Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 03.11.2021, Az.: 1 ME 159/20

Abweichung; Baulast; Bestimmtheit; Nichtigkeit; Verlängerung Geltungsdauer Baugenehmigung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
03.11.2021
Aktenzeichen
1 ME 159/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 71034
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 20.10.2020 - AZ: 2 B 244/20

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Bei der Verlängerung der Geltungsdauer einer Baugenehmigung gemäß § 71 Satz 3 NBauO ist neu zu prüfen, ob das Vorhaben den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entspricht. Ist dies der Fall, dann hat der Bauherr einen Rechtsanspruch auf die Verlängerung der Baugenehmigung Die Verlängerung einer Baugenehmigung eröffnet denselben Nachbarschutz, der gegen die ursprünglich erteilte Baugenehmigung möglich gewesen wäre.

2. Wird bei der Bestellung einer Baulast auf einen Lageplan Bezug genommen, muss dieser die beachtlichen örtlichen Verhältnisse richtig und genau, jedenfalls bestimmbar wiedergeben.

3. Dass in dem von einer Abstandsbaulast gemäß § 6 Abs. 2 NBauO erfassten Grenzbereich ein Gebäude steht, dessen fortdauernde Existenz mit dieser nicht zu vereinbaren ist, führt grundsätzlich nicht zur Nichtigkeit der Baulast (Fortführung der Senatsrechtsprechung, vgl. Senatsurt. v. 8.7.2004 - 1 LB 48/04 -, BRS 67 Nr. 151 = BauR 2004, 1924 = juris Rn. 70).

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 2. Kammer - vom 20. Oktober 2020 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Verfahren in beiden Rechtszügen auf jeweils 15.000 EUR festgesetzt; die Streitwertfest-setzung des Verwaltungsgerichts wird entsprechend geändert.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte Verlängerung einer Baugenehmigung zum Neubau eines Doppelhauses mit zwei Einstellplätzen.

Er ist seit 2017 Inhaber eines Miteigentumsanteils am (nach WEG geteiltem) Grundstück mit der postalischen Anschrift A-Straße in A-Stadt, verbunden mit dem hälftigen Sondereigentum an der im Aufteilungsplan mit der Nr. 2 gekennzeichneten Wohnung im 1. Obergeschoss. Nördlich angrenzend an das Grundstück befindet sich das Grundstück des Beigeladenen mit der postalischen Anschrift E. und F..

Der Beigeladene beantragte am 10. Oktober 2014 die Erteilung einer Baugenehmigung für den Neubau eines Doppelhauses mit zwei Einstellplätzen und die Zulassung einer Abweichung von einzuhaltenden Grenzabständen, da eine Abstandsbaulast in einem Teilbereich aufgrund der Überschneidung mit den Abstandsflächen des Gebäudes A-Straße nicht eingetragen werden könne. Die damaligen Wohnungseigentümer der WEG „A-Straße“ erteilten hierzu schriftlich ihre Zustimmung. Auch der Eintragung einer Abstandsbaulast für den übrigen Bereich stimmten sie zu; die Baulast wurde am 23. Oktober 2015 unter der Nr. 8125 in das Baulastenverzeichnis eingetragen. Die Antragsgegnerin erteilte am 23. März 2016 die Baugenehmigung und die beantragte Abweichung.

In der Folgezeit nahm der Beigeladene innere Abbrucharbeiten am Bestandsgebäude vor, weitere Baumaßnahmen erfolgten nicht. Nachdem die Antragsgegnerin mitgeteilt hatte, dass die Baugenehmigung nach Ablauf von drei Jahren erloschen sei, beantragte der Beigeladene die Erteilung einer Verlängerung der Baugenehmigung und hilfsweise die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Im Rahmen des Verlängerungsverfahrens beantragte der Beigeladene zudem die Zulassung einer Abweichung abweichend von der bisher erteilten und führte zur Begründung aus, dass auf dem Nachbargrundstück ein abstandsrelevanter Wintergarten in westlicher Richtung angebaut sei, der in den amtlichen Vermessungsplänen, die Grundlage der Baulast und des Bauantrags gewesen seien, nicht eingezeichnet sei. Hierdurch vergrößere sich die erforderliche Abweichungsfläche.

Mit Bescheid vom 22. Mai 2020 erteilte die Antragsgegnerin nach vorheriger Nachbarbeteiligung die Verlängerung der Baugenehmigung bis zum 24. März 2022 unter gleichzeitiger Zulassung der beantragten Abweichung. Hiergegen hat der Antragsteller am 19. Juni 2020 Widerspruch erhoben, über den nach Aktenlage noch nicht entschieden wurde.

