgelegt werden müsste. Zum anderen findet nach dieser Ansicht ein Verbrauch des Masterstudienguthabens schon während des Bachelorstudiums statt. Während des Bachelorstudiums ist jedoch regelmäßig unklar, ob der oder die Studierende einen konsekutiven Masterstudiengang absolvieren wird. Im Falle des Klägers führt die Rechtsansicht der Beklagten sogar dazu, dass ihm nur ein Studienguthaben von zwölf Semestern zustand, da er seit seinem 13. Semester Langzeitstudiengebühren zahlt. Seine vier gebührenfreien Semester aus dem Masterstudium konnte er nie in Anspruch nehmen. Die Auffassung der Beklagten, die vier Semester seien nicht unberücksichtigt geblieben, ist daher nicht nachvollziehbar.
Auch die Auslegung des § 12 Abs. 2 NHG stützt die Rechtsansicht der Beklagten nicht. Der Sinn und Zweck der Regelung spricht vielmehr gegen die Annahme, dass vier gebührenfreie Semester im konsekutiven Masterstudium nicht genutzt werden können, sofern das Guthaben aus dem Bachelorstudium bereits verbraucht ist. Begründet werden Langzeitstudiengebühren mit der erhöhten Inanspruchnahme der staatlich finanzierten Hochschulinfrastruktur durch lange Studienzeiten. Schließt ein Studierender bzw. eine Studierende das Bachelorstudium nicht innerhalb der Regelstudienzeit zuzüglich der sechs Toleranzsemester ab, sind Langzeitstudiengebühren zu entrichten. Damit kann ein kostenfreies Studium nicht zeitlich unbegrenzt in Anspruch genommen werden. Werden Langzeitstudiengebühren für das Bachelorstudium bezahlt, spricht jedoch nichts gegen ein gebührenfreies konsekutives Masterstudium, denn diese vier Semester stehen nach § 12 Abs. 2 Satz 2 NHG jedem/jeder Studierenden zu. Es ist kein Grund ersichtlich, dies dem Kläger zu verwehren. Ein Verbrauch des Studienguthabens kommt folglich nur bei einer kostenlosen Inanspruchnahme der Hochschulinfrastruktur in Betracht.
Dass dies - entgegen der Auffassung der Beklagten - bereits geltendes Recht ist, zeigt die beabsichtigte Änderung von § 12 Abs. 2 Satz 6 NHG und die hierzu veröffentlichte Gesetzesbegründung (vgl. Nds. Landtag, Drucksache 18/9392, S. 5 und 23). Die Vorschrift lautet bislang:
„Das Studienguthaben vermindert sich um die Zahl der Semester eines vorangegangenen Studiums an einer im Inland gelegenen Hochschule, die in staatlicher Verantwortung steht oder dauerhaft staatlich gefördert wird.“
Durch die Gesetzesänderung soll nach dem Wort „vorangegangenen“ das Wort „gebührenfreien“ hinzugefügt werden.
In der Gesetzesbegründung (S. 23) heißt es hierzu:
„Die Ergänzung in Satz 6 dient der Klarstellung und zur Verbesserung der Praktikabilität für die Hochschulen. (…) Für einen konsekutiven Masterstudiengang erhöht sich das Studienguthaben um die Zahl der Semester der Regelstudienzeit dieses Studiengangs. Die Änderung in Satz 6 stellt sicher, dass sich das Studienguthaben lediglich um die Semester eines vorangegangenen Studiums vermindert, für die keine Langzeitstudiengebühren gezahlt worden sind. Nicht verbrauchtes Studienguthaben verfällt nicht, sondern bleibt erhalten.“
Danach geht der Gesetzgeber davon aus, dass es sich bei der Änderung des § 12 Abs. 2 Satz 6 NHG nur um eine Klarstellung handelt, die mithin bereits gilt. Für konsekutive Masterstudiengänge erhöht sich (auch nach der aktuellen Rechtslage) das Studienguthaben um die Zahl der Semester der Regelstudienzeit. Demzufolge spricht nichts gegen ein „Auffüllen“ des Studienguthabens im Masterstudium, wenn das Guthaben des Bachelorstudiums bereits verbraucht wurde. Das Tatbestandsmerkmal „erhöht“ im Sinne des § 12 Abs. 2 Satz 2 NHG nimmt damit Bezug auf das während eines kombinierten Bachelor- und Masterstudiums maximal mögliche Studienguthaben und bedeutet - auch vor dem Hintergrund des bereits dargestellten Gesetzeszwecks - nicht, dass ein Verbrauch des Guthabens im Bachelorstudium den Erwerb des Guthabens aus § 12 Abs. 2 Satz 2 NHG ausschließt. Eine dahingehende Intention des Gesetzgebers ist nicht erkennbar.
Hinzu kommt, dass es für das Masterstudium keine Toleranzsemester gibt und ab dem fünften Fachsemester Langzeitstudiengebühren entrichtet werden müssen, wenn - wie im Falle des Klägers - kein weiteres Guthaben aus dem Bachelorstudium zur Verfügung steht. Darüber hinaus wird vom Gesetzgeber für einen gebührenfreien Masterstudiengang nur verlangt, dass er „konsekutiv“ ist (vgl. zu diesem Begriff Senatsurt. v. 26.5.2021 - 2 LB 622/18 -, juris Rn. 27 und 28). Weitere Einschränkungen, wie etwa der von der Beklagten angenommene Grundsatz „Guthaben einmal verbraucht - Guthaben immer verbraucht“, ergeben sich aus § 12 Abs. 2 Satz 2 NHG nicht. Dass im Falle des Klägers ein konsekutiver Masterstudiengang vorliegt, stellen die Beteiligten nicht in Abrede.
