Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 05.11.2021, Az.: 8 OB 126/21

Anhörungsrüge; Formular; Gehörsrüge; Prozesskostenhilfe

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
05.11.2021
Aktenzeichen
8 OB 126/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 71049
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 02.08.2021 - AZ: 12 A 2556/21

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Es gehört grundsätzlich zu den eigenen Obliegenheiten des bedürftigen Rechtsschutzsuchenden, sich die erforderlichen Unterlagen – hier: das Formular für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse – selbst zu beschaffen und fristgerecht bei Gericht einzureichen.

Tenor:

Die Anhörungsrüge des Klägers gegen die Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts - 8. Senat - vom 6. Oktober 2021 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Anhörungsrügeverfahrens.

Gründe

Die vom Kläger mit Schreiben vom 23. Oktober 2021 erhobene Anhörungsrüge ist zwar zulässig, jedoch nicht begründet (§ 152a Abs. 4 Satz 2 VwGO).

Die Anhörungsrüge ist nach § 152a Abs. 1 Nr. 1 VwGO statthaft, da gegen die Entscheidung des Senats vom 6. Oktober 2021, mit der sein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die (beabsichtigte) Beschwerde gegen die Rechtswegverweisung durch Beschluss des Verwaltungsgerichts – Einzelrichterin der 12. Kammer – vom 2. August 2021 (Az. 12 A 2556/21) abgelehnt worden ist, ein Rechtsmittel oder anderer Rechtsbehelf nicht gegeben ist. Für die Anhörungsrüge in einem Prozesskostenhilfeverfahren besteht nach h.M. auch kein Vertretungszwang nach § 67 Abs. 4 VwGO, da es sich bei dem auf Fortführung des abgeschlossenen Prozesskostenhilfeverfahrens abzielenden Anhörungsrügeverfahren (ebenfalls) um ein Prozesskostenhilfeverfahren im Sinne von § 152a Abs. 2 Satz 5 VwGO i.V.m. § 67 Abs. 4 Satz 1, 2. Halbsatz VwGO handelt (Senatsbeschl. v. 17.12.2020 – 8 LA 92/20 –, juris Rn. 2 m.w.N.).

Die Anhörungsrüge ist jedoch nicht begründet, weil das Gericht den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (§ 152a Abs. 1 Nr. 2 VwGO).

Der verfassungsrechtlich verbürgte Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verpflichtet das Gericht, seine Entscheidung nur auf Tatsachen oder Beweisergebnisse zu stützen, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten (vgl. § 108 Abs. 2 VwGO), sowie ein rechtzeitiges und möglicherweise erhebliches Vorbringen zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, soweit es aus verfahrens- oder materiell-rechtlichen Gründen nicht außer Betracht bleiben muss oder kann (BVerfG, Beschl. v. 29.10.2015 – 2 BvR 1493/11 –, juris Rn. 45). Art. 103 Abs. 1 GG ist allerdings erst verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist (BVerfG, Beschl. v. 29.10.2015 – 2 BvR 1493/11 –, juris Rn. 45 m.w.N.). Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte auch nicht, dem Tatsachenvortrag oder der Rechtsansicht eines Verfahrensbeteiligten inhaltlich zu folgen (BVerwG, Beschl. v. 15.8.2019 – 5 B 11.19 u.a. –, juris Rn. 1 u. v. 24.11.2011 – 8 C 13.11 u.a. –, juris Rn. 2). Die Gerichte sind ebenso wenig verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in der Begründung der Entscheidung ausdrücklich zu befassen (BVerfG, Beschl. v. 29.10.2015 – 2 BvR 1493/11 –, juris Rn. 45 m.w.N.). Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist erst dann anzunehmen, wenn besondere Umstände erkennen lassen, dass das Gericht tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen hat, woran es fehlt, wenn der betreffende Vortrag nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 31.1.2020 – 2 BvR 2592/18 –, juris Rn. 11 u. v. 29.10.2015 – 2 BvR 1493/11 –, juris Rn. 45 m.w.N.)

Eine derartige Verletzung von Verfahrensrechten des Klägers wird in dessen Schreiben vom 23. Oktober 2021 nicht aufgezeigt (§ 152a Abs. 2 Satz 6 VwGO).