Den nach erfolglosem behördlichem Aussetzungsverfahren gestellten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Verlängerung der Baugenehmigung, den der Antragsteller sowohl hinsichtlich seines Sondereigentums als auch hinsichtlich des Gemeinschaftseigentums aufgrund einer Bevollmächtigung der Wohnungseigentümergemeinschaft gestellt hat, hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 20. Oktober 2020 abgelehnt und zur Begründung unter anderem ausgeführt, die Verlängerungsentscheidung verletze keine nachbarschützenden Rechte. Gegenstand der gerichtlichen Prüfung sei allein die angefochtene Verfügung vom 22. Mai 2020, nicht dagegen die ursprünglich erteilte Baugenehmigung vom 23. März 2016. Das Bauvorhaben halte zwar den nötigen Grenzabstand nicht ein. Ein Großteil dieser Abstandsunterschreitung werde aber durch die bestandskräftige Baulast legalisiert. Die Baulast habe weiterhin Bestand; ein im Jahr 2019 gestellter Antrag auf Löschung der Baulast sei abgelehnt worden. Daher habe die Antragsgegnerin die Baulast zu Recht zur Verlängerung der Baugenehmigung heranziehen können. Eine Prüfung der Baulast könne aufgrund ihrer Bestandskraft nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sein. Auch die Abweichung sei rechtmäßig erteilt worden. Die Voraussetzungen für eine Abweichung lägen vor; die nach § 66 Abs. 1 Satz 1 NBauO durchzuführende Interessenabwägung gehe zu Lasten des Antragstellers aus. Der Schutzzweck der Abstandsvorschriften bleibe durch das geplante Vorhaben gewahrt. Dem Antragsteller sei es nicht gelungen, Beeinträchtigungen seines Sondereigentums oder des Gemeinschaftseigentums darzulegen. Einer Rechtsverletzung stehe entgegen, dass sich sein Sondereigentum nicht in dem Bereich der erteilten Abweichungsfläche befinde und das Gemeinschaftseigentum im Bereich der Zufahrt zum rückwärtigen Parkplatz und den Garagen betroffen sei. Eine Beeinträchtigung der Bebaubarkeit sei daher an dieser Stelle ebenso wenig ersichtlich wie eine Beeinträchtigung etwaiger schutzbedürftiger Bereiche. Eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme liege ebenfalls nicht vor; insbesondere sei das Vorhaben nicht geeignet, die Wohnung des Antragstellers zu verschatten.

Hiergegen richtet sich die vom Antragsteller erhobene Beschwerde, der die Antragsgegnerin und der Beigeladene entgegentreten.

II.

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die dargelegten Beschwerdegründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen es nicht, den angefochtenen Beschluss abzuändern.

Klarstellend vorauszuschicken ist, dass Prüfungsgegenstand nicht allein die Verlängerungsentscheidung vom 22. Mai 2020, sondern die ursprünglich erteilte Baugenehmigung vom 23. März 2016 in der Fassung der Verlängerung vom 22. Mai 2020 ist. Denn die Verlängerung der Geltungsdauer einer Baugenehmigung nach § 71 Satz 3 NBauO ist in der Sache nichts anderes als die Erteilung einer neuen Genehmigung unter erleichterten Verfahrensbedingungen, da der Bauherr nicht erneut Bauvorlagen einreichen muss (vgl. Burzynska/Mann, in: Große-Suchsdorf, NBauO, 10. Aufl. 2020, § 71 Rn. 17 f.). Bei der Verlängerung der Geltungsdauer einer Baugenehmigung ist neu zu prüfen, ob das Vorhaben den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entspricht. Ist dies der Fall, dann hat der Bauherr einen Rechtsanspruch auf die Verlängerung der Baugenehmigung (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 22.6.2010 - 12 LB 213/07 -, BRS 76 Nr. 161 = juris Rn. 36 ff.; Burzynska/Mann, in: Große-Suchsdorf, NBauO, 10. Aufl. 2020, § 71 Rn. 17). Hieraus folgt, dass ein Nachbar die Baugenehmigung, deren Geltungsdauer verlängert wurde, anfechten kann; die Verlängerung eröffnet denselben Nachbarrechtsschutz, der gegen die ursprünglich erteilte Baugenehmigung möglich gewesen wäre.

Die Einwände des Antragstellers gegen die erstinstanzliche Entscheidung greifen nicht durch.

1.

Zunächst verfängt der Einwand des Antragstellers, die Antragsgegnerin sei ihrem vorgeschriebenen Prüfprogramm nicht nachgekommen und habe nicht ermittelt, welche Abstände erforderlich seien, was Voraussetzung für den Dritt- bzw. Nachbarschutz sei, nicht. Soweit er hiermit rügen möchten, die Baugenehmigung sei im Hinblick auf etwaige nachbarschützende Vorschriften zu unbestimmt, ist dies nicht der Fall. Richtig ist, dass ein Nachbar insoweit „rügeberechtigt" ist, als die Unbestimmtheit gerade zu seinen Lasten geht. Eine derartige Unbestimmtheit liegt hier aber nicht vor, denn der Baugenehmigung lassen sich sowohl die Lage und als auch die Ausmaße des Vorhabens in hinreichender Weise entnehmen. Ausgehend hiervon sind die erforderlichen Grenzabstände zu ermitteln, was die Antragsgegnerin getan hat. Dass die von der Antragsgegnerin ermittelten Abstände nach Ansicht des Antragstellers unzutreffend sind, ist keine Frage der Bestimmtheit der Baugenehmigung, sondern des materiellen Rechts (dazu im Folgenden).

2.

Zu Unrecht rügt der Antragsteller, das Vorhaben verstoße gegen nachbarschützende Grenzabstandsvorschriften des § 5 NBauO. Die erforderlichen Grenzabstände wurden zutreffend ermittelt (dazu a.) und sind unter Berücksichtigung der eingetragenen Baulast weitgehend eingehalten (dazu b.). Im Übrigen wurde dem Beigeladenen eine rechtmäßige Abweichung erteilt (dazu c.).

a.

