Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 08.05.2019, Az.: 4 LA 277/18

Bestimmtheit; Bestimmtheitsgrundsatz; Festsetzungsbescheid; Leistungsbescheid; Mahngebühr; Mahnung; Pfändungs- und Einziehungsverfügung; Rundfunkbeitrag; Rundfunkbeitragsfestsetzungsbescheid; Vollstreckung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
08.05.2019
Aktenzeichen
4 LA 277/18
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2019, 70104
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 02.10.2018 - AZ: 4 A 1635/17

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung ist hinreichend bestimmt, wenn sie den Schuldgrund der vollstreckbaren Forderung konkret angibt. Bei der Vollstreckung rückständiger Rundfunkbeiträge ist dem Bestimmtheitsgrundsatz grundsätzlich genügt, wenn sich aus der Pfändungs- und Einziehungsverfügung ergibt, für welchen Zeitraum Rundfunkbeiträge gefordert werden. Die Angabe des Rundfunkbeitragsfestsetzungsbescheides, der vollstreckt wird, ist nicht erforderlich.

2. Die Gebühr für eine Mahnung nach § 4 Abs. 1 NVwVG ist keine Nebenforderung im Sinne des § 3 Abs. 2 NVwVG.

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade - Einzelrichterin der 4. Kammer - vom 2. Oktober 2018 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die nicht erstattungsfähig sind.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 290,23 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil zuzulassen, ist unbegründet. Denn die von dem Kläger geltend gemachten Berufungszulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2, 3 und 5 VwGO liegen nicht vor bzw. sind nicht den Maßgaben des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt worden.

Ernstliche Richtigkeitszweifel an dem erstinstanzlichen Urteil im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO folgen nicht aus dem Einwand des Klägers, dass das Verwaltungsgericht von unrichtigen Tatsachen ausgegangen sei. Entgegen der Ausführung des Klägers hat das Verwaltungsgericht in seinem Urteil nicht angenommen, dass der Festsetzungsbescheid des NDR vom 2. Mai 2016 einen Hinweis auf die vom Kläger zu entrichtende Mahngebühr enthält. Vielmehr ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass dieser Hinweis in dem Mahnschreiben des NDR vom 4. November 2016 enthalten ist.

Ernstliche Richtigkeitszweifel ergeben sich auch nicht daraus, dass es „keine gesetzl. Grdl. f. Mahngeb. seitens des NDR“ gibt. Wie das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf den Senatsbeschluss vom 20. November 2017 (- 4 ME 285/17 -) zutreffend festgestellt hat, stützt sich die Kostenerhebung für die nach § 4 NVwVG notwendige Mahnung auf § 67 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 NVwVG i. V. m. § 2 VwVKostVO. Dem Einwand des Klägers, dass das Niedersächsische Verwaltungsvollstreckungsgesetz für den NDR nicht gelte, ist nicht zu folgen. Der Kläger geht davon aus, dass nur die Vollstreckungsbehörde und nicht der NDR als Vollstreckungsgläubiger Amtshandlungen nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz vornehmen dürfe und dass daher § 67 Abs. 1 Satz 1 NVwVG nur die Vollstreckungsbehörde zur Erhebung von Mahngebühren berechtige. Diese Annahme ist irrig. Die Vollstreckungsbehörde ist nicht für die Mahnung zuständig. Denn aus §§ 3 Abs. 1 Nr. 3, 4 NVwVG geht hervor, dass die Mahnung eine Voraussetzung für die Vollstreckung ist, welche vorliegen muss, bevor die Vollstreckungsbehörde die Vollstreckung durchführt. Daher hat – wie es vorliegend auch geschehen ist – der Vollstreckungsgläubiger (bzw. die ihn vertretende Behörde, vgl. § 5 NVwVG) für die Mahnung zu sorgen und nicht die Vollstreckungsbehörde (vgl. für § 3 Abs. 3 VwVG: Sadler, VwVG, VwZG, 9. Aufl. 2014, § 3 VwVG Rn. 64). Dies wird auch durch § 4 Abs. 1 Satz 2 NVwVG gestützt, wonach die Mahnung die Vollstreckungsbehörde bezeichnen muss. Einer solchen Regelung bedürfte es nicht, wenn die Vollstreckungsbehörde selbst für die Mahnung zuständig wäre. Aus dem vom Kläger in Anspruch genommenen § 67 Abs. 1 Satz 1 NVwVG ergibt sich ferner nicht, dass lediglich die Vollstreckungsbehörde Kosten für von ihr durchgeführte Amtshandlungen erheben darf. § 67 Abs. 1 Satz 1 NVwVG umfasst vielmehr jede Amtshandlung, die nach dem ersten Teil durchgeführt wird, also auch die dort geregelte Mahnung. § 67 Abs. 1 Satz 2 NVwVG bestimmt, dass Kostengläubiger für nach diesem Gesetz vorgenommene Amtshandlungen der Rechtsträger ist, dessen Behörde die Amtshandlung vornimmt. Eine Beschränkung auf die Vollstreckungsbehörden nach § 6 NVwKG ist dieser Vorschrift nicht zu entnehmen. Da der NDR demnach als Vollstreckungsgläubiger für die Mahnung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 NVwVG zuständig war, durfte er auch gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 NVwVG i. V. m. § 2 VwVKostVO eine Mahngebühr erheben.