In seinem Beschluss vom 6. Oktober 2021 hat der Senat den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe mit der Begründung abgelehnt, dass der Kläger nicht dargelegt habe, nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage zu sein, die Kosten der Prozessführung zu tragen (§§ 114 Satz 1, 115 ZPO). Er habe trotz Aufforderung die nach § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO dem Antrag beizufügende Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie entsprechende Belege nicht eingereicht, so dass seine Bedürftigkeit insbesondere im Hinblick auf sein Eigentum an einem Grundstück, das augenscheinlich kein Schonvermögen im Sinne von § 90 Abs. 2 und 3 SGB XII darstelle, nicht überprüft werden könne.

Wenn der Kläger zur Begründung seiner Anhörungsrüge dagegen vorträgt, dass „… PKH Formulare … (ihm) nicht zugänglich … (seien und) … um Übersendung gebeten (worden sei), so dass die fehlende Vorlage von PKH Formularen (ihm) … daher nicht angelastet werden (könne), es (liege) … vielmehr ein Versäumnis des Gerichts vor“, muss er sich entgegenhalten lassen, dass der Rechtsschutzsuchende sich Versäumnisse und Unterlassungen bei der Beachtung von Frist- und Formvorschriften zurechnen lassen muss, die er selbst zu vertreten hat (BVerfG, Beschl. v. 30.8.1991 – 2 BvR 995/91 – juris Rn. 3; s. auch OVG Hamburg, Beschl. v. 22.1.2020 – 1 Bf 3/20.Z –, juris Rn. 20, 22). Eine Verletzung rechtlichen Gehörs liegt daher insbesondere nicht darin, dass das Gericht ihm nicht vorab das Formular für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zugesandt hat (BFH, Beschl. v. 21.10.2020 – VII B 119/19 –, juris Rn. 47f.). Der Rechtsschutzsuchende muss sich über die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe grundsätzlich selbst kundig machen; die Gerichte treffen insoweit keine besonderen Hinweispflichten. Das gilt auch für einen im Ausland ansässigen Beteiligten, der in Deutschland einen Prozess angestrengt hat und nun ein Rechtsmittel einzulegen beabsichtigt (BFH, Beschl. v. 21.10.2020 – VII B 119/19 –, juris Rn. 48; Beschl. v. 17.8.2006 – VII S 5/06 (PKH) –, juris Rn. 6). Es gehört daher grundsätzlich zu den eigenen Obliegenheiten des Rechtsschutzsuchende, sich auch die erforderlichen Unterlagen – hier: das Formular für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse – selbst zu beschaffen und fristgerecht bei Gericht einzureichen (OVG Hamburg, Beschl. v. 22.1.2020 – 1 Bf 3/20.Z –, juris Rn. 20ff.). Der Berichterstatter hat die Frist für die Vorlage der Erklärung auf die Bitte des Klägers hin mehrfach verlängert, ihm mit Verfügung vom 1. September 2021 eine Internetadresse benannt, unter der das Formular per Download heruntergeladen werden könne, sowie mit Verfügung vom 16. September 2021 darauf hingewiesen, dass die Formulare etwa bei den Rechtsantragstellen der Amtsgerichte erhältlich seien, und ihn zugleich zur Einhaltung der gesetzten Einreichungsfrist bis zum 4. Oktober 2021 aufgefordert. Dem ist der Kläger nicht nachgekommen. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs durch das Gericht ist bei dieser Sachlage nicht gegeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Das Verfahren ist nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Senatsbeschl. v. 17.12.2020 – 8 LA 92/20 –, juris Rn. 7) nicht gerichtskostenfrei, da der Gesetzgeber das Anhörungsrügeverfahren kostenrechtlich verselbstständigt hat, ohne hiervon Prozesskostenhilfeangelegenheiten auszunehmen (Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 12.2.2019 – 12 LA 214/18 –, juris Rn. 8; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 23.4.2021 – 2 S 1161/21 –, juris Rn. 6f.; Bayerischer VGH, Beschl. v. 23.2.2021 – 7 CE 21.221 –, juris Rn. 9; a.A. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 14.4.2021 – 15 A 855/21 –, juris Rn. 5).

Der Festsetzung eines Streitwerts für das Anhörungsrügeverfahren bedarf es nicht, da nach Nr. 5400 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG eine Festgebühr anfällt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152a Abs. 4 Satz 3 VwGO).