Entgegen der Annahme des Antragstellers hat die Antragsgegnerin die Höhe des Bauvorhabens zutreffend bestimmt und auf dieser Grundlage den nach § 5 NBauO erforderlichen Grenzabstand richtig ermittelt. Der erforderliche Grenzabstand beträgt an der östlichen Grenze des genehmigten Vorhabens mit einer grenznahen Wandhöhe von 6,77 m (siehe grüngestempelte Südansicht) abgerundet gemäß § 5 Abs. 1 Satz 5 NBauO 3,30 m. Der notwendige Grenzabstand vergrößert sich in westlicher Richtung auf maximal (abgerundet) 3,70 m, nämlich dort, wo das geplante, grenzständige Gebäude aus Sicht des Antragstellers eine (maximale) Wandhöhe von 7,46 m erreicht (der zurückspringende, westliche Gebäudeteil des Hauses I hält unzweifelhaft die erforderlichen Grenzabstände ein). Die abweichenden Höhenberechnungen des Antragstellers sind demgegenüber nicht nachvollziehbar; sie lassen bereits außer Acht, dass Gegenstand der rechtlichen Beurteilung allein das mit den vorgenannten Höhen genehmigte Bauvorhaben ist.

Das weitere Vorbringen des Antragstellers in seinem Schriftsatz vom 18. Januar 2021, die beabsichtigte Überkragung des 1. Obergeschosses nach Westen über den Innenhof bei Haus 1 sei bisher nicht sachgerecht berücksichtigt worden, kann der Senat schon gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nicht berücksichtigen, da es nicht innerhalb der Beschwerdefrist vorgetragen wurde.

b.

Die erforderlichen Grenzabstände sind unter Berücksichtigung der eingetragenen Baulast gemäß § 6 Abs. 2 NBauO weitgehend eingehalten. Der Antragsteller kann der erteilten Baugenehmigung nicht mit Erfolg entgegenhalten, die Baulast sei nichtig.

Dabei ist dem Antragsteller allerdings insoweit zu folgen sein, als das Verwaltungsgericht auf die Prüfung der Nichtigkeitseinwände nicht allein unter Verweis auf die Bestandskraft der Baulast verzichten durfte. Denn ein nichtiger Verwaltungsakt (zur Verwaltungsakteigenschaft der Baulasteintragung vgl. Nds. OVG, Urt. v. 26.5.1989 - 6 OVG A 147/87 -, juris Rn. 2; Urt. v. 2.7.1991 - 6 L 132/89 -, BRS 52 Nr. 164 = NdsRpfl 1992, 10 = juris Rn. 23) kann nicht in Bestandskraft erwachsen. Etwas Anderes folgt auch nicht aus der konstitutiven Wirkung der Eintragung in das Baulastenverzeichnis (§ 81 Abs. 1 Satz 2 NBauO). Die Nichtigkeit der Baulast kann daher unabhängig von der Bestandskraft der Eintragung geltend gemacht werden (vgl. Mann, in: Große-Suchsdorf, NBauO, 10. Aufl. 2020, § 81 Rn. 74).

Dieser Einwand spielt - anders als der Antragsteller in seiner Beschwerdebegründung vorbringt - nicht (erst) im Rahmen des § 3 Abs. 1 NBauO eine Rolle, sondern bereits bei der Prüfung, ob das genehmigte Vorhaben gegen Grenzabstandsvorschriften nach § 5 Abs. 1 NBauO i.V.m. § 6 Abs. 2 NBauO verstößt. Denn im Falle der Nichtigkeit der Baulast hat der daraus folgende Löschungsanspruch lediglich deklaratorische Wirkung im Sinne einer Berichtigung des Verzeichnisses (vgl. Mann, in: Große-Suchsdorf, NBauO, 10. Aufl. 2020, § 81 Rn. 71), weshalb in der Folge ein genehmigtes Vorhaben regelmäßig die erforderlichen Grenzabstände (ohne Baulast) nicht einhalten dürfte.

Die Baulast ist jedoch nicht nichtig. Zur Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes führen nur solche Fehler, welche ihm einen Inhalt geben, der mit der rechtsstaatlichen Ordnung und den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Verwaltung unter keinen Umständen vereinbar sein kann, und es damit ausschließen, der Baulast den Anschein der Wirksamkeit oder auch nur eine vorläufige Geltung zu belassen. Das sind nur solche Rechtsfehler, welche tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten Wertvorstellungen widersprechen. Besonders schwerwiegend im Sinne des § 1 Abs. 1 Nds. VwVfG i.V.m. § 44 Abs. 1 VwVfG sind daher nur solche Fehler, welche die Aufrechterhaltung seiner Wirksamkeit als schlechterdings unerträglich erscheinen lassen. Eine Faustformel bietet dafür die Kontrollfrage, ob der Gesetzgeber eine solche Rechtsfolge hätte anordnen können, ohne damit die genannten Verfassungsprinzipien und der Rechtsordnung immanente Wertvorstellungen zu verletzen (Senatsurt. v. 8.7.2004 - 1 LB 48/04 -, BRS 67 Nr. 151 = BauR 2004, 1924 = juris Rn. 55 unter Verweis auf BVerwG, Urt. v. 22.2.1985 - 8 C 107.85 - BRS 43 Nr. 130 = NJW 1985, 2658 = juris Rn. 22 f.). Das ist hier nicht der Fall.