Auch die Gesetzessystematik spricht nicht gegen die Ansicht, dass ein im Bachelorstudium verbrauchtes Studienguthaben zu Beginn des Masterstudiums wieder „aufgefüllt“ werden kann. § 12 Abs. 1 NHG besagt, dass keine Langzeitstudiengebühren erhoben werden, solange die Studierenden über ein Studienguthaben verfügen. Die Gebührenschuld entsteht damit entsprechend § 13 Abs. 1 Satz 1 NHG erst bei Verbrauch des in § 12 NHG geregelten Studienguthabens (von Coelln/Pautsch, BeckOK Hochschulrecht Niedersachsen, 19. Edition 2019, § 12 NHG Rn. 5 und 13 NHG Rn. 8). Erhält der oder die Studierende durch Beginn eines konsekutiven Masterstudiengangs nach § 12 Abs. 2 Satz 2 NHG ein neues Studienguthaben, entfällt von diesem Zeitpunkt die Pflicht zur Zahlung von Langzeitstudiengebühren.
Wenn die Beklagte ihre Auffassung zur Berechnung des Studienguthabens konsequent umgesetzt und dem Kläger vier weitere langzeitstudiengebührenfreie Semester eingeräumt hätte, hätte sie ihm erst ab seinem 17. Hochschulsemester Langzeitstudiengebühren in Rechnung stellen dürfen. Dies wiederum wäre aber - wie dargelegt - mit einer erheblichen Rechtsunsicherheit verbunden gewesen, weil zu diesem Zeitpunkt nicht feststand, ob er einen konsekutiven Masterstudiengang absolvieren würde.
Im Vergleich mit den Regelungen anderer Bundesländer zu Langzeitstudiengebühren wird ebenfalls deutlich, dass sich der niedersächsische Gesetzgeber gegen die Berechnung des Studienguthabens zu Beginn des Studiums entschieden hat. Im mittlerweile außer Kraft getretenen § 112 Abs. 1, Abs. 2 Sätze 1 und 2 Hochschulgesetz des Landes Sachsen-Anhalt (HSG LSA) war geregelt, dass von Studierenden, die die Regelstudienzeit bei einem Studiengang oder einem postgradualen Studiengang um mehr als vier Semester überschritten haben, Gebühren in Höhe von 500 EUR für jedes weitere Semester von den Hochschulen erhoben werden. Dabei bestimmte sich die Regelstudienzeit nach der jeweiligen Prüfungs- oder Approbationsordnung. Bei konsekutiven Studiengängen war die Gesamtregelstudienzeit relevant. Damit hat sich der Landesgesetzgeber dazu entschieden, die voraussichtliche Studiendauer für die Berechnung des Guthabens zugrunde zu legen (vgl. hierzu VG Halle-Saale, Urt. v. 10.1.2017 - 6 A 61/16 -, juris). Eine inhaltsgleiche Regelung findet sich in § 4 Abs. 1, Abs. 2 Sätze 1 und 2 des Thüringer Hochschulgebühren- und -entgeltgesetzes (ThürHGEG).
Auch § 11 Abs. 1 Sätze 1 und 2 NHG in der bis zum 31. August 2014 geltenden Fassung enthielt eine solche Regelung, die - nach entsprechender Gesetzesänderung - nicht aufrechterhalten wurde. Dem Gesetzgeber kam es mit der Neugestaltung des § 12 NHG darauf an, den Verbrauch des Studienguthabens zugunsten der Studierenden flexibler zu gestalten. In den Gesetzesmaterialien zu § 12 NHG (Nds. Landtag, Drucksache 17/741, S. 12) wird ausgeführt:
„Absatz 2 regelt die Höhe des Studienguthabens. Dieses ergibt sich aus der Zahl der Semester der Regelstudienzeit für den gewählten grundständigen Studiengang zuzüglich sechs weiterer Semester. Für einen konsekutiven Masterstudiengang erhöht sich das Studienguthaben um die Zahl der Semester der Regelstudienzeit dieses Studiengangs. Nicht verbrauchtes Studienguthaben aus dem zum Zugang qualifizierenden grundständigen Studiengang bleibt somit für den konsekutiven Masterstudiengang erhalten.“
Aus § 12 Abs. 2 Satz 2 NHG ergibt sich folglich nur, dass ein nicht verbrauchtes Studienguthaben aus dem zum Zugang qualifizierenden grundständigen Studiengang für den konsekutiven Masterstudiengang erhalten bleibt und somit im Masterstudiengang verbraucht werden kann (von Coelln/Pautsch, BeckOK Hochschulrecht Niedersachsen, 19. Edition 2019, § 12 Rn. 7) und gerade nicht, dass das Studienguthaben für einen konsekutiven Masterstudiengang vor dessen Beginn verfallen soll, wenn während des Bachelorstudiums Langzeitstudiengebühren entrichtet wurden. Eine solche Ansicht würde darüber hinaus der Intention des Gesetzes, Langzeitstudiengebühren sozialverträglich zu gestalten (vgl. Nds. Landtag, Drucksache 17/741, S. 10), zuwiderlaufen.
Erwähnenswert ist abschließend, dass die Beklagte offensichtlich zunächst noch die Rechtsansicht des Senats befürwortete. Auf Anfrage des Klägers teilte sie ihm in einer E-Mail vom 7. Juli 2017 mit, dass die im Bachelorstudium zu zahlenden Langzeitstudiengebühren entfielen, wenn er ein Masterstudium beginne.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.