Auf die mögliche Erhebung einer Mahngebühr brauchte entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht im Leistungsbescheid hingewiesen zu werden, weil Mahngebühren nicht zu den Nebenforderungen im Sinne des § 3 Abs. 2 NVwVG gehören. Damit sind nur solche Nebenforderungen gemeint, die zu der mit dem Leistungsbescheid festgesetzten Hauptforderung gehören, und nicht solche, die aufgrund von Amtshandlungen nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz, zu denen die Mahnung nach § 4 NVwVG zählt, erst entstehen.

Auch die Ausführungen des Klägers zur fehlenden Bestimmtheit der Pfändungs- und Einziehungsverfügung begründen keine ernsthaften Richtigkeitszweifel am erstinstanzlichen Urteil. Der Senat hält an seiner im Senatsbeschluss vom 20. November 2017 (- 4 ME 285/17 -) geäußerten Auffassung fest. Die Pfändungsverfügung muss in Grundzügen die der Vollstreckung zugrundeliegende Forderung oder Forderungsgesamtheit erkennen lassen (BFH, Urt. v. 18.7.2000 - VII R 101/98 -, NVwZ-RR 2001, 629, 630). Der Bestimmtheitsgrundsatz erfordert die konkrete Angabe des Schuldgrundes der vollstreckbaren Forderung. Diese Anforderung erfüllt die streitgegenständliche Pfändungs- und Überweisungsverfügung, weil sie ausreichende Angaben zum Schuldgrund (Rundfunkbeiträge Januar 2015 bis März 2016) enthält. Der allgemeine Bestimmtheitsgrundsatz erfordert keine darüber hinaus gehenden Angaben, insbesondere fordert er nicht die Bezeichnung des zu vollstreckenden Leistungsbescheides, weil dieser nicht Schuldgrund der Beitragsforderung des NDR als Vollstreckungsgläubiger gegen den Kläger ist, sondern lediglich der Vollstreckungstitel. Die Rundfunkbeitragsforderung, wegen der aufgrund des Leistungsbescheides vollstreckt wird, ist nämlich nicht durch den Leistungsbescheid vom 2. Mai 2016 entstanden, sondern aufgrund von § 7 Abs. 1 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV) mit dem Ersten des Monats, in dem der Kläger als Beitragsschuldner seine Wohnung innehatte. Diese Forderung wird auch nicht erst aufgrund des Leistungsbescheides konkretisiert oder fällig, sondern ist nach § 7 Abs. 3 RBStV monatlich geschuldet und in der Mitte eines Dreimonatszeitraums für jeweils drei Monate zu leisten. Sofern andere Verwaltungsgerichte für eine hinreichend bestimmte Pfändungs- und Überweisungsverfügung wegen rückständiger Rundfunkbeiträge die Angabe des Leistungsbescheides fordern (vgl. Schleswig-Holsteinisches VG, Beschl. v. 23.3.2017 - 4 B 38/17 -), folgt der Senat dieser Auffassung nicht. Im Übrigen ist es dem Kläger aufgrund der Bezeichnung des Schuldgrundes in der angegriffenen Pfändungs- und Einziehungsverfügung (Rundfunkbeiträge Januar 2015 bis März 2016) ohne weiteres möglich, den dazugehörigen Leistungsbescheid zu ermitteln.

Der weitere Einwand des Klägers, die Pfändung- und Einziehungsverfügung sei rechtswidrig, weil die Beklagte als Vollstreckungsbehörde versäumt habe, dem Vollstreckungsgläubiger die gepfändete Forderung zur Einziehung zu überweisen, begründet ernstliche Richtigkeitszweifel ebenfalls nicht. Aus dem vom Kläger benannten Versäumnis folgt allenfalls, dass eine Einziehungsverfügung im Sinne des § 50 Abs. 1 Satz 1 NVwVG über die dem NDR zustehende Hauptforderung inklusive Säumniszuschlag und Mahngebühr nicht erlassen worden ist. Wie dieser Einwand allerdings ernstliche Richtigkeitszweifel am Urteil des Verwaltungsgerichts begründen soll, erschließt sich dem Senat nicht.

Die Ausführungen des Klägers zum Berufungszulassungsgrund der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genügen bereits nicht den Darlegungsanforderungen. Die nur eingeschränkt sachlich formulierten Einwände des Klägers lassen zwar erkennen, dass er mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts der Sache nach nicht übereinstimmt. Wieso sich daraus besondere Schwierigkeiten der Rechtssache ergeben sollen, ist seinem Vorbringen allerdings nicht zu entnehmen.

Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VVwGO) liegt nicht vor. Der von dem Kläger aufgeworfenen Frage, ob „wg. des Gebots der inhaltlich hinr. Bestimmtheit eines VA in einer PfEV der zu vollstreckende Leistungsbescheid anzugeben ist“, kommt deshalb keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil sie nicht klärungsbedürftig ist. Sie ist vielmehr in der Rechtsprechung des Senats (Senatsbeschl. v. 20. November 2017 - 4 ME 285/17 -) bereits geklärt.

Schließlich folgt aus dem Umstand, dass das Verwaltungsgericht die Auffassung des Klägers zur fehlenden gesetzlichen Grundlage zum Erheben von Mahngebühren durch den NDR nicht ausdrücklich in seinem Urteil erwähnt hat, keine Verletzung rechtlichen Gehörs. Denn besondere Anhaltspunkte dafür, dass das Verwaltungsgericht diesen Vortrag des Klägers nicht zur Kenntnis genommen hat, sind nicht ersichtlich. Sie ergeben sich auch nicht daraus, dass das Verwaltungsgericht dieser Auffassung des Klägers, die offensichtlich irrig ist, nicht gefolgt ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2. 162 Abs. 3 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).