Zunächst dringt der Antragsteller mit seinem Einwand, der Beigeladene habe die Baulast arglistig erlangt, nicht durch. Anhaltspunkte für ein arglistiges Verhalten des Beigeladenen sind nicht erkennbar. Die Hintergründe der Baulastbestellung ergeben sich insbesondere aus dem zwischen der Wohnungseigentümergemeinschaft „A-Straße“ und dem Beigeladenen geschlossenen privatrechtlichen „Vertrag über die Prämissen der Einräumung einer Baulast“, dem als Anlage Pläne des Bauvorhabens beigefügt wurden. Anhaltspunkte für ein hiervon abweichendes Bauvorhaben oder aber ein Erschleichen unter Vorgabe anderer (Bau-)Absichten liegen nicht vor. Hinweise für den Vorwurf des Antragstellers, der Beigeladene habe im Rahmen des Genehmigungsverfahrens einen größeren Abstand zwischen den Gebäuden vorgespielt, um so eine kleinere, „harmlosere“ Fläche für die beantragte Abweichung in Anspruch zu nehmen, lassen sich den Akten ebenfalls nicht entnehmen. Ferner ist nicht ersichtlich, dass dem Beigeladenen bei der Baulastbestellung bekannt war, dass im Lageplan - wie sich später herausgestellt hat - ein Wintergarten am Gebäude A-Straße nicht eingezeichnet war. Zudem hätte dieser Umstand vielmehr der Wohnungseigentümergemeinschaft auffallen können und müssen, betrifft dies doch gerade die Zustände auf ihrem eigenen Grundstück.

Die Baulast leidet auch nicht an einem Formfehler. Vorliegend handelt es sich um eine Abstandsbaulast nach § 6 Abs. 2 NBauO. Danach dürfen andere benachbarte Grundstücke für die Bemessung des Grenzabstandes dem Baugrundstück bis zu einer gedachten Grenze zugerechnet werden, wenn durch Baulast gesichert ist, dass auch bauliche Anlagen auf dem benachbarten Grundstück den vorgeschriebenen Abstand von dieser Grenze halten. Die zugunsten des Grundstücks des Beigeladenen eingetragene Baulast erlaubt mit ihrem ersten Teil in Übereinstimmung mit den Vorgaben des § 6 Abs. 2 NBauO, die im beigefügten Lageplan markierte Teilfläche dem Grundstück des Beigeladenen zuzurechnen. Soweit der Antragsteller rügt, die Baulast sei formunwirksam, da es an einem qualifizierten Lageplan fehle, ist dies unzutreffend. Bei dem in der Baulastbestellung in Bezug genommenen Lageplan vom 24. Oktober 2014 handelt es sich um einen qualifizierten Lageplan i.S.d. § 7 Abs. 4 BauVorlVO, in dem die maßgeblichen Bezugspunkte für die Abstandsbaulast eingetragen sind. Auf alle weiteren, in diesem Zusammenhang geltend gemachten Einwendungen des Antragstellers kommt es nicht an.

Auch mangelnde Bestimmtheit führt, ungeachtet des Umstandes, dass diese nicht in jedem Fall die Nichtigkeit zur Folge hat, nicht zu einer anderen rechtlichen Bewertung. Das Maß der Bestimmtheit, das eine Verpflichtungserklärung gemäß §§ 6 Abs. 2, 81 Abs. 1 NBauO haben muss, richtet sich nach den allgemeinen, unter anderem auch für Verwaltungsakte geltenden und in der Rechtsprechung geklärten Kriterien. Danach ist dem Bestimmtheitserfordernis (§ 1 Abs. 1 Nds. VwVfG i.V.m. § 37 Abs. 1 VwVfG) genügt, wenn der Wille der Behörde/des Erklärenden für die Beteiligten des Verfahrens, in dem der Verwaltungsakt erlassen/die Willenserklärung abgegeben wird, unzweideutig erkennbar und keiner unterschiedlichen subjektiven Bewertung zugänglich ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.1.1993 - 8 C 57.91 -, KStZ 1993, 93 = ZMR 1993, 480 = juris Rn. 15 f. unter Hinweis auf BVerwG, Beschl. v. 27.7.1982 - 7 B 122.81 -, Buchholz 316 § 37 VwVfG Nr. 1). Welche Anforderungen im Einzelnen zu stellen sind, hängt vom jeweiligen Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes und dem mit ihm verfolgten Zweck ab. Auch Willenserklärungen müssen dementsprechend so formuliert werden, dass sich ihr Inhalt und ihre Tragweite objektiv hinreichend, d.h. ohne unterschiedlichen subjektiven Bewertungen zugänglich zu sein, ermitteln lässt. Das abverlangte Tun muss mit anderen Worten so eindeutig bezeichnet werden, dass der Umfang von Vollstreckungsmaßnahmen ausreichend umrissen werden kann. Etwaige Auslegungsprobleme sind so lange unschädlich, wie der Inhalt des geforderten Tuns aus dem Text oder beigefügten Plänen hinreichend verlässlich ermittelt werden kann (vgl. Senatsurt. v. 27.9.2001 - 1 LB 1137/01 -, BRS 64 Nr. 130 = BauR 2002, 770 = juris Rn. 22; Senatsurt. v. 8.7.2004 - 1 LB 48/04 -, BRS 67 Nr. 151 = BauR 2004, 1924 = juris Rn. 60). Eingetragene Baulasterklärungen müssen so eindeutig und klar formuliert sein, dass die Bauaufsichtsbehörde die Baulast im Konfliktfall durchsetzen kann. Eine Baulast genügt dem Bestimmtheitsprinzip, wenn sich unter Zuhilfenahme der angegebenen Unterlagen der Bereich ergibt, auf den sich die Baulast erstreckt. Die Beschreibung der in Anspruch genommenen Flächen eines anderen Grundstücks wird in der Regel durch einen Lageplan erleichtert (vgl. Senatsurt. v. 8.7.2004 - 1 LB 48/04 -, BRS 67 Nr. 151 = BauR 2004, 1924 = juris Rn. 62; Mann, in: Große-Suchsdorf, NBauO, 10. Aufl. 2020, § 81 Rn. 43).

Diesen Bestimmtheitsanforderungen genügt die eingetragene Baulast. Unschädlich ist insoweit, dass die Baulast das Bauvorhaben nicht konkret bezeichnet. Dem Bewilligenden ist es zwar unbenommen, den Gegenstand seiner mit der Baulast verbundenen Duldungspflicht weiter einzugrenzen; ein Wirksamkeitserfordernis ist das hingegen bei einer Abstandsbaulast nach § 6 Abs. 2 NBauO nicht (vgl. Senatsbeschl. v. 19.7.2021 - 1 ME 75/21 -, juris Rn. 12; Senatsbeschl. v. 14.9.2010 - 1 LA 193/08 -, n.v.). Die dem Vorhabengrundstück zuzurechnende Abstandsfläche ist aus dem Lageplan klar ersichtlich. Bei einer Bezugnahme auf einen Lageplan muss dieser die beachtlichen örtlichen Verhältnisse richtig und genau, jedenfalls bestimmbar wiedergeben (u.a. OVG NRW, Beschl. v. 30.10.2013 - 2 A 2554/12 -, BRS 81 Nr. 146 = BauR 2014, 541 = juris Rn. 17). Dies ist hier der Fall. Aus dem Lageplan, der einen Maßstab für das Abtragen der Maße enthält, lassen sich die Lage und der Verlauf der Baulastfläche entgegen dem Vorbringen des Antragstellers eindeutig entnehmen. Die Baulastfläche ist farblich markiert und die Tiefe ist handschriftlich angegeben. Ausgangsmesspunkte der handschriftlich eingetragenen Tiefen von 3,51 m und 3,73 m sind nach dem Lageplan jeweils (abgemarkte) Grenzpunkte des Grundstücks des Beigeladenen; diese Grenzpunkte entsprechen - soweit ersichtlich - den abgemarkten Grenzpunkten, die sich aus dem von dem Antragsteller im Beschwerdeverfahren vorgelegten qualifizierten Lageplan vom 19. November 2020 ergeben. Dass die angegebenen Tiefen ausgehend von einem rechten Winkel zu der Grundstücksgrenze abzumessen sind, bedurfte entgegen der Annahme des Antragstellers keiner gesonderten Erwähnung, da sich dies bereits aus der zeichnerischen Darstellung ergibt. Auch die östliche Baulastfläche lässt sich durch den Viertelkreis mit einem Radius von 3,61 m und unter Berücksichtigung der eingetragenen Mindestabstandsfläche des Gebäudes A-Straße hinreichend konkret bestimmen. Soweit der Antragsteller rügt, es fehlten Angaben zu Radien mit z.B. „r“, verfängt dies nicht, da sich aus der zeichnerischen Darstellung ohne weiteres erkennen lässt, dass es sich um einen (Viertel-)Kreis und nicht um Strecken handelt. Als Bezugspunkt für den Viertelkreis mit dem Radius von 3,61 m dient die südöstliche Ecke des genehmigten Neubaus. Dies begegnet keinen durchgreifenden Bedenken, auch wenn es sich nicht um eine vorhabenbezogene Baulast handelt. Der genehmigte Neubau wird in südöstlicher Richtung nämlich auf gleicher Höhe wie das mittlerweile abgebrochene Bestandsgebäude errichtet, welches ebenfalls im Lageplan als „Abbruch Bestand“ eingezeichnet ist. Zudem ist die Lage des Gebäudes aus dem Lageplan hinreichend ermittelbar; dies ist ausreichend, um zu bestimmen, von welchem Punkt aus der Viertelkreis mit dem Radius von 3,61 m zu messen ist. Von diesem Punkt aus lässt sich zunächst der nordöstlichste Bereich der Baulast bestimmen; die Baulast endet dort, wo der Viertelkreis, gemessen von der südöstlichen Ecke des geplanten Neubaus, die Grundstücksgrenze schneidet. Die zwei östlichen „Ecken“ der Baulast lassen sich durch die Schnittpunkte mit den vom Gebäude A-Straße ausgehenden Mindestabständen von 3,00 m bestimmen. Der westlichere Schnittpunkt ist dann in westliche Richtung mit dem abgemessenen Punkt 3,51 m zu verbinden.

Soweit der Antragsteller in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung des Senats vom 29. Juni 2017 (- 1 LA 151/16 -, BRS 85 Nr. 116 = BauR 2017, 1673 = juris Rn. 13) verweist, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Der Senat hat u.a. ausgeführt, dass die Verpflichtungserklärung für eine Baulasteintragung nicht vom Horizont des bei ihrer Bestellung konkret tätigen Sachbearbeiters, sondern vom Horizont eines objektivierten, aktenkundigen, aber mit mündlichen Vorgängen zum Zeitpunkt der Bestellung unvertrauten Vertreters der Bauaufsichtsbehörde her auszulegen ist. Dies ist hier anhand des Textes der Baulasteintragung und des in Bezug genommenen Lageplans ohne weiteres möglich.

Vor dem Hintergrund, dass die Baulast nicht an einem Bestimmtheitsmangel leidet, kann offen bleiben, ob der Versuch, die Baulast aufgrund mangelnder Bestimmtheit zu Fall zu bringen, auch rechtsmissbräuchlich ist. Denn die nachträgliche Berufung auf Umstände, die bei der Baulastbestellung von allen Beteiligten zugrunde gelegt worden sind und bei ihnen keine Bedenken ausgelöst haben, ist in aller Regel (auch im Falle der Rechtsnachfolge) missbräuchlich (so bereits Senatsbeschl. v. 4.3.2010 - 1 ME 13/10 -, BRS 76 Nr. 209 = BauR 2010, 1217 = juris Rn. 16).

Die Baulast leidet auch nicht deshalb an einem schwerwiegenden, mit tragenden Verfassungsprinzipien nicht mehr zu vereinbarenden Rechtsfehler, weil sie dazu führte, dass das Wohnhaus des Antragstellers den erforderlichen Grenzabstand zur fiktiven Grenze nicht einhält. Ohne Erfolg wendet der Antragsteller insoweit ein, er könne ohne Abbruch eines Teils des Gemeinschaftseigentums den in der Baulast vereinbarten Grenzabstand nicht einhalten, was mangels Abbruchbaulast die Nichtigkeit der Abstandsbaulast zur Folge habe. Zwar bleibt die Baulast insoweit hinter der Vorgabe des § 6 Abs. 2 NBauO zurück. Der Antragsteller kann sich darauf und in der Folge auf eine Grenzabstandsverletzung aber nicht berufen, da der Mangel der Baulast aus den Zuständen auf seinem Grundstück folgt (vgl. Senatsbeschl. v. 19.7.2021 - 1 ME 75/21 -, juris Rn. 10). Zudem ist dieser Einwand auch in der Sache unbegründet. Allein der Umstand, dass in dem von der Baulast erfassten Grenzbereich ein Gebäude steht, dessen fortdauernde Existenz mit der Baulast nicht zu vereinbaren ist, führt nicht zu ihrer Nichtigkeit (vgl. Senatsurt. v. 8.7.2004 - 1 LB 48/04 -, BRS 67 Nr. 151 = BauR 2004, 1924 = juris Rn. 70). Jedenfalls für die hier in Rede stehende Konstellation gilt aufgrund der versetzten Anordnung der Gebäude und der daraus folgenden geringfügigen Beeinträchtigung von Belichtung, Belüftung und ggf. Wohnintimität, dass die Existenz des Wohngebäudes A-Straße der Wirksamkeit der Baulast nicht entgegensteht.

Schon aus diesem Grund bedurfte es für die Erteilung der Baugenehmigung auch keiner Abbruchbaulast. Soweit es in der Kommentierung von Breyer (in: Große-Suchsdorf, NBauO, 10. Aufl. 2020, § 6 Rn. 34) hierzu heißt, dass das auf die Baulast angewiesene (grenznahe) Bauwerk des Baulastbegünstigten nur genehmigt oder errichtet werden dürfe, wenn der Baulastübernehmer sich durch die Baulast auch zum Abbruch dieses Gebäudes verpflichtet habe, teilt der Senat diese Ansicht jedenfalls in dieser Allgemeinheit nicht. Vielmehr müssen zumindest auch die Umstände des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt werden, die eine derartige (durch Baulast gesicherte) Forderung eines (Teil-) Abbruchs nicht erforderlich erscheinen lassen müssen. So liegt der Fall hier. Mit Blick auf den - auch in der zitierten Kommentierung angeführten - Zweck der Baulast, nämlich den vom Gesetzgeber angestrebten Freiraum zwischen Gebäuden zu sichern (Breyer, in: Große-Suchsdorf, NBauO, 10. Aufl. 2020, § 6 Rn. 34), ist aufgrund der versetzten Lage der Baukörper hinreichender Raum zwischen den Gebäuden des Antragstellers und des Beigeladenen auch ohne (Teil-) Abbruch des Gebäudes A-Straße gesichert. Die Baulast ermöglicht mithin keine schlechthin unerträglichen baulichen Zustände; sie genügen den Mindestanforderungen des § 3 Abs. 1 NBauO. Danach müssen bauliche Anlagen so angeordnet, beschaffen und für die Benutzung geeignet sein, dass die öffentliche Sicherheit, insbesondere Leben und Gesundheit, sowie die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere nicht gefährdet werden; unzumutbare Belästigungen oder unzumutbare Verkehrsbehinderungen dürfen nicht entstehen. Diese Anforderungen werden ersichtlich eingehalten.

Soweit sich aus der im Rahmen der Verlängerung vom 22. Mai 2020 getroffenen Abweichungsentscheidung nunmehr zum Teil Flächen der zugelassenen Abweichung mit Flächen der Baulast überlagern, führt auch dies nicht zur Nichtigkeit der Baulast.

c.

Ohne Erfolg macht der Antragsteller ferner geltend, die mit der verlängerten Baugenehmigung zugelassene Abweichung sei nichtig bzw. hilfsweise rechtswidrig.

Nach § 66 Abs. 1 Satz 1 NBauO kann die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen von Anforderungen dieses Gesetzes und aufgrund dieses Gesetzes erlassener Vorschriften zulassen, wenn diese unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen, insbesondere den Anforderungen nach § 3 Abs. 1 NBauO vereinbar sind. Ausgehend hiervon hat das Verwaltungsgericht den Zweck der Abstandsvorschriften zutreffend erkannt, der (hauptsächlich) darin besteht, die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse zu verwirklichen, indem für Gebäude insbesondere eine ausreichende Belichtung, Besonnung und Belüftung sichergestellt werden (vgl. u.a. Senatsbeschl. v. 9.9.2004 - 1 ME 194/04 -, BRS 67 Nr. 188 = BauR 2005, 372 = juris Rn. 12; Senatsurt. v. 27.6.2018 - 1 LC 183/16 -, BRS 86 Nr. 109 = BauR 2018, 1848 = juris Rn. 70). Mit dem Verwaltungsgericht ist zudem davon auszugehen, dass die nachbarlichen Interessen des Antragstellers im Rahmen der Abwägung zurückstehen. Eine besondere Beeinträchtigung seiner nachbarlichen Interessen ist nicht ersichtlich; die Abweichung betrifft Bereiche, in denen das Gebäude A-Straße denkbar unempfindlich ist. Zudem ist im Rahmen der Abwägung zu Lasten des Antragstellers zu berücksichtigen, dass seine Rechtsvorgänger das Vorhaben des Beigeladenen sowohl in seinen Ausmaßen als auch in seiner konkreten Lage akzeptiert haben, das nunmehr genehmigte Vorhaben sich gegenüber dem Stand zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses über die Prämissen der Baulast nicht geändert hat und die Wohnungseigentümergemeinschaft, zu der nunmehr auch der Antragsteller gehört, nach dem Vertrag erhebliche Gegenleistungen erhalten hat bzw. erhalten wird. Unter anderem hat sich der Beigeladene zu einem Rückbau einer der Wohnungseigentümergemeinschaft gehörenden Grenzmauer und zur Verbreiterung der Einfahrt des Grundstücks A-Straße auf eigene Kosten verpflichtet.

Soweit der Antragsteller im Beschwerdeverfahren geltend macht, sein Eigentum werde entwertet; sein Sondereigentum sei in Form des Freisitzes/Balkons beeinträchtigt, welcher 8 cm näher am Vorhaben liege, als in der Zeichnung des Beigeladenen angegeben; es entstehe eine wandartige Bebauung mit mehr als 18,30 m Länge und es sei ein großes Fenster in der grenznahen Wand des Vorhabens genehmigt worden, ist nicht dargelegt, inwiefern hierdurch der Schutzzweck der Grenzabstandsvorschriften durch das Vorhaben nicht mehr gewahrt wird. Dass der Antragsteller im Übrigen des Schutzes der gesetzlichen Abstände zur Sicherstellung einer hinreichenden Beleuchtung und Belüftung im betroffenen Grundstücksbereich bedarf oder nur bedürfen könnte, ist angesichts der versetzt angeordneten Lage der Gebäude auch sonst nicht ersichtlich. Zudem ist nicht dargetan, dass der Antragsteller den direkt an die Grundstücksgrenze angrenzenden Zufahrtsbereich zu den Garagen und Einstellplätzen in einer Weise baulich nutzen will, die auf die abstandsrechtlichen Schutzgesichtspunkte der Belichtung, Belüftung und Besonnung angewiesen wäre.

Die weiteren Einwendungen gegen die Abweichung greifen in der Sache nicht durch. Insbesondere ist der Antrag auf Abweichung vom 15. Januar 2020 nicht formal unbestimmt, denn er bezieht sich ausdrücklich auf die Zulassung einer Abweichung im Bereich der Abstandsflächenüberschneidung. Hinsichtlich der wiederholten Rüge gegen die Bestimmtheit aufgrund fehlenden qualifizierten Lageplans kann auf die obigen Ausführungen zur Baulast verwiesen werden. Das Maß der zugelassenen Abweichung ist aus dem der Verlängerungsentscheidung vom 22. Mai 2020 beigefügten Lageplan hinreichend ersichtlich (§ 66 Abs. 1 Satz 2 NBauO) und lässt sich aus der Überschneidung der beiden Viertelkreise ermitteln. Eine „zentimetergenaue“ Angabe des Maßes der Abweichung war nicht erforderlich (vgl. Senatsbeschl. v. 26.3.2019 - 1 ME 23/19 -, BauR 2019, 1124 = DVBl 2019, 801 = juris Rn. 13). Die Abweichung leidet auch nicht insoweit an einem Bestimmtheitsmangel, als sie auf das Haus II Bezug nimmt, denn aus dem Wortlaut der Abweichung lässt sich eindeutig entnehmen, dass das östliche Wohnhaus gemeint ist, wenn es darin heißt: „Abstandsunterschreitung durch das geplante Wohnhaus II im südöstlichen Bereich zum Grundstück A-Straße“. Auch soweit die mit Bescheid vom 22. Mai 2020 zugelassene Abweichung Flächen der Baulast teilweise überlagert, führt dies nicht zur Nichtigkeit der gesamten Abweichung. In diesem Umfang geht die Abweichung zwar ins Leere, denn der erforderliche Grenzabstand wird in diesem Bereich bereits aufgrund der wirksamen Baulast eingehalten, weshalb es einer Abweichung insoweit nicht bedurfte. Im Übrigen bleibt die insoweit teilbare Abweichung jedoch wirksam und rechtmäßig. Ob der Beigeladene schließlich sein Vorhaben - wie vom Antragsteller vorgebracht - auch anders hätte planen können, kann dahinstehen, denn dass das genehmigte Vorhaben die einzige Möglichkeit der Bebaubarkeit des Grundstücks ist, ist keine Voraussetzung für die Abweichung. Der ungünstige Zuschnitt des Grundstücks des Beigeladenen rechtfertigt diese vorliegend.

3.

Auch im Übrigen legt der Antragsteller eine Verletzung nachbarschützender Rechte nicht dar.

Das genehmigte Vorhaben verursacht insbesondere keine erdrückende Wirkung. Insofern verfängt der Einwand, es sei eine wandartige Bebauung mit mehr als 18,30 m Länge zu seinem Grundstück mit aufgehenden Höhen von zum Teil mehr als 7,40 m über Grund genehmigt worden, nicht. Denn die Masse eines Vorhabens entfaltet in der Regel keine erdrückende Wirkung. Das anzunehmen kommt nur in Ausnahmefällen, und zwar dann erst in Betracht, wenn die genehmigte Anlage das Nachbargrundstück regelrecht abriegelt, das heißt dort ein Gefühl des Eingemauertseins oder eine Gefängnishofsituation hervorruft (Senatsbeschl. v. 15.1.2007 - 1 ME 80/07 -, BRS 71 Nr. 88 = NdsVBl 2007, 248 = juris Rn. 13 m.w.N. zur Senatsrechtsprechung). Dies ist hier ersichtlich nicht der Fall. Zudem werden durch das Vorhaben keine unzumutbaren Einsichtnahmemöglichkeiten geschaffen.

Schließlich dringt der Antragsteller mit seinem Einwand, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass die Bauvorlagen fehlerhaft seien, nicht durch. Denn das Verwaltungsgericht hat - selbstständig tragend - auch darauf abgestellt, dass daraus für den Antragsteller keine günstigere Entscheidung folge, da eine hieraus folgende Verletzung subjektiver Rechte weder ersichtlich noch geltend gemacht worden sei. Dem ist der Antragsteller nicht in einer den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügenden Weise entgegengetreten.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Zu berücksichtigen ist, dass der Antragsteller nicht nur - wie vom Verwaltungsgericht unter Verweis auf Nr. 8 b) der Streitwertannahmen des Senats in der bis zum 31. Mai 2021 geltenden Fassung (NdsVBl. 2002, 192) angenommen - eine Beeinträchtigung einzelner Räumlichkeiten, sondern seines Sondereigentums und des Gemeinschaftseigentums insgesamt geltend macht. In Anlehnung an den Beschluss des Senats vom 21. Juli 2020 (- 1 OA 52/20 -, NVwZ-RR, 2020, 1047 = juris) ist daher von einem Hauptsachestreitwert von 7.500 EUR pro betroffene Wohnung auszugehen, mithin bei insgesamt vier Wohneinheiten von einem Hauptsachestreitwert von 30.000 EUR. Im Hinblick auf Nr. 18 b) der Streitwertannahmen, nach der für vorläufige Regelungen regelmäßig die Hälfte des Streitwertes im Verfahren zur Hauptsache anzusetzen ist, ergibt sich für das der Beschwerde zugrundeliegende Verfahren nach § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO ein Wert des Streitgegenstandes in Höhe von 15.000 EUR (1/2 x 4 x 7.500,00 EUR). Die Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts war deshalb gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG von Amts wegen zu ändern.

Dagegen rechtfertigen die von dem Antragsteller in seiner Beschwerdeschrift dargelegten Gründe keine höhere Streitwertfestsetzung. Soweit er darauf abgestellt, dass die durch die Baulast betroffene Fläche 80 m² betrage, was zu einer Grundstückswertreduzierung von geschätzt 32.000 EUR führe, übersieht er, dass Streitgegenstand vorliegend nicht die Baulast, sondern die Verlängerung der Baugenehmigung vom 23. März 2016 durch Bescheid vom 22. Mai 2020 ist